Mangel und Überfluss - Freiraumplanung und ihre Mittel
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Mangel und Überfluss - Freiraumplanung und ihre Mittel
Mangel und Überfluss - Freiraumplanung und ihre Mittel 2 Teilnehmer Impressum Marc Appelles Ines Dehmel Steffen Eißer Sebastian Exner Thomas Felmeden Emma Furphy Peter Gäbelein Ulrike Gawlik Mario Gessler Stefan Göde Dana Göpffahrt Annette Jablanowsky Ulrike Janke Björn Kalinowski Kerstin Karweina Christina Kimmel Jennifer Kopp Steffen Kramer Florian Mänz Michael Menger Karin Moser Martina Oeser Felicitas Petter Maria Pfeiffer Christina Röske Gerko Schröder Daniel Stimberg Laura Vahl Katarzyna Weiss Karen Wilhelm Die vorliegende Broschüre stellt eine Zusammenfassung der Arbeitsergebnisse der Wahlpflichtveranstaltung Freiraumplanung II/III „Mangel und Überfluss - Freiraumplanung und ihre Mittel“ im Studienjahr 2003 dar. Ort Technische Universität Berlin Fachbereich Landschaftsplanung Institut für Landschaftsarchitektur Verfasser Seminarteilnehmer der Wahlpflichtveranstaltung „Mangel und Überfluss - Freiraumplanung und ihre Mittel“ Seminarleitung Julia Lösse, Landschaftsarchitektin Redaktion und Layout Sebastian Exner Christina Kimmel Jennifer Kopp Daniel Stimberg Vorwort .............................................................................................................................................................................................................7 julia lösse Finanzierung von Freiraum gestern. Zum Beispiel Berlin. ..........................................................................................................................11 steffen kramer florian mänz gerko schröder Freiraumplanung bis 1920 ....................................................................................................................................................................... 12 Freiraumpolitik von 1918 bis 1933 ........................................................................................................................................................... 16 Vom Wiederaufbau 1945 bis zum Mauerbau 1961 ................................................................................................................................. 19 Quellennachweis...................................................................................................................................................................................... 28 Finanzierung von Freiraum heute. Zum Beispiel Berlin. .............................................................................................................................31 stefan göde kerstin karweina michael menger Einleitung ................................................................................................................................................................................................ 32 Finanzlage Berlin...................................................................................................................................................................................... 32 Finanzierung von Freiräumen durch öffentliche Mittel ............................................................................................................................. 34 Finanzierung durch Public Private Partnership ......................................................................................................................................... 35 Fazit ......................................................................................................................................................................................................... 45 Quellennachweis ..................................................................................................................................................................................... 46 Was kostet der Ort? ......................................................................................................................................................................................49 karin moser christina röske katarzyna weiss Einleitung ................................................................................................................................................................................................. 50 Theoretischer Teil .................................................................................................................................................................................... 50 Praktischer Teil ......................................................................................................................................................................................... 64 Quellenverzeichnis .................................................................................................................................................................................. 74 EU-Finanzierung von Freiraum. ....................................................................................................................................................................77 steffen eißer peter gäbelein annette jablanowsky Einleitung ................................................................................................................................................................................................ 78 Regionalpolitik der Europoäischen Union ................................................................................................................................................ 