1 t und Brauch. Schönwald

Transkrypt

1 t und Brauch. Schönwald
MUZEUM GÖRNOSLASKIE
W BYTOM IU
1
ff U i
t und Brauch.
Volkskundliche Arbeiten
namens der Schlesischen Gesellschaft für Volkskunde
in zwanglosen Heften herausgegeben
von
Prof. Dr. Theodor Siebs
Prof. Dr. Max Hippe
ord. Professor an der U niversität Breslau
D irektor der S tadtbibliothek in Breslau
10. H e f t
Schönwald
Beiträge
zur Volkskunde und Geschichte eines deutschen Dorfes
im polnischen Oberschlesien
von
Konrad Grusinde
Breslau
V e r l a g von M. & H. Marcus
1912
D i e Sammlung von Arbeiten, die wir unter dem Titel „ W o rt
und B ra u c h “ herausgeben, soll einen Rahmen bilden für umfang­
reichere, dem Gebiete der Volkskunde angehörende, wissenschaftliche
Untersuchungen, gleichviel ob dieselben aus unserer Gesellschaft oder
anderen in gleicher Richtung arbeitenden Kreisen hervorgehen.
„ W o rt und B ra u c h “ wird daher nicht nur Arbeiten, welche
schlesische Dinge behandeln, Aufnahme gewähren, sondern allen Bei­
trägen offen stellen, die ihren Gegenstand aus dem weiten Gebiete der
Volkskunde überhaupt entnehmen.
Der Titel „ W o rt und B ra u c h “ ist kein Programm. Er soll
nicht den Inhalt der neuen Serie auf ein bestimmtes Teilgebiet der
Volkskunde beschränken, sondern lediglich ein kurzes charakteristisches
Kennwort der Sammlung sein.
D ie H e ra u sg eb er
B is h e r s in d f o lg e n d e H e f te e r s c h ie n e n :
1. Reichert, Hermann: Die deutschen Familiennamen nach Breslauer Quellen
des 13. u. 14. J a h r h u n d e r t s .........................................
. . .
6,40 M.
2. Jaeschke, Erich: Lateinisch-romanisches Fremdwörterbuch der schlesischen
M u n d a rt.......................................................................................
. 5,60 M.
3. von U nw erth, W olf: Die schlesische Mundart, in ihren Lautverhältnissen
grammatisch und geographisch dargestellt. Mit zwei Karten . 3,60 M .
4. Bohn, Em il: Die Nationalhymnen der europäischen Völker. Mit Noten­
beilage ................................................................................................. 2,40 31.
5. de W y l, K arl: Rübezahl-Forschungen. Die Schriften des M. Johannes Prät o r i u s .......................................................................................................6,60 M.
6 . Jiirgensen, Wilhelm: Martinslieder.
Untersuchung und Texte . . 5,60 M.
7. Gusinde, Konrad: Eine vergessene deutsche Sprachinsel im polnischen Ober­
schlesien [Die Mundart von Schönwald bei Gleiwitz] . . . .
8,— M.
8. Kondziella, Franz: Volkstümliche Sitten und Bräuche im mittelhochdeutschen
Volksepos. Mit vergleichenden A n m e r k u n g e n ..........................7,20 M.
9. Schönborn, Theodor: Das Pronomen in der schlesischen M undart . 3,60 M.
Arbeitsgemeinschaft
fr
fü r
oberschleslsch e Volkskunde.
Schönwald
Beiträge zur Volkskunde und G eschichte eines deutschen Dorfes
im polnischen Oberschlesien
von
K o n r a d G u s in d e
Wort und Brauch
Volkskundliche Arbeiten
nam ens der S ch lesisch en G esellschaft für Volkskunde
in zw anglosen H eften herausgegeben
von
Prof. Dr. Theodor Siebs
Prof. Dr. Max Kippe
ord. Professor an der Universität Breslau
Direktor der Stadtbibliothek in Breslau
10. Heft
Schönwald
Beiträge zur Volkskunde und G eschichte eines deutschen Dorfes
im polnischen Oberschlesien.
von
Konrad Gusinde
Breslau
V e rla g von M. & H. M arcus
1912
Schönwald
Beiträge zur Volkskunde und Geschichte
eines deutschen Dorfes
im
polnischen Oberschlesien
von
K on rad G u sin d e ,______ _
lA rb e its g e£
obcrsct»'
Breslau
V e rla g von M. & H. M arcus
A lle R e c h te V o r b e h a lte n
Vorwort
üf minen sanc
ahtent hie die Walhe niht:
so uol dir, diutschiu xunge!
N it h a r t v o n R im v e n ta l.
Ich habe in meiner vor anderthalb Jahren erschienenen Ab­
handlung (vgl. S. 71 Anm. 29) lediglich eine s p ra c h lic h e Unter­
suchung geben wollen und deshalb das sonst irgendwie Merkwürdige
beiseite gelassen. Die Arbeit, die ich heute vorlege, behandelt vor
allem das Volkskundliche. Die Ausbeute an volkskundlichem Gute
war übrigens geringer, als ich gehofft hatte. Trotzdem findet sich
unter dem, was ich erfahren habe, manches Eigenartige. Ich bilde
mir nicht ein, eine erschöpfende Darstellung zu geben, und ich
werde für jede Ergänzung dankbar sein. — Eine zusammenhängende
Geschichte des Dorfes Schönwald zu liefern, war von vornherein
nicht meine Absicht. Dennoch schienen mir einzelne geschichtliche
Ereignisse der Behandlung wert zu sein, die zur Beurteilung von
Leuten und Verhältnissen dienen können.
Die Namen F la s c h a , K w asniok, C iupke, N en tw ig , G erla ch
habe ich in der sprachlichen Untersuchung bereits dankbar ge­
nannt, und ich muß es heute ebenso tun. Außerdem gedenke ich
der freundlichen Hilfe des Herrn Amtsvorstehers K o tits c h k e in
Matheshof und des Herrn Oberlandmessers W a rlo in Gleiwitz.
Herr Diözesanarchivdirektor Professor Dr. J u n g n it z und die
Herren vom Kgl. Staatsarchive haben mich allezeit bereitwillig
unterstützt. Herrn stud. pliil. J a n e a k und Herrn Universitäts­
professor Dr. Di eis verdanke ich die Übersetzung mehrerer
tschechischer Urkunden.
Sollte die vorliegende Arbeit sachlich und wissenschaftlich
sein, so mußte ich, bei aller Hochachtung vor der nationalen Wider­
standskraft der Schönwälder, die übrigens geringen Schattenseiten
ebenfalls anführen.
Trotz alledem hoffe ich, für das wackere
Dorf, für seine Sprache und seine Eigenart, verdiente Aufmerk­
samkeit zu erwecken.
z. Z. E a v e n n a , zu Beginn des Weinmonds 1912
Konrad Gusinde.
Inhalt
Seite
Die E inw anderung deutscher S iedler nach S c h le s ie n ..........................I
Die G ründung yon S c h ö n w a l d ...................................................................4
D o rf und F e l d m a r k ........................................................................................ 7
Die L eute, Ih re Sprache und ih re N a m e n ............................................... 14
Die T r a c h t ............................................................................................................ 18
S itte , B rauch und S p i e l .................................................................................. 25
H ochzeitsgebräuche...................................................................
. . 25
S p in n e n ........................................................................................................35
Tod und Begräbnis
..............................................................................38
Sonstige B r ä u c h e ...................................................................................36
Tanz und S p i e l ........................................................................................41
K i n d e r v e r s e ............................................................................................. 43
Aus Schönwalds G e s c h i c h t e .........................................................................47
Der
Der
Die
Die
Die
Streit ums O bergericht................................................................... 48
B ierk rieg ............................................................................................. 51
U rb a r e ..................................................................................................52
S c h u le .................................................................................................. 59
K irc h e .................................................................................................. 61
A n m e rk u n g e n .......................................................................................................G8
Zur Lautbezeichnung
vgl. G u s in d e , Sprachinsel S. 1 f. und S ie b s , Deutsche Bühnenaus­
sprache, 10. Aufl. 1912 S. 29 ff.
Unbezeichnete V o k a le sind kurz und offen; die langen werden durch
bezeichnet. Ein Punkt unter einem Vokale bezeichnet ihn als geschlossen,
ein Haken als offen. Es liegt also e dem i, o dem u nahe; a ist palatales,
dem e sich näherndes a, e, ö entsprechen dem Vokale in See und Kohl,
und q demjenigen in Ähre und engl, water, sehles. mqn (Mann), e steh t'in
der Mitte zwischen e und
e ist gemurmeltes e, etwa wie in der Endung
von Ritter. 0 bedeutet nach 'einem e, q oder q, daß der lange, offene Vokal
am Ende einen a-, e- oder i- Klang annimmt, je nach dem ursprünglichen
Charakter der folgenden Silbe, lqode, h^smer, tseola, meole (Lade, Hammer,
zählen, Mühle) wären also genauer l^ d e, hijainer, ts^ila, meile zu schreiben'.
Doppellaute (Diphthonge) werden nach ihren Bestandteilen bezeichnet (ai, au,
oi, üo, ie).
Unbezeichnete K o n s o n a n t e n geben den bühnendeutschen Lautwert
wieder, nur p, t, k sind unbehaucht; k wird nur im Anlaut schwach behaucht,
eh bezeichnet den aeft-Laut, eh den wA-Laut. s ist stimmlos, wie in was,
f ist stimmhaft, wie in sehen, s klingt wie der Anlaut in schön, f wie der
in Jalousie. — b ist der velare Nasal wie in lange. 11 wird weiter rück­
wärts als n, am harten Gaumen gebildet; » weiter vorwärts als u. Dasselbe
gilt von t ‘, d‘ einerseits und von k', g' anderseits. .-r ist ungerolltes Zungen­
spitzen -r; r ist ein in unbetonter Silbe ganz schwach gebildetes, fast
vokalisches r. 1 ist silbisches 1.
Die Einwanderung deutscher Siedler
nach Schlesien
Bis zur Völkerwanderung war Schlesien germanisches Land.
Hier wohnten die Lugier und Silinge, die zum Stamme der Van­
dalen gehörten, mit denen sie zur Völkerwanderungszeit aus der
Heimat fort, ihrem Untergange entgegenzogen. In das freige­
wordene Gebiet rückten nun von Osten her Slaven ein, und im
6. Jahrhundert ist das Land vollständig in der Hand von Wenden
und Polen. Ums Jahr 1000 erinnert nur noch der Name des
Landes um den Zobtenberg, pagus Silensis, poln. Slenzane1, und
der des Zobtenberges selbst, Slenz, an die früheren germanischen
Bewohner, die Silinge.
Der dichte Wald und die Höhen waren unbewohnt. In der
waldlosen Ebene lebten kümmerlich kleine polnische Siedelungen;
mit unvollkommenen Ackerwerkzeugen bearbeitete man notdürftig
die Bodenkrume. Man kannte bloß den streichbrettlosen Haken,
der nur wenige Zoll tief den Boden aufritzen konnte, während der
schwere Räderpflug der Deutschen mit dem Streichbrett das Land
in breiter, tiefer Furche aufwarf. „Ohne Bebauer lag das wald­
reiche Land da, und das polnische Volk war arm, wenig arbeitsam,
zog im Sande seine Furchen mit hölzernen, eisenlosen Haken und
konnte nur mit zwei Kühen oder Ochsen pflügen. Keine Gemeinde,
keine Stadt gab es im L a n d e ................. Jenes Volk hatte nicht
Salz, nicht Eisen, keine Metallmünzen, keine guten Kleider, nicht
einmal Schuhe; es weidete nur sein Vieh.“ So zeichnet ein Leubuser Mönch die Zustände2, wie sie die ersten deutschen Ein­
wanderer vorfanden. Denn schon hatte eine neue Bewegung be­
gonnen. Deutsche Siedler wandten sich ostwärts über die Elbe
und Saale, die im 10. Jahrhundert ungefähr die Sprachgrenze
bildeten. Die politische Eroberung ging voran, die kulturelle
G u s i n d e , Schönwald
1
2
folgte. Mit Pflug, Axt und Spaten drangen die deutschen Ein­
wanderer Schritt für Schritt nach Osten vor und gewannen bald
den größten Teil des von den Germanen einst aufgegebenen Landes
zurück. Es ist dies die großartigste friedliche Eroberung, die
Deutsche jemals vollbracht hahen, noch dazu ohne Reichshilfe.
Um 1200 etwa beginnt die Kolonisierung Schlesiens; besonders
bald nach dem Mongoleneinfall werden allenthalben im heutigen
Mittel- und Niederschlesien deutsche Dörfer und Städte gegründet.
In wenig Jahrzehnten war der größte Teil unserer Heimatsprovinz
zu deutschem Lande geworden.
Die Trennung von Polen 1163 entzog Schlesien dem polnischen
Einflüsse und machte Land und Fürsten deutscher Einwirkung
um so zugänglicher. Die schlesischen Piasten lebten zum Teil
jahrelang in Deutschland, heirateten deutsche Prinzessinnen und
nahmen regen Anteil am deutschen Geistesleben. Heinrich IV.
von Schlesien hat sich sogar unter den deutschen Minnesingern
einen ehrenvollen Namen gemacht. Die schlesischen Fürsten hatten
also die Vorzüge deutscher Arbeit kennen lernen können. Und
wirtschaftliche Erwägungen waren es gerade, was sie veranlaßte,
die deutschen Bauern und Handwerker ins Land zu rufen. Die
Deutschen waren bessere Arbeiter mit besseren Werkzeugen; sie
siedelten sich im Waldlande an, das die Slaven mieden, und machten
es urbar; an Stelle der Naturalwirtschaft und des Tauschhandels
setzten sie die Geldwirtschaft; kurz, die deutsche Arbeit war er­
giebiger und erschien darum auch den weitblickenden Fürsten
trotz aller Vorrechte, die sie den Ankömmlingen einräumten, vor­
teilhafter. Die Steigerung der landesherrlichen Einkünfte war also
ausschlaggebend. — Den Anteil, den die Klöster an der Germanisierung Schlesiens gehabt haben, hat man meistens überschätzt.
Als Vermittler haben sie eine nicht unbedeutende Rolle gespielt3;
die eigentlichen Veranlasser und Förderer der Kolonisation waren
aber die Piastenherzöge, die ihr Land für die neuen Siedler her­
gaben. Hauptsächlich waren es Thüringer und Ostfranken, die
sich nach Schlesien wandten. Übervölkerung, Erschwerung der
Lebensverhältnisse in der Heimat, angeborene Wander- und
Abenteuerlust und die, vor allem zu Anfang, außerordentlich
günstigen Bedingungen für den Landerwerb trieben sie an, sich
im Osten eine neue Heimat zu suchen.
3
Die Ansiedlung vermittelte gewöhnlich ein Unternehmer.
Hatte der mit dem Grundherrn den Vertrag geschlossen und der
Herzog die Einwilligung gegeben, so wurden an einer Straße,
die möglichst einem Flußlaufe folgte, zu beiden Seiten die Ge­
höfte angelegt; hinter jedem Gehöfte erstreckte sich das Feld des
einzelnen in langen Streifen bis zur Gemarkungsgrenze. Der Unter­
nehmer wurde Schulze und bekam eine Reihe Vorrechte, wie die
Fieiheit von Zins und Zehnt, eine Mühle, den Kretscham, oft auch
eine Fleisch-, Schuh- und Brotbank, die Schmiede, Fischerei, Jagd
und Zeidlerei, ferner die niedere Gerichtsbarbeit und von den
Gerichtsgeldern den dritten Pfennig, während die obere Gerichts­
barkeit sich der Herzog vorbeliielt. Schließlich bekam der Schulze
noch mehrere Freihufen, meist den 6. bis 10. Teil aller zur Dorf­
mark gehörigen Hufen, während die Siedler nach einer Reihe von
Freijahren Zins und Zehnt zu leisten hatten. Den polnischen Be­
wohnern des Landes gegenüber hatten sie mannigfache Vorteile.
Vor allem waren sie persönlich frei, besaßen ihre Stelle erblich
und unterstanden nicht der von den Kastellanen ausgeübten
polnischen Gerichtsbarkeit.
Nach Wladislaus’ II. Tode (1159) hatten seine Söhne Schlesien
so unter sich geteilt, daß der mit dem staufischen Kaiserhause
eng verwandte Boleslaus I. Mittel-, Mesko [Miecislaus] I. Ober­
und. Konrad Niederschlesien bekam, das nach Konrads Tode [er
starb als Bischof von Bamberg] mit Mittelschlesien vereinigt wurde.
Doch gab es noch mehrfach harten Streit, bis schließlich 1202
eine endgültige Teilung vorgenommen wurde. Der Sohn Boleslaus’ I.,
Heinrich I., der Gemahl der heiligen Hedwig, erhielt Niederschlesien.
Darunter verstand man unser heutiges Mittel- und Niederschlesien
samt Rosenberg, Pitschen, Kreuzburg, Konstadt, Krossen und
Lebus. Sein Oheim Mesko bekam 1000 Mark Silber und Ober­
schlesien [Oppeln, Ratibor, Pleß, Teschen, Beuthen, Auschwitz,
Zator und Siewierz]. Er nannte sich Herzog von Oppeln. Die
gegenseitige Erbfolge der beiden Fürstenhäuser ward aufgehoben.
Damit war Oberschlesien auf lange vom übrigen Schlesien ge­
schieden.
Zwischen den so politisch getrennten Gebieten hatte auch die
Natur eine Scheide geschaffen. Ein dichter, breiter Grenzwald
zog sich im S. und 0. um das eigentliche, das Oppelner Land
1*
4
ausschließende Schlesien herum, der zugleich die Grenze gegen
Böhmen und Mähren bildete4. Er ging an der Neißemündung
über die Oder und trennte weiter nach NO. das Pitschener vom
Namslauer Lande. Aber den Zug deutscher Siedler konnte er
nicht aulhalten. Bald regte sich auch in Oberschlesien deutsches
Leben, das allerdings zum größten Teil bald wieder verkümmerte,
weil ihm auf die Dauer nicht so günstige Lebensbedingungen beschieden waren wie im übrigen Schlesien5.
Die Gründung von Schönwald
Der Herzog Wladislaus von Oppeln, Enkel Meskos I., hatte
1252 das Kloster Bauden gegründet und ihm in einer Urkunde
vom 21. Oktober 1258 ganz bedeutende Vorrechte verliehen6. Er
selbst nannte es nach seinem Namen Wladislauskloster, bald aber
wurde es nach dem Flusse, an dem es lag, Rudakloster genannt.
Die Mönche kamen mit Bewilligung des Bischofs Thomas von
Breslau aus Andreow bei Krakau7. Die Untertanen des Stiftes
brauchten keine Heeresfolge zu leisten und waren aller Verpflichtung
zum Bau oder zum Ausbessern einer Burg ledig. Sie waren frei
von der Gerichtsbarkeit der Kastellane, nur der Herzog durfte
sie zur Verantwortung ziehen. Das Bußgeld erhielt unverkürzt
der Abt. Der zu Stanitz sitzende Richter des Klosters übte die
Gerichtsbarkeit aus; ihm wurden als Symbol Schild, Stab, Eisen
und Wasser verliehen. Das Kloster erhielt ferner auf seinem Grund
und Boden Jagdrechte und eine Reihe anderer Vorrechte und
Leistungen von seiten seiner Untertanen, die sonst dem Fürsten
zustanden. Bischof Thomas von Breslau bewilligte am 5. Septem­
ber 1261 dem Kloster noch den dem Bischöfe zustehenden Neubruchzehnten.
Nun war ein reicher Grundbesitz vorhanden, aber es fehlte
an Bebauern. Die umwohnenden Polen waren für die Kolonisation
ungeeignet. So wurden die Raudener geradezu gedrängt, deutsche
Bauern heranzuziehen. Abt Peter wandte sich an den Palatin
Mrocco8 von Oppeln, der m it Erlaubnis des Herzogs Wladislaus
im Jahre 1263 das Gut Stanitz und 100 große Huben des Waldes
Boycou übernahm, um sie mit guten Leuten zu besetzen. Die auf
5
diesem Grund und Boden auszusetzenden Dörfer sollten nach Ab­
lauf der üblichen Freijahre den Zins dem Mrocco zahlen, den
Zehnten dem Abte, dem nach dem Tode des Palatins auch der
Zins zufallen sollte. — Gewöhnlich verhandelte der Grundherr
unmittelbar mit einem Unternehmer, der dann die nötigen Siedler
zu besorgen hatte [s. S. 3]. Hier vermittelte ausnahmsweise ein
Dritter die Aussetzung. Die Durchführung des Mroccoschen Planes
verzögerte sich. Erst am 6. März 1269 gibt Mrocco im Einver­
ständnis mit dem Herzog Wladislaus von Oppeln und dem Abte
von Räuden einem gewissen Heinrich 50 große Huben von dem
bereits dem Kloster versprochenen Walde Boycouo, um sie nach
fränkischem Rechte zu besiedeln. Des Herzogs Richter Lociborius
und sein Feldmesser Gregorius maßen die Gemarkung ab. Eine
Hufe wurde für die Viehtrift, eine als Kirchenhufe bestimmt. Der
Aussetzer Heinrich bekam die sechste Hufe frei, dazu den Schank,
eine Mühle an der Klodnitz, eine Brot- und Fleischbank, d. h. das
Recht, Brot zu backen und zu schlachten, und ein Drittel vom
Gericlitsgelde. Den anzusiedelnden Bauern wurden fünfzehn Frei­
jahre gewährt, nach deren Ablauf sollte jeder dem Mrocco einen
Silbervierdung9, 2 Scheffel Weizen, 2 Scheffel Gerste und 2 Scheffel
Hafer zahlen und an das Kloster als Zehnten einen Silbervierdung.
Der Aussetzer bekam auch Schwert und Stab als Zeichen der Ge­
richtsbarkeit mit all den Vorrechten, wie sie die Raudener Mönche
auf allen ihren Dörfern haben. Kein Richter, außer dem Grund­
herren, sollte über ihm sein, und seine Nachkommen sollten ihm
nach dem Erbrecht in all diesen Gerechtsamen folgen.
Der Name des Ortes wird in dieser Urkunde zwar nicht ge­
nannt. Es ist aber so gut wie sicher, daß sie sich auf Schönwald
bezieht, weil in der Bestätigungsurkunde von 1283 die Mühle an
der Klodnitz ausdrücklich als zu Schönwald gehörig genannt wird,
und weil obendrein in der Bestätigung alter Urkunden durch
Kaiser Leopold vom Jahre 1660 die beiden Urkunden von 1269
und 1283 unmittelbar hintereinander folgen10.
Daß unser Dorf im W alde11 angelegt worden ist, macht schon
sein Name wahrscheinlich. Damit hängt es auch zusammen, daß
die Gemarkung nach fränkischen Hufen abgemessen wurde. Die
fränkische Hufe war etwa doppelt so groß wie die flämische und
betrug etwa 140— 150 Morgen12. Sie war bei Aufteilung von
6
Unland odei Waldland das Übliche, und der größeren Schwierig­
keit bei der Urbarmachung entsprachen dann auch mehr Freijahre.
Nach der flämischen Hufe13 wurde dagegen das Feld im Baulande
oder im leichter urbar zu machenden Gelände ausgemessen. Ihr
wurden auch beträchtlich weniger Freijahre zugebilligt. Die
Aussetzungsurkunde von 1269 wird unterm 25. April 1283 vom
Herzog Kasimir von Oppeln und Kosel, dem Sohne Wladislaus’,
bestätigt. Hier erscheint zum ersten Male der Name des Dorfes
als Scuenevaldeu . In dieser Bestätigungsurkunde werden dem
Raudener Kloster in Schönwald dieselben Freiheiten und Ver­
günstigungen gewährt, wie sie ihm im Dorfe Stanitz (Kr. Ratibor)
zustehn.
Wie Schönwald, so hatten von den dem Kloster gehörigen
Dörfern Stanitz und Dobroslawitz deutsches Recht, ebenso DeutschZernitz, das 1283 durch Tausch gegen das im Kreise Pleß ge­
legene Woschczütz ans Kloster gekommen w ar15. Mag die Aus­
setzung nach deutschem Rechte zunächst auch nur eine rein recht­
liche Bestimmung sein, aus der noch nicht unbedingt auf deutsche
Nationalität der Besiedler geschlossen werden kann, so darf man
doch mindestens für Stanitz und Deutsch-Zernitz deutsche Be­
siedlung annehmen. Denn Mrocco will 1263 die 100 großen
Hufen im Walde Boycou und das Gut in Stanitz „mit guten Leuten“
besetzen, also mit geeigneten Siedlern von auswärts, und da kommen
wohl nach Lage der Verhältnisse nur Deutsche in Betracht. Dazu
kommt, daß hier Stanitz in engster Verbindung mit dem Gebiete
des späteren Dorfes Schönwald genannt wird. Und in DeutschZemitz läßt uns die Ortsbezeichnung selbst und der deutsche
Name des Unternehmers darauf schließen, daß er Deutsche ange­
siedelt hat. Deutsch-Zernitz16 hat übrigens als einziges Dorf neben
Schönwald, im Gegensatz zu ändern Raudener Stiftsdörfern, bis zur
Klosteraufhebung 1810 nur freie erbliche Bewohner gehabt. Und
m Laufe der Geschichte erscheint dies Dorf immer wieder in
engster Verbindung mit Schönwald, wo sich übrigens bis heute
bei den Bewohnern die Erinnerung an den einst deutschen Charakter
von Deutsch-Zernitz bewahrt hat. Doch, von Schönwald abgesehen,
ist ringsum das Deutschtum früh wieder verloren gegangen. Man
bequemte sich in Sprache und Sitte der polnischen Umgebung an.
Am Kloster fanden die deutschen Siedler für die Erhaltung ihres
7
Volkstums nicht den geringsten Rückhalt. Sie waren ja nicht aus
nationalen Rücksichten herbeigerufen worden, sondern aus wirt­
schaftlichen Erwägungen [s. S. 2 u. 4 f.]. In „Niederschlesien“
hatten vor allem die Zisterzienser in Leubus und die von ihnen
ausgegangenen Heinrichauer Mönche sowie eine Reihe anderer
Klöster, Stifte und adliger Herren mit den deutschen Siedlern
glänzende Erfahrungen gemacht. Diese Erfolge wollte man auch
in Räuden wahrnehmen, und man versprach sich mit Recht von
den deutschen Kolonisten viel größere Vorteile und vor allem
größere Einkünfte. So hat das Stift denn ausgiebig für die Be­
siedlung seines großen Feld- und Waldbesitzes gesorgt, aber weiter
ging seine Fürsorge nicht. Die Raudener Mönche hatten schließ­
lich auch gar keine Veranlassung, den Ansiedlern ihre Nationalität
zu erhalten. Die ersten Bewohner des Stiftes waren aus dem
polnischen Kloster Andreow bei Krakau gekommen, der Abt von
Andreow leitete bis zum 15. Abte die Abtwahl im Raudener
Tochterkloster, und häufig wurde der Prior des Mutterklosters zum
Abte in Räuden gewählt17. Der Zuzug von Mönchen nach Räuden
war offenbar größtenteils polnisch, während den deutschen Ein­
wanderer seine Scholle beschäftigte und ernährte. So ist es be­
greiflich, daß bald ein starker polnischer Einfluß im Kloster einriß, über den später arg geklagt wird18. Kein Wunder, wenn
fast alle deutschen Siedelungen wieder verpolschten. Schönwald
allein hat bis heute seine deutsche Art und seine deutsche Sprache
zäh bewahrt und zwar — das kann den Schönwäldern nicht hoch
genug angerechnet werden — lediglich durch eigne Kraft und
Zähigkeit, ohne irgendwelche Unterstützung.
Dorf und Feldmark
Schönwald liegt in der Südostecke des Kreises Gleiwitz,
4 Kilometer von der Kreisstadt nach SSO. Das Dorf reicht von
der Knurower Chaussee ostwärts noch über die GieraltowitzOrzescher Chaussee hinaus bis nahe an Preiswitz. Das Oberdorf
ist 1,5 km lang und ziemlich eben; von der Kirche ab erstreckt
sich das 2,5 km lange Niederdorf in einer nach Osten geneigten
Mulde. Der Boden der Mulde war anfangs nicht bebaut, die
Bauernhöfe liegen vielmehr, wenigstens auf der Südseite, etwas
oberhalb, während in der Mitte am tiefsten der vom Dorfbache
durchflossene Anger lag, der dann im Laufe der Zeit von den
Angerhäuslern bebaut wurde19. Das Dorf ist ein Reihendorf mit
geschloßner Bauweise, die Gehöfte liegen zu beiden Seiten der
Dorfstraße. Gegen 2000 Gebäude und 564 bewohnte Grundstücke
sind vorhanden. Die an die Gehöfte sich anschließenden Gärten
werden von parallel mit der Dorfstraße laufenden Feldwegen ein­
geschlossen und liegen mitten in der Feldmark, die die Gestalt
eines 4 X 6 km großen Rechtecks hat. Der höchste Punkt ist im
NW. 278,7 m, der tiefste im 0. 234, 7 m über NN. Die Feld­
mark ist 2300 ha = 9200 Morgen groß, wovon etwa 1000
Morgen im Laufe der letzten 45 Jahre den Nachbargemeinden
abgekauft worden sind. Der Boden ist gut, doch wegen der
lettigen Unterschicht war vor der Drainierung der Acker oft
wochenlang unbetretbar. Früher wurde viel Flachs gebaut, im
16. und 17. Jahrhundert blühte vor allem der Hopfenbau20. Das
Urbar von 1534 betont die vielen Hopfengärten im Orte.