78 Die europäische Gemeinschaftsbildung .................................................................................................................................................. 81 Die transnationale Zusammenarbeit ....................................................................................................................................................... 83 Stadtviertel und benachteiligte Regionen ................................................................................................................................................ 86 Das Bund-Länder-Programm „Soziale Stadt“ ......................................................................................................................................... 91 Quellenverzeichnis .................................................................................................................................................................................. 98 Der Wert der Landschaft. ............................................................................................................................................................................101 björn kalinowski maria pfeiffer laura vahl Der Wert der Landschaft ....................................................................................................................................................................... 102 Wert durch Image?... ............................................................................................................................................................................ 105 Brandscapes ......................................................................................................................................................................................... 107 Quellenverzeichnis ................................................................................................................................................................................ 112 Geld verdienen! Aufgabenfelder für Landschaftsarchitekten. ..................................................................................................................115 ulrike gawlik dana göpffahrt martina oeser Einleitung .............................................................................................................................................................................................. 116 Der Stand der Dinge in Europa ............................................................................................................................................................. 116 Deutschland .......................................................................................................................................................................................... 121 Martin Wagner ...................................................................................................................................................................................... 127 Der Wandel der Arbeit .......................................................................................................................................................................... 129 Fazit ....................................................................................................................................................................................................... 133 Quellenverzeichnis ................................................................................................................................................................................ 134 Exkursion Neustrelitz. .................................................................................................................................................................................139 thomas felmeden emma furphy mario gessler felicitas petter Die Geschichte der Stadt ...................................................................................................................................................................... 140 Die Sanierung der Altstadt ..................................................................................................................................................................... 140 Die Neugestaltung des Marktplatzes ..................................................................................................................................................... 141 Der neue Hafen am Zierker See ........................................................................................................................................................... 143 Die Strelitzer Kleinseenplatte ................................................................................................................................................................. 145 Der Neustrelitzer Schlossgarten ............................................................................................................................................................ 147 Die Kiefernheide - Stadtumbau Ost ....................................................................................................................................................... 148 Quellennachweis ................................................................................................................................................................................... 152 Resümee und Evaluation. ...........................................................................................................................................................................155 marc appelles ines dehmel ulrike janke karen wilhelm Zusammenfassung und Resümee ........................................................................................................................................................ 