Die ständige Bevölkerungszunahme und die Teilung der W irt­
schaften bringen es mit sich, daß jetzt, vor allem im N. des Ober­
dorfes, hinter den an der Straße liegenden Höfen neue Stellen
gebaut werden. Im Jahre 1719 hatte Schönwald 700 Einwohner,
heute zählt es deren 395421.
Die Feldeinteilung ist folgende. Vorn an der Straße (aner)
ist der Angerzaun. Am Hause war der Garten (güota), der heute
mehr und mehr verschwindet. Hinter dem Grundstück, das rück­
wärts meist durch die Scheune (säjer) abgeschlossen wird, ist der
Hinterzaun (heiaertsaun), mit Gras bewachsen und mit ein paar
Obstbäumen bestanden. Auch Frühkartoffeln und Kraut werden
hier gebaut. Den Abschluß nach rückwärts bildet der Quer­
weg (twärwäk'), der hinter den Gehöften parallel zur Dorf­
straße läuft. Nun kommt die eigentliche Feldmark, das Heimerbe
(hemiewe), das in den Kaufbüchern aus dem Ende des 18. Jahr­
hunderts auch Hauserbe oder Hausacker genannt wird. Das Vorder­
feld (flederfaut) ist am größten. Dahinter läuft quer ein Feld­
weg, der erste Anwand (e§te rlawänt). Ihm folgt das viel kleinere
Hegefeld (h ^g 'efau t), das der hinterste Anwand (henese pewänt)
begrenzt. Hinter ihm liegt, größer als das Hegefeld, das Mittel­
feld (metefaut), abgeschlossen vom schlimmen Anwand (sleme
9
fiswänt). Jenseits beginnt das Gerstfeld (g'ärstfaut), hinter dem
meist ein Fußweg (oöwent/qha) geht. Darauf kommt das Hinter­
feld (henerfaut)22, das, ohne von einem Wege durchschnitten zu
sein, in das vordere und hintere (fiedese, heöese) Hinterfeld zer­
fällt und bis zur Grenze (gräntse) reicht. Abgesehen vom Hinter­
zaun hat jedes Feld zwei Gewende, nur das Gerstfeld hat bloß
ein Gewende. Dazu kommen die den Nachbargemeinden abge­
kauften Felder23. Neben dem Heimerbe, das in gerader Linie
vom Hause bis an die Grenze lief, gab es noch das Niedererbe
(neederlewe). Das ist der früher außerhalb des Dorfes nach Osten
zu liegende Grundbesitz. Er ging von der Straße aus nach Süden
bis zur Gieraltowitzer Grenze in derselben Einteilung wie das
Heimerbe. Ein einzelnes Feld im Niedererbe hieß Niederfeld.
Entsprechend bezeichnete man auch die im Westen des Dorfes
liegenden Felder als Oberfelder. Sie dehnten sich von der Straße
bis zur Knurower und Nieborowitzer Grenze und nach Norden bis
zur Tryneker Grenze aus. Um 1800 sind die Bezeichnungen Ober­
feld, Niederfeld, Niedererbe in den Kaufbüchern gang und gäbe.
Die beständig zunehmende Ausdehnung des Ortes, vor allem nach
Osten hin, hat die Namen etwas zurückgedrängt, ohne sie jedoch
ganz verdrängen zu können; vor allem „Niedererbe“ ist in den
Wirtschaften am Ostende des Dorfes noch ziemlich geläufig.
Daneben gibt es noch eine Reihe schon im 18. Jahrhundert
belegter Flurnamen. Die g'ät'e (Gärten) im W. an der Knurower
Chaussee erinnern jetzt noch daran, daß hier einst Gehöfte ge­
standen haben. Nach einem Brande, vermutlich im 30jährigen
Kriege, wurden sie nicht mehr aufgebaut24. Die „Gärten“, die
etwa dem heutigen „ Hinterzaun “ entsprechen [S. 8], leben
aber als Flurname „owa g at'a“ (auf den Gärten) noch fort. —
Von dem Walde, der früher in SW., auf Knurow zu stand, zeugen
noch die Feldbezeichnungen posaker, posfaut (Buschacker, -feld).
Die Kaufbücher bekunden, daß im Knurower „Oberfelde“ vor
allem das Gerst- und Mittelfeld mit Wald („Busch“) bestanden
war; sie sprechen auch geradezu vom Knurower Busch. Das
Vorderfeld war urbar gemacht. Der Flurname „bei den drei
Eichen (bor drä echa) erinnert heute auch noch an den Knurower
Waldbestand, wenn auch von den drei Eichen nichts mehr zu
sehen ist. Auch nach N., auf Trynek zu, stand 1797 im Ober­
10
felde Wald im Gerst- und Hinterfelde. Heute sucht man danach
vergebens. Außer den Flurnamen zeugen nur noch der Name des
Dorfes selbst und ein paar ziemlich kümmerliche Waldstückchen
auf Knurow zu25 von dem früheren Waldbestande. — 1797 wird
ferner der „Eisensteiner Weg“ im W. des Dorfes erwähnt. Später
hieß er Schlacken weg. Es ist der Weg nach Deutsch-Zernitz, und
der Name erinnert an die unzähligen Fuhren Schlacke von der
Gleiwitzer Hütte, mit denen die Schönwälder den grundlosen Weg
fahrbar machten. Zum Oberdorfe gehörten schließlich noch die
in den Kaufbüchern vom Ende des 18. Jahrhunderts oft genannten
Follungen. Sie lagen auf Knurow und Pilcliowitz zu. Daran
schlossen sich dann nach SO. auf Gieraltowitz zu die feog'er26.
Ein kiesiges Feld heißt stcnevheowo (Steinehübel). Im S. des
Niederdorfes heißt eine tief gelegene Wiese hinter dem Mittel­
felde an der Preiswitzer Grenze der Molkengrund (meok’agront').
In der Nähe lag der Schleegrund. Ein früherer Teich im „Kola-“
oder „Kalafelde“ hieß bei der Zergliederung des Vorwerks Kalateich, heute heißt das Stück Wiese einfach Teich (täch). Auf
dem früheren DominialVorwerke lag „das Niedrige“ [wohl das­
selbe wie die 1723 genannte Niederseite]. Das Obervorwerk im
W. am Knurower Wege hieß einfach Kolonie (koxni, kolnl), die
darauf sitzenden Leute heißen kornls, kolnls, und weil alle Be­
sitzer zufällig Johannes hießen, nennt man diesen Teil bis heute
jehaneskolnl. Ein nicht mehr genau zu bestimmendes Feld hieß auf
diesem Vorwerke „Pliinderfeld“ oder einfach „der Plünder“. Als
Flurname kommt schließlich noch der Viehweg vor. Heute kennt
mau deren noch zwei. Thomas’ Viehweg (teomes flwek'), nach
dem Besitzer des Schrotholzhofes westl. der Kirche genannt, geht
von der Dorfstraße nördlich bis zur Chaussee, meist der Klein­
bahn entlang. Der andere geht nördl. des Niederdorfes von der
Chaussee ab bis zur Ellguther Grenze. Beide Viehwege folgen
natürlich der Richtung der Felder.
Die Schönwälder haben die Ackerwirtschaft lange gründlich
vernachlässigt. Jahrhunderte lang lebten sie hauptsächlich vom
Fuhrwesen. Mancher Besitzer soll 30 und mehr Pferde gehabt
haben. Mit Salz, Kohle, Holz, Erz und Kaufmannswaren fuhren
sie weit über die Grenzen ihrer Heimat hinaus. In Sachsen, Polen,
in der Mark und tief in Österreich und Ungarn fand man die an
11
ihrer eigentümlichen Fuhrmannstracht leicht kenntlichen Schön­
wälder. Mancher verunglückte auch in der Fremde oder wurde,
fern der Heimat, ausgeplündert und erschlagen27. Bis in die Mitte
des vorigen Jahrhunderts blühte ihre Fuhrhalterei. Der alte
Johann Puscher ist für ein Gleiwitzer Handelshaus noch 1854,
als er Schulze war, selber bis
Triest nach Zitronen und Apfel­
sinen gefahren. Erst die Kon­
kurrenz der Eisenbahnen legte
die Schönwälder Frachter lahm.
Da trat plötzlich ein vollständiger
Umschwung ein.
Man war nun auf eine aus­
giebigere Bodennutzung ange­
wiesen.
Dennoch drang die
Drainierung nur langsam durch.
Die ersten Versuche wurden ver­
spottet; erst der sichtbare Er­
folg führte zur Bildung von
Drainageverbänden. Aber auch
jetzt standen noch manche eigen­
sinnig abseits, und im Nieder­
dorfe sind die letzten Felder erst
um die Jahrhundertwende drainiert worden. Heute sieht man
freilich den wohlbestellten und
vortrefflich gepflegten Feldern
Fuhrmannstracht
der Schönwälder nicht an, daß
hier der sorgfältige Betrieb des Ackerbaus eigentlich jung ist.
Selbst der kleine Besitzer arbeitet mit den neuesten landwirt­
schaftlichen Maschinen. Mag die Maschine sich für den kleinen
Betrieb auch ziemlich teuer stellen, so erspart sie doch die
schwer zu beschaffenden Arbeitskräfte.
Wie aber nun das früher gering geachtete Feld auf einmal
zum wertvollen Besitze geworden war, entwickelte sich ein neuer
Übelstand. Früher erbte meist der älteste Sohn die Wirtschaft und
fand die Angehörigen billig ab. Seit der Mitte des vorigen Jahr­
12
hunderts teilen jedoch die Schönwälder ihre Feldmark unter sämt­
liche Kinder. Dadurch werden die Wirtschaften zerschlagen, die
Felder zerstückelt. Von großer Weite ist die Schönwälder Feld­
mark kenntlich an den schmalen Feldstreifen, den „Handtüchern“.
Statt abgerundeter Güter haben die jetzigen infolge der TeilungHalb- und Viertelbauern heißenden Besitzer, die bei der Heirat
noch die Ackerstreifen der Frau mitbekommen, ihr Feld in lauter
schmalen Streifen womöglich an allen Ecken des Dorfes verstreut.
Doch nicht genug damit. Auch die Gehöfte werden zerteilt. Seit
der Anfertigung der Flurkarte im Jahre 1865 sind etwa vier
Fünfte] des Grundbesitzes zerstückelt worden. Über 450 Morgen
gehn durch Feldwege und Baine verloren. Kein Wunder, da z. B.
sogar zwei Brüder bei der Teilung des väterlichen Ackers nicht
einmal zwischen ihren Feldern einen gemeinsamen Feldweg haben
wollen, sondern unmittelbar nebeneinander zwei Wege anlegen.
Jetzt sind die Felder vielfach schon so schmal, daß sie gar nicht
mehr in der Länge geteilt werden können. Man beginnt also
schon mit der Querteilung. Das muß in ganz kurzer Zeit für
viele Wirtschaften zum Verderben werden28. Seit Jahren arbeiten
einsichtige Leute und auch die Regierung daran, die Schönwälder
zur Umlegung zu bewegen. Aber wer kennt nicht einen deutschen
Bauerndickkopf und sein maßloses Mißtrauen! Viele glauben, sie
würden dabei benachteiligt; was sie gewinnen, wollen sie nicht
sehen. Ja denen, die der Umlegung eifrig das Wort reden, werfen
sie wohl einmal nachts die Fenster ein, oder sie versprechen ihnen
gar, sie totzuschlagen. Das ist ein ganz überlegungsloses Eifern;
die einen sind lediglich deshalb dagegen, weil andere dafür sind,
und weil das Oberdorf schon beinahe gewonnen ist, muß ein großer
Teil des Niederdorfes natürlich Widerstand leisten, so daß das Ende
noch gar nicht abzusehen ist. Mancher kleine Mann hat schon
Pflug und Spaten beiseite gestellt und seine Selbständigkeit auf­
gegeben, weil ihm die Teilung das Fortkommen unmöglich machte,
und hat in der Nachbarschaft in Gruben oder Fabriken eine viel
lohnendere Beschäftigung gefunden.
Die unvernünftige Teilung hat noch ein anderes Übel im Ge­
folge. Die Wirtschaften waren zum großen Teil Schrotholzbauten,
weiß, hellgrün oder hellblau getüncht oder roh. Von der Giebel­
wand des Wohnhauses bis zur Straße lag ein kleiner Gras- oder
13
Ziergarten; das Haus, an das der Kuhstall meist unmittelbar an­
stieß, öffnete sich nach dem Hofe, auf dessen Rückseite die Scheuer
stand. Behaglich und geräumig bot sich das ganze Gehöft den
Blicken dar. Doch diese Wirtschaften schwinden immer mehr;
man muß mit dem Platze geizen, die Blumen verschwinden, der
Blick in den Hof wird verschlossen, und das neue, abscheuliche
und geschmacklose Rohziegelhaus legt sich mit der Breitseite nach
14
der Straße, eins genau so wie das andere. Auch das schmucke
Hoftor fällt natürlich. In den letzten zehn Jahren ist durch diese
roten Kästen fast das ganze Dorfbild verhunzt worden.
Die Leute, ihre Sprache und ihre Namen
Der Schönwälder ist ein d e u ts c h e r Bauer, also ist er auch
dickköpfig und mißtrauisch. Die Gleiwitzer Notare haben an ihm
einen guten, aber unbequemen Kunden, und der Gleiwitzer Grund­
buchrichter hört den Namen „Schönwald“ nur mit gelindem Ent­
setzen. Doch muß man jenem Dickkopf die größte Hochachtung
entgegenbringen. Er allein hat es aus eigener Kraft zuwege ge­
bracht, daß Schönwald, und zwar als einziger von allen ursprünglich
deutsch angelegten Orten der Umgegend, trotz aller Anfechtungen
bis heute sich sein deutsches Wesen und seine deutsche Art er­
halten hat. Wenn man bedenkt, wieviel deutsche Bauern allent­
halben von fremden Völkern aufgesogen worden sind, da wird man
diesem vereinzelten deutschen Dorfe gegenüber, das über 600 Jahre
lang sich wacker gehalten hat, mit staunender Bewunderung erfüllt.
Fremden gegenüber redet der Schönwälder Schriftdeutsch. Nur
äußerst schwer ist er zu bewegen, seine Mundart zu sprechen, die
er zu Hause beständig anwendet. Der dumme Spott einfältiger
und halbgebildeter „Städter“ über die ihnen unverständliche Mund­
art hat das zuwege gebracht. Als ob nicht jede Mundart dem,
der sie nicht kennt, unverständlich wäre!
Das Schönwäldische29 hat all die besonderen Merkmale, die
der großen Gruppe der schlesischen Mundarten gemeinsam sind.
Es läßt sich nicht mit einer bestimmten Einzelmundart zusannnenstellen, sondern hat manche Eigentümlichkeiten mit den Mund­
arten des schlesischen Gebirges, der Lausitz oder Nordböhmens,
andere mit denen Österreichschlesiens oder der Grafschaft Glatz,
wieder andere mit denen der schlesischen Niederung gemeinsam.
Wichtig ist auch die große Verwandtschaft des Schönwäldischen
mit der Mundart des Kuhländchens im nördlichen Mähren und
mit der der Zips, so daß es geradezu die Verbindung mit diesen
am weitesten gewanderten schlesischen Siedlern herstellt.
Seit der Gründung Schönwalds hat sich die Sprache seiner
15
Bewohner in ihrer Abgeschlossenheit weiter entwickelt; trotzdem
fällt dem Kundigen ihr schlesischer Charakter sofort auf. Im
Laufe der Zeit ist freilich manch polnisches Wort eingedrungen.
Polnische Händler, Feldarbeiter und Einwanderer schleppten manches
fremde Wort ein. Besonders für die Beziehungen des Familien­
lebens, für Erzeugnisse des Feld- und Gartenbaus, für Geräte und
Nahrungsmittel, als Tier-, Kose- und Schimpfnamen finden sich
polnische Wörter. Umgekehrt hat man in Schönwald noch für
mehrere Orte der Umgegend die alten deutschen Namen fest­
gehalten, während heute sogar die amtliche Schreibung längst die
fremde Form aufgenommen h a t30.
Der Wortschatz des Schönwäldischen hat ein ausgesprochen
ostmitteldeutsches Gepräge, und es gibt darin kaum ein deutsches
Wort, das sich nicht in anderen schlesischen Mundarten wieder­
fände. Was für die Herkunft der Schlesier im allgemeinen gilt,
das gilt auch für die Schönwälder. In der Hauptsache waren es
Ostthüringer, vermischt mit Ostfranken, die den Hauptkern der
deutschen Siedler bildeten. Aus der Mischung ihrer Sprache er­
wuchs das Schlesische als eine selbständige Mundart; und weil
mit ihr das Schönwäldische so eng zusammengehört, so ist es
äußerst wahrscheinlich, daß die Besiedlet- unseres Dorfes nicht un­
mittelbar aus dem Stammlande kamen, sondern schon eine Zeitlang
im schlesischen Kolonisationsgebiete ansässig waren, ehe sie sicli
eine neue Heimat im oberschlesischen Walde suchten.
Die Schönwälder sind als Katholiken eingewandert, und sie
sind es ausnahmslos geblieben. Die Abgeschlossenheit von ihren
Stammesgenossen, der Glaube der umwohnenden Polen und vor
allem die Herrschaft des Klosters erklären es hinreichend, daß die
Beformationsbewegung bei ihnen keinen Widerhall erweckte.
Mißtrauisch sonderten sich die Bewohner Schönwalds von der
Umgebung ab. Infolgedessen heirateten sie fast nur innerhalb des
Dorfes. Das ist auch heute noch die Regel. Das ganze Dorf ist
miteinander verwandt, und Verwandtenheiraten, zu denen die E r­
laubnis des bischöflichen Amtes nötig is t31, waren nichts Seltenes
und sind es auch heute nicht. — Wenn Schönwälder nach polnischen
Orten auswanderten und polnische Frauen nahmen, da ereilte sie
das übliche Schicksal. Schon das nächste Geschlecht wurde ge­
wöhnlich polnisch. Nahmen sie aber die Frau aus dem Heimats­
16
dorfe mit, dann blieben sie deutsch, vor allem, wenn sie an der
nahen Stadt Gleiwitz und am Heimatsdorfe einen Rückhalt hatten,
oder wenn sie sich in größerer Zahl zusammenfanden. So sind
sie heute besonders in Richtersdorf und in Peiskretscham die
Hauptstützen deutschen Wesens.
Es ist auffällig, daß die starke Inzucht nicht zu größerer
Entartung geführt hat. Es gibt wohl einige Taubstumme und
Schwachsinnige; im übrigen sind aber die Schönwälder ein ge­
sunder, kräftiger Menschenschlag, geistig rege und arbeitsam. Die
meisten Männer dienen im Heere und sind stolz darauf. Die
Kinder müssen früh in der W irtschaft helfen, den kleinsten werden
die Gänse anvertraut, den größeren die Kühe. Das Reich des
Bauern und der herangewachsenen Söhne ist das Feld, das der
Frau und der Töchter die Viehwirtschaft. Seit jeher versorgen sie
den Gleiwitzer Markt mit Eiern, Butter und Quark. Da sitzen
sie an Markttagen in langen Reihen nebeneinander, von weitem
schon kenntlich an ihrer Tracht. Gemüse wird dagegen so gut
wie gar nicht gebaut.
Die Namen der Schönwälder haben heute überwiegend polni­
sches Gepräge. Das ist zunächst auffallend. Doch früher war es
anders. Das Urbar von 1534 enthält in der Mehrzahl deutsche
Bauernnamen32. Auch die seit 1650 erhaltenen Kirchenbücher
weisen noch eine Reihe deutscher Namen auf33. Viele sind jetzt
ausgestorben. Man muß weiter bedenken, daß die Bewohner bei
ihrer Einwanderung noch keine festen Namen mitbrachten. Mögen
sie sich auch in der Regel deutsche Namen beigelegt haben, so
wird die polnische Verwaltung im Raudener Kloster doch nicht
ganz ohne Einfluß auf die Namengebung gewesen sein. Obendrein
waren die erst 1784 aufgeteilten Stiftsvorwerke in Schönwald mit
polnischem Gesinde besetzt. Dazu kam der Zuzug aus der polni­
schen Umgebung.
Mag die nationale Aufsaugungskraft der
Schönwälder bis zum heutigen Tage beneidenswert groß sein, so
daß zugezogene Polen, wenn sie auf den Verkehr mit den Be­
wohnern angewiesen sind, in wenigen Jahren Schönwäldisch reden,
da kaum jemand mit ihnen polnisch sprechen mag: die einge­
schleppten polnischen Namen blieben trotzdem und wurden nur
mundgerecht zugestutzt34. Da man meist innerhalb des Dorfes
17
heiratete, entstand eine verwirrende Tülle von gleichen Zunamen35.
Es wurden also Unterscheidungen für die Träger gleichlautender
Namen notwendig. Die Vornamen genügten auch nicht, weil auch
bei ihnen wenig Abwechslung herrschte. So half denn der Brauch,
die Leute nicht mit dem Familiennamen, sondern mit dem Hof­
namen zu benennen, der mit dem Hofe auf jeden neuen Besitzer
überging und noch heute überzugehn pflegt36. Baut sich aber
jemand einen neuen Hof, so wird nach dessen Lage oder nach
dem Wesen des Besitzers ein neuer, oft scherzhafter oder spötti­
scher Name geprägt. Das führt soweit, daß man mitunter nach
dem Familiennamen umsonst fragt, während der Beiname allgemein
bekannt ist. Solche Unterscheidungen waren schon früh zum Be­
dürfnis geworden, und in den alten Kirchenbüchern wie später in
den Kaufbüchern sind sehr oft die Hofnamen neben den Familien­
namen angegeben37.
Große Erfindungsgabe und viel Humor verraten die Beinamen.
Ein Simon hatte bei einem Marterl (müote), d. h. bei einer
Kreuzigungsgruppe, gebaut und hieß seitdem müotetsema. Dieser
Name taucht schon 1651 auf und gilt heute auch noch für die
Wirtschaft. Ein Goldmann bei der Kirche heißt Turmwächter.
Als Franz Polifke am Ende des Dorfes baute, war auch der Name
düfguker fertig. Einer, dessen Fenster nach Osten gehn, heißt
mfig'aglenster, ein Andreas Marek hat schon 1802 den noch heute
geltenden Beinamen müg'atür. Ein Gillner hatte sein Haus hinter
einem anderen gebaut und hieß darum dupaguker (dupa = Hintern).
Aber er war schlau und setzte an seinen Zaun ein Kreuz. Seit­
dem heißt er der Kreuzbauer. Ein Goletz und ein Pusclier bauten
jeder an einer Pfütze und heißen nun der eine griuwaplyts, der
andere griuwaseök' (Grubenschenk). Der Tischler Sobota im Nieder­
dorfe wohnt am Bande des früheren Teichufers (iumer). Daher
heißt die Familie iumes. Im Kleefelde hat der klehona (Kleehannes)
gebaut, im freien Felde im Niederdorfe der Feldbauer. Hinter
ihm ist jetzt der fautoma, der aus einer Wirtschaft am alten
Teichdamme herstammt (faut = Feld, tom = Damm). Ein Cimander, der als Jüngerer bei der Erbteilung ein neues Haus baut,
heißt danach näihaufer. Auf der alten Bleiche sitzen die bleches,
auf dem alten Elostervorwerke, der Kolonie, die kolnls, an der
G u s i n d e , Schönwald
2
t* /
\ .? i
* y
18
Stelle des früheren Dominialspeichers im Oberdorfe die spiches. —
Die Liste der Haus- und Spitznamen, die allgemein statt der
Familiennamen gelten, ließe sich noch seitenlang fortsetzen. Auch
unter den in Anm. 33 angeführten alten Eigennamen ist eine
ganze Reihe auf dieselbe Art aus unterscheidenden, von der Ge­
stalt oder der Beschäftigung hergenommenen Benennungen ent­
standen.
Die Tracht
Die Männertracht hat zum größten Teil der ausdruckslosen
Stadtkleidung Platz gemacht. Nur Jacke und Weste haben meist
noch ihre alte Form gewahrt. Die
Weste ist ganz geschlossen, hat
einen niedrigen, aufrecht stehenden
Kragenrand und hat 16 Knöpfe,
gewöhnlich aus Perlmutter, zwei­
reihig angeordnet. Auf jeder Seite
sitzt oben ein einzelner Knopf;
nach einem größeren Abstande
folgen die ändern sieben Paare in
kleinen, gleichmäßigen Zwischen­
räumen. Die kurze schwarz und
violett oder schwarz und weinrot
gekastelte Jacke hat einen Umlege­
kragen und zwei Reihen von je 6
Knöpfen in gleichen Abständen,
den obersten über, den zweiten auf
der umgeschlagenen Ecke. Die
Jungen besonders gehn im Sommer
meist ohne Jacke, nur mit Weste.
Die langen Ärmel des dunkelroten
Flanellhemdes machen einen Schön­
wälder Jungen schon von weitem kenntlich. — Die Langschäfter
der Männer behaupten sich aus praktischen Gründen. Die Pelzmütze
aber und der im Sommer getragene niedrige Tellerhut aus Filz
haben dem Strohhute oder dem eingekniffenen weichen Filzhute
weichen müssen. Früher gehörte zur Staatskleidung des Mannes
noch ein langer, schwarzer Tuchmantel, dessen hoher Umlegekragen
19
bis an die Ohren reichte. Er war das Zeichen der Volljährigkeit.
Wenn der Bursche seine Dienstzeit beendet hatte, oder wenn er
für militäruntauglich erklärt worden war, schaffte er sich einen
solchen Mantel an. Bis dahin ging er in der kamfele, einer
ziemlich langen, eingefaßten schwarzen Tuchjacke, die etwas Taille
und hinten zwei kleine Falten hatte. Zweimal sechs große schwarze
Porzellanknöpfe saßen in zwei Reihen vorn, hinten über den Falten
je einer und einer auf jedem Ärmelaufschlage. Heute ist diese
Art Jacke ausgestorben.
Den Mantel zog man nur in die Kirche an, nie ins Gasthaus.
Der Bräutigam trug ihn zur Trauung nur umgehängt. Früher
gehörte er auch zur Tracht der Kränzelherren. Erst wenn der
Mantel als Festkleid ausgedient hatte, wurde er zum Fuhrmanns­
mantel. Heute ist die Fuhrmannszeit freilich längst vorbei. Als
das Fuhrwesen noch blühte, trug der Fuhrmann einen hohen,
steifen Hut, lange, unten umgekrempelte Hosen und einen breiten
Ledergurt [A b b ildungS .il]. Der hellgraue, unbezogene, mit dem
Leder nach außen gekehrte Schafpelz wird heute noch von den
Männern getragen. Kragen und Ärmelaufschläge sind von
schwarzem Schaffell.
Die Frauen haben ihre Kleidung besser gewahrt. Aber auch da
ist in neuerer Zeit schon vieles geschwunden. Das einem Sacke ohne
Boden gleichende, aus gröbster Leinwand gefertigte Unterhemde
[spoide] der ärmeren Leute ist nicht mehr üblich. Es wurde zu­
sammen mit dem weißleinenen Oberhemde durch das Mieder fest­
gehalten. Jetzt gilt allgemein das Hemde aus einem Stück. Die
teuren roten Frauenstrümpfe [foka] mit ihren zahlreichen großen
Querfalten [fauda] werden nicht mehr getragen. Ein einziger
Händler, der fokaklop, der jedes Jahr zu Allerheiligen ins Dorf
zu kommen pflegte, versah früher den ganzen Ort damit und strich
für jedes Paar einen Taler ein. Verschwunden sind auch die einst
bei Frauen sehr beliebten Schuhe aus schwarz-blauem Samte mit
grünen Bändern.
Über das weiße Leinenhemde, dessen kurze Ärmel mit einem
meist roten oder grünen Bande, dem lemobänt, zusammengebunden
sind, wird das Mieder [broslak'] gezogen. An ihm ist unten zu
beiden Seiten oberhalb der Hüften eine Wulst, die „W urst“, über
der die Kleider mit dem obersten Rande, dem k'etsk'alems, fest2*
20
gebunden werden. Dadurch bekommen alle, Frauen wie Mädchen,
vor allem von rückwärts gesehen, eine etwas unförmige Gestalt,
indem die Taille unverhältnismäßig hoch, unmittelbar unter der Brust
sitzt. Die dementsprechend kurze Jacke [flente] erhöht noch das
Kind mit Mieder und Schürze
Absonderliche des Aussehens. Zu Hause und in der Arbeit wird
gewöhnlich nur das Mieder getragen. Sonst wird darüber ein
kleines, dunkles Umschlagtuch mit buntblumigem Bande geschlagen
[fimaticho, eigtl. Vormachtüchel], dessen Enden vorn zwischen
Mieder und Rockrand [k'etsk'alems] festgesteckt werden.
Zum Ausgehn kommt im Sommer die langärmelige Flente,
im W inter der Faulenzer über das Mieder. Die kurze, kaum bis
unter die Brust reichende Flente hat unten und an den Ärmeln einen
mindestens 6 cm breiten schwarzen Samtbesatz, der am oberen Ende
von einem schmalen, mit schwarzen Glasperlen besetzten Streifen
begleitet ist. Sie ist nur oben am niedrigen Kragen [lems] zuge­
21
hakt; von da aus ist sie nach unten ausgeschweift und abge­
rundet, so daß das fimaticho und der „Brustfleck“ [broslak'] her­
vorguckt. Erst eine neuere Form ist ganz geschlossen und zum
Zuknöpfen. Bei der Feldarbeit wurde die vorn offen stehende
Flente abgelegt, und über die bloßen Arme wurden zum Schutze
gegen das Zerkratzen durch die Ähren dünne Tuchärmel [lemecha]
gezogen. Die geschlossene
Form der Flente, die für
die Arbeit praktischer ist
und heute darum lieber ge­
tragen wird, wird auch zur
Feldarbeit anbehalten. Der
Faulenzer gleicht der Flente,
aber er ist gefüttert, und
es fehlt der Samtbesatz. Statt
dessen ist das Tuch unten
herum in derselben Breite
stärker gefüttert und ab­
gesteppt.
Der faltige, weite, bis
an die Knöchel reichende
Eock [k'etsk'e] ist meist
schwarz. Ein besonderer
Feiertagsrock, der an hohen
Kirchenfesten und an den
ersten Sonntagen im Monat von Frauen und Mädchen auf dem
Kirchgänge getragen wurde, hatte unten herum einen etwa 4 cm
breiten Rand aus ziegelrotem Tuche. Danach hieß er k'etsk'e
inet reotem. Heute tragen ihn nur noch die Braut und die
Brautfrauen bei Hochzeiten. Sonst gilt der einfarbige Rock.
Über den Rock kommt eine lange, breite Schürze mit breiten,
meist bunten Bändern. Sie ist dunkelrot, dunkelgrün oder schwarz,
aus Seide oder Samt oder aus unauffällig geblümtem Stoff. Blaue
Farbe ist weniger häufig; ganz vermieden wird das Gelb. Unter
der Schürze hat der Rock oft einen großen Einsatz. Um Stoff zu
sparen, nimmt man Futterbarchent für die Stelle, die doch be­
ständig von der Schürze bedeckt ist. Es ist eine Verkennung der
eigentlichen Absicht, wenn statt dessen Plüsch genommen wird.
22
Statt der Flente wurde an Festtagen als Kirchentracht die
Faltenjacke [faudajake] getragen, die länger als jene, an der Taille
eingezogen, vorn unten glatt war und hinten sechs Falten hatte.
Sie war aus schwarzem Tuch, dunkelrot gefüttert, hatte an den
Ärmeln blauen, unten herum und vorn bis unter den Kragenrand
roten Besatz, wie ihn der Feiertagsrock hatte. Der Kragen war
wie bei der Flente. Im Winter
trat an Stelle der Faltenjacke
das Pelzchen [peltscha] aus
graublauem Tuch. Unten her­
um war roter Besatz, unter
dem das Pelzfutter,meist Schaf­
fell, hervorguckte. Vorn, um
den Hals und um die Ärmel
lief ein breiter Pelzbesatz, ge­
wöhnlich aus gutem Karnickel­
fell. Das Pelzchen hatten nur
Frauen. Jetzt stirbt es aus,
und die Faltenjacke wird nur
noch zu Hochzeiten von der
Braut und den frauadrusk'a
und mät'chadrusk'a der Braut
und des Bräutigams getragen.
Früher hatten die Mädchen
vorn an der Jacke eine kleine
Frau mit Faltenjacke und Mütze. Unter dem Schleife, das slep ch a, Und UH1
Pelzbesatz der Mütze guckt die Borte und die ,
i 1 n
rr 1
Y i
^
,
Kapitzenkrause hervor
U.6 IL blOlOGIl H ä l S clü lio h .611 F c s t ö U
eine Krause [kriufe] mit rotem
und grünem Bandbesatz. Die Frauen trugen die kriufe nur hei
Hochzeiten. Heute wird sie nur bei Hochzeiten von der Braut
und allen drusk'a getragen.
Eigenartig und mannigfaltig war besonders der Kopfputz der
Frauen. Über den Kopf kam die zum Zusammenziehen einge­
richtete, eng anliegende Haube aus weißer Leinwand [hauwe]. Das
Haar wurde darunter zusammengelegt und eng um den Kopf ge­
wickelt. Um die Stirne wurde über die Haube die Borte [bent'cha]
gebunden. Das ist ein weißer Streifen aus feiner Leinwand, mit
bunten Fäden, oft auch mit runden, goldfarbenen Scheibchen
23
benäht. Über die Haube kam die ebenfalls weiße kapitse mit
gekrauster Spitze. Hinten in der Mitte und vorn an beiden Seiten
hängen zwei Zoll breite, bis unter die Taille reichende bunte
Bänder in je zwei Enden herab. Das hintere ist gewöhnlich
wasserblau*). Die vorderen wechselten wohlhabende Frauen früher
nach den Kirchenfarben. Zur Fastenzeit und im Advent trugen
sie violette, an den hohen Feier­
tagen rote Bänder. Karfreitags
waren alle drei Bänder schwarz,
ebenso bei tiefer Trauer das ganze
Trauerjahr hindurch. Bei Hoch­
zeiten sind heute die vorderen
Bänder rot und grün. Alle diese
kapitsasnlqha (- schnürchen) oder
-tsapcha sind mit bunten Blumen
und Blättern oder sonstigem
Schmuckwerk verziert; die schwar­
zen waren gewöhnlich mit roten
Herzen versehen. Die Winterkapitse war leicht gefüttert, der
Überzug von roter Seide mit grü­
nem Eande und gelbem Vorstoß.
Den Kopf umrahmte wie bei der
weißleinenen Sommerkapitse eine
weiße Krause.
t t,
t•
17
•1
,
.
Frauadrusk'e (ohne Falteniacke,
Uber die Kapitse kam in
nur mit Umschlagtuch)
der kühleren Jahreszeit und bei
Hochzeiten schließlich die Mütze, gewöhnlich aus roter Seide, oder
auch braun und grün schillernd. Sie war von einem breiten Pelz­
besätze eingefaßt, dem br^efem. Auch an der Mütze waren rote
und grüne Bänder [snlcha], die man vorn und hinten herunter­
hängen ließ. Seit dem Kirchbau wird diese Feiertagskopftracht
nur noch bei Hochzeiten getragen; aber auch dann haben sie nicht
mehr alle Frauen, sondern nur die frauadrusk'a. Im Sommer
trugen die Frauen früher an hohen Kirchenfesten und an den Monats­
sonntagen das weiße Kopftuch, das die Mädchen das ganze Jahr
*) Die Schönwälder nennen diese Bänder „weiß“.
24
hindurch trugen. Das war ein dreieckiges, auf zwei Seiten mit
einer breiten Spitze besetztes Glanzleinwandtuch, das kunstvoll um
den Kopf gefaltet wurde, wobei die in einer Ecke befindliche kleine
schwarze Stickerei nach hinten kam und die Spitze, die jedesmal
beim Waschen abgenommen werden mußte, den Hinterkopf bis an
die Ohren umrahmte. Die Mädchen trugen dieses Tuch auf dem
bloßen Kopfe, die Frauen legten es
über die kapitse, so daß es bei
ihnen völlig die Stelle der rot­
seidenen , pelzverbrämten Mütze
einnahm. Die Frauen waren also,
wenn sie nicht die Mütze trugen,
die das Vorrecht der Frauen war,
von vorn an dem Stirnbändchen,
von hinten am Fehlen des Zopfes
und an den Kapitsenbändern als
verheiratete Frauen kenntlich. Die
weiße Glanzleinenhaubegehörte auch
zur Trauertracht. Die nächsten
Verwandten, Frauen wie Mädchen,
trugen sie; die Frauen hatten
außerdem,
wie oben erwähnt,
schwarze Kapitsenbänder. Um die
Lenden hatten alle weiblichen Leid­
tragenden das weiße Lenden- oder
Totentuch geschlungen.
Heute ist das weiße Glanzleinenkopftuch ganz verschwunden,
und die rotseidne, pelzverbrämte Mütze der Frauen wagt sich nur
noch spärlich an Hochzeiten hervor. Da Männer und Frauen ge­
trennt sitzen, muß es an Feiertagen ein stattliches Bild gewesen
sein, wenn die eine Hälfte der Kirche im W inter jein Gemisch
von Bot und Weiß und im Sommer ein weisses Glanztuch neben
dem ändern aufwies. Daß dies Bild verschwand, daran ist der
Kirchbau schuld. Die Kirche wurde nämlich allmählich umgebaut,
ohne daß ihre Benutzung aufhörte. Da gab es beständig Staub
und Schmutz. Man ging infolgedessen während des Baues im
Alltagskleide, nur mit den schwarzen Kopftüchern und in den ge­
wöhnlichen Böcken zum Gottesdienst. Als der Umbau fertig war,
25
fingen wohl einige Frauen wieder an, mit dem rotbesetzten Kirchrocke und der Glanzhaube zu erscheinen. Da hetzten jedoch
einige Betschwestern den damaligen Pfarrer auf. Die Frauen
stünden vor der Kirche stundenlang am Spiegel und putzten sich;
das sei unwürdig und nichts als Eitelkeit. Auf dieses Geschwätz
hin forderte der Pfarrer die Frauen auf, weiter in ihrer schmuck­
losen Alltagstracht mit den Kopftüchern zu kommen So ward
der althergebrachten Kirchentracht für immer ein Ende gemacht.
Die frühere Wochentagstracht hat den Feiertagsstaat ganz
verdrängt. Früher war der Zopf das Vorrecht der Mädchen; viele
trugen zwei Zöpfe, wer aber seinen guten Kuf verloren hatte,
durfte nur einen Zopf tragen. Heute lassen Frauen wie Mädchen
das Haar in einem Zopfe lang herabhängen. Über den bloßen
Kopf legen beide ein schwarzes Tuch mit buntblumiger Kante.
Deshalb sind sie in dieser Tracht heute gar nicht mehr voneinander
zu unterscheiden. Im Winter tragen allerdings die Frauen zum
Schutze gegen die Kälte noch die Mütze über dem bloßen Kopfe
und darüber das Kopftuch. Der darunter hervorguckende schmale
Streifen des grauen Pelzbesatzes der Mütze kennzeichnet dann die
Trägerin noch als verheiratete Frau.
Sitte, Brauch und Spiel
Von Sitte, Brauch und Lied ist wenig zu vermelden. Das
Fehlen der Anregung von seiten einer gleichgesitteten Nachbarschaft
und der heimatentfremdende Fuhrmannsberuf der Männer mag mit
dem meisten aufgeräumt haben. Alte Lieder und Sagen sind gar
nicht bekannt. Man singt selten, und dann nur Schul- und Kirchen­
lieder. Mancher Brauch, wie das Sommersingen und die Dreikönigslieder, sind polnische Einfuhr. Und was sich sonst findet,
ist dürftig und entspricht ganz ähnlichen, in Schlesien üblichen
Bräuchen. Diese Übereinstimmung ist immerhin wichtig. Ganz
abweichend sind die eigenartigen Hochzeitsgebräuche, die sich
noch ziemlich zähe festhalten.
Ho c h z e its g e b r a u c h e
Zur Werbung um die Auserwählte nimmt der Freier meist
einen älteren Bruder oder Verwandten mit. Bekommt er das
26
Jawort, so wird gleich der Tag für die Hochzeit festgesetzt. Nach
dem ersten Aufgebote in der Kirche werden die Personen für die
verschiedenen Ehrenämter ausgesucht. Da heißt es, peinlich acht
geben, daß niemand übergangen oder zurückgesetzt wird, der auf
ein solches Amt wegen verwandtschaftlicher oder sonstiger Be­
ziehungen Anspruch hat. Geschwister erhalten kein Ehrenamt.
Die Hochzeit wird getrennt gefeiert. Die Verwandten und Freunde
des Bräutigams feiern im Hause von dessen Vater, die Gäste der
Braut im Hause des Brautvaters. Eine Hochzeit wurde früher allent­
halben drei Tage lang gefeiert, manchmal noch länger. Heute be­
gnügt man sich mit zwei Tagen.
Beide Hochzeitshäuser wählen zunächst je einen Starosten,
der sich mit dem Hausherrn um die ganze Bewirtung der Gäste
und besonders um die Getränke zu kümmern hat. Er ist die
wichtigste Person; darum hatte der Starosta des Bräutigams auch
beim Kirchgänge den Ehrenplatz rechts vom Bräutigam, während
derjenige der Braut früher nicht mit zur Kirche ging. In beiden
Häusern sind dann je zwei Mädchen als Kränzeljungfern [mät'chadrusk'a oder bloß drusk’a], je zwei verheiratete Frauen als Kränzel­
frauen [frauadrusk'a] und zwei junge Burschen als Kränzelherren
[driufeba] zu wählen. Diese bilden für das Brautpaar das Ehren­
gefolge; die Kränzelherren haben auch für die Bedienung der
Hochzeitsgäste zu sorgen. Ein weiteres Ehrenamt, das hauptsäch­
lich älteren Frauen aus der Verwandtschaft zugänglich ist, ist das
der „Köchinnen“. Das Reich ihrer Tätigkeit und Verantwortung
ist die Küche. Am Tage vor der Hochzeit, meist Montags, gehn
von beiden Hochzeitshäusern die mät'chadrusk'a, ihre „Freund­
schaft“, das heißt Verwandtschaft, zur Hochzeit zu laden. Dabei
bringen sie Flaschen vom Hochzeitswein mit und geben davon den
Einzuladenden zu trinken. Die Einladungsworte lauten gewöhnlich:
„Der Ilochzeitsvater und die Hochzeitsmutter lassen schön bitten,
Ihr möchtet so gut sein und morgen auch zum Hochzeitsmahl
kommen*).“ Natürlich sind die Gäste schon vorher von den Braut­
leuten oder ihren Eltern eingeladen worden.
Am Abend vor der Hochzeit fahren der Starosta, die fraua­
drusk'a und driufeba der Braut mit den Federbetten nach der
*) der heosetfqater ant de heosetmut'er Ion seane beata, der feld a fe9
gut fan ant nnine öch tser heoset koma.
27
neuen Behausung, um das Brautbett herzurichten38. Dort haben
sich bereits die nächsten Gäste des Bräutigams versammelt. Die
Anklopfenden werden zunächst als Fremde behandelt, die sich erst
durch einen Paß ausweisen sollen. Nun wird gewöhnlich ein
Bogen Papier mit einem oft gleichgültigen, häufig in Spiegelschrift
geschriebenen Satze vorgezeigt. Darauf wird den Abgesandten der
Braut Einlaß gewährt. Jetzt haben sie aber noch einen harten
Stand, denn das Herrichten der Betten wird ihnen möglichst er­
schwert. Sind sie m it ihrer Arbeit fertig, so wird alles wieder zer­
wühlt, irgendwelche Gegenstände werden hineingeworfen oder sind
vorher schon im Stroh versteckt worden und müssen angeblich erst
wieder herausgeholt werden. Ist endlich alles von neuem in Ord­
nung gebracht, so steht wohl einer, der verstohlen unter das Bett
gekrochen ist, plötzlich auf, so daß alles wieder herausfliegt. Manch­
mal wirft wohl auch der Starosta des Bräutigams oder die im
Hause befindlichen „Köchinnen“ oder ein Kränzelherr einen Jungen
aufs Bett, der sich gehörig darin herumwälzt, aber dann sehen
muß, wo der Zimmermann das Loch gelassen hat. Ist dann die
schwere Arbeit doch endlich getan, so werden die Gäste bewirtet.
Am Hochzeitstage, meist Dienstags, sammeln sich früh vor acht
in beiden Hochzeitshäusern die nächsten Verwandten und Ehren­
gäste zu Kaffee und Kuchen. Dann geht der Bräutigam mit seinen
Gästen, den Nachbarn und mit der Musik nach dem Hause der
Braut. Dort finden sie zunächst die Tür verschlossen. Ein driufeba
des Bräutigams klopft an und bittet um Einlaß. Dann tritt der
Starosta des Bräutigams vor und bittet für ihn in einer langen
Ansprache um die Braut mit etwa folgenden Worten:
Ich bitte um die Erlaubnis, an den Herrn Starosta und die junge liebe
Braut ein paar Worte sprechen zu dürfen. Unser lieber, guter Vater im
Himmel, der uns erschaffen hat, setzte schon die Ehe zu Anfang des Menschen­
geschlechtes ein, und zwar schon im Paradiese. Unser lieber Heiland er­
höhte die Ehe sogar zu einem Sakrament, und darum ist es notwendig, daß
sich die Brautleute zu diesem Schritt gut vorbereiten, der sie fürs ganze
Leben miteinander verbindet. Dies haben die Brautleute auch getan, und
wir sind heute m it dem Bräutigam hierhergekommen, um hier seine liebe
Braut zu finden, die den festen Willen hat, sich fürs ganze Leben in Liebe
mit ihm zu verbinden. Da ich nun hoffe, daß die liebe Braut uns und ihrem
Bräutigam folgen wird, um vor dem Altäre das Gelöbnis der Liebe und
Treue abzulegen, so danke ich vor allem den Eltern der B raut und dem
Starosta, daß sie das Versprechen gehalten haben. Möge der liebe Gott den
28
neuen Ehebund segnen und den Brautleuten die Gnade geben, in dem neuen
Stande auch für ihr ewiges Seelenheil zu wirken. Und so wollen wir denn
die Feier beginnen in der Hoffnung auf Gottes Segen und zur Ehre des
Brautpaares.
Hierauf erwidert der Starosta der Braut etwa Folgendes:
Mir ist die große Ehre zuteil geworden, Euch alle im Namen unsrer
ganzen Freundschaft herzlich willkommen zu heißen. Ich danke auch der
ganzen Begleitung und auch Dir, lieber Starosta, daß Ihr Euer Versprechen
gehalten habt und heute das Brautpaar in die Kirche begleiten wollt, wo
sie einander fürs ganze Leben ewige Treue versprechen wollen. Insbesondere
aber danke ich Dir, geliebter Bräutigam, daß Du Dir eine Braut aus meiner
Verwandtschaft ausgesucht hast und ihr heute Liebe und Treue am Altäre
schwören willst. Echt christliche Liebe und Anhänglichkeit sei das Band,
das dich heute an sie fesselt, und unverbrüchliche Treue und Zärtlichkeit
sei das Siegel deines heutigen Gelöbnisses. Mögen Kummer und Sorgen
ihre heitre Stirn trüben, mögen Krankheit, Unglücksfälle und Mühsal des
so schweren Ehelebens ihre jetzige Schönheit schwinden machen, sie darf
dir deswegen nicht weniger lieb und teuer sein. Sei stets eingedenk des
großen Opfers, das dir die Braut bringt, denn sie verläßt dir zu Liebe heute
nicht nur ihr väterliches Haus und ihre liebenden Geschwister, sondern auch
eine liebende M utter; und diese Liebe zu ersetzen dürfte dir sicher sehr
schwer werden. Aber tu, was in deinen Kräften steht; sei du ihr Schutz
und Hort in der neuen Heimat, denn ihr Wohl und Wehe hängt von dir und
deiner Behandlung ab. Sie soll sich wohlgeborgen in deiner Nähe fühlen,
und nichts soll imstande sein, ihr deine schützende Hand zu entziehen.
Nun bittet der Starosta des Bräutigams um die drei Zeichen.
Der Brautstarosta überreicht auf einem Teller einen Myrthenzweig
und ein seidnes Tuch. Der Bräutigam empfängt die Gaben aus
der Hand seines Starosta und legt ein Goldstück und die Einge
auf den Teller. Früher vertraten kleine myrthengefloclitne Kränzlein
die Stelle der Trauringe. Eine frauadrusk'e des Bräutigams be­
festigt ihm den Myrthenzweig auf der Brust. Während dieser
Zeremonie spricht der Brautstarosta:
Hier ist ein grüner Zweig! Der soll ein Sinnbild sein von dem dürren
Zweige des hl. Josef, der nicht nur grün, sondern auch m it schönen weißen
Blumen geziert war und so durch ein Wunder entschied, wer der Manu
Mariens sein sollte. Einen solchen Zweig überreicht heute auch die Braut
dem Bräutigam zum Zeichen, daß sie ihn als ihren Mann anerkennt.
Beim Überreichen des Tuches spricht der Starosta weiter:
Das zweite Zeichen ist ein Schweißtuch und soll eine Nachahmung des
Schweißtuches der hl. Veronika sein, welche Jesus, ihrem auserwählten
Bräutigam, ihren Schleier darreichte, damit er sein Angesicht abtrocknen
29
konnte. Und wie sie dann alles verließ und Jesu nachfolgte, so wird auch
heute die Braut Vater und Mutter verlassen und ihrem Manne anhangen.
Bei der Einhändigung des Ringes fährt er fort:
Hier ist noch das dritte Zeichen, ein goldner Ring. E r soll ein richtiges
Zeichen der Liebe sein; und wie das Gold das edelste und wertvollste Metall
ist, so ist auch die Liebe die edelste und vollkommenste Tugend, und wie
der Ring rund und ohne Ende, so soll auch die Liebe ewig währen. Wie
böse Menschen Gold und Goldeswert zu entwenden suchen, so wird auch der
böse Feind in Gestalt von bösen Menschen die Tugend der Liebe zu zer­
stören suchen. Und deshalb soll sie auch wie Gold verwahrt werden. —
Und so nimm denn hin, geliebter Bräutigam, diese drei Zeichen der Liebe
von der Braut! Möge eure Liebe immerdar neu und schön wie diese Zeichen
sein! Das wünschen wir von ganzem Herzen.
Während dieser ganzen Handlung hält sich die Braut im
Hintergründe, hinter den übrigen Gästen versteckt. Nach der
Überreichung der drei Zeichen verlangt der Starosta des Bräutigams
endlich einmal auch die Braut zu sehen. Darauf wird ein bräutlich
geschmücktes kleineres Mädel, vielfach eine jüngere Schwester der
Braut, hervorgeholt und als Braut vorgestellt. Damit ist jedoch
der Bräutigamsstarosta nicht zufrieden. Er lehnt die falsche Braut
a b ; sie sei noch zu jung und noch zu klein. Diese verteidigt
sich aber selbst; sie erklärt, sie könne schon kochen, rühmt sich
noch aller möglichen anderen Künste und sucht den Bräutigam
zu bewegen, sie doch zu nehmen. Auf dessen beharrliche Ab­
lehnung hin wird schließlich nach einer Weile die richtige Braut
von ihrem Vater hervorgeholt und dem Bräutigam zugeführt. Die
Brautleute reichen sich die rechten Hände und beschreiten im
Gehn einen Kreis. Die Musik spielt dazu einen Tusch. Dann
tritt die Braut zurück und sagt ihr g'ebät'cha (Gebetchen). Sie
dankt zuerst allen Verwandten und Bekannten, daß sie zu ihrem
Ehrentage erschienen sind, besonders den Ehrengästen und Freun­
dinnen. Darauf dankt sie den Eltern für alles, was sie ihr bisher
Gutes erwiesen haben, und bittet sie schließlich um ihren Segen
zu dem Schritte, den sie heute tun will. Nach dieser Bitte kniet
sie nieder und empfängt von den Eltern den Segen.
Nun ordnet sich der Zug für den Gang oder die Fahrt in die
Kirche zur Trauung, die vor der Messe, gewöhnlich um 8, mit­
unter um 9 stattfindet. Der Bräutigam*) ist dabei stets bar­
*) Uber den je tzt nicht mehr üblichen Mantel des Bräutigams und der
Kränzelherren s. S. 19.
30
häuptig, auch in Winter und Regen. Die Braut trägt heute den
Kranz. Früher hatte sie eine Brautkrone [blet'dhia = Börtchen]
aus Pappdeckel, etwa 10 cm. hoch, inwendig mit Stoff ausgelegt,
außen mit Flitter und roten und grünen Schleifen verziert. Solche
Brautkronen gab es ein paar im Dorfe; sie wurden leihweise ab-
Heimfahrt nach der Hochzeit. Auf dem zweiten Wagen die Brautfrauen
[Im Hintergründe der S. 10 erwähnte Schrotholzhof]
gegeben. Klei net e Kronen trugen die Brautjungfern. Nach der
Trauung trennt sich die Gesellschaft wieder in die beiden Häuser zu
Kuchen und Kaffee. Die Musik geht mit dem Bräutigam.
Früher begann das eigentliche Hochzeitsessen bald nach der
Trauung, und um 3 Uhr zog man schon ins Gasthaus. Jetzt geht
es erst um 8 ins Gasthaus, und das Essen beginnt um 3 Uhr.
Gegen 2 Uhr holen die Kränzelherren alle Gäste in ihr Hoch­
zeitshaus ab, die am Tage vorher von den Kränzeljungfern bereits
geladen worden sind. Früher geschah dies zu Pferde. Beim Ein­
reiten in den Hof meldeten sich die driufebas mit dem Rufe „feter
mime he!“ (Vetter, Muhme, he!) an. Heute radeln wohl einige,
meist kommen sie zu Wagen, Ärmere zu Fuß. Wenn sich dann
die Gäste in den beiden Hochzeitshäusern versammeln, gibt es
zunächst Kuchen, Wein, Bier und Butterschnitten, früher gab es
auch Schnaps. Um drei Uhr geht es zum Essen. Es gibt in
31
der Regel Nudelsuppe, Rindfleisch mit Tunke und Brot, feine
Graupe mit Pfefferkuchen und Zimt bestreut und mit brauner
Butter, Schweine- oder Bindsbraten mit warmen gekochten Pflaumen
[petsk'a39]. Der Starosta ist der Speisemeister; er gibt jedem mit
Brautpaar mit 2 Brautfrauen und 2 Brautjungfern
der Gabel sein Stück Fleisch, das früher mit den Händen ergriffen
und auf den blank gescheuerten Tisch gelegt wurde. Teller gab
es nicht. Oder das Fleisch wird in großen Stücken auf einem
Kuchenblech herumgereicht, und jeder nimmt sich sein Stück mit
der Hand herunter und schneidet es mit dem eigenen Messer, die
Männer meist mit dem Taschenmesser. Je vier bis acht Mann
haben einen gemeinsamen Tunkennapf, aus dem sie sich ihr Teil
jedesmal mit einem Löffel herausholen, oder sie tunken ihr Brot
in den Tunkennapf ein. Gesuppt wird ebenfalls zu vieren, sechsen
oder achten aus einer gemeinsamen Schüssel. Auch die Graupe
82
[kropk'e] wird in großen Schüsseln, eine für mehrere Gäste, auf­
getragen. In der Mitte der Graupe ist ein Loch gebohrt, das mit
zerlassener Butter gefüllt ist. Jeder nimmt mit dem Löffel vom
Bande und tunkt die Graupe ins Butterloch ein. Als die Männer
noch durchweg glattrasiert gingen, mag es wohl leichter gewesen
sein, ohne erhebliche Straßen von Speiseresten auf dem Tische
zwischen Esser und Schüssel zu hinterlassen, aus einem gemein­
samen Gefäße zu essen. Die heute immer mehr auftretenden
Schnurrbärte machen das schwieriger. Jetzt gilt die gemeinsame
Schüssel nur noch bei armen Leuten; im übrigen hat sich der
eigne Teller sein Becht verschafft.
Wie in der Kirche, so sind auch beim Essen Männer und
Frauen an verschiednen Tafeln getrennt. Zum Essen selbst wird
wenig getrunken; nach dem Essen gibt es Wein, Bier und Schnaps.
Die Gefäße sind dabei oft knapp. Früher ging oft ein einziges
Weinglas in der Bunde herum. Auch Biergläser gibt es oft nur
ein paar. Bekommt nun ein tüchtiger Zecher das Glas und sitzt
er in nächster Nähe des Fasses, so haben die ändern das Nach­
sehen. — Die Musik spielt im Hause des Bräutigams.
Dieser Hochzeitsschmaus findet immer zu Hause, nie im Gast­
hause statt. Jede Hausfrau bringt sich dazu ein Taschentuch mit,
um darin den Hochzeitskuchen einzupacken. Am ersten Tage hat
jede Familie Anspruch auf zwei große Blechkuchen, einen für den
Mann und einen für die Frau. Am zweiten Tage bekommen
Mann und Frau je einen halben Kuchen. Ei n z el n e Gäste erhalten
ebenfalls ihren entsprechenden Anteil. Das Fleisch, das nicht
gegessen wird, muß ebenfalls mit nach Hause genommen werden.
In die Küche geht nichts zurück.
Während die Frauen nach dem Essen gewöhnlich ihr gefülltes
Taschentuch heimtragen, holt der Bräutigam mit den übrigen
Gästen die Braut mit ihren Leuten unter Musikbegleitung gegen
8 Uhr ins Wirtshaus zum Tanze. Heute geht dabei allerdings
nicht mehr die ganze Freundschaft des Bräutigams m it, sondern
nur dieser selbst mit seinen Kränzelherren. Im Gasthause findet
sich schließlich die ganze Gesellschaft aus beiden Häusern wieder
zusammen. Nun beginnt der Tanz. Zuerst tanzte früher der
Bräutigam allein mit der Braut, dann die Starosten und die Kränzel­
herren.
33
Während die übrige Hochzeitsgesellschaft oft noch länger im
Wirtshause bleibt, ist es eine streng beobachtete Anstandspflicht,
daß das Brautpaar am ersten Tage um Mitternacht spätestens ver­
schwindet. Es geht, von den beiden Elternpaaren, den beider­
seitigen frauadrusk'a und beiden Starosten begleitet, ins Haus des
Bräutigams zum „Brätchen“. Die Unverheirateten, driufeba und
mät'chadrusk'a, gehn also nicht mit. Da wird noch einmal kalter
oder warmer Braten gegessen. Daher der Name. Für das Essen
hat die Brautmutter zu sorgen. Die Braut bleibt schließlich im
Hause des Bräutigams. Am zweiten Tage geht das Paar früh ge­
meinsam zur Kirche. Darauf begibt sich die Braut wieder in ihr
Elternhaus. Nachmittags fährt oder geht der Bräutigam mit der
Musik und seinen Kränzelherren ins Haus der Braut. Dort essen
sie, im selben Zimmer zwar, aber nach Geschlechtern getrennt.
Die anderen Gäste des Bräutigams bleiben in dessen Hause. Sein
Starosta muß als rechte Hand des Hausvaters natürlich auch Zurück­
bleiben.
Für den zweiten Tag, an dem das Feiern erst mittags be­
ginnt, sind die Gäste bereits am eigentlichen Hochzeitstage von
den beiden Hochzeitsvätern oder von den Starosten eingeladen
worden. Es gibt „Flecke“, das sind Kaldaunen [flak'e, kaudän],
Nudelsuppe, Braten, Kaffee und Kuchen. Früher wurde auch am
zweiten Tage getanzt. Dabei wurde gegen 10 Uhr die Braut „kapitst“
[eingehaubt]. Die Kinder tragen Fichtenbäumchen [Felüna] mit
Lichtern und Schnürchen dem Brautpaare voran; es folgen paar­
weise die übrigen Gäste, alle mit Lichtern. Dann setzen die
frauadrusk'a der Braut die Kapitse auf, befestigen an ihr das
„weiße,“ d. h. hellblaue Band und darauf ein rotes. Oben kommt
um die Kapitse, etwas kleiner als der Kranz, ein grünes Schnür­
chen. Die Mütze wird nicht aufgesetzt; die Kapitse ist das
eigentliche Wahrzeichen der Frau. Heute ist das Einhauben, da
am zweiten Hochzeitstage nicht mehr getanzt wird, vielfach weg­
gefallen.
Geht man jetzt auch nicht mehr am zweiten Abende wie
früher ins Gasthaus, so hält man dennoch bis tief in die Nacht
aus, wieder getrennt in den beiden Festhäusern. Man macht sich
selbst Musik mit Küchenblechen und mit der Harmonika. Hier
findet die Unterhaltungsgabe einiger Witzbolde, von denen es
G u s in d e , Schßnwald
3
S4
mancher zu großem Eufe im Dorfe gebracht hat, ein weites Feld
zu Betätigung und auch ein dankbares Publikum. Man foppt sich
gegenseitig; der und jener trägt eine lustige Schnurre oder ein
Lied vor, oder es tritt einer verkleidet als „Poiats“ auf. Die
alten sind besonders im Eätselaufgeben unerschöpflich.
Früher war diese Belustigung zu Hause am dritten Tage.
Heute ist sie auf den zweiten verlegt, da meist nur noch zwei
Tage gefeiert wird. Am dritten wird nur noch „gewandert“.
Am dritten Tage ging es erst nachmittags los, und nur die nächsten
Angehörigen feierten noch, wieder in beiden Häusern getrennt. Im
Hause des Bräutigams fanden sich sein Starosta, seine Kränzelherren, Kränzeljungfern, Kränzelfrauen, „Köchinnen“ und nächsten
Verwandten ein. Nachher fuhren sie mit dem Bräutigam ins Haus
der Braut. Dort wurden sie wieder bewirtet. Jetzt erst, also
gewöhnlich am Donnerstage, wurde die Braut endgültig heimge­
führt; gleichzeitig wurden die Hausgeräte in die neue Behausung
geschafft, in die am Tage vor der Hochzeit nur die Betten gebracht
worden waren. Das ist das „Wandern“ [wändan], das auch heute
noch am dritten Tage ausgeführt wird. Die Braut wird begleitet
von ihren Eltern und Geschwistern, ihrem eignen offiziellen Hoch­
zeitsgefolge und dem Bräutigam samt seinem zur Abholung mit
ihm erschienenen Gefolge. Auf mehreren Wagen geht es nun in
lustiger Fahrt ins neue Heim. Zum großen Kummer der Orts­
polizei wird unterwegs beständig gejohlt und gejuchzt [wichsa].
In der neuen Wohnung, in der die Betten schon seit Montag
stehn [s. S. 27], packen die Burschen kräftig zu, und bald steht
die ganze Ausstattung in schönster Ordnung da. Und nun wird
wieder alles bewirtet.
Früher bewiesen die driufeba häufig ihre Fürsorge für den
neuen Haushalt noch dadurch, daß sie, wenn es zum „Wandern“
ging, den Hühnerstall des Brautvaters schnell noch einmal musterten,
um auf dem Brautfuder ein paar Hennen zu verstecken, die dann
erst im Gehöfte des jungen Paares plötzlich zum Vorschein
kamen. Jetzt sollen sie diese Art Fürsorge für die Mitgift aller­
dings nicht mehr ausüben. Dessen war man sich freilich nicht
bewußt, daß man damit einen alten Fruchtbarkeitszauber vollzog.
35
Spin ne n
Bis vor etwa 50 Jahren wurde alles Gespinst und alle Lein­
wand ohne Ausnahme im Hause hergestellt*0. Jetzt ist an ihre
Stelle längst die Fabrikware getreten. Im Herbst und im Winter
kamen die Frauen und Mädchen zusammen; auch die Männer
beteiligten sich oft, die alten, um ebenfalls zu spinnen, die jungen
Spinnrocken mit und ohne Flachs
Spinngerät der Männer (tsierfQk)
Burschen mehr der Mädchen wegen. Man nannte das „ zum
Rocken gehn“. Dabei wurde auch gesungen, aber selbst da waren
es nur Schul- oder geistliche Lieder. Auch durch Spiele, Rätsel­
raten und durch Erzählen von lustigen Geschichten sorgte man
für Abwechslung. Das Spinngerät der Frauen war einfach und
altertümlich. Ein hübsch geschnitzter, gerader, etwa 1,20 Meter
langer Holzpfahl steckte im rokabrät'cha, einem schmalen,
3*
36
höchstens 10X 20 cm großen, mit vier kurzen Füßen versehenen
Brettchen. Die Spinnerin hielt mit den aufs Brettchen gestellten
Füßen und mit den Knien den Bocken fest. Spinnräder waren
fast ganz unbekannt, und nur ganz vereinzelt ist eins von auswärts
eingeführt worden. Die Männer hatten ein besonderes Spinngerät.
Ein etwa meterlanges Brett trug an einem Ende ein ungefähr
60 cm hohes Stäbchen, über das ein unten ausgehöhlter Holz­
kloben, die k'elpe, gestülpt wurde, daran der Flachs befestigt war.
Das Brett wurde auf eine Bank oder einen Stuhl gelegt, und der
Spinner setzte sich darauf. So hielt er den „tslerfyk“ fest und
hatte den Flachs vor sich.
Tod u n d B e g rä b n is
Der Tod des Hausherrn wurde dem Vieh angesagt. Das
Fenster wurde geöffnet, damit die Seele hinaus könne. Verwandte
und Nachbarn gehn, wenn ein Erwachsener gestorben ist, abends
zur Leiche, um da zu singen und zu beten. Nach etwa zwei
Stunden wird ein Laib Brot herumgereicht, und jeder schneidet
sich ein Stück ab. Vielfach wird auch einmal ein Glas Wein
gegeben. Solange ein erwachsener Toter im Hause liegt, geht
niemand zu Bette. Die Betten werden hinausgetragen, Bretter
und Bänke werden in der Stube aufgestellt. Um 10 Uhr gehn
die meisten nach Hause, nur die nächsten Verwandten bleiben
noch und schlafen mit den Angehörigen, damit die sich nicht
fürchten, auf Stroh. Nur ein Kopfkissen wird aufs Stroh gelegt,
aber keine Decke. Früh wird die Stube gereinigt, man geht zur
Leiche hinein, um zu beten; dann gehn die Verwandten nach
Hause. Das wiederholt sich bis zur Beerdigung. Wenn die Leiche
hinausgetragen wird, werden die Stühle, auf denen der Sarg stand,
sofort umgeworfen, und beim Hinaustragen wird der Sarg dreimal
über der Schwelle gehoben und wieder gesenkt.
Wenn man kurz nach dem Tode jemandes im Finstern etwas
Weißes laufen sieht, so ist der Tote in den Himmel eingegangen;
sieht man etwas Schwarzes laufen, so leidet er in der Hölle.
S o n s tig e B r ä u c h e ,
Nach Sonnenuntergang verkauft man gewöhnlich keine Milch
mehr. Muß man es dennoch tun, so mischt man ein wenig Weih­
wasser darunter, damit die Kühe die Milch nicht verlieren.
37
Wen ma tsnächts bor k'echa ferbaig'eat, den rekts a g'ebont’
streo. man mus dos g'ebond' 99ntsend'a and ones breot strien*).
Flechten heilt man, wenn man den Schweiß von den Fenster­
scheiben daraufstreicht. Als noch besser gilt folgendes Mittel:
Man legt frische Birkenruten ins Feuer. Den sich tropfenweise
absondernden Saft streicht man auf einen Teller. Hat man genug
davon gesammelt, so wischt man damit über die Flechte.
Gegen Lungenkrankheiten nimmt man geriebene Lindenholz­
kohle, mit feinem Öl und Milch vermengt. Furunkel heilt man,
wenn man mit Holzkohle einen Strich darum macht. Dieser Strich
darf nicht abgewischt werden. Er verhindert das Weiterwachsen
des Geschwüres.
Im ersten Jahre kommt weder Kamm noch Schere auf den
Kopf des Kindes. Am besten werden die Haare zum ersten Male
am Ostersonnabend während des ersten Glockenläutens geschnitten.
Wenn Kinder abgesetzt werden, legt man sie auf einen Tisch,
auf dem ein Gebetbuch, ein Brot und ein Geldstück liegen.
Frömmigkeit, Wirtschaftlichkeit oder Reichtum werden ihm be­
beschieden sein, je nach dem Gegenstände, nach dem es zuerst greift.
Beim Säen von Gerste oder Weizen legt man ein paar Körner
unter die Zunge, sät barhäuptig, ohne zu sprechen, zu grüßen
oder zu danken, und am Ende speit man die Körner am Wege
aus und zertritt sie. Das ist gut gegen die Sperlinge.
Beim ersten Austreiben nahm der Hirte ein Stück Brot und
zwei gekochte Eier mit. Das Brot und das Weiße der Eier aß
der H irte, das Gelbei nahm er samt einem bißchen Gras nach
Hause und mischte es unter das Futter, damit man das Jahr über
viel und schön gelbe Butter hätte. Beim Heimkommen wurden
Hirte und Kühe aus dem Melkkübel m it Wasser begossen, damit
der Hirte nie einschlafe und die Kühe viel Milch gäben. Auch
der Ackerbesteller, der das erste Mal ins Feld fuhr, wurde beim
Heimkommen mit Wasser begossen.
Andre Bräuche knüpfen sich an verschiedene wichtige Tage
des Kirchenjahres.
*) Wenn man nachts bei der Kirche vorbeigeht, dann reckt es ein
Gebund Stroh entgegen. Man muß das Gebund anzünden und [von der
Asche] unter das Brot streuen [Das hilft gegen Hexen],
38
Am Nikolaustage gibt es allerhand Vermummungen. Früher
zog ein Bischof umher, jetzt geht man gewöhnlich in Soldaten­
röcken oder in umgedrehten Pelzen. Mitunter war früher auch
ein als Mädchen angezogner Bursche [nek'ene] dabei mit einem
Körbchen, aus dem er Gaben verteilte. In ganzen Scharen ziehn
heute die Burschen mit Glocken lärmend durchs Dorf, in der
ersten Dämmerung das kleinere Volk, wenn es finster wird, die
größeren. Begegnen sich solche Scharen und will einer gar ge­
waltsam ergründen, wer hinter der Vermummung steckt, so ist
häufig eine Keilerei das Ende vom Liede.
Am hl. Abende werden alle möglichen Fastengerichte auf­
getischt, gewöhnlich neunerlei Speisen. Wo Kinder sind, wird schon
mittags gegessen, sonst ist die Hauptmahlzeit abends, und mittags
gibt es bloß eine Wassersuppe. Nur an diesem Tage wird der
Eßtisch gedeckt. Unter dem Tische liegen Strohseile und ein Beil.
Jeder muß bei Tische etwas Geld bei sich haben. Beim Essen
muß jeder wenigstens einen Fuß auf das Beil setzen. Das hilft
gegen Krankheiten. Nach dem Essen wird das unter dem Tisch
liegende Stroh um die Obstbäume gebunden; Schalen, Kerne und
Brosamen werden ebenfalls an den Bäumen verteilt. Dabei spricht
man: „Blüh, Bäumchen, blüh und schlafe, blüh und trage süße
Frucht!“
Am hl. Abende werden die Hühner in einem Reifen gefüttert,
damit sie sich gut halten und nicht verlaufen. Der Hofhund
bekommt eine Butterschnitte mit Knoblauch, damit er recht bissig
werde.
Am Stephanstage (2. Weihnachtsfeiertage) wurde der Hafer
geweiht [hyowerwaje]. Jeder Besitzer schickte etwa 1 Liter ausgedroschnen Hafer in einem Tuche oder in Papier gehüllt zur
Kirche. Dieser geweihte Hafer wurde dann zum Teil unters Saat­
getreide gemischt, der Rest wurde am selben Tage dem Vieh unters
Futter getan.
Nach Neujahr kommen die hl. Dreikönige gewöhnlich aus den
Nachbardörfern nach Schönwald und singen meist deutsche Texte.
Früher gehörte auch ein Schäfer dazu, der unter beständigem
Schrittwechsel das Lied sang: „Ob ich gleich ein Schäfer bin“.
Zur Faschingszeit wird im Gasthause oder in größeren
Wohnungen die snosk'e abgehalten. Es ist dies, im Gegensätze
39
zum öffentlichen Tanze, ein Vergnügen im kleineren Kreise, das
vorher angesagt wird und zu dem die nächsten Bekannten ein­
geladen werden. Die Musiker, Streicher und Bläser, sind ge­
wöhnlich Dilettanten. Mitunter besorgt auch eine Ziehharmonika
die Musik.
Sommersingen au Lätare. Die Kinder tragen kleine Fichten­
bäume, mit buntem Papier xmd Schnüren geschmückt; oben ist
darin häufig eine Puppe angebracht. Auch polnische Kinder aus
Nachbardörfern kommen oft ins Dorf. Gesungen wird gewöhnlich:
„Es geht durch alle Lande ein Engel still und hehr“, dazu der
polnische Kehrreim: „felohje pikne nasdrojoiije“. Die Kinder be­
kommen für ihr Singen Eier oder Geld.
Zu Ostern werden Eier bemalt [woiejer]. Oben und unten
sind gewöhnlich Kronen, in der Mitte Sprüche. Hauptsächlich
schenken sich Liebesleute solche Eier.
Ostersonnabends wurden früher Eier, Brot und Schinken
geweiht. Heute geschieht es am Tage der hl. Agatha (5. Febr.).
Am Ostersonnabende wird das Feuer in der Kirche geweiht.
Dann geht man mit den brennenden Laternen, die in der Kirche
bei der Zeremonie verwandt wurden, um Haus und Gehöft herum
Dadurch sichert man sich vor Feuersgefahr.
Am 1. Osterfeiertage werden kleine Holzkreuze und ein paar
geweihte „Palmzweige“ [Weidenkätzchen] in die Feldecken gesteckt.
Gleichzeitig wird, ebenso wie zu Pfingsten, Weihwasser auf die
Felder gesprengt.
Noch in der Dunkelheit geht man am 1. Ostertage früh aufs
Feld und singt Osterlieder, meist mehrere Familien zusammen.
Auf einem Wege geht man bis zur Grenze hinauf, auf dem ändern
zurück. Vor Morgengrauen ist man wieder zu Hause. Dieser
Umgang heißt ems kün fena = ums Korn singen.
Die uralte sinnige Art des Feldumganges hielt sich bescheiden,
aber zähe bis in unsere Zeit, obwohl daneben die prunkvolle
kirchliche Prozession stand. Diese war, ebenso wie bei den benach­
barten Polen, ein Fest der ganzen Gemeinde, und für ihre Reiterprozession opferten die Schönwälder gerne (s. S. 67). Im Anfänge
des 18. Jahrhunderts ging es dabei so zu: In der Regel am
2. Ostertage versammelte man sich um ein Uhr auf dem Kirch­
hofe 41. Auf Befehl des Abtes wurden hier die Teilnehmer ermahnt,
40
hübsch in Ordnung und im Schritt zu reiten und nicht wild darauf
los zu galoppieren. Dann ging es mit Kreuz, Osterkerze und Auf­
erstehungsfigur unter Glockengeläute um die Felder. Durch Lieder
und Litaneien suchte man Hagel und Unwetter abzuwenden und
Gedeihen für die Saat zu erflehen. Die Burschen und jüngeren
Männer waren zu Pferde42. Ging der Pfarrer mit, so konnte er
sich aus der Gemeinde ein beliebiges Pferd aussuchen und bekam
16 Silbergroschen. Der Best des gesammelten Geldes floß in die
Kirchkasse. Blieb der Pfarrer aber weg, vielleicht weil ihm die
Schönwälder Pferde zu mutig waren, so bekam er nichts. Trotz
der guten Ermahnungen hörte jedoch der Unfug nicht auf, so daß
die Reiterprozessionen 1817 aufgehoben und in eine Nachmittags­
andacht um gewandelt wurden.
Am Ostermontage bespritzen die Jungen die Mädchen mit
Wasser und bekommen dafür bemalte Ostereier [wolejer]. Am
Osterdienstage bespritzen umgekehrt die Mädchen die Burschen, ohne
jedoch vor ihnen sicher zu sein, da mancher allzueifrige Bursche
auch am Dienstage noch sein Recht ausübt. Die sonst in Schlesien
bekannten “Schmackostern“ gibt es nicht.
Der 1. Mai.*) em esta moi wet moi g'efotst. den wed a stek'e
ost opg'ehäwa foder bek'a [Birke] and owa mest g'estakt. tsöwets
wen de kala [Kerle, jungen Burschen] koma, näma fe de letan ant
stela fe fes fanster and öch fede tlr, dos fe ncQh rausk’ina.
*) Am 1. Mai wird der Maibaum gesetzt. Dann wird ein Stück Ast
von der Birke abgehauen und auf den Mist gesteckt. Abends, wenn die
jungen Burschen kommen, nehmen sie die Leitern und stellen sie vors
le n ste r und auch vor die T ür, daß man nicht herauskann. Manchmal
nageln sie auch die Tür zu; dann muß man zum Fenster hinauskriechen.
Oder sie tragen die Tonnen bis ins Mittelfeld oder ins Hegefeld, oder sie
hängen die Milchtöpfe und die Butterfässer auf den Baum. Manchmal
setzen sie auch den Wagen auf die Scheune. Im Niederdorfe [eigtl. da unten]
hatten sie einmal den Wagen auf der Scheune m it Mist beladen. Oder sie
legen auf den Kamin ein Stück Glas, daß der Bauch alles zurückkommt;
und wenn man in den Schornstein hineinsieht, dann sieht man doch nichts,
ob er etwa verstopft ist. Dann denkt man, die Hexe ist drinnen. Vor die
Tür legen sie auch Rasenschollen, daß die Hexe nicht ins Haus hineingeht.
Die Leute sagen auch, wenn man des Nachts herausgeht, dann sieht man
die Hexen auf den Besen und Mistgabeln in der Luft herumfliegen. —
Birkenreiser und Rasenschollen werden besonders vor alle Stalltüren
gelegt, Birkenreiser, wie oben gesagt, auch auf den Mist gesteckt.
41
monchsmo slön fe öch de tl(r) tsiu. den mesa fe tsem fanster
lauskricha ader de trüon de tun [Tonnen] bof as metefaud ader
as hijog efaud ader de hena de melechtepe ant de poterfeser owa
böm. monsmo fetsa fe öch da wüon [Wagen] of de säjer. deneada
[im Niederdorfe] hota fe amö da wüon of der säjer met meste
belot. ader de llen [legen] ofde komine a stek'e glijts, dos der
roch eots [alles] tserek'ek'emt; ant wenfe ade komine nainfän, den
fänfe doch nist, op fe es ferstopt. den denk'afe, de hekse es dena.
fede tir llen fe öch rögfaseoa, dos de hekse nech as haus naing'eat.
de laite füon (Ich, wen ma tsnächts rausg'eat, den fit ma de heksa
owa bäfeo [Besen] ant mestgyabeo ader loft remflig'a.
Rein kirchlicher N atur war die Prozession am Tage des hl. Florian
(4. Mai), der in Schönwald besonders verehrt wurde. Sie ging durchs Ober­
und Niederdorf. Da der Ort sehr oft durch Brände verheert wurde, ist die
Ehrung dieses vor Feuer bewahrenden Heiligen besonders verständlich. Heute
kennt man sie nicht mehr. Auch die Prozession um die Felder am Isidorund Urbanstage (15. und 25. Mai) hat aufgehört. Am 4. und 25. Mai wird
in der W irtschaft nur die nötigste Arbeit, wie z. B. Viehfüttern, verrichtet.
Sonst gelten diese Tage als Feiertage. Bis 1907 waren sie auch schulfrei.
Seitdem ist auf Antrag der Lehrer nach dem Gottesdienste Unterricht. —
Ebenso rein kirchlicher N atur war das Gelöbnis aus der Mitte der 40 er Jahre,
um den Hagel abzuwenden, nach Pschow zu wallfahren. Anfangs geschah
das am Peter-Paultage. Da die Schönwälder aber dann von polnischen Wall­
fahrern erdrückt wurden, machen sie je tzt die B ittfahrt nach dem 29. Juni
zusammen mit den Ratiborern.
Zu Mariä Himmelfahrt findet die Kräuterweihe statt [wesawäje].
Eberesche, Getreide, Wermut und andere Arzneikräuter und Obst­
baumzweige werden dabei zu einem Büschel [wese] zusammen­
gebunden. Bei Krankheiten wird dem Vieh davon unters Futter
gegeben. Am hl. Abende hackt man davon unter den Kuchen,
der von den Back- und Speiseresten vom Weihnachtsabende ge­
knetet und am selben Abende dem Vieh gegeben wird.
T anz und S p ie l
Der Besentanz [bäfemtänts]. Ein überzähliger Tänzer steht
mit einem Besen in der Mitte. Die anderen Tänzer gehn erst
paarweise, teilen sich dann, so daß die Herren rechtsum, die Damen
linksum, also in entgegengesetzter Bewegung im Kreise schreiten.
Plötzlich wirft der Besentänzer seinen Besen fort und erfaßt eine
Tänzerin. Die Musik geht im selben Augenblicke aus der lang­
42
samen Reigenmelodie in eine lebhafte Tanzweise über. Jeder
Tänzer sucht eine Tänzerin zu erhaschen. Der Übrigbleibende
nimmt nun den Besen, und nach ein paar Randen wiederholt sich
das Spiel.
Ebenso wird er in der polnischen Nachbarschaft getanzt, auch bei den
Trachtenfesten zu Koslowagora.
Der Tücheltanz [tichotänts] wird besonders bei Hochzeiten
getanzt. Die Paare schreiten langsam im Kreise um einen über­
zähligen Tänzer herum, der unter allerhand Neckereien schließlich
auf eine Tänzerin zugeht und ein Tuch vor ihr hinbreitet. Beide
knien darauf nieder, umarmen und küssen sich, stehn dann auf
und tanzen miteinander. Die Tänzerin nimmt nun ihrerseits das
Tuch und sucht sich einen Tänzer, während der erste in den
Reigen eintritt. Dabei wird, vor allem von den Kränzelherren
[driufeba], allerhand Ulk gemacht. Holt sich dann einer die sich
ablehnend verhaltende Mutter des Mädchens, das er liebt, so erregt
er dadurch bei den Eingeweihten besondere Heiterkeit.
Beim Katertanz [kyotertänts] stehn die Tänzer in zwei Reihen.
Eine Tänzerin entflieht ihrem Herren und wird überall von den
ändern durchgelassen, ihr Tänzer, der sie verfolgt, dagegen nicht.
Die Musik spielt dazu in sehr schnellem Tempo. Hat der Tänzer
seine Dame erhascht, so tanzt er ein paarmal mit ihr herum,
während die Musik ein ruhigeres Tempo anschlägt. Dann treten
die beiden in die Reihe, und die nächsten kommen dran.
Pantoffeljagen [pantsfojüon]. Alles sitzt, möglichst in bunter
Reihe, auf der Diele mit angezogenen Knien. Ein Pantoffel wird
unter den Knien bald rechts, bald links herumgeschoben. Ein
Spieler in der Mitte sucht ihn zu fangen. Er wird von dem­
jenigen Mitspieler abgelöst, bei dem der Pantoffel gefunden wurde.
Schinkenschlagen. Einer steckt in gebückter Stellung das
Gesicht in eine Mütze und muß erraten, wer ihn mit der Hand
auf die „Schinken“ geschlagen hat. Erst wenn er das errät, wird
er von dem Betreffenden abgelöst.
sperk'etsln. Zwei Burschen liegen auf allen Vieren, Gesäß
gegen Gesäß, auf der Erde. Jeder trägt einen Reiter. Die Reiter
fassen überrücks die Enden eines Stockes.
Darauf gehn die
„Pferde“ auseinander, und die Reiter suchen sich gegenseitig
rücklings herabzuziehen.
43
stek'espelda ist ein Spiel zur Yerulkung Uneingeweihter. Einer
liegt als Klotz auf allen Vieren, der andere wird als Schlegel
[sl^ag'o] an Bein und Schulter gepackt und mit dem Gesäß gegen
das des Klotzes geschlagen.
K in d e rv e rs e
1. slöf, k'ent'cha, slöf,
em güota left a söf,
hot flr waise fise,
slöf, k'ent'cha, fise.
2. reno, reno, kosta,
müne wan wer fosta,
henermüne wan wer kucha baka,
bos fiant'ek' wan wer heoset macha.
wen der her wet wela,
wan wer an topfo flig'a kocha,
wen a nech wet wela,
wan wefe of de pope smln.
kikeriki.
3. Adam hot a kruk tseslön,
Ewa mus de siweo trüon.
kurit'a fe k'ene kueha baka,
musta fes trag'e breot ferfaka
[oder: musta fe da tek1 afeo ferfaka],
4. sain, font'Jia, sain
bof as glokahaischa nain,
em batler owa laderfak,
em g'erifehltcha owa gäntsa täk,
em kiushitcha owa heoba täk,
em fätshitcha owa fito täk.
sain, foncha, sain
bof as glokahaischa nain.
5. der dauma setet [d]e flauma,
der tsaig'efefier lest fe of,
der metese fener kocht fe tsiu,
der goltfener frest fe of,
der klene teuer krots[t] s tepflic
aus.
1. Schlaf, Kindchen, schlaf! Im Garten läuft ein Schaf, h at vier weiße
Füße. Schlaf, Kindchen, süß!
2. Ringel, Ringel, Kasten. Morgen werden wir fasten, übermorgen (eigtl.
hintermorgen) werden wir Kuchen backen, am (eigtl. bis) Sonntag werden
wir Hochzeit machen. Wenn der Herr wollen wird, werden wir einen
Topf voll Fliegen kochen; wenn er nicht wollen wird, werden wir
sie auf die Pappel schmeißen. Kikeriki!
3. Adam hat den Krug zerschlagen, Eva muß die Scherben tragen. (Da)
konnten sie keine Kuchen backen; mußten sie das trockene Brot
[oder: den Teig so] versacken (d. h. essen).
4. Schein, Sonnchen, schein bis ins Glockenhäuschen hinein, dem Bettler
auf den Ledersack, dem Gänsehirtchen auf den ganzen Tag, dem Kuhhirtchen auf den halben Tag, dem Pferdehirtchen auf den viertel Tag.
Schein usw.
5. Der Daumen schüttelt die Pflaumen, der Zeigefinger liest sie auf, der
mittelste Finger kocht sie zu, der Goldfinger frißt sie auf, der kleine
Finger kratzt das Töpfchen aus.
44
6.
s mlercha g'it) tsem tlreha,
kQms tserek'e, hots a iecha,
llets as tepcha, wüof a pepcha,
diu llet echf as tr|ag'eeha, diu wüof a ftjag'echa.
[oder: smits ofs dach, hots der stach].
7.
aintraiwa, breot snaida,
poter stacha, k'ijafe bracha,
meok'a fupa, fischa wosa,
hopf as bet’& a nain.
Diesen Eintreibevers sprechen die Kinder, wenn sie die Kühe, die
tagsüber auf Rainen und Feldwegen grasen, abends eintreiben.
8. der fögo fomet streo,
[s] streo g'ä ech der kiu, de kiu g'ept melech,
de melech g'a ech der kotsa, de kotse g'ept s fäu,
s fäu g'a ech em g'erber, der g'erber g'ept s g'aut,
s g'aut g'ä ech em pauwer, der pauwer g'ept kün,
s kün g'a ech em mener, der mener g'ept mäu,
s mäu g'a ech em bek'er, der bek'er bek't breot,
s breot g'ä ech der hiun, de hiun lled iejer,
de iejer ferk'ew ech, s g'aut ferfauw efli,
den hqr ech an drek'.
Zahlenreime
9.
s kijm a klop met nain krosta.
weod ech ene, krik't a meqh mem stene,
„
„ tswiue, gQb a mer mem siuwe,
„
„ draje, sek't a mec'Ji noch spräje,
6. Das Märchen ging zum Türchen. Kam’s zurück, hatte es ein Eichen;
legt’s ins Töpfchen, war’s ein Püppchen. Da legte ich es ins Tröglein, da war es ein Vöglein [oder: schmiß es aufs Dach; hatte es der
Stach (Name des Lumpensammlers)].
7. Eintreiben, Brot schneiden, Butter stechen, Käse brechen, Molken
suppen, Füßchen waschen, hops ins B ett hinein!
8. Der Vogel sammelt Stroh. Das Stroh geb ich der Kuh, die Kuh gibt
Milch, die Milch geb ich der Katze, die Katze gibt das F ell, das
Fell geb ich dem Gerber, der Gerber gibt das Geld, das Geld geb
ich dem Bauer, der Bauer gibt Korn, das Korn geb ich dem Müller,
der Müller gibt Mehl, das Mehl geb ich dem Bäcker, der Bäcker
bäckt B rot, das Brot geb ich der Henne, die Henne legt E ier, die
Eier verkauf ich, das Geld versauf ich, dann hab ich einen Dreck.
9. Es kam ein Mann m it neun Krusten. Wollt ich eine, kriegte (warf)
er mich mit dem Steine; wollt ich zwei, gab er mir mit dem Schuh;
wollt ich drei, schickt er mich nach Spreu; wollt ich vier, schickt er
45
weod ech flre, sek't a mech noch bire,
„
„ fenwe, bis a incqh an aude kalembe,
»
» fekse,
hekse,
»
» feewa, „ „ „
„
„ seowe,
»
» achte, „ „ „
„
„ wachte,
„
„ naine, sek't a mech noch waine
[oder: Totst a mech tsem waine].
10.
es k'es,
tswle k'iener,
drae beoa,
flr seoa,
fenf g'ebeiid'er,
feks k'eiid'er,
feawa seowa,
achte wachte,
naine swaine,
tsän wäne,
elf frela,
tswelf g'efela,
dratsa matsa,
fetsa fit?,
feoftsa sefeo,
fachtsa lefeo,
feptsa metsa,
achtsa stetsa,
naintsa Iota,
tswentsek' plota.
Zunaraenspottverse
11. der Doma slacht an kiu,
der Fukas left atsiu,
der Frijura nijm da tsüo
ant hend' a owa, nüo,
der Bautser nemt de weste
ant smit se eowc [d]e feste,
der K'cfer ngmf aiter
ant
der
der
ant
der
der
der
g'iß waiter,
Bek' smits wek1,
Kiuba nym da wonst
füot: fes lauter donst,
Krön weis htjn,
Kubele wets wela,
Pots dar hots.
mich nach Bier; wollt ich fünf, hieß er mich eine alte schlechte Kuh;
wollt ich sechs, hieß er mich eine alte Hexe; wollt ich sieben, hieß
er mich einen alten Schübel (Fleck im Klee oder auf der Wiese, auf
den sich eine Kuh entleert hat und den dann die Kühe nicht mehr ab­
grasen); wollt ich acht, hieß er mich eine alte Wachtel; wollt ich neun,
schickte er mich nach [oder: setzte er mich zum] Wein.
10. Eins, keins; 2 Körner, 3 Ballen, 4 Schollen, 5 Gebünde, 6 Kinder,
7 Schübel (s. zum vorigen Spruche), 8 Wachteln, 9 Schweine, 10 Wagen,
11 Muscheln, 12 Gesellen, 13 Metzen, 14 V iertel, 15 Scheffel,
16 Löffel, 17 Mützen, 18 Stützen, 19 Latten, 20 Platten.
11. Die mit großem Anfangsbuchstaben geschriebenen Wörter sind Hof­
oder Spottnamen (S. 17). Der wirkliche Name steht in Klammern. —
Der Dominik (Polifke) schlachtet eine Kuh, der F. (Kotitschke) läuft
herzu, der F. (Schneider) nahm den Schwanz und hängt ihn auf den
Nagel. Der Balzer (Konetzke) nimmt die Würste und schmeißt sie
über den First. Der Käufer (Nierulla; sein Vater, der noch als
Frachter bis Trient gefahren ist, hieß schon so) nahm das Euter und
ging weiter. Der Beck schmiß es weg. Der K. (Jakob = Goletz)
nahm den Wanst und sagt: Es ist lauter Dunst. Der Kran (Puscher)
will es haben. Der K. (Walke) wird es wollen. Der P. (Marek)
der hat es.
46
12.
s mät'öha hot [d]e kiu ferlün. heßer haisk'a
heßer sötsa lerid'a
wet se weder saisa.
wetse weder fend'a,
heßer lula
heßer kropk'ewüoda heta
wet se weder sula.
wet se weder teta,
heöer grots
heßer spauk'a
lis [f]e noch an fots.
wet se weder mauk'a.
13.
O D er
Peora brek'a potets meter eowakrek'a.
Vornamenspottverse
Josef.
14 . de pöua fün [n]och köua,
de mut'er slopt [d]e böua,
der josk'e jüot [d]er fäu atnöch,
diu fila fe bede ara lödi.
1 5 . faif, josk'e, faif!
heste nech g'efefa,
heste nech de höfa feo g'esesa.
A ndreas
ra
Franz.
Paul.
16. Jeofa, beofa, slisk'afäk,
host jo müne faiertäk.
Thomas. 17. teoma, sweoma, lechanast,
host [d]e iejer wi a hast.
jandera, bandera, seiit'
[d]e maus,
mach der mut'er a peltsyha
draus.
18.
19 .
frants,kärarants, k'elwerfäk [Kälbersack],
20. Paul, Saul, Löffelstiel,
kleine Kinder essen viel,
die Jungen müssen fasten,
das Brot liegt im Kasten,
das Messer liegt daneben,
daß wir lange können leben.
12. Das Mädchen hat die Kuh verloren. Hinter Schulzens (Kotitschke)
Linde wird sie sie wieder finden. Hinter Kropiwodas H ütte wird sie
wieder brüllen. Hinter Spalke wird sie wieder melken. Hinter Heiske
wird sie wieder —. Hinter Lulla (Drzyzga) wird sie wieder —. Hinter
Grot (Kotitschke) ließ sie noch einen —.
13. Unter Peretzkes Brücke poltert es [ = geht es um] m it der Ofenkrücke.
[Vor dem Hause des Viertelbauers Peretzke im Niederdorfe ist am
Wege eine Brücke],
14. Die Polen fuhren nach Kohlen, die Mutter schleppte die Bohlen, der
Josef jagte der Sau nach, da fielen sie beide in ein Loch.
15. Pfeif, Josef, pfeif! H ättest du nicht gepfiffen, hättest du nicht die
Hosen voll —.
16. Josa, Bosa, Gänsenudelsack, hast ja morgen Feiertag.
17. Thomas, Schwalbe, Lerchennest, hast die Eier wie eine Baßtrompete.
18. Jandra, Bandera, schind die Maus, mach der M utter ein Pelzchen daraus.
20. Hochdeutsch, nur teilweise m it mundartlichen Worten durchsetzt.
Eine ma. Form kann wohl nicht zu Grunde liegen, da für sie der
Reim schlechter wäre [stesla: feel, näber: läwa].
47
2 1 . feota, g'e tse keota,
los dech besreota.
V alentin.
Anna.
nech tse wait, nech tse tif,
dof a nech ferbrit.
[oder: nech tse w ait, nech tse
noch,
nech ferbri de^h öch],
22. ane, bane, benaböm.
stek' da rots an eowatöp,
Knaben und Mädchen necken sich gegenseitig mit den Worten:
23. biuwe, siuwe, höfatr|9g'er.
24. mät'qha, brät'cha, kotsastapfiha.
Auszählreime
25. Igl,
m lgl, dene, toko, weoe, tsüo, pits, pats, hont', h^s.
26. s wüor amö a tswerk',
dar kijm tsem waisa berk1,
där köft em a glgs bi[r],
belaift fe& wi a sti[r].
Aus Schönwalds Geschichte
Mannigfache Schicksale mögen dem Dorfe im Laufe der Zeit
beschieden gewesen sein, von denen wir nichts wissen. Je kleiner
eine Gemeinschaft ist, um so weniger pflegt an die Öffentlichkeit
zu dringen, mag auch Lust und Leid, Glück und Not ebenso tief
ins Leben des einzelnen und des ganzen Dorfes einschneiden.
Dazu kommt, daß eine Fülle von Urkunden verloren gegangen
ist.
Mehrfache Brände im Kloster Räuden haben ein reiches
Urkundenmaterial vernichtet, und Sorglosigkeit und Unverstand
haben obendrein unverantwortlich damit gewirtschaftet. Schwebt
21. Valentin, geh zum Kot (Gemander; er hatte an einem schmutzigen
Seitenwege gebaut), laß dir die Haare schneiden.
22. Anne, Banne, Birnenbaum, steck den zerrißnen Schuh (auch: Huf einer
Kuh) in den Ofentopf, nicht zu weit, nicht zu tief, daß er nicht ver­
brennt [oder: nicht zu weit, nicht zu nahe; verbrenn dich auch nicht!]
23. Bube, Schuhe, Hosenträger.
24. Mädchen, Brettchen, Pfeffernuß (eigtl. Fußstapfe der Katze).
25. Igel, Migel, dünne, Tocke [ = Wiegebogen], Wolle, Zagei, pitsch, patsch,
Hund, Has [hijs sta tt hqafa]. — Der Hund ja g t den Hasen.
26. Es war einmal ein Zwerg, der kam zum weißen Berge, der kaufte
sich ein Glas Bier, besäuft sich wie ein Stier.
48
also im allgemeinen ein ziemliches Dunkel über den Geschicken
des Dorfes, so wissen wir doch Genaueres von zwei Ereignissen,
die über 200 Jahre lang die Schönwälder in Atem gehalten haben.
Das sind der Streit um die Obergerichtsbarkeit und der Bierkrieg.
D er S t r e i t um s O b e rg e ric h t
Dem Obergericht über Schönwald ist ein gar wechselvolles
Geschick beschieden gewesen. — Herzog Przemislaw (Przemek)
von Tost verkaufte in seiner Eigenschaft als Herr von Gleiwitz
am 22. April 1459 die Obergerichtsbarkeit über Obersehönwald,
ohne sich um die Ansprüche des Stiftes zu kümmern, an den
Ritter Peter Smolka von Blazeowitz 43, den aber später Gewissens­
bisse trieben, sein Recht am Himmelfahrtstage 1487 an den Abt
Peter von Räuden abzutreten44. Am 16. August 1492 wird diese
Abtretung vom Herzog Hans von Troppau und Ratibor bestätigt45.
Inzwischen hatte aber Herzog Hans die halbe Herrschaft Gleiwitz
von Przemislaw gekauft und sie am 14. Mai 1482 an den Haupt­
mann von Schlesien Jan Bielik von Körnitz für 4000 ungr. Gulden
verkauft, der sich am selben Tage die andere Hälfte, zu der auch
Schönwald gehörte, vom König Matthias von Ungarn und Böhmen
verpfänden ließ 46. — Die der Gleiwitzer Burg zum Robotdienst
verpflichteten Bauern von Niederschönwald hatten unterdessen,
ohne sich ums Kloster zu kümmern, am 1. Oktober 1492 mit
Wilhelm von Fernstem auf Helfenstein, dem Obersthofmeister des
Königreichs Böhmen, an den damals die Gleiwitzer Herrschaft
verpfändet war, einen Vertrag geschlossen, der die Robotdienste
durch Geldzahlung ablöste. 26 Gulden sollten dafür jährlich in
zwei Terminen gezahlt werden. Pernstein behielt aber sich und
seinen Nachkommen das Recht vor, statt der Geldabgabe wieder
die Arbeitsdienste zu beanspruchen47.
Am 12. Oktober 1497 erklärt Herzog Hans von Oppeln und
Oberglogau, Herr zu Gleiwitz, es habe weiland Hans Herbort
von Fullstein die Schönwälder Scholtisei, die dem Herzoge nach
Lehnsrecht zugefallen sei, von diesem erkauft, und nun überlasse
er sie dem Friedrich Herbort von Fullstein auf Kieferstädtel im
vollen Umfange erblich für 3y2 Mark H eller48. 1501 verkauft
Friedrich Herbort die Scholtisei an Abt Johann IV. für 230 ungr.
Gulden, und Herzog Hans bestätigt den Kauf49 unterm 13. Juli
49
1501. Die 37* Mark Heller für die Scholtisei bekommt der
Herzog samt den 26 Gulden für die abgelösten Roboten. Durch
diesen Verkauf fiel Niederschönwald wieder ans Kloster zurück,
dem es lange entfremdet gewesen zu sein scheint.
Der letzte der schlesischen Herzöge, Johann von Oppeln und
Ratibor50, bat den Abt Nikolaus ohne Präjudiz 1525 für sich um
die Dienste der Schönwälder. Er starb 1532, und die Herrschaft
Gleiwitz ging an den Markgrafen Georg von Brandenburg über.
Aber damit war noch keineswegs Ruhe eingetreten; durch 200 Jahre
sollte sich die Unsicherheit hinziehen.
Um die Mitte des Jahrhunderts rebellierten die Leute von
Schönwald und Dobroslawitz und der Schulze von Deutsch-Zernitz
gegen Abt Nikolaus ( f 1553), und der Abt mußte sich an die
Kgl. Landeskommissarien um Hilfe wenden. Die Entscheidung ist
früh verloren gegangen, und man wußte später im Kloster selbst
nicht mehr, wie sie lautete51. Das Kloster ruhte aber nicht.
Es wollte 1569 die Roboten wieder einführen. Dagegen sträubten
sich die Schönwälder heftig. Sie ließen sich den Pernsteinschen
Vertrag vom Kaiser bestätigen 52 und klagten wider das Kloster,
allerdings mit schlechtem Erfolge. 1570 erging der Bescheid53,
sie sollten wie früher für den Abt 4 Malter auf die Schönwälder
Wüstung säen und das Getreide in die Scheune zu Schönwald
schaffen. Dafür bekämen sie 2 Achtel gutes Bier. Außerdem
sollten sie die Fischteiche im Dorfe wieder in Ordnung bringen,
die Satzfische aus Räuden holen und die gefangenen Fische nach
Räuden schaffen. Zu anderen Roboten solle der Abt die Nieder­
schönwälder nicht heranziehen, und diese sollten dem Abte ge­
horsam sein.
Inzwischen hatte Kaiser Ferdinand 1558 die wieder ein­
gelöste Herrschaft Gleiwitz und die zur Gleiwitzer Burg gehörigen
Ortschaften Trynek, Richtersdorf, Ostroppa, Knurow, Kriewald und
das Obergericht in Schönwald und Deutsch-Zernitz für 14000
Taler an Friedrich Zettritz verpfändet, der aber die Stadt arg
drückte, so daß sie bald die Güter selbst auf 15 Jahre vom
Kaiser pachtete54. Doch die Schönwälder und Deutsch-Zernitzer
hatten weiter unter übertriebenen Roboten zu leiden. Jetzt ver­
suchte das Kloster, die Obergerichtsbarkeit wieder an sich zu
bringen. Der Kaiser vermittelte. Nach dem Berichte an den Hof
G u s i n d e , Sehönw ald
4
50
vom 6. Januar 1563 sollte die Ablösungssumme 3500 Taler betragen.
Der Abt wollte dam 1000 Taler beisteuern, den Rest sollte die
Stadt dem Kaiser auf drei Jahre für 6 % stunden. Daraus ist
offenbar nichts geworden. 1580 hat Gleiwitz wieder das Ober­
gericht, und das Kloster wendet sich abermals an den Kaiser, um
die beiden strittigen Dörfer an sich zu bringen. Rudolf II. will
vermitteln, doch die Gleiwitzer weigern sich unter Berufung auf
die Verpfändung55, und dem Kaiser bleibt nichts übrig, als am
27. Mai 1583 das Kloster bis zum Ablauf der zehnjährigen Ver­
pfändungsfrist zu vertrösten. Kurz vor diesem Zeitpunkte bat
Abt Michael, dem Stifte das Obergericht auf 10 Jahre für dieselbe
Summe zu überlassen, wie sie die Gleiwitzer zahlten. Aber ohne
Erfolg. Rudolf überließ sogar am 11. Juni 1596 das Kammer­
gut Gleiwitz, wozu auch das Obergericht in Schönwald und
Deutsch-Zernitz gehörte, der Stadt Gleiwitz für 27000 T aler56,
und Kaiser Ferdinand II. bestätigte 1625 diesen Kauf.
Die
Gleiwitzer drückten nun mit Geldforderungen und Roboten, während
der Raudener Abt seinerseits die Niederschönwälder auch zur
Arbeit heranzog. Die Leidtragenden waren bei all diesen Streitig­
keiten lediglich die armen Dorfleute. So hatten z. B. Nieder­
schönwälder Häusler und Gärtner auf dem Gleiwitzer Vorwerk
Trynek bei der Ernte geholfen. Dafür wurden sie am 28. Juli
1626 vom Abte Blasius ins Gefängnis gesetzt. Umgekehrt machten
es die Gleiwitzer um kein Haar besser. Ja als die Bauern wegen
der Heimsuchungen des 30jährigen Krieges 1632 mit den Zinsen
im Rückstände blieben, nahmen ihnen die Gleiwitzer Pferde und
Wagen weg und verkauften sie. Diese unerträglichen Zustände
dauerten jahrelang. Schließlich mochten die Niederschönwälder
doch das Stift für das kleinere Übel halten57, denn sie suchten
bei ihm 1644 Schutz vor den Gleiwitzern. Am 13. Dezember
wurde die Klage angestrengt58, aber das Verfahren ging nicht
vorwärts. Da wandte sich 1659 endlich Abt Andreas Emanuel
Pospel, selbst ein Schönwälder, an den K aiser59. Nach drei
Jahren wurde in Oppeln verhandelt, aber die Entscheidung fiel
erst auf dem Termine in Ratibor am 18. November 1665. Die
Gleiwitzer wurden verurteilt, binnen 12 Wochen 500 Mark Ent­
schädigung zu zahlen. Der von ihnen erhobene Einspruch ward
am 22. Dezember 1672 zu Prag abgewiesen' und sie wurden ver­
51
urteilt, das, was sie über die im Urbar von 1584 ausgesetzten
Zins- und Kobotgelder von den beiden Dörfern erhoben hatten,
den Geschädigten oder ihren Erben zurückzuzahlen. Jetzt wandten
sich die Gleiwitzer an Kaiser Leopold. Es dauerte noch 14 Jahre,
bis sie endgültig abgewiesen wurden. Schließlich wurde durch
einen Vergleich dem langen Prozesse ein Ende gemacht. Der
erbitterte Streit hatte die Gleiwitzer nicht gehindert, mehrfach
einen großen Pump in Räuden aufzunehmen. Die Rückzahlung
war für die arg verschuldete Stadt nicht leicht. Nun legte ihr
das Urteil neue Opfer auf. Da einigte sie sich denn am 27. Mai
1687 mit dem Kloster60 dahin, daß sie auf die Obergerichts­
barkeit in Niederschönwald und Deutsch-Zernitz verzichtete, während
das Stift ihr die Zahlung der auf 17957 Taler 19 Gr. 5 '/2 Heller
aufgelaufenen Schulden erließ. Ein großes Festessen in Räuden,
bei dem auch die Gleiwitzer stark vertreten waren, besiegelte den
endlich geschlossenen Frieden. — Für die Schönwälder war damit
allerdings noch keine Ruhe eingetreten. Der Kampf um die Ver­
pflichtungen ging weiter57 und fand erst in den Urbarverhandlungen
am Ausgange des 18. Jahrhunderts sein Ende.
D er B ie rk r ie g
Das Kloster besaß eine eigene Brauerei und Brennerei61. Da
ist es begreiflich, wenn es auf den ihm gehörigen Dörfern nur
sein eigenes Getränk geschenkt wissen wollte. Zeitweise hat es
allerdings auch die Einführung fremden Bieres gestattet. So be­
stimmte 1584 Abt Leonhard Tworziansky, der mehrfach für seine
Geschwister zum Schaden des Klosters gesorgt hat, die beiden
Kretschmer zu Schönwald und der zu Deutsch-Zernitz dürften bei
10 Mark Strafe Gleiwitzer Bier nur von seiner Schwester Anna
Tworziansky beziehen62. Und in einer Schönwälder Besitzurkunde
vom Jahre 1610 wird unter den Verpflichtungen des Kretschmers
ausdrücklich der Zins für den Schank von Schöps und ändern
fremden Bieren erwähnt62. Die Dörfler wußten nämlich einen
guten Tropfen wohl zu schätzen, und vor allem die Schönwälder
hatten auf ihren weiten Fahrten manch fremden Stoff gekostet und
besondere Vorliebe für das Breslauer Schöpsbier gefaßt, das damals
weithin ausgeführt wurde. So kam es, daß das Kloster gegen das
Schöpstrinken der Schönwälder und Deutsch-Zemitzer heftigen
4*
52
Widerspruch erhob63. Aber auch die Gleiwitzer verlangten, während
sie die Obergerichtsbarkeit ausübten, es sollte in den Dörfern der
Umgegend nur Gleiwitzer Bier geschenkt werden. Sie gingen
rücksichtsloser als das Kloster vor. Sie tranken zwar selber auch
gerne fremdes Bier64, verklagten aber trotzdem die genannten beiden
Stiftsdörfer und noch einige andere Ende 1658 bei der Breslauer
Brauurbarkommission unter Berufung auf ein Privileg des Königs
Matthias von Ungarn aus dem Jahre 1476, bestätigt 1628 von
Kaiser Ferdinand II.
Danach sollte im Gleiwitzer Kreise nur
Gleiwitzer Bier geschenkt werden. Da sie aber damit nichts aus­
richteten, suchten sie den Prozeß in die Länge zu ziehen. Nebenbei
überfielen sie auch diejenigen, die fremdes Bier einzuführen suchten,
nahmen ihnen Ochsen, Pferde, Schlitten und Wagen weg und ließen
das Bier auslaufen, oder ihre Kriegsknechte tranken das verpönte
Bier selber aus. Dagegen halfen auch Verurteilungen wenig05.
Der Abt Andreas Emanuel, der für die Schönwälder gegen die
Gleiwitzer eingetreten war, wandte sich indessen, da er von der
Brauurbarkommission überhaupt keine Nachricht bekam, 1659 an
Kaiser Leopold. Doch die Gleiwitzer suchten den Prozeß weiter
zu verschleppen. Endlich kam es am 5. Juni 1680 zu einem
Vergleich, in dem die Gleiwitzer auf ihre Ansprüche verzichteten.
— Ob und wie lange die SchönWälder jetzt ihrer Vorliebe für das
Schöpsbier noch frönen konnten, wissen wir nicht. Die Urbar­
verhandlungen, die 1785 beginnen, untersagen den Schönwälder
Kretschmern ausdrücklich den Bezug fremden Bieres.
Die U rb a re
Unter Urbar66 versteht man ein Verzeichnis von Leistungen
und Verpflichtungen der Untertanen ihrer Herrschaft gegenüber.
Das älteste Schönwälder Urbar ist vom Jahre 1534. Es ist in
der Zeit abgefaßt worden, da die Niederdörfler zur Gleiwitzer
Herrschaft gehörten. Die Überschrift lautet: „Uber dises dorf hat
mein gnädiger herr das Oberrecht vnd der Abbt von ßauden hellt
es Erblich.“
Es werden 45 Besitzer angeführt. 31 zinsen der Stadt. 22 von ihnen
haben je Va Hufe, für die sie zu Michaelis und Georgi je 12 böhmische
Groschen Zins und 14/2 Gr. Burggrafgeld erlegen. Nur einer hat noch 2 Beete
mehr, 2 haben 1ji Hufe, einer s/8, 3 zinsen für 10 Beete, einer für 8 und
53
einer für 4 Beete67. Von diesen 31 Zinspflichtigen haben 8 außerdem noch
stiftischen W üstungsgrund68, für den sie dem Abte zinsen. Die übrigen von
den genannten Leuten gehören „zur Schultasei und zinsen dem Abt“. Einer
liefert dem Kloster außer seinem Geldzins noch 3 Hühner. Is t der F ürst
in Gleiwitz, so hat jeder 2 Hühner zu geben. Die erwähnten zahlreichen
Hopfengärten waren sicherlich stiftisch. Das Meßgetreide für den Pfarrer
betrug für jeden */s Scheffel Korn und */2 Scheffel Hafer. Ferner wird noch
ein Heller Schreibgeld angeführt und der Eobotzins mit 26 Goldgulden63,
die nach Gleiwitz gezahlt wurden. Im ganzen gibt das Urbar für Gleiwitz
die Einnahmen zu den beiden Zinsterminen an mit je 14 Fl. 4 böhm. Groschen
Zins, 1 Fl. 6 Gr. 5 Holler Burggrafgeld und 13 FI. in Gold Robotgeld.
Mit seinen knappen Zahlenangaben sieht das Urbar ja ziemlich
harmlos aus. Aber das Verhältnis zwischen den Schönwäldern
und ihren Herren gestaltete sich keineswegs so friedlich, wie man
zunächst erwarten sollte. Es waren zwar Verpflichtungen fest­
gelegt, aber damit war noch keine Sicherheit gegeben, daß nicht
bei guter Gelegenheit neue Lasten auferlegt würden. Auch als
Räuden später die Herrschaft über Schönwald unbestritten ausübte,
kam noch keine Ruhe ins Dorf. Das Kloster suchte seine Gerecht­
same zu vermehren, auch wenn es nicht gerade gerecht dabei
zuging. Die Untertanen waren dagegen von beständigem Mißtrauen
erfüllt, und dazu hatten sie reichlich Grund. Obendrein suchten
sie sich, wo es nur immer ging, auch ihren billigen Verpflichtungen
zu entziehen. Das wird verständlich, wenn man das Urbar von
1791 ansieht und die Verhandlungen, die ihm vorangingen. Einen
Vorgeschmack können uns schon die Bestimmungen bei der Auf­
teilung der klösterlichen Vorwerke in Schönwald 10 geben. Da mit
der Auflösung der Vorwerke der Feldrobot aufhörte, mußten nun
die Bauern zum Ersatz dafür und für den Gespanndienst jährlich
6 Kübel Eisenerz, wo es immer erkauft werde71, in den Eisen­
hammer des Stifts in Stodol schaffen. Die kleinen Leute mußten
jeder jährlich zu Michaelis 2 Gulden Robotzins zahlen und alle
Vierteljahre einen Tag dem Dominium roboten. Die Gemeinde
hat, trotz der Aufteilung der Schönwälder Vorwerke, in die anderen
Vorwerke das nötige Gesinde zu stellen. Unter den „anderen
verstand die Herrschaft sämtliche nach Räuden gehörigen Vorwerke.
Wenn die Herrschaft schließlich dazu nur die Waisen und nicht
die Kinder der Besitzer verwenden zu wollen erklärte, falls diese
die Kinder selbst in der Wirtschaft brauchten, so ist dennoch die
54
Bestimmung ziemlich hart. Die früheren Verpflichtungen, wie
Instandhaltung der Fischteiche und Beförderung von Kalksteinen
nach Räuden, blieben natürlich bestehn. Statt des Nachtwächters
in den Vorwerken mußte die Gemeinde jetzt täglich einen Wächter
für Kirche und Pfarrei stellen. Für den neuen Acker mußten
10 % Laudemium gezahlt werden [vgl. S. 58]. Diese Leistungen
wurden größtenteils jetzt erst schriftlich festgelegt, in Wirklichkeit
bestanden sie schon lange [vgl. S. 49]; und als bei den Urbar­
verhandlungen die Gemeinde wissen wollte, woher ihr diese Ver­
pflichtungen kämen, da war es zu spät.
Um den Streitereien zwischen Herrschaft und Untertanen ein
Ende zu machen, um „der Renitenz und Prozeßsucht der Unter­
tanen Ziel und Maß zu setzen, aber auch unbilligen und harten
Herrschaften die Mittel, ihre Untertanen zu bedrücken, zu benehmen“,
verordnete der große König am 12. Dez. 1784, es sollten in allen
Dörfern des Herzogtums Schlesien und der Grafschaft Glatz die
Schuldigkeiten der Untertanen aufgenommen, die vorhandenen Urbare
nachgesehen und ergänzt und, wo noch keine beständen, sollten
welche angefertigt werden, damit „Ruhe und wechselseitiges Zutrauen
zwischen Herrschaft und Untertanen hervorgebracht und befestigt
werde“. Da waren im Toster Kreise die Schönwälder die ersten,
die „mit Bewußtsein und Einwilligung der ganzen Gemeinde“ mit
dem Raudener Stifte als ihrem Dominium unmittelbar, ohne die
Kreisurbarkommission, verhandeln wollten. Das Dominium legte
nun einen Urbarentwurf und eine Tabelle über die Geld- und
Naturalzinsen vor. Am 4. Febr. 1786 wurde mit 4 erwählten
Bauern und dem Dorfgerichte (dem Schulzen, 4 Gerichtsmännern
und dem Gemeindeschreiber) und tags darauf mit 5 Vertrauens­
männern der kleinen Leute verhandelt. Es kam dabei zu einer
Einigung, und der Bauer Georg Bilke, der sich widerrechtlich ein­
geschlichen und Skandal gemacht hatte, wurde hinausgeworfen.
Doch am ändern Tage verweigerten die Vertreter die Unterschrift.
Die Gemeinde wolle den Getreidezins nicht zahlen, da sie ihn unter
der Gleiwitzer Herrschaft auch nicht gezahlt habe. Sie werden
darauf hingewiesen, daß Verjährung eingetreten sei, wenn sie seit
31 Jahren, 6 Wochen und 3 Tagen das Verlangte geleistet hätten,
und man verlangt, sie sollten die Rädelsführer nennen. Da erklären
die Abgeordneten, die ganze Gemeinde sei ihrer Ansicht, sie wollten
55
auch im Kreise mit dem Urbar nicht die ersten sein und der
Bauer Paul Fuckas habe in der Gromade (Gemeindeversammlung)
das Gemeindesiegel einfach aus der Lade genommen und hei sich
versteckt. Sie erwirken 24 Stunden Bedenkzeit und schreiben dann
einen Brief voll unhaltbarer Ausflüchte, in dem sie sich nun auf
die Kreisurbarkommission berufen. Erst nach 7 Wochen wird
wieder verhandelt, jetzt vor der Kreisurbarkommission, dem Kammer­
referendar v. Sack und dem Justizbürgermeister Elsner aus Glei­
witz, vor 12 Vertretern der Bauern und 5 der kleinen Leute. Wie
sie da auf den Vertrag bei der Aufteilung der Vorwerke hingewiesen
werden, erklären sie, sie seien damals nur darauf eingegangen,
weil sie den Vertrag gar nicht verstanden hätten. Es wird ihnen
aber nachgewiesen, daß die Leistungen seit Jahren bestehn, und
nach einigem Widerstreben geben sie nach, da sie die Nutzlosig­
keit ihrer Einwendungen einsehen; denn selbst die verlorenen
Urkunden über Privilegien, die sie vorschützen, könnten ihnen
nichts nützen, da das vom Kloster Verlangte schon zum Gewohn­
heitsrecht geworden ist. — Die Akten gehn nun nach Breslau zur
Haupturbarkommission und von da an die Kgl. Oberschlesische
Oberamtsregierung zu Brieg. Am 17. Sept. 1787 wird wieder in
Schönwald verhandelt und die Ausfertigung des Urbarentwurfs ver­
fügt. Aber es vergehn über 3 Jahre; da mahnt die Haupturbar­
kommission, und nach wieder 3/4 Jahren kommt ein neues Monitum.
Am 12. Sept. 1791 wird das Urbar von Dominium und Gemeinde­
bevollmächtigten endlich unterzeichnet und 3 Tage darauf samt
der Kostenrechnung nach Breslau geschickt. Nach diesem Urbar
haben sich die Schönwälder von nun an gerichtet, obwohl die
Schreibereien der Behörden noch 10 Jahre dauerten. Nach 7 Wochen
wurden nämlich die Akten aus Breslau zurückgeschickt zur Revision,
11 Monate darauf folgte ein Monitum, ein Jahr darauf ein zweites
und nach wieder einem Jahre noch eins. Nach einigen neuen
Verhandlungen in Schönwald und Räuden ging der Entwurf am
23. Mai 1795 wieder nach Breslau, und ein Jahr darauf mahnte
ihn Elsner sich ein und bekam ihn als unvollständig und unordent­
lich zur gänzlichen Umarbeitung zurück. Die Hauptkommission
hatte anfangs daran gedacht, überhaupt einen neuen Kommissar
damit zu betrauen; doch man entschied sicli anders und erklärte,
Elsner würde seine Diäten nicht eher bekommen, als bis alles in
56
Ordnung sei. Inzwischen waren die Schönwälder (und nicht minder
die Deutsch-Zernitzer, denen es ebenso ging) ungeduldig geworden,
weil sie vermuteten, es sollte ihnen noch mehr aufgebürdet werden,
als in dem Übereinkommen mit dem Dominium ausgemacht sei.
Sie waren mißtrauisch geworden und verlangten die Anerkennung
des Entwurfes vom 12. Sept. 1791. Jetzt wünschten also die
Schönwälder selber die Anerkennung des Urbars. Was allem guten
Zureden nicht gelingen wollte, das hatte schließlich die Saum­
seligkeit der Verwaltungsbehörden erreicht. — In einem sehr scharfen
Briefe vom 26. Juli 1796 legt der Kommissar Elsner der Haupt­
kommission die Verhältnisse dar und bittet bei seinen 74 Jahren
um seine Ablösung. Kurz und bündig heißt der Bescheid drei
Wochen später, Elsner solle erst ein geschicktes Subjekt zur
Wiederbesetzung vorschlagen. Daraufhin schweigt er sich einfach
aus und schickt die Akten unmittelbar an die Oberamtsregierung
nach Brieg. Am 1. Jan. 1801 wird man endlich in Breslau der
Sache überdrüssig und verfügt die SchlußabrechnungT2. Nun zeigt
sich, wie wenig die Breslauer Behörde, trotz ihrer vielen Ver­
fügungen, in die Verhältnisse eingedrungen war. In den 15 Jahren
hat sie noch nicht einmal gemerkt, daß in Schönwald alle Be­
sitzungen erblich waren.
Die Urbarfassurig vom 12. September 1791, auf die man sieb schließlich
geeinigt hatte, sagt, es seien 63 Bauern, 3 Gärtner und 83 Häusler im Dorfe.
Der Grundzins wurde zu Michaelis gezahlt, der Zins für erkaufte Yorwerksgründe und der Hühnerzins zu Georgi73. Die Yorspanndienste der Bauern
sind beträchtlich. Außer dreien müssen sie statt der Robot von den gräfl.
Henckelschen Erzgruben zu Beuthen nach dem herrschaftlichen Hochofen in
Stodol 6 Hüttenkübel (1 Kbl. = 1 bresl. Scheffel) Erz anfahren. Zwei Bauern
liefern nur die Hälfte. S tatt der 6 Kübel können auch 27 Sgr. gezahlt
werden. Ferner muß jeder Bauer jährlich, wenn die Wege benutzbar sind
und keinerlei Feldarbeit vorliegt, also hauptsächlich im Winterhalbjahr,
eine 4spännige Fuhre Kalksteine von 2 l/3 Scheffeln von Mokrau nach Räuden
schaffen74. Die Weite der Anfuhr darf höchstens 51/» Meilen betragen.
Der Ort der Ab- und Anfuhr ist vor dem Winter anzuweisen. — Auch das
Zinsgetreide haben die Bauern nach Räuden zu liefern und die Säcke dafür
zu geben. Der Schulze und die vier Gerichtsleute bekommen, da in ge­
häuften Vierteln gemessen wird, von dem Überschuß einen Scheffel von jeder
Getreideart und der Gemeindediener 1/3 Scheffel. Überdies erhalten jene
ersten fünf noch ein Geschenk von vier Töpfen Branntwein. — Für die
Schönwälder Fischteiche75 haben die Bauern nach Bestimmung der Dorf­
gerichte alle Besatzfische von Räuden abzuholen und die Fische nach dem
57
Fange hinzuschaffen. Auch das Fischzeug müssen sie an- und abfahren.
Zum ersten Dorfteiche beim Bauern Kampa haben sie das vom Dominium
anzuweisonde Baumaterial anzufahren und den Teichdamm in stand zu halten
Beim Fischen müssen Schulze und Dorfgericht zum Bracken (Auslesen) der
Fische erscheinen und für Ordnung unter Fischern und Fuhrleuten sorgen.
Dafür bekommt jeder von den fünf einen Fisch im Werte von 1—P/a Sgr.
Die Bauern, die die Fische nach Bauden fahren, erhalten dort ebenso wie
die, die das Zinsgotreide hinschaffen, für jeden Wagen ein „Quartierl“
Branntwein, zwei Quart Bier und zwei Buchten Brot.
Von den Bauern müssen 31 dem Pfarrer und 31 dem Organisten jäh r­
lich im W inter ein Fuder Brennholz anfahren. Werden die vom Kloster zu
ernennenden Ortsgeistlichen zurückberufen, so müssen die Bauern sie samt
ihren Sachen nach Bauden fahren und den Nachfolger von da ins Dorf
bringen. Die beiden Ortsgeistlichen müssen außerdem jährlich einmal zur
Bekollektion ins Kloster und wieder zurückgefahren werden. Beim jährlichen
„Ablaß“ sind zwei Geistliche aus Bauden abzuholen und wieder zurück­
zufahren. Bei Abhaltung des Dingrechts sind für die beteiligten Personen
ebenfalls die Gespanne für Hin- und Bückfahrt von den Bauern zu stellen,
während die kleinen Ackerleute dabei die erforderlichen Botendienste besorgen.
Und muß der Justitiarius ins Dorf kommen, so haben die Bauern auch ihm
Spanndienste zu leisten.
Die Häusler und Gärtner müssen beim Fischen der Schönwälder Teiche
als Fischer erscheinen, so oft es not tut, und bekommen von jedem der drei
größeren Teiche zwei Quart Branntwein und ein „Fischei“ von 2—3 Kreuzern;
von den kleineren Teichen erhalten sie nur, so oft gefischt w ird, ein Quart
Branntwein und keinen Fisch. Sie haben ferner an vier Tagen im Jahre
von Sonnenaufgang bis -Untergang innerhalb des Dorfes zu roboten und
dazu ihr eigenes Werkzeug mitzubringen76. In den Wintermonaton, d. h. von
Michaelis bis Georgi, haben sie eine Stunde, in der Sommerzeit zwei Stunden
Buhe. Nur einer von den drei Gärtnern, der Schmied Kaffanke, ist frei
von Bobotdiensten und zahlt bloß den Handwerkszins.
An dem von den beiden Geistlichen und ihrem Gesinde bewohnten
Herrenhause hat die Gemeinde die Südseite, einen Giebel und das halbe
Dach instand zu halten und, wenn nötig, neu zu bedachen, wozu sie Schindeln
und das sonst Notwendige zu stellen und die Zimmerleute zu bezahlen hat.
Bei anderen Beparaturen oder bei einem etwaigen Neubau hat sie die Bau­
materialien anzufahren und die Handlanger zu stellen. Zum Herrenhause
gehörige Stallungen, Scheunen, Zäune, Tore, „Förtel“ , den Backofen und
den Brunnen hat sie allein zu bauen und zu unterhalten; sie muß die dazu
nötigen Materialien geben und das von der Herrschaft anzuweisende Bauholz
herzuschaffen. Wege, Brücken und Ableitungsgräben neben den Straßen
sind von der Gemeinde zu unterhalten. Auch die drei Gemeindehäuser hat
sie zu unterhalten. Da die Gemeindehäuser nur der Gemeinde zu gute
kommen, müssen die Bauern die erforderlichen Fuhren, die kleinen Acker­
leute die Handarbeit und die Gemeinde die Baumaterialien stellen. Schule
58
und Schulmeisterwohnung erhält sie ebenfalls allein, die alte sogenannte
„P farrtei“ an der Kirchhofsmauer erhalten Gemeinde und Dominium gemeinsam.
Allnächtlich stellt die Gemeinde ferner einen Wächter m it einem Gewehr
oder einem Spieße für Kirche und Herrenhaus. Sie muß auch in die
herrschaftlichen Vorwerke das nötige Gesinde geben. Dabei verspricht das
Dominium, nur bei Gesindemangel diesen Anspruch zu erheben und dann
nur Waisen, nicht aber Kinder von Besitzern zu nehmen, die in der eigenen
W irtschaft gebraucht werden. Sind mehr Waisen vorhanden, so können sie
vom Dominium den Stiftsoffizianten in Dienst gegeben werden. Der Kloster­
wächter bekommt 8 Taler Lohn und die Kost aus der „Konventskuchel“, ein
Pferdeknecht auf einem Vorwerke 6 Taler, eine Magd 4 T aler, 3 Sgr. An
Deputat erhalten Pferdeknecht und Dienstmagd jährlich je einen Scheffel
Heiden-, Gersten- und „Klieselmehl“ , vier Scheffel Brotmehl, sechs Metzen
H irse, vier Metzen Erbsen, zwei Metzen Salz, zwölf Quart B utter und
30 „Quargel“ oder nach Belieben des Dominiums statt der Quärgel 2 gute
Groschen. Zu Ostern, Weihnachten und zur Kirmeß (aber nicht zu Pfingsten)
bekommt jeder außerdem 1/t Metze Klieselmehl zum Kuchen und ein Pfund
Rindfleisch oder 9 Sgr. nach Wahl des Dominiums.
Unmittelbare männliche Nachkommen der ansässigen Besitzer zahlen
kein Laudemium, wenn es sich um Erbschaft handelt77. Geht ein Besitz
aber durch Kauf an sie oder an Fremde über, wozu auch Schwiegersöhne
rechnen, so ist dem Dominium das Laudemium mit 10 % zu zahlen. Den
ersten Käufern der 1784 verkauften Vorwerksgründe ist das Laudemium
nachgelassen; bei späteren Verkäufen muß es jedesmal entrichtet werden,
auch von unmittelbaren Nachkommen. Das Schutz- und Loslassungsgeld
wird nach der Kgl. Vorschrift entrichtet, die Gerichtssporteln nach dem
Kgl. Sportelreglement. Die im Dorfe ansässigen Handwerker zahlen einen
Gewerkzins von 20 Sgr.78.
Das Auenrecht und die auf der Aue stehenden Bäume hat das Dominium.
Der Überhang von Obstbäumen aus den Gärten der Untertanen über die
Aue bleibt ihnen. Die beiden Kretschmer im Dorfe müssen Bier und Brannt­
wein unentgeltlich mit eigener Fuhre in Räuden abholon und bekommen
vom Achtel Bier 8 Sgr. und vom Eimer Branntwein 1 Taler 10 Sgr. Es liegt
im Belieben der Herrschaft, ob und wem von den Einwohnern sie den
Schlamm der herrschaftlichen Teiche im Dorfe zukommen lassen will.
Diese Urbarverpflichtungen sind in der Folge beobachtet und,
wenigstens bei den Bauern, itj der Regel auch in die Kaufbücher
aufgenommen worden.
Die Verhandlungen zeigen deutlich, wie im Laufe der Zeit
das Stift seinen Untertanen neue Lasten aufzubiirden bedacht war,
und wie umgekehrt die Untertanen, freilich vergeblich, immer
wieder versucht haben, sich ihren Verpflichtungen zu entziehen.
Wo seit Jahrhunderten sich das Mißtrauen tief eingefressen hatte,
59
da konnte auch die beste Absicht Friedrichs des Großen nicht mit
einem Male „wechselseitiges Zutrauen“ schaffen. Den nun fest­
gelegten Leistungen konnten sich die Schönwälder freilich nicht
entziehen. Aber sie sahen doch, wo sie blieben, und das Kloster,
vor allem aber der Pfarrer, hatte seine liebe Not mit ihnen.
Manche blieben mit ihren Verpflichtungen viele Jahre lang im
Rückstände. Das war indes noch nicht das Schlimmste. Die
Ortsgeistlichen klagen wiederholt darüber, daß ihnen das aller­
schlechteste Getreide79 abgeliefert werde. Manche Besitzer weigerten
sich überhaupt, so daß der Pfarrer sie verklagen mußte. Dabei
war man in Schönwald durchaus nicht schlimmer als anderswo.
Der Glaube, das denkbar Schlechteste sei für Abgaben gerade gut
genug, war weit verbreitet. Die ganze Naturalabgabenwirtschaft
war eben längst unmodern geworden, und die in Schönwald 1855
beginnende Ablösung hat ihr schließlich ein Ende gemacht.
D ie S chule
Von einem Lehrer erfahren wir zum ersten Male im Visitations­
berichte von 1679. Er hieß Valentin Zaremba. Sein Gehalt
betrug 6 Taler. Dazu kamen im Jahre 30 Fuhren Holz, die von
den Bauern geleistet werden mußten, von jedem der 61 Bauern
2 Brote, 12 Eier und 1 Käse im Gesamtwerte von 2 Silber­
groschen. Der Organist Martin Tendora hatte 32 Taler, 20 Fuhren
Holz, 5 Scheffel Roggen und ein Ackerstück. Damals, und auch
schon in früheren Zeiten, war der Küster zugleich Lehrer. Ein
besonderes Schulliaus gab es nicht; die Küsterwohnung diente
dazu. 1719 heißt es im Visitationsberichte, der Lehrer habe nur
das Haus, aber weder Garten noch Acker. Es wird noch besonders
hervorgehoben, er habe im katechetischen Examen gut bestanden.
— Wie kein weiteres Dorf nach Schönwald eingepfarrt war, so
waren auch keine Kinder von auswärts nach der Schönwalder
Schule zuständig.
Der Schulunterricht war sehr unregelmäßig und unzureichend.
Das ersieht man daraus, daß noch am Anfänge des 19. Jahrhunderts
in allen Akten die Gemeindevorsteher, das Dorfgericht und, wer
sonst bei Verhandlungen als Deputierter auftritt, nur mit drei
Kreuzen unterschreiben. Der Lehrer Johannes Lerch, der zugleich
Gemeindeschreiber war und Weihnachten 1797 starb, war in der
60
Dorfverwaltung der einzige Schreibkundige. Im Jahre 1786 wurde
in der „Pfarrtei“ , dem alten baufälligen Pfarrhause, Schule ge­
halten, nachdem den Geistlichen das Herrenhaus eingeräumt war.
Für die Benutzung zinste die Gemeinde dem Pfarrer jährlich
20 Sgr. nnd 6 Tage Arbeit in der Erntezeit; außerdem hatte sie
das Haus instand zu halten. Bei den Urbarverhandlungen am
4. Februar 1786 erwähnten die Gemeindevertreter schon, daß bald
eine neue Schule gebaut werden müßte, und für diesen Fall ver­
langten sie Befreiung von dem Mietzinse. 1792 sollte das Gebäude
abgerissen werden, weil die Gemeinde es nicht mehr instand
halten wollte. Möglicherweise wanderte da die Schule wieder in
die Küsterwohnung80.
Erst nach den Befreiungskriegen wurde es mit den Schulverhältnissen besser. Die Bevölkerungszunahme drängte zu einem
Schulbau. Der Kostenanschlag von 1812 beläuft sich auf 867
Taler, 3 Silbergroschen, 1 Pfennig. Fuhren und Handdienste
hatten die Bewohner umsonst zu verrichten. 1815 wurde der
Bau ausgeführt, und dabei wurden zwei Lehrstuben vorgesehen.
Dem Lehrer Ignaz Hauser81 stand damals schon ein Adjuvant
zur Seite. 1840/41 wurde das Schulhaus durch einen Anbau
erweitert. Aber auch der reichte bald nicht mehr aus. 1855
wurde ein zweiter Adjuvant angestellt und eine dritte Klasse ein­
gerichtet. Ende 1867 wurde dann eine Adjuvantenstelle in eine
feste Lehrer stelle um gewandelt, 1871 auch die zweite82. Das
Einkommen des Lehrers betrug in den 60 er Jahren 50 Taler nebst
den Naturalbezügen im Werte von 54 Talern und 6 Klaftern
Holz. Als Küster und Organist hatte er etwa 50 Taler und die
Holzfuhren. Acker gehörte nicht zur Schule, nur ein 1/i Morgen
großes Gärtchen. Der Lehrer hatte aber 6 Morgen Fundationsacker im Oberdorfe, für den die Gemeinde 1 Taler 20 Sgr. Pacht
an die Kirche zahlte, und die Grasnutzung auf dem Kirchhofe.
Ein Adjuvant bekam 40 Taler und freie Kost beim Lehrer, dem
dafür die Gemeinde das Deputat für jeden und ein Beköstigungs­
geld von 35 Talern gab. Wegen der Überfüllung der Klassen
bekam jeder noch von der Gemeinde 10 Taler Zuschuß. Als die
zweite feste Lehrerstelle 1867 geschaffen wurde, deren Besetzung
sich der Patron, der Herzog von Batibor, vorbehielt, betrug das
Gehalt des zweiten Lehrers 120 Taler, 3 Klaftern Holz und freie
61
Wohnung. Gleichzeitig wurde das Adjuvantengehalt um 24 Taler
gesteigert, wovon der Patron 8, die Gemeinde 16 Taler aufbrachte.
Solange nur ein fest angestellter Lehrer im Dorfe wirkte,
hieß er „ s lle r“ , eine Bezeichnung83, die heute nur noch die
ältesten Leute hin und wieder anwenden. Als dann mehrere
Lehrer in Schönwald wirkten, drang das hochdeutsche Wort
„Lehrer“ ein.
1875 wurde ein neues Schulhaus westlich der Kirche erbaut.
Bei der Einweihung war der Herzog von Batibor als Patron zu­
gegen. Sechs Schönwälder holten ihn zu Pferde ein. Jedes Schul­
kind bekam als Andenken ein neues Zehnpfennigstück. 1892
wurde das alte Küster- und Schulgebäude abgerissen und ein neues
Schulgebäude, die „neue Schule“ , aufgeführt. Und seit dem
22. September 1907 hat Schönwald noch eine dritte Schule im
Mederdorfe m it 6 Klassenzimmern.
Die Zunahme der Schullasten entspricht dem steten An­
wachsen der Gemeinde. 1802 gab es im Dorfe 112 Schulkinder,
1864 waren es 410, 1888 waren es 486. Dann sank die Zahl
beständig bis auf 440 im Jahre 1892, um von da an fast ununter­
brochen zu steigen. 1905 waren es 700, und heute (1911/12) sind
es 763 Schulkinder. Dem entspricht die stete Zunahme der Lehr­
stellen. 1894 wurde die 6. Lehrkraft, 1901 die 9. angestellt.
1904 wurde der Hauptlehrer Kwasniok vom Minister zum Rektor
und Ortsschulinspektor ernannt und eine neue Lehrstelle mit dem
Kirchenamt verbunden. Heute gibt es in Schönwald 12 Lehr­
kräfte. Seit dem 1. April 1910 ist die Schönwälder Schule, in
drei Schulhäuser verteilt, mit 14 Klassen eine doppelte sieben­
stufige Schule.
D ie K irch e
Gleich bei der Aussetzung von Schönwald war, wie das bei
den neuen deutschen Dörfern üblich war, die Kirche mit vor­
gesehen worden. Während nämlich die polnischen Dörfer zu
großen Sprengeln vereinigt waren, bildeten die Ansiedlungen der
deutschen Einwanderer meist eigene Kirchspiele84. So wird denn
auch in Schönwald schon in der Aussetzungsurkunde eine Pfarrwidmut festgesetzt85. Als Pfarrort wird dann Schönwald 1447 in
einer Abrechnung über den Peterspfennig zum ersten Male er­
62
wähnt, nach der die Parochie 10 scoti = l 2/3 Vierdung ablieferte86.
Später geben uns die Visitationsberichte genauere Auskunft. Nach
diesen Protokollen, besonders nach denen vom Jahre 1679 und
168 7 87, können wir uns ein recht deutliches Bild von dem da­
maligen Aussehen der Kirche machen. Freilich haben wir auch
hier nicht die älteste Gestalt des Gotteshauses. Der Bericht von
1697 sagt, die damalige Kirche sei um 1518 gebaut worden. Diese
Nachricht wird allerdings nirgends sonst bestätigt. Die Kirche
war zu Ehren der Geburt der Jungfrau Maria geweiht und ist es
noch. Das Patronatsfest wird heute noch am Sonntag nach Mariä
Geburt (8. Sept.) begangen. Das Kirchweihfest wurde am Sonn­
tage nach Kreuzerhöhung (14. Sept.) gefeiert, also acht Tage nach
dem Patronatsfeste. Seit 1911 erst ist die Feier auf den Sonntag
nach Martini (11. Nov.) verlegt, weil alle Diözesankirmessen mit
dem Kirchweihfeste des Breslauer Domes zusammengelegt worden
sind.
Die Kirche war 40 Ellen lang und 17 Ellen breit und hatte
7 Fenster und 2 Türen. Die Decke war völlig gewölbt. Der
Fußboden hatte Steinpflaster. Das Gewölbe ruhte auf sechs Säulen.
Das Innere war hell, schön geweißt und mit Bildern geziert; die
Kanzel und die drei Altäre waren schön geschnitzt, bemalt und
vergoldet. Auf dem Hauptaltare standen die Jungfrau Maria,
die hl. Barbara und die hl. Katharina. Der nördliche Seitenaltar
trug ein Kreuz, der südliche ein Bild der hl. Maria Magdalena.
Das Taufbecken vor dem Kreuzaltare war steinern. Ein reicher
Vorrat von kirchlichen Geräten und von Kirchenwäsche wird auf­
gezählt. Er wurde sorgfältig in der ebenfalls gewölbten und ge­
mauerten Sakristei aufbewahrt. Daß die Kirche in gutem Bau­
zustande war, wird mehrfach erwähnt. Das Presbyterium war mit
Ziegeln gedeckt; das eigentliche Kirchenschiff hatte ein Schindel­
dach. Um die Kirche herum lag der ummauerte Friedhof. Neben
der gemauerten88 Kirche stand der hölzerne Glockenturm für sich,
etwas getrennt vom Gotteshause. Er trug 1679 zwei Glocken;
1687 wird noch eine dritte im Dachreiter erwähnt; 1719 hatte,
die Kirche bereits fünf Glocken, von denen vier im Glockenturme
hingen. Die größte war der unbefleckten Empfängnis geweiht, die
mittlere Johannes dem Täufer und die kleinere dem hl. Bernhard,
die Sterbeglocke in der Turmlaterne dem hl. Josef und der
63
hl. Barbara; die Bufglocke im Dachreiter89, die auch während
der Wandlung geläutet wurde, war die älteste Glocke; sie stammte
aus dem Jahre 1587 und war dem hl. Florian geweiht. Nach
der Predigt, die auf das Credo folgte, erklang die kleine Glocke,
Die frühere Kirche (kurz vor dem Umbau)
ehe die Messe fortgesetzt wurde, wegen der vorbeikommenden
Hirten. So heißt es wenigstens unter dem 2. Okt. 1769. Die
Frömmigkeit und die guten Sitten der Schönwälder werden in
den Protokollen mehrfach gelobt90.
Um 7 Uhr war die Frühmesse, der Hauptgottesdienst um
9 Uhr. In der Kirche saßen die Frauen und Mädchen rechts,
64
die Männer links. 1679 wurde deutsch und polnisch gepredigt,
1687 und 1697 nur deutsch. Später wurde mehrfach wieder nicht
nur deutsch, sondern auch polnisch gepredigt, wegen der Leute
aus der Nachbarschaft, wie es 1769 in einem Kirchenbuche heißt.
Vor allem wird aber das polnische Gesinde auf den herrschaftlichen
Vorwerken die polnischen Predigten veranlaßt haben. In der
Mitte des 19. Jahrhunderts wurde nur am Patronatsfeste polnisch
gepredigt, da dann viele Fremde „zum Ablaß“ ins Dorf kamen.
Heute wird überhaupt nur noch deutsch gepredigt.
Im 18. Jahrhundert bekam die Kirche ein ganz anderes Ge­
sicht. 1732 vergrößerte sie Abt Josef von Strachwitz durch einen
Anbau und sorgte auch für die Ausschmückung des Innern. Die
Kosten betrugen 1120 Gulden, 19 Groschen, l(>’/2 Heller. Abt
Augustin Kenner, ein Schönwälder Kind, riß dann den hölzernen
Glockenturm, das alte Wahrzeichen eines Zisterzienserbaues, nieder
und errichtete 1755— 57 mit einem Aufwande von 1058 Gulden,
6 Groschen, 3 Hellern einen steinernen, unmittelbar an das Schiff
anstoßenden 148 Fuß hohen Turm. Die zwiebelförmige Haube
und die Turmlaterne gaben der Kirche ihr eigenartiges Gepräge
und erinnerten schon äußerlich an die Zugehörigkeit zum Kloster
Räuden mit seinem ähnlich geformten Turme. Auf dem Turme
prangte noch in den 60er Jahren über dem vergoldeten kupfernen
Knopfe in der Fahne der vergoldete hl. Florian. An Stelle des
Kreuzes war auf der Turmspitze der Namenszug Marias, umgeben
von einem vergoldeten Strahlenkranze. Auf der Südseite des
Turmes war eine Sonnenuhr.
Bei dem ständigen Wachsen der Einwohnerzahl erwies sich
schließlich die Kirche doch als zu klein. Nachdem 1881 erst eine
neue Orgel gebaut worden war, suchte man drei Jahre darauf
durch einen Vorbau am Orgelchor mehr Platz zu gewinnen. Aber
auch das reichte nicht weit. So ging man denn Ende der 90 er
Jahre zunächst daran, die Kirche gründlich zu erweitern. Schon
hatte der Bau begonnen, da entschloß man sich, eine neue Kirche
hinzustellen, die natürlich gotisch sein mußte. Der Bau ging
abschnittsweise vorwärts. Er begann am Turme, während im
Presbyterium der Gottesdienst weiter stattfand. Der Helm wurde
abgetragen, der Rumpf des Turmes ummauert, und darauf setzte
man eine gotische Spitze. Als der Turm fertig war, wurde der
65
Altar in ihn verlegt, und es begann der Bau des Schiffes und
des Presbyteriums. Der Organist wanderte mit seinem Harmonium
fast zwei Jahre lang hin und her, meist im Freien. Weihnachten
1000 war die Benediktion, erst 1910 die Konsekration.
Die heutige Kirche ist länger und vor allem breiter als die
alte, aber schöner war ohne Zweifel die frühere. Sie hatte etwas
Charakteristisches und zeugte von einem historischen Zusammen­
hänge mit dem Kloster; die jetzige ist eine von den vielen, un-
Die jetzige Kirche von NW.
zähligen „gotischen“ Kirchen ohne künstlerischen Eigenwert, wie
sie allenthalben in den letzten Jahrzehnten aus der Erde ge­
schossen sind91.
Bis zur Aufhebung des Raudener Klosters war immer ein
vom Raudener Abt eingesetzter Zisterzienser Ortsgeistlicher. Ihm
stand ein anderer, von der Gemeinde allein unterhaltener Kloster­
bruder zur Seite, der den Namen „Rosenkranzgeistlicher“ (promotor
ss. rosarii) führte. Beide wohnten ursprünglich in der alten, neben
der Kirche gelegenen „Pfarrtei“. Als diese aber gar zu baufällig
geworden war, wurde ihnen das Herrenhaus, gegenüber der Kirche,
eingeräumt, über dessen Pforte das Raudener Stiftswappen noch heute
prangt. Bei der Gründung des Dorfes war bereits eine Kirchen­
hufe bestimmt worden. Fromme Stiftungen vergrößerten das Feld.
Bei der Klosteraufhebung war die Pfarrwidmut 250 Magdeburgische
Morgen groß; ihr Ertrag wird auf 164 Taler, 21 Groschen,
6 Heller angegeben. Schon Ende des 17. Jahrhunderts hören
G u s i n d e , Schönwald
5
66
wir, daß der Pfarrer, ganz wie heute auch, nur die Hälfte seines
Feldes92 bestellte; die andere Hälfte war an drei Gärtner für je
2 Taler verpachtet, die außerdem dem Pfarrer jederzeitroboten mußten.
Sie hatten ihre Häuser auf Pfarrwidmut gebaut, mußten sie selbst
unterhalten und konnten wohl die Häuser, aber nicht den Grund
und Boden veräußern. Das gab Anlaß zu Zwist, denn die Pfarrgärtner versuchten, auch den Acker zu verkaufen. Die Pfarrei
rechnete sich außerdem aus, daß die Kost für sie während der
Bobottage mehr betrug, als ihre Arbeitsleistung wert war. Auf
Grund einer genauen Berechnung93 verzichtete daher 1730 das
Stift auf die Roboten, und jeder von den dreien mußte in der
Folgezeit 8 Taler Pacht für den Pfarracker zahlen, halb zu Georgi,
halb zu Martini. Außerdem mußten sie am 25. jeden Monats
3 Silbergroschen Steuer zahlen und hatten der Pfarrei nur noch
14 Tage im Heuschnitt und in der Ernte zu roboten. Für die
Widmutsäcker hatte das Kloster übrigens dem Pfarrer die Roboten
der kleinen Leute überlassen. Außerdem erhielten die beiden
Ortsgeistlichen vom Stifte jährlich 20 Scheffel Roggenmehl.
Über weitere Einkünfte des Pfarrers sind wir erst seit dem
18. Jahrhundert genauer unterrichtet. Damals bezog er von den
Bauern das Dezemgetreide, zwei Viertel Korn und ebensoviel
Hafer, gehäuftes M aß94. Nach Neujahr bekam er ferner von der
Hälfte der Bauern die auch im Urbar (S. 57) erwähnten vierspännigen
Holzfuhren. Wer kein Holz anfuhr, mußte dafür im Frühjahr
einen ganzen Tag auf dem Pfarracker arbeiten. An Flachs bekam
der Pfarrer jährlich von den Bauern 8 Handvoll, der Organist
7 Handvoll. Um das Hedwigsfest schickten beide je eine Magd
durchs Dorf, um den Flachs einzusammeln. Im ganzen bekam
der Pfarrer von 62 Bauern 16 V27 der Organist 14 V2 Kloben. —
Zu Neujahr erhielt der Pfarrer an Weizen oder Hülsenfrüchten
von jedem Bauern 3 Metzen, der Organist 2, der Bälgetreter 1.
Die Häusler gaben dem Pfarrer 1 Sgr., dem Organisten 9 Heller.
— Am Ostersonntage nach der Frühmesse wurden Brot und Eier
und das Osterlamm nach der Agende geweiht. Dafür gab jeder
2 Eier, die der Lehrer einsammelte, und von denen er 1/3 behielt,
während 2/3 der Pfarrer bekam. Die Reicheren gaben dem Pfarrer
auch Lämmer, die sie aber wieder mitnahmen und fütterten, bis
der Pfarrer sie sich einforderte. Diese Weihen werden seit 1810
67
nicht mehr vollzogen; das Lämmerschenken hatte schon früher
aufgehört.
Die Einkünfte der Kirche bestanden am Ende des 17. Jahr­
hunderts in dem Ertrage des Klingelbeutels und dreier Offertorien
im Jahre, aus denen später fünf, dann sieben wurden. Außerdem
besaß die Kirche ein Stück Acker von 3 Scheffel Aussaat, das
jährlich 2 Taler Pacht brachte, und 12 Kirchenkühe95, die für
zusammen 4 Taler an Dorfbewohner vermietet waren. Über die
Klingelbeutelerträge geben die Kirchenrechnungsbücher interessante
Auskunft. Sie sind am größten am ersten Oster- und Weihnachts­
feiertage. Da betragen sie oft das drei- bis vierfache, manchmal
noch mehr, von den Einkünften der übrigen Sonntage96. Noch
freigebiger waren die Schönwälder für zwei Kollekten; die eine
galt der Urbanikerze, die vom Urbanstage bis nach Bartholomäus
noch heute auf der Evangelienseite des Hochaltars brennt, die
andere der Reiterprozession zu Ostern97 [s. S. 3 9 f.].
Die geringen Einkünfte der Kirche reichten zu ihrer Er­
haltung nicht aus. Um sie zu erhöhen, bestimmte Abt Andreas
Emanuel Pospel98, daß jeder mit Waren ausfahrende Fuhrmann
6 Silbergroschen für die Kirche zahlte. Am 23. Juni 1659 trat
die Bestimmung in Kraft. Im selben Jahre hatten bereits 29 Bauern
für 30 Fuhren ihren Anteil gezahlt. Kleinere laufende Einnahmen
brachte der Kirche die Pacht für die vier Tümpel („Luschen“)
an der Dorfstraße, für den ehemaligen Viehtrieb und für Fundationsäcker". Immerhin müssen die vielen, wenn auch meist kleinen
Einnahmequellen, vor allem der Klingelbeutel, die Offertorien und
Kollekten, ganz erkleckliche Summen zusammengebracht haben 10°.
Das übrige tat und tut noch zur Ausschmückung der Kirche der
in den Visitationsberichten mehrfach gelobte fromme Sinn der
Schönwälder, der sich auch in zahlreichen Kapellen und Kreuzen
im Dorfe und in der Feldmark ausspricht.
5*
Anmerkungen
1 Der Name wird später auch auf den Lohefluß == Slenza übertragen.
2 Monumenta Lubensia S. 15 v. 30 ff.
3 S c h u lte , Silesiaca 65 u. 68. Vor allem dienten der Besiedelung
die Zisterzienser, die sich fern von menschlichen Wohnungen niederließen
und sich oft erst mühsam im Walde eine Heim stätte schufen. — Der gute
Wille der Herren war die Vorbedingung für die Germanisierung; vollbracht
wurde sie aber erst durch die Scharen deutscher Bauern, die sich im Lande
festsetzten.
4 S c h u lte , Oberschlesien 1905 S. 627, P a r t s c h , Schlesien I 34 u. 271.
6 Anfangs bot man freilich den Einwanderern, nm sie ins Land zu
locken, im Oppelnschen Lande noch mehr Vorteile als im eigentlichen
Schlesien. Vgl. Anm. 13.
6 1098 war der Orden zu Citeaux in Frankreich gegründet worden.
Das vierte Tochterkloster war Morimond (1115) im Departement HauteMarne, das 1149 als 21. Tochterkloster Andreow gründete. Vgl. Janauschek,
Originum Cisterciensium tomus I Vindobonae 1877 S. 117 u. 250; Potthast,
Geschichte der ehem. Cistercienserabtei Räuden, Leobschütz 1858.
7 CdS. [Codex diplomaticus Silesiae] II 1.
8 Über Mrocco vgl. Potthast S. 21. Mrocco h at auch im Lebuser Lande
deutsche Siedler angesetzt.
Wohlbrück, Geschichte des ehem. Bisthums
Lebus I Berlin 1829 S. 66 f. 116 f. Dasselbe tat er bei Grottkau, CdS. VII 1,
Nr. 436 u. 714. Als Zeuge tritt er auf im CdS. IX Nr. 7 u. 8.
9 Ein Vierdung war der vierte Teil einer Mark und galt 12 Groschen.
10 Diese Vermutung hat schon Stenzel ausgesprochen [Übersicht über
die Arbeiten und Veränderungen der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Kultur
i. J. 1840, Bresl. 1841 S. 127 Anm.]. Wenn eine Aufschrift auf der Urkunde
von 1263 angibt, es handle sich um die Aussetzung von Schönwald und
Stanitz, so besagt das gar nichts, da die Aufschrift später ist. Sie über­
sieht, daß diese Urkunde zwar die 50 Hufen dem Kloster überweist, aber
nichts von einer tatsächlichen Dorfgründung sagt. Wir müssen daran festhalten, daß sich die Besiedler des Dorfes urkundlich nicht über 1269 hinaus
verfolgen lassen. Über ihre Herkunft kann also lediglich ihre Sprache
Auskunft geben. Dennoch spukt die alte, längst als unhaltbar erwiesene
Fabel, die Schönwälder seien wegen einer Hungersnot 1233 aus Meißen aus­
gewandert, immer noch. Dieser Irrtum geht auf Zimmermanns Beyträge
69
zur Beschreibung von Schlesien II 1783 S. 350 zurück [s. CdS. VII, 1, 139],
Von da ging er in Potthasts Geschichte von Räuden S. 213, in Triests
Topographisches Handbuch von Oberschlesien 1865 S. 544 und von Potthast
wieder in Muß’ Chronik der deutschen Gemeinde Schönwald, Gleiwitz 1865
S. 6 über, von wo ihn neuerdings wieder Grabowski in der Zeitschrift
Schlesien IV 568 übernommen hat. — Auch was Grabowski dort über die
Schönwälder Tracht schreibt, ist mehrfach unrichtig. Wenn sie z. B. meint,
die Kleidung ändere sich in Schönwald auf Grund von Gemeindebeschlüssen,
so hat sie sich einen gewaltigen Bären auf binden lassen.
11 Der Wald Boycowo, von dem ein großer Teil 1263 dem Kloster
übergeben und in dom 1269 Schönwald ausgesetzt wurde, muß sehr aus­
gedehnt gewesen sein. E r reichte bis zur Klodnitz, und sein Name lebt
vielleicht noch in dem des Dorfes Boitschow, westlich von Gleiwitz, fort.
12 Meitzen CdS. IV Einleitung S. 77 u. 103.
13 Bei diesen Hufenbenennungen handelt es sich um rein technische
Bezeichnungen, ohne daß daraus über die Herkunft der Siedler etwas hervor­
ginge. — In Niederschlesien wurden der flämischen Hufe gewöhnlich 5, der
fränkischen 10 Freijahre gewährt. In Oberschlesien waren die Bedingungen
zunächst günstiger. So erklären sich die 15 Freijahre in Schönwald. —
In Deusch-Zernitz finden wir, der Bodenbeschaffenheit entsprechend, fränkische
und flämische Hufen nebeneinander. Diese genießen 6, jene 16 Freijahre. —
Nach fränkischen Hufen sind in der Umgegend von Gleiwitz noch mehrere
Dörfer ausgesetzt, die offenbar auch im Walde „Boycou“ gegründet wurden,
z. B. Ellguth, Petersdorf, Boitschow (Benno Nietsche, Geschichte der Stadt
Gleiwitz S. 41).
14 Amtlich gilt heute der Name Schönwald. Dem oben angeführten
ältesten Beleg entspricht auch die mundartliche Form sewaude — Schönwaldc.
In Urkunden, Akten und Kirchenbüchern wechseln bis in den Anfang des
19. Jhdts. beide Namensformen.
15 CdS. II 16 vom 4. April 1283.
16 Deutsch-Zernitz war ursprünglich wohl eine polnische Siedelung.
Am 3. Okt. 1274 wurde es vom Grafen Gnevomir für 22 Mark an den
Unterjägermeister des Herzogs Wladislaus, den Grafen Stefan Zbronowicz,
verkauft, der vom Herzoge am 15. Juli 1278 die Erlaubnis bekam, das Dorf
nach deutschem Rechte zu besiedeln.
Mit herzoglicher Erlaubnis vom
11. Nov. 1279 überließ er es zur Aussetzung nach deutschem Rechte einem
Heinrich Angrimann und seinem Sohne Heinrich [CdS. I I S. 13 f.]. Ob einer
dieser beiden Heinriche [die Echtheit der Urkunde ist übrigens angezweifelt
worden] mit dem Aussetzer Schönwalds (s. S. 5) identisch ist, läßt sich
nicht nachweisen. Mit dem Kaplan Heinrich von Stanitz bringt Neuling
[Schlesiens Kirchorte2 286b] den Schönwälder Heinrich mit Unrecht zu­
sammen.
17 CdS. I I 5 f., Potthast 35.
18 Als 1608 das Kloster von der Kais. Kammer streng getadelt worden
war, weil es den Tod des Abtes Peter V. nicht angezeigt hatte, erklärte
70
der neu gewählte Abt Johannes V., ein solcher Befehl sei nie nach Räuden
noch nach Himmelwitz gekommen. Die Äbte beider Klöster kamen aber zu
der Ansicht, daß er „durch der Pollaken Unachtsamkeit, So zurvor allhier
regieret, vernachlesset sein worden muß.“ — Als die Herzogtümer Ratibor
und Oppeln 1532 nach dem Tode des letzten Piasten an den Markgrafen
von Brandenburg übergegangen waren und dieser sie 1552 an Kaiser
Ferdinand abgetreten hatte, wurden sie dem Königreich Böhmen einverleibt.
Nun setzt im Kloster plötzlich ein starker deutscher Einfluß ein, und die
polnischen Namen Ruda und Jemelnitz werden in Räuden und Himmelwitz
geändert. Daß aber doch eine starke polnische Partei vorhanden gewesen
sein muß, geht aus dem kaiserlichen Befehl hervor, daß von nun an nur
Deutsche Äbte werden dürfen.
1585 wurde dies Verbot erneuert, und
mehrere polnische Ordensbrüder wurden nach ändern Klöstern verschickt
und gegen deutsche eingetauscht. 1624 wurde trotz des Verbots ein Pole
zum Abte gewählt, dem aber Kaiser Ferdinand II. die Bestätigung versagte.
Vgl. Potthast S. 62, 20, 49, 75.
19 Die ursprüngliche Ausdehnung des Angers ist im Niederdorfe noch
deutlich erkennbar. Ums Ende des 18. Jahrhunderts und im Anfänge des
19. baten mehrfach kleine Leute die Herrschaft um die Erlaubnis zum Bau
eines Angerhäusels. Den Grund bekamen sie umsonst, mußten sich das
Haus selbst bauen und hatten zu Michaelis vom Hause 4 Sgr. Grundzins,
von jeder Quadratrute Garten 3 ^ Zins und von jeder Rute 2 Sgr. als Kauf­
schilling zu zahlen; außerdem mußten sie 4 Tage roboten oder statt dessen
5 Sgr. zahlen. Manche kleinen Leute hatten sich auch, ohne das Stift zu
fragen, auf dem Anger festgesetzt. Das führte zu Unzuträglichkeiten, und
noch 1828 und 1858 wird scharf gegen diese Leute vorgegangen. Ein
solches Haus soll sogar gewaltsam eingerissen, und Erbauer und Handwerker
sollen zur Verantwortung gezogen werden. — Während die Bauern wegen
der großen Verpflichtungen sich um 1800 nur schwer halten konnten, muß es
damals den Angerhäuslern in der Mehrzahl ganz gut gegangen sein. Viele
hatten noch Acker hinzugekauft. Einige besonders zahlkräftige tauschten
sogar ihren Besitz gegen den verarmter Bauern ein.
20 Im Mai 1650 treffen wir die Schönwälder Urban Gromann und
Matthes Masloch als „Hoppenleutte“ (Hopfenhändler) in Liegnitz, und 1617
am 24. Juni kauft Paul Pospel im Oberdorfe ein Gut für 3 Taler Jahreszins,
wogegen er von der Herrschaft freies Brennholz, jährlich zwei dicke Kiefern,
30 Schock Hopfenstangen und im Falle eines Brandes freies Bauholz aus
den Raudener Forsten zugesichert bekommt.
21 nämlich 1904 männliche und 2050 weibliche. 1819 waren in Schön­
wald 996, 1861 waren 2315, 1900 waren 3384 Einwohner. Heute sind 571
feste Gebäude und 564 bewohnte Wohnhäuser vorhanden mit 799 selb­
ständigen Haushaltungen. Davon sind 381 Landwirte, 334 Arbeiter, 45 Hand­
werker, 7 Gastwirte, 15 Gewerbetreibende und 17 Beamte. Die Zahl der
Schwachsinnigen beträgt 5, die der Taubstummen ebensoviel. 2 Schwach­
sinnige sind in Anstalten untergebracht. An Vieh sind vorhanden 378 Pferde,
1295 Rinder, 1584 Schweine und 150 Ziegen.
71
22 Die Namen der fünf Felder finden sich in gleicher Anordnung
schon 1730.
23 Sie werden nach den Gemeinden benannt: knausdreower, masiejer,
nldreower, pasleter, praiser, fenek' er, treak' er faut—Knurower, Makoschauer,
Nieborowitzer, Ellguther, Preiswitzer, Zernitzer, Tryneker Feld.
24 Daraus mag es sich auch zum Teil erklären, daß das Niederdorf
viel länger als das Oberdorf ist. — Bis zum Ende des vorigen Jahrhunderts
konnte man im Felde in Mauerziegelstücken und in verfallenen Resten
früherer Brunnen noch Spuren der einstigen Gehöfte erkennen. Die F ort­
setzung der Dorfstraße nach W. bis zur Knurower Chaussee und die ihr
nördlich und südlich parallel laufenden Feldwege, zwischen denen einst die
„Gärten“ lagen, sind noch deutlich erkennbar.
25 Ein einzelnes Waldstück wird hier 1805 „ein Winkel“ genannt.
26 s. G u s in d e , Eine vergessene deutsche Sprachinsel S. 161b. Das
Wort ist offenbar gleichbedeutend mit der verhochdeutschten Wortbildung
„Follung“ der Kaufbücher. Es gibt fiedese und henese (vordere und hintere)
fe9g'er.
27 Auch hiervon erzählen die Totenbücher. 1665 wurde Matthias Pospel
in Polen von einem Räuber ausgeplündert und erschlagen, 1669 wurde Georg
Grohmann in einem Walde fern der Heimat umgebracht, Simon Kurz­
nickel starb 1671 auf der F ahrt hinter Neiße, Matthias Rack alias Wischgoll
1678 in Jackschönau bei Breslau, Martin Greitzke alias Goldmann wurde,
als er bei Wieliczka auf der Heimfahrt mit Salz den umgefallenen Wagen
aufrichten wollte, erdrückt; räubernde Soldaten schießen bei Neiße 1679
auf Johann Blaschke, der im Jahr darauf an der Wunde stirbt, und 1699
stirbt Thomas Holleczek auf einer Fahrt. Das sind schwere Opfer in einer
kurzen Zeit.
28 Unmittelbar westlich vom Kleinbahnhofe liegen auf einer Strecke
von 290 m in der Quere 14 Feldwege, 11 Raine und 25 Felder. Die ständige
Reihenfolge ist Weg, Feld, Rain, Feld. Ein Feld von 8 m Breite ist dar­
unter eine Seltenheit; manche Felder sind kaum 2,60 m breit. 1862 waren
hier nur 4 Felder. — Zwei alte Leute, Brüder, erklärten mir, man müsse
die Felder bei der Erbesauseinandersetzung teilen, denn der Morgen koste
je tzt mindestens 300 T aler; da könne man die Geschwister nicht auszahlen'.
— Vereinzelt steht ein 205 */4 Morgen großes Bauerngut da. Dio kleinsten
Besitzungen haben knapp */3 Morgen.
29 Vgl. G u s in d e , Eine vergessene deutsche Sprachinsel im polnischen
Oberschlesien = W ort und Brauch, Heft 7, Breslau 1911, bes. S. 141 ff. Ich
verweise auf diese eingehende Untersuchung über Sprache und Wortschatz
und führe hier nur kurz die wichtigsten Ergebnisse an.
30 So heißt Knurow, das im 15. und 16. Jahrhundert Knauersdorf hieß,
noch heute schönw. knausdrof; Ostroppa, das 1534 Stroppendorf genannt
wird, heißt strepedrof; Zabrze, das 1300 Sadbre sive Cunczindorf heißt, trägt
in Schönwald den Namen konsdrof. Auch Richtersdorf hat noch den älteren
Namen Vogtsdorf, schönw. fütsdrof. Vgl. G u s in d e , Sprachinsel S. 140 f.
72
31 Im Jahre 1788 stehn im Trauungsbuche drei Trauungen mit Dispens
unm ittelbar hintereinander. 1750 entwirft der Pfarrer für seine Nachfolger
eine genaue Anweisung über die in solchen Fällen beim bischöflichen Amte
notwendigen Schritte, weil, wie er ausdrücklich sagt, Dispensationsgesuche
sehr häufig gemacht werden müssen. In den 10 Jahren von 1890 bis 1899
fanden 284 Trauungen statt, von denen 45 Dispens erheischten. Das sind
15)8 %■ Im Jahre 1896 wurden gar 33,3% aller Ehen m it Dispens geschlossen.
32 Clemendt, Goldmann [2 mal], Gromann [2 mal], Gullner (heute
Gillner) [2 mal], Hermann, Kleinmichel, Kramer, Krauthackel, Krebs, Magner,
Marsch, Marschner, Meuthner, Michel, Neugepauer, Nimerdrauf (1659 Niemerdorff geschrieben), Preußer, Renner [3 mal], Simon, Stangner, Steffan [2 mal],
Stenzel, Weis.
Neben diesen deutschen Namen stehn die polnischen
Bartosch, Grziwatsch, Klimpke [2 mal], Marsar, Plichta (Plichter geschrieben),
Peschicz, Pospel, Ssimek, Stanns, Stamowski, Woitke. Vier Bauern werden
nicht mit Namen, sondern nur nach dem Dorfe Preiswitz genannt (Przeschwicz,
Preußwitz, Breuschwicz), lehren also über die Namen nichts. Sie hatten
wohl noch gar keinen anderen Zunamen. Der oben genannte Preußer heißt
vielleicht nach demselben Dorfe. Der Name Kretschmer ist hier wohl noch
Berufsbezeichnung.
33 Baumann, Bittner*, Böhm, Burgmeister, Deutsch*, Dicker, Drechsler*,
Gromsadam* ( = Grohmanns Adam, heute als Beiname kromfQodem), Hermatz,
Kaltschmidt, Käufer*, Keller“, Kellermann, Klein, Kleinandres*, Knauser,
Köhler, Kurz, Kurznickel*, Kutz*, Lauer, Ortmert, Puschhauser, Rademacher*,
Roth, Rotterhans, Rumpel, Schaffer*, Schwarz, Strohalm, Tischer*, Tischler,
Wagner, Winkel, Wickelhans, Zimmermann. Hierher gehören auch die
deutschen Formen alter, zu Zunamen gewordener Vornamen: Balzer*,
Behnisch, Daniel*, Klemens, Ludwig, Nickel*, Peter, Urban, Walter. Alte
Vornamen liegen auch vor in Klamsiura (aus Klemens -f Georg; die Kirchen­
bücher schreiben 1662—92 mehrfach noch Clemensjura) und in dem heute
noch sehr verbreiteten Cimander (Simon [schönw. tsema] -f Andreas). Heute
gibt es nur noch folgende deutsche Namen: Beck, Düring, Gemander (1674
Gemeinder), Gillner, Goldmann, Heiske, Hermann, Hoim, Kleinmichel, Kraut­
hackel, Krebs, Schmidt, Schneider, Scholz, Stangner, Steinmetz, Zapp. Die
neu eingewanderten deutschen Namen lasse ich dabei außer acht. Die hier
m it * bezeichneten Namen leben heute noch als Hausnamen fort. Deutschen
Ursprungs ist auch der heute „Puscher“ lautende Name, obwohl er früher
Pusior, Pusiur geschrieben wurde. Aber in den ältesten Kirchenbüchern,
die von 1659—1669 fast durchweg von einem Deutschen geschrieben sind,
heißt es immer Pußer, Puscher [ß = sch]. E rst seit 1683 erscheinen die pol­
nischen Schreibungen. — Auch andere, rein deutsche Namen werden von pol­
nischen Pfarrern nach 1669 ganz abenteuerlich verhunzt. So erscheint der Name
Strohalm 1696 als Strochsynek und die weibliche Form 1680 als Stroholmka,
1701 als Strocholka. Ähnlich geht es dem Namen Puschhauser. Aber auch
bei anderen Namen finden sich häufig abenteuerliche Verpolschungen.
34 Vgl. G u s in d e , Sprachinsel S. 148.
73
35
Das mag folgende Übersicht über ein paar Träger gleicher Namen
veranschaulichen (nach dem Personenstände von 1911).
Name
Personen
in verschiedenen
Häusern
mit Haus­
haltungen
Wietschorke
Cimander
Puscher
Goletz
Gillner
Ciupke
Jelitte
Gemander
Goldmann
Kotitschke
236
204
195
148
118
106
101
94
93
89
44
36
45
25
25
22
21
24
19
16
50
42
54
34
28
25
23
25
24
17
36 So heißt ein Ciupke nach einem früheren Besitzer Zurke, sein Sohn
aber Knerr. Ein Kotitschke hatte, solange er zu Hause war, den Spitznamen
telpes; seit er seine W irtschaft hat, heißt er smerts (Smiercz). Ein anderer
Kotitschke heißt Stangner, wieder ein anderer Fukas, ein vierter kromfqadem
(s. Anm. 33) und ein fünfter ist der Feldbauer. Damit ist die Beihe der
Kotitschkes noch lange nicht erschöpft. — Ein Gemander im Niederdorfe
am Dorfbache heißt danach und nach seinem Vorgänger Pasch nur der
bachpas. — Das alte Hirtenhaus an der Chaussee im Niederdorfe ist längst
abgebrochen, aber der Name hites bleibt der dort sitzenden Familie Gemander.
37 z.B. GergeKurtzer oder Krotky Kramer (1650), Alte Wozipiwin v Holeczkin (1667), Urbanus Bremora sive Kaldschmid (1677), Martinus Greytzke
alias Goltmann (1679) und viele andere. Die Übernahme des Wirtschaftsnamens
drückt sich noch aus in Eintragungen wie: George Zebulla, je tz t Schaffer
(1787), Georg Krebs nunc Spalke (1794). In den Kaufbüchern erscheint 1813
ein im Jahre 1801 gestorbener „Thomas Gorzawski nach der Stelle genannt
Poschhauser“ und 1814 ein „Freibauer George Wieczorke, nach der Stelle
auch Bukowski genannt“. Der Zuname bleibt auch ganz fort, z. B. Fabian
Fuhrknecht (1666), Matz Gärtner (1667), Josephus Rotarius [er hieß Kurz]
(1724). Zweimal stehn sogar drei Namen: Anna Puschiorin vulgo Kubina
[von Kuba = Jakob] vel Stangerka und Matthes Niesporke v Zweimal
Ju ra v Wicisly (1806). Der 1813 erscheinende Mathes Niesporke vel Sliwke
ist offenbar derselbe. E r heißt an anderer Stelle auch Zweimal Jura. —
Auch der Beruf wird zur näheren Bezeichnung mitunter angegeben. Besonders
poetisch heißt es im Totenbuche 1671: Urbanus Gorzasky, Scfynetbet et
Orpheus Sdjoetöalbenfis, requiescat in pace. Die Eva Docterin Wozniczkin
(1661) war offenbar die Hebamme. — Das Urbar von 1534 hat noch keine
Doppelnamen. [Über Hofnamen aus der Grünberger Gegend vgl. Mitteil. d.
Scbles. Ges. für Volkskunde 1906 Heft 2 S. 57 und 1907 Heft 2 S. 101 f.].
74
38 Heiratet der Bräutigam in eine W irtschaft ein, so fährt er umgekehrt
m it seinen Leuten zum „Betten“. Der Unfug aber bleibt derselbe.
39 Heute gelten die Pflaumen als Kompott, früher waren sie ein be­
sonderer Gang. — Kartoffeln sind beim Hoekzeitsessen selten; Gemüse ist
überhaupt so gut wie unbekannt [s. S. 16].
10 Über Ausdrücke für Spinnen und Weben vgl. G u s in d e , Sprachinsel
S. 210 und 211 f.
41 Vor und nach der Prozession wurde die Benedictio peregrinantium
nach der Agende erteilt.
42 Das Beiten scheint den Schönwäldern überhaupt viel Spaß gemacht
zu haben. Hoch zu Roß überbrachte früher der driufeba seine Einladung
(s. S. 30). Hoher Besuch wurde stets von stattlichen Reiterscharon eingeholt;
s. Anm. 81 u. S. 61. Im Jahre 1894 holten den neuen Pfarrer 24 Reiter in
Gleiwitz ab. Am feierlichsten war es, als am 1. Mai 1868 Fürstbischof
Förster zur Firmung kam. Da ritten ihm morgens 8 Uhr 40 Schönwälder
in kurzen Jacken mit Pelzmützen und Schärpen in den bischöflichen Farben
auf geputzten Pferden bis zum Gleiwitzer Pfarrhofe unter Führung eines
ehemaligen Kavalleristen entgegen. Sie nahmen den vierspännigen Wagen
in die M itte, und da die Dorfstraße bodenlos war, geleiteten sie ihn auf
Feldwegen ins Dorf, wo die Männer in weiten Mänteln (s. S. 18 f.), die Frauen
in Mützen und die Mädchen in weißen Kopftüchern (s. S. 23 f.) den Kirchen­
fürsten erwarteten. Dieselbe Reiterschar brachte ihn am Abend wieder nach
Gleiwitz zurück. — In dieser Reiterfreude mag sich der frühere Pferde­
reichtum der Schönwälder Bauern widerspiegeln. Mehr modern als poetisch
mutet es an, wenn heute das Reiten immer mehr abnimmt und statt dessen
schon Radfahrer das Ehrengeleite bilden. [Über das Saatreiten in Schlesien
vgl. Mitteilungen der Schles. Ges. für Volkskunde 1905 Heft 1 S. 113 und
1909, 177 ff.]
CdS. I I S. 65, 68 und 71.
46 N ie ts c h e S. 62, G rü n h a g e n - M a r k g r a f , Lehns- und Besitz­
urkunden I I S. 339 Nr. 42.
CdS. H S. 72, 74 und 75.
60 Am 7. Juni 1525 schenkte er dem Stifte den Zehnten von Schönwald,
Zemitz, Matzkirch und Dobroslawitz (Urkunde im Staatsarchive).
61 P o t t h a s t 36.
52 Urkunde vom 4. Januar 1569.
63 Nach einer alten tschechischen Abschrift. Wegen der 4 Malter vgl.
Anm. 68.
64 Nach dem Berichte an den Hof vom 27. November 1560 war zuerst
Zettritz aufgefordert worden, noch 2000 Taler zuzulegen. E r erklärte aber,
lieber auf sein Pfandrecht verzichten zu wollen, und so tra t die Stadt an
seine Stelle. Sie mußte ihn abfinden und am nächsten Georgitermine
2000 Taler zuzahlen.
55 P o t t h a s t 253 f.
66 Dafür, daß der Kaiser „über den Ratmännern und Bürgern zu
75
Gleiwitz gnädiglich Hand und Schutz“ halten zu wollen versprach, durfte
die Stadt alle Weihnachten 50 Taler beim schlesischen Rentamte als ewigen
Zins zahlen.
57 Das hinderte die Schöpwälder allerdings nicht an Versuchen, sich
den vom Stifte geforderten Leistungen zu entziehen. Abt Josef Franz meldet
am 14. September 1679 dem Landeshauptmann, er werde die Schönwälder
und Zernitzer, die die hergebrachten Abgaben verweigern, wie Rebellen be­
handeln und sie durch Exekution und Gefängnis zum Gehorsam zwingen. —
Abt Andreas Emanuel Pospel hatte seinen Landsleuten und den DeutschZernitzern einen Teil der klösterlichen Lasten aufgebürdet und dafür irgend­
welche Vergünstigungen versprochen. Nach seiner Rückkehr aus Citeaux,
wohin er 1651 als Vertreter der schlesischen Ordensprovinz reiste, wollte er
(nach einer Urkunde vom 18. März 1651) sein Versprechen erfüllen. Nach
seinem 1679 erfolgten Tode beklagen sich die Schönwälder, daß das nicht
geschehen sei. „ J e länger, desto mehr Lasten legen sie uns auf, und wir
Armen wissen nicht, wie wir dem abhelfen sollen“. Unter Berufung auf
ihre Privilegien erklären sie, nur das leisten zu wollen, wozu sie nachweislich
verpflichtet seien. So heißt es in einer undatierten polnischen Abschrift.
Der Erfolg dos Schreibens ist unbekannt. Offenbar ist aber die obengenannte
Drohung des neuen Abtes die Antwort auf die Weigerung der Schönwälder.
— Zeiten der Bedrängnis scheinen eine gute Gelegenheit gewesen zu sein,
um den Untertanen neue Lasten aufzuhalsen. Im März 1718 hatte eine
Feuersbrunst einen Teil des Niederdorfes und das dortige Stiftsvorwerk
zerstört. Da das Stift zur Bewirtschaftung seines Besitzes mit den Roboten
der Oberschönwälder nicht auskam, bewog der Abt am 25. Juni 1719 auch
die Niederdörfler, einen Tag zu roboten. Jeder Bauer sollte außerdem je
zwei Viertel Korn und Hafer geben, „denen vier Maldern H aber, so sie
schuldig einzusäen und einzuführen ohne Schaden“. Daß in schlimmen
Zeiten die Schönwälder gutmütig waren, geht auch daraus hervor, daß sie,
als am 26. September 1724 das Kloster zum größten Teil in Flammen auf­
ging, sich freiwillig zu Holzfuhren erboten ( P o t t h a s t 104).
58 P o t t h a s t 255 f. Aus einigen Aktenstücken im Staatsarchive geht
hervor, daß die Rechtshändel der Stadt mit dem Abte bis ins Jahr 1630
zurückgehn. In diesem Jahre hatte das Oppelnsche Landesamt bereits die
Abgaben von Schönwald und Deutsch-Zernitz gesperrt. Um so schärfer
beleuchtet der obengenannte Vorfall von 1632 die bestehende Rechtlosigkeit.
— Der Abt warf dagegen den Gleiwitzern vor, sie hätten zu Unrecht den
Schönwäldern neue Silberzinsen aufgelegt und die Leute etliche Tage und
Wochen lang elendiglich im Gefängnis gehalten, bis ihnen das Landesamt
es untersagt habe.
69
Der Brief Pospels vom 24. Juni 1659 ist ein beredter Beweis für die
damals herrschende Verwilderung der Rechtspflege.
Gedruckt bei P o t t ­
h a s t S. 256.
60
Genau ein Jahr später bestätigte der Kaiser den Vertrag. — Abt
Josef Franz hatte schon 1786 versprochen, den Streit auf Kosten des Stifts
76
zu Ende zu führen, wenn die Schönwälder und Deutsch-Zernitzer ihm alle
Forderungen an die Gleiwitzer und die ihnen etwa vom Gerichte zu­
zuerkennende Schadenersatzsumme abträten.
61 Der E rtrag war nicht gering. E r belief sich 1719 auf über 2539
Gulden für Bier und auf über 1452 Gulden für Branntwein. Von da an
fällt der Bierverbrauch, während der Branntweinverbrauch ständig zunimmt
P o t t h a s t 190 ff.
62 Nach einer notariellen Bestätigung alter Urkunden vom 6. April 1659.
63 Wie im Urbar von 1791, so wird auch in den Kaufbüchern aus jener
Zeit den Schönwälder Kretschmern ausdrücklich zur Pflicht gemacht, nur
Raudener Getränke zu schenken. „Einschwärzung und Schenkung fremden
Getränkes“ wird m it 8 Groschen für jedes Quart Bier oder Branntwein
gebüßt. Das Stift hat also sein Monopol später strenger durchgeführt.
64 N ie t s c h e 120. — Wenn damals das Gleiwitzer Bier ebenso schlecht
war wie etwa 90 Jahre später, so begreift man, daß die Stiftsdörfler es
nicht mochten. 1744 war es nämlich gar nicht zu trinken, und 1746 heißt
es wieder miserabel. Es wurde zu jung geschenkt, mit Wasser verpanscht,
die Fässer wurden schlecht gereinigt, der Hopfen war zum Teil verfault,
das Malz ungenügend, weil die einzige privilegierte Malzmühle nicht in
Ordnung war. Es kam zu Beschwerden beim Könige, und erst die Ver­
pachtung des Bierschanks brachte Besserung.
65 P o t t h a s t 257 ff.
66 „Urbar“ ist ein deutsches Wort und bedeutet: Zinsgut, Einkünfte,
dann Verzeichnis von Abgaben. Früher lag der Ton auf der ersten Silbe.
67 Die halbe Hufe wird zu 12 Beeten gerechnet. Für jedes Beet be­
tragen die Abgaben im großen und ganzen den 12. Teil von denen der
halben Hufe.
68 Die Wüstungen lagen im Ober- und Niederdorfe. Sie werden in
unserm Urbar auf 20 Hufen berechnet, „die beseet man vmb die 4 Garben
dem Appt“ (vgl. S. 49). Der Wüstungszins schwankt für die halbe Hufe von
10 Groschen bis 1 Flor. (= 2 4 Groschen). Der Schulze Ssimek hat 7 Hufen
Wüstung frei und muß wie andere Schulzen mit einer Fuhre dienen. —
1610 verkaufte das Stift den Schönwäldern die Wüstungen, weil damals in
Räuden das Geld knapp war.
69 Das sind die Pernsteinschen Zinsen; vgl. S. 48.
70 Vertrag vom 30. Juni 1784, bestätigt Breslau d. 31. März 1785.
Danach war es Acker und Brache von 306 Scheffeln Ertrag. Der Scheffel­
ertrag ward mit 7 Taler 7 Sgr. angesetzt. Die ganze Summe betrug also
2213 Tl. 12 Sgr. Für den Scheffel war die Anzahlung 1 Tl.; der Rest
mußte mit 5% verzinst werden. 32 Scheffel Acker wurden für 8 neu zu er­
bauende Häuslerstellen vom Dominium zurückgehalten.
71 Vgl. hierzu die Urbarbestimmungen S. 56 f.
72 Der Abt hatte im ganzen für Schönwald 15 Taler 17 Ggr. 9 [/3 Pf.
zu zahlen, die Gemeinde 8 Tl. 4 Ggr. 102/3 Pf.
73 Der Grundzins schwankt bei den Bauern von 1 Tl. 12 Sgr. 4 Pf.
77
bis zu 8 Tl., bei den Häuslern von 2 Sgr. bis 2 Tl. 20 Sgr. Nur der Wind­
müller gibt 4 Tl. 24 Sgr. Den Zins für die erkauften Vorwerksgründe
zahlen 30 Bauern. E r schwankt von 3 Sgr. bis 1 Tl. 20 Sgr. 50 Häusler
waren an den Vorwerksgründen beteiligt; ihr Zins schwankt von 3 Sgr. bis
1 Tl. 8 Häusler zahlen gar keinen Grundzins. Getreidezins zahlten 2 Bauern
gar nicht, 52 zahlten je 2 Scheffel Weizen, Korn und Hafer. 4 gaben 5 Scheffel,
3 gaben 1 Scheffel 10% Metzen und 2 nur 8 Metzen an Dreikorn. Vom
Hühnerzins waren 3 Bauern frei; die meisten (19 und 21) gaben 2 oder 3
Hühner in die Klosterküche; 2 gaben ein Huhn, 3 zinsten 21/3, 10 zinsten
4, 2 gaben 5, 2 gaben G und einer 4 1/, Hühner. Häusler geben weder Getreide- noch Hühnerzins. Der Windmüller gibt jährlich zu Georgi 20 Bresl.
Scheffel Brotmehl. — Die Tabelle der Häusler ist übrigens ungenau. Es
sind nur 82 eingetragen, von denen die letzten nachträglich zugefügt sind.
Die letzten vier, bei denen nur der Grundzins von zweien angegeben ist,
lasse ich unberücksichtigt.
74
Hierüber ist besonders scharf gestritten worden. Das Kloster ver­
langte 3 Scheffel; die Bauern wollten nur 2 anfahren, zumal da einige von
ihnen nur 2 Pferde hätten. Das Kloster erwidert, sie sollten dann eben zwei­
mal fahren. Man einigte sich schließlich auf 2 1/3 Kübel. Das Kloster wollte
anfangs sogar auf 2 heruntergehn. Die Bauern wollten bei den Kalkfuhren
die sonst übliche Vergütung haben, nämlich 1 Quart Bier und eine Buchte
Brot, deren aus einer Breslauer Metze Mehl 10 gebacken werden. Das wird
ihnen zunächst zugebilligt, ist aber dann nicht ins Urbar aufgenommen
worden. — Bei diesen Spanndiensten muß man berücksichtigen, in welch
trostlosem Zustande damals im ganzen Industriebezirk die Landstraßen
waren. Wagen und Pferde versanken oft geradezu auf den grundlosen
Wegen, die zeitweise überhaupt nicht befahren werden konnten.
Es gab zwei große Fischteiche im Dorfe und einen am Dorfende
auf Preiswitz zu; drei kleine Fischteiche lagen im Hege- und Gerstfelde
und im Maslochfelde [nach dem Besitzer so genannt; das Urbar von 1791
schreibt falsch Mostoch, im Entwürfe vom 3. Febr. 1786 steht der Name
richtig],
' 6 In den Verhandlungen hieß es, sie sollten die kleineren Geräte
mitbringen, wie Grabeisen, Grabscheit, Holzaxt, Sichel und Sense. Die
größeren sollte das Dominium stellen. Dieses Zugeständnis ist dann unter­
drückt worden.
77
Unter Laudemium versteht man eine Zahlung an die Herrschaft für
die Erlaubnis zur Veräußerung eines Besitzes. Über das Laudemium vgl.
Opitz, Die Arten des Rustikalbesitzes und die Laudemien und Markgroschen
in Schlesien, Bresl. 1904, bes. Nr. 289 und 390. Der unter 390 angeführte
Bericht, die Schönwälder seien Lutheraner gewesen und vom Kloster auf­
genommen worden, damit sie katholisch würden, ist natürlich Fabel und
wahrscheinlich eigene Phantasie des Berichterstatters, der auch sonst Un­
richtiges behauptet. Nachbeter hat dieser unsinnige Bericht zum Glück
nicht gefunden.
78
78 Dieser Zins war vom Dominium erst 65 Jahre vorher eingeführt
worden und betrug 1 Taler. Soviel wollte das Kloster auch je tzt haben.
Man einigte sich schließlich auf 20 Sgr.
79 Darüber, daß die Schönwälder ihrem Pfarrer gegenüber schlechte
Zahler waren, wird schon in den Kirchenbüchern aus der Mitte des 18. Ja h r­
hunderts geklagt. Am grimmigsten aber war doch der 1848 gestorbene
Pfarrer Wodak, der mehrfach die m it ihren Abgaben seit 11 und 12 Jahren
rückständigen Bauern verklagt hat; er behauptet, das gelieferte Getreide
manchmal weggeworfen zu haben, und sagt: „Es ist niemand zu trauen.“
80 In der baufälligen Pfarrei ließ sich eine Susanna Stangnerin mit
Erlaubnis des Abtes Benedikt auf eigne Kosten eine Wohnung herrichten.
Sie durfte ihre Auslagen, 34 Taler, darin absitzen; nachher hatte sie dem
Pfarrer jährlich 2 Fl. und 4 Tage Robot zu leisten.
81 E r wirkte 1798— 1839. Ihm folgte sein gleichnamiger Sohn, der
bis Neujahr 1880 tätig war. Als dieser 1878 sein 60jähriges Lehrerjubiläum
feierte, kam auch die herzogliche Familie aus Ratibor. 10 Reiter holten sie
ein und geleiteten sie auch wieder zurück. An die Stelle Hausers trat der
seit 1876 im Orte wirkende Lehrer Kwasniok, der, zuletzt als Rektor, bis
zum 1. Juli 1912 seines Amtes waltete. Wir haben also hier den seltenen
Fall — und das war gewiß ein Segen für Schönwald —, daß durch 114
Jahre nur drei Hauptlehrer die Erziehung der Dorfjugend leiteten. — Als
1848 auch in einigen Schönwälder Köpfen Revolutionsideen spukten, brachte
Hauser durch gutes Zureden die Leute wieder zur Ruhe. So kam durch
den Einfluß des Lehrers das Dorf um seine Revolution.
82 Die Angaben über die Schule entstammen zum großen Teil der
handschriftlichen Schulchronik, die bis zum Jahre 1865 von Muß abgedruckt
ist. Uber die Schule spricht er da S. 91 ff.
83 Sie entspricht dem hochdeutschen Worte „Schüler“, kommt vom
lateinischen „scolaris“ und bezeichnet, anders als im Hochdeutschen, in
Schönwald den Lehrer und Organisten.
84 CdS. IV Einl. 93 f.; S c h u lte , Silesiaca 60.
85 Die auf einer Notiz aus dem Ende des 18. Jahrhunderts beruhende
Ansicht, die Kirche sei 1260 vom Herzog Wladislaus gebaut worden, ist un­
haltbar. E rst bei der Aussetzung des Dorfes, also 1269, konnte an den
Kirchbau gedacht werden.
86 Zeitschrift d. Ver. f. Gesch. u. Altertum Schlesiens 27,367. — Eine
Mark galt 4 Vierdunge=24 Skot=48 Groschen. Der Groschen hatte ge­
wöhnlich 12 Heller. Im obengenannten Peterspfennigregister wird aber der
Groschen zu 16—17 Hellern gerechnet.
87 J u n g n i t z , Visitationsberichte der Diözese Breslau, Archidiakonat
Oppeln I, 104 (1679) und 413 (1687). Die späteren Berichte nach den
Akten auf dem Diözesanarchive.
88 1687 hatte das Archipresbyterat Gleiwitz nur 8 gemauerte neben 22
Holzkirchen. Jungnitz 401.
89 Die heutige Kirche hat keinen Dachreiter mehr. Die Wandlungs­
glocke hängt zwischen Hochaltar und Sakristeitür.
79
90 Einmal, im Jahre 1679, waren die Schönwälder mit ihrem Seelen­
hirten recht unzufrieden. Er war ihnen zu bequem. Sie klagten darüber,
daß der Bruder Robert die 7 Uhr-Messe an Sonn- und Feiertagen unpünkt­
lich oder gar nicht las, so daß sie oft ganz um die Messe kämen. Der
Revisor, Erzpriester Joannston von Namslau, wies ihn zurecht in der
Hoffnung, der Abt werde das Seinigc tun, um Abhilfe zu schaffen.
91 Als Gegenbeispiel vergleiche man die kunstsinnige Erweiterung der
Breslauer Mauritiuskirche.
92 Die Aussaat betrug 1789 3 Scheffel Weizen, 12 Roggen, 6 Gerste,
9 Hafer. — Heute ist der Pfarracker 58 ha 59 a 40 qm groß, darunter 4 ha
Wiese. Der Kirchenacker ist 9 ha 18 a groß.
93 In einem Kirchenbuche auf der Pfarrei. — Daß es die Pfarrei damals
verstand, die Dienste der Pfarrgärtner recht ausgiebig in Anspruch zu
nehmen, läßt sich daraus schließen, daß in der Berechnung der Ortspfarrer
für jeden der drei Gärtner 200 Robottage im Jahre ansetzt.
94 Die Eintragungen über die Ablieferung finden sich seit 1749 in den
Rechnungsbüchern der Pfarrei. Zahltag war zu Martini. Im ganzen zinsten
61 Bauern; außerdem gaben noch drei Halbbauern je ein Viertel Korn und
ein Viertel Hafer. [1 Viertel Korn kostete 1798 einen Taler], Im 19. Jhdt.
erscheinen Scheffel sta tt der 2 Viertel. Seit 1819 finden sich auch 10 große
Scheffel Brotmehl vom Windmüller gebucht. Vgl. S. 66. Vermutlich hatte
die Herrschaft die Hälfte des ihr zustehenden Mehls von vornherein dem
Ortspfarrer überlassen.
96 Seit 1798 sind für jede Kuh 8 Sgr. gebucht, zusammen 3 Tl. 6 Sgr.
Die Buchungen gehn bis 1847. Die Zahl der Kirchenkühe blieb unver­
ändert. — Der Wert einer Kuh betrug 1798 8—9 Taler.
96 Vor allem die Sonntage unmittelbar vorher und nachher brachten
um so geringere Erträge. Der erste Osterfeiertag brachte z. B. 1723 und
1724 je 27 Groschen, 1721 sogar 28 Gr. 6 Heller. Der zweite Feiertag da­
gegen nur 5, 6 und 4 Gr. 10% Heller; der weiße Sonntag 1724 1 Gr. 10%
Heller und 1721 4 Gr. 6 Heller.
97 Am größten war der Erlös 1727. Da kamen für die Urbanikerze
5 Tl. 28 Gr. ein und für den O sterritt 5 Tl. 24 Gr.
98) In Pospel hat Schönwald dem Raudener Kloster seinen bedeutendsten
Abt geschenkt. E r übernahm die Regierung in einer trostlosen Zeit, aber
mit eiserner Energie sorgte der mit außergewöhnlichen Geistesgaben aus­
gestattete Mann in seiner Abtzeit 1648—1679 für die Größe des Stiftes,
das er zu einer neuen Blüte führte. Vor allem sammelte er die alten Ur­
kunden und Verträge, um dem Kloster seine oft angefochtenen Gerechtsamen
zu wahren. Dabei schonte er auch seine Landsleute nicht. Vgl. die lebendige
Schilderung bei Potthast 79 ff. — Noch ein Schönwälder wurde Abt zu
Räuden, Augustin Renner (1753—1783), ein besonderer Günstling Friedrichs
des Großen. Auch er war in bedrängter Zeit ein treu besorgter Vater seines
Klosters. Die auf Geheiß des Königs neu gegründete Kolonie bei Räuden
heißt ihm zu Ehren Rennersdorf. s. Potthast 115 ff., 199.
\Aj./ bOr
80
99 Die Viehtriebe brachten zusammen 16 Groschen. Die Tümpelpacht
ist in den Kirchenrechnungsbuchern seit 1728 verzeichnet. Die letzte Ein­
tragung ist von 1847. E rst brachte sie 15, dann 13 Silbergroschen, seit
Ende des 18. Jhdts. 10 Sgr. 8 Pf. — 1798 betrug die Gesamteinnahme an
Pacht für Kirchenkühe, Kirchen- und Fundationsacker, Grubenschlamm und
Viehtrieb 11 Tl. 26 Sgr. 8 Pf.
100 1821 brachte z. B. der Klingelbeutel 28 Tl. 1 Sgr. 5 1/', ^ , die
Offertorien 5 Tl. 7 Sgr. I 5/,
Begräbnisse usw. 16 Tl. 25 Sgr. 7 6/7 3 |.
1814 betrugen die Kircheneinnahmen 224 Tl. 25 Sgr. 4
die Ausgaben
76 Tl. 14 Sgr. 10 ^ . Außerdem waren 800 Tl. ausgeliehen.
A. F a v o r k e , Breslau II*
V erlag von
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Breslau,
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Germanistische Abhandlungen
begründet von Karl Weinhold
in zw an glosen Heften herausgegeben von
F riedrich Vogt
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von L o h e n s t e i n .........................................
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H e in r ic h von dem T ü r l i n , nebst einer Abhandlung über die Sage vom
Trinkhorn und Mantel und die Quelle der Krone
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3. Jahn,Ulrich: D ie d e u ts c h e n O p f e r g e b r ä u c h e b e i A c k e rb a u u n d V ie h ­
z u c h t, Ein Beitrag zur Deutschen Mythologie und Altertumskunde 9,— Mk.
4. Zingerle, Oswald: D ie Q u e lle n zum A le x a n d e r d es R u d o lf von Em s.
Im Anhänge: D ie h i s t o r i a de p r e l i i s
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m a n n s von A u e .................................................................................. 5 , _ Mk,
6. Fischer, Arwed: D as h o h e L ie d d es B r u n v o n S c h o n e b e c k , nach
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von dem S t r i c k e r
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10. Jiriczek, Otto L.: D ie B ö sa R f m u r ...............................................6,— Mk,
11. Drechsler, Paul: W e n c e l S c h e r f f e r u n d d ie S p ra c h e d e r S c h le s ie r.
Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Sprache . .
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D r e c h s le r , Paul: Handwerkssprache und Brauch .
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F r a e n k e l, Sigmund: Die tugendhafte und kluge W itwe . . 0,80 Mk.
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J i r i c z e k , Otto L.: Die Amlethsage auf I s l a n d .....................2,— Mk,
M o g k , E ugen: Segen- u. Bannsprüche aus ein. alten Arzneibuche 0.80 Mk.
O lb ric h , Karl: Der Jungfernsee bei B reslau ......................... 0,80 Mk.
R e g e lt, Paul: Etymologische Sagen aus dem Riesengebirge . 1,— Mk.
S c h r o lle r, Franz: Zur Charakteristik des Schlesischen Bauern 0,60 Mk.
S ieb s, Theodor: Flurnamen . .
.........................................1,60 Mk.
V o g t, Friedrich: D o rn rö sc h e n -T h a lia ....................................2,— Mk.
W a r n a ts c h , Otto: S i f ............................................................. 0,50 Mk.
13. iantzcn, Hermann: G e s c h ic h te des d e u ts c h e n S t r e i t g e d i c h t e s im
M itte la lte r
...................................................
.
. . .
3,_ Mk.
14. von der Leyen, Friedrich: D es a rm e n H a r tm a n n R e d e vom G lo u v en .
Eine deutsche Reimpredigt des 12. J a h r h u n d e r t s ......................... 8,— Blk.
15. Arndt, Bruno: D e r Ü b e r g a n g vom M itte lh o c h d e u ts c h e n zu m N e u ­
h o c h d e u ts c h e n in d e r S p ra c h e d e r B r e s la u e r K a n z le i . 5,— Mk.
Fortsetzung 4. Umschlagseite
V erlag von
M. & H. Marcus
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Breslau,
K aiser-W ilhelm str. 8
G erm anistische Abhandlungen
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Euling, K arl: D ie J a k o b s b r ü d e r v on K u n z K is te n e r . . 5,— Mk.
Gusinde, Konrad: N e id h a r t m it dem V e i l c h e n .....................9,— Slk.
Euling, K arl: S tu d ie n ü b e r H e in r ic h K a u f r i n g e r
. . . 4,60 Mk.
Klimke, Carl: D as v o lk s tü m lic h e P a r a d ie s s p ie l und seine mittel­
alterlichen Grundlagen . . . .
.................................... s,____ Mk.
Vogt, W alther: D ie W o r tw ie d e r h o lu n g ein Stilmittel im O rtnit und
Wolfdietrich A und in den mittelhochdeutschen Spielmannsepen Orendelj
Oswald und Salman und Morolf .
.........................
. .
3 ;_ Mk.
Klapper, Joseph: D as St. G a lle r S p ie l von d e r K in d h e i t J e s u . Unter­
suchungen und Text .............................................. ...............................4,40 Mk.
Wiegand, Julius: S t i l i s t i s c h e U n te r s u c h u n g e n zum K ö n ig R o th e r
6,40 Mk.
Arndt, Wilhelm: D ie P e r s o n e n n a m e n d e r d e u ts c h e n S c h a u s p ie le
d es M i t t e l a l t e r s .................................................................................. j^ßo Mk.
Beckers, Otto: D a s S p ie l von d e n z e h n J u n g f r a u e n u n d das
K a t h a r i n e n s p i e l ..........................
. . .
..................... 5 ,____ Mk.
Euling, K arl: D as P r i a m e l bi s H a n s R o s e n p l ü t . Studien zur Volks.............................................. 12,— Mk.
P°esie_ .................................... .....
Heinrich, Alfred: J o h a n n e s R o t h e ’s P a s s i o n mit einer Einleitung und
............................... 6,60 Mk.
einem Anhänge
...............................
Leopold, Max: D ie V o r s i l b e v e r - u n d i h r e G e s c h i c h t e . 10,— Mk.
Baesecke, Georg: D e r M ü n c h e n e r Os wa l d . Text u. Abhandlung 16,— Mk.
Banz, Eomuald: C h r i s t u s u nd di e Mi n n e n d e S eele. Untersuchungen
und T e x t e ....................................
.............................................. 15 ^— ]\Xk.
Heintz, Heinrich: S c h o n d o c h s G e d i c h t e .................................... 5 ,_____ Mk.
Gombert, Ludwig: J o h a n n e s A a l s Sp i e l von J o h a n n e s d e m T ä u f e r
u n d di e ä l t e r e n J o h a n n e s d r a m e n ......................................... 3,20 Mk.
Pflug, Emil: S u c h e n s i n n u n d s e i n e D i c h t u n g e n . . . .
3,20 Mk.
Wegner, Franz: D ie „ C h r i s t l i c h e W a r n u n g des T r e u e n E c k a r t s “
d es B a r t h o l o m ä u s R i n g w a l d t . . .
............................... 360 Mk.
Waga, Friedrich: D ie W e l s c h - G a t t u n g .................................... io '— Mk.
Dinges, Georg: U n t e r s u c h u n g e n z u m D o n a u e s c h i n g e r P a s s i o n s s Plel
....................................................................................................... 5,60 Mk.
Lehnerdt, Waldemar: D ie A n w e n d u n g d e r B e i w ö r t e r in d e n mhd.
E p e n von O r t n i t u n d W o l f d i e t r i c h .................................... 8,— Mk.
v. Unwerth, W olf: U n t e r s u c h u n g e n ü b e r T o t e n k u l t u n d Ö d i n n v e r e h r u n g bei N o r d g e r m a n e n u n d L a p p e n mit Excursen zur alt­
nordischen Literaturgeschichte .
....................................................6 ___ - Mk
Liitjens, A ugust: D e r Z w e r g i n d e r d e u t s c h e n H e l d e n d i c h t u n g des
M i t t e l a i a l t e r s ..........................
............................................... 4 ____
Weller, A ugust: D ie S p r a c h e i n d e n ä l t e s t e n d e u t s c h e n U r k u n d e n
d e s d e u t s c h e n O r d e n s ................................................................... 440 jjjj
Dörnfeld, E rnst: U n t e r s u c h u n g e n zu G o t t f r i e d H a g e n s R e i m c h r o n i k
d e r S t ad t Kö 1n nebst Beiträgen zur mittelripuarischenGrammatik 10,80 Mk.
Wolter, Emil: D a s St. G a l l e r Sp i e l v o m L e b e n J e s u . Untersuchungen
und T e x t ..................................................................................................8,60 Mk.
ßuchdruekerei M aretzke
& M artin, T reb n itz i. Schies.

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