156 Fazit und Diskussion ............................................................................................................................................................................. 159 Inhalt julia lösse Vorwort Wissen für die Unabhängigkeit. Ein Vorwort. Wie weite Bereiche unserer Gesellschaft wird auch die Landschaftsarchitektur von zwei Gegensätzen in die Zange genommen: Auf der einen Seite werden die aktuellen Diskussionen von der Angst ums Geld bestimmt, auf der anderen Seite steht die wachsende Abkehr von materiellen Werten und die Bereitschaft, neue Wege zu gehen. In großen wie kleinen Strukturen stellen sich Fragen nach wirtschaftlicher Situation, Lebensunterhalt und Mittelverteilung, nach Gestaltung in neuen Finanzierungsmodellen und Prioritätensetzung. Die Freiraumplanung ist auf der Suche nach Möglichkeiten, trotz Mittelknappheit Qualitäten zu entwickeln. Um dies zu erreichen jedoch bedarf es der Kenntnis über die Hintergründe der finanziellen Situation. Eine diffuse Angst vor der materiellen Entbehrung macht sich breit. Zwar ist Armut in Deutschland bisher kein Massenphänomen, aber es wächst die Erkenntnis, dass die Grenzen des Wachstums erreicht sind. Was uns bedrohlich erscheint, ist keine gefühlte Armut, sondern der unübersichtlich abwärts führende Weg, an dessen Ende die Armut plötzlich Gestalt annehmen könnte. Das Gefühl, sich materiell einschränken zu müssen – ob begründet oder nicht -, zieht sich mittlerweile durch fast alle Bevölkerungsgruppen. Als Folge scheint es erstaunlicherweise jedoch keine Verstärkung der Ellenbogenmentalität zu geben. Im Gegenteil: Langsam wächst die Erkenntnis, dass eine Beschränkung auf das Wesentliche eine Chance für das menschliche Wohlbefinden bedeuten kann. Werte wie Bindung, Authentizität, Gemeinschaftsgefühl und Freundschaft gewinnen an Bedeutung. In ihrem Artikel `Das Gregor-Prinzip´ (Der Spiegel 45/2002) schreibt Juli Zeh: „Ich rufe Freunde an und deren Freunde, Bekannte und deren Bekannte und stelle ihnen eine Frage: `Braucht ihr Geld?´ Die Ähnlichkeit der Antworten ist verblüffend: Nö. Ein bisschen. (...) Nur für die Unabhängigkeit, Freiheit und Selbstbestimmtheit. Alles Wichtige ist unkäuflich. (...) Verzicht schafft Freiraum.“ Das wahre Problem der Freiraumplanung und Stadtentwicklung der letzten 8 Jahre war die Verteilung des Geldes. Die vorhandenen Mittel wurden in starre Großprojekte gepumpt, die oft noch dazu bereits bei Fertigstellung als Planungsdinosaurier ihre Funktion einbüßten, weil sie die herrschende Konstante der Unvorhersehbarkeit notorisch übersehen haben. Auf der Strecke blieben weniger spektakuläre Vorhaben, die über ihre Flexibilität die Möglichkeit der kontinuierlichen Entwicklung geboten hätten. Wie für alle Disziplinen mit gesellschaftlicher und kultureller Verantwortung wächst auch für die Landschaftsarchitektur die Notwendigkeit, sich von den tradierten Ansätzen der Problemlösung unabhängig zu machen, den Streß der rückwärtsgewandten Sehnsüchte abzulegen und veränderte Rahmenbedingungen als Chance der Entwicklung und des aktiven Mitgestaltens an einer gerechteren Mittelverteilung zu begreifen. Eine diffuse Angst zu lösen, ist nur durch Wissen und Bewußtsein zu erreichen. Landschaftsarchitekten müssen Fragen stellen. Wo stagniert die Entwicklung, wo brauchen wir Experimente? Welche Prozesse brauchen den Impuls? Woher kommen die Finanzierungen für den Freiraum? Welche Bedürfnisse liegen brach? Wie bringen wir Mittelknappheit und Gestaltung in Einklang? Und schließlich: Geht es der Landschaftsarchitektur tatsächlich so schlecht? Immer wieder ist festzustellen, dass die Reaktionen auf materielle Knappheit auf Unwissenheit, Trotz, Opportunismus und Angst basieren. Angst jedoch tötet experimentelles Potential, denn sie führt zum Festhalten an der Routine und zur Stagnation. Türen zu öffnen für die Eigenständigkeit und den Erfindungsreichtum des einzelnen Freiraumplaners sollte ein Ziel der Ausbildung sein. Zaghaft finden Modelle Beachtung, die die Notwendigkeit des Loslassens bestehender Konzepte thematisieren. Die Flexibilisierung der Freiraumfinanzierung und das Etablieren der zeitlichen Dimension, z.B. in Form von Akzeptanz gegenüber temporären Projekten, werden endlich öffentlich diskutiert. Die Erkenntnis, dass das Abhandenkommen materieller Sicherheit auch Freiheit und Entwicklung bedeuten kann, bedarf des Vertrauens in die Tatsache, dass minimale und prozessorientierte Eingriffe der Freiraumplanung durchaus Charakter zu zeigen haben, gestalterisch differenziert sein und im Dialog mit ihrem Kontext spannende, wertvolle Räume bilden können. Die Mutigen sind gefragt. Mit dem Wissen um die Verhältnisse und der daraus resultierenden angstfreien Unabhängigkeit sollten sie die Chance zur Veränderung nutzen. Vorwort 9 steffen kramer florian mänz gerko schröder Finanzierung von Freiraum gestern. Zum Beispiel Berlin. 1 Freiraumplanung bis 1920 freiraumplanerischen Belangen lag jedoch weiterhin beim preußischen König. 1.1 Freiraumplanung bis 1870 1.3 Planung des Victoriaparks Städtebauliche und freiraumplanerische Belange wurden in Berlin vor 1870 durch den preußischen Staat koordiniert und geregelt. Dies geschah durch königliche Erlasse und polizeiliche sowie fiskalische Maßnahmen. Aufgrund der stark wachsenden Stadtbevölkerung wurden Überlegungen zu stadtweiten Planungen für Erholungsflächen angestrengt. Peter Joseph Lenné wurde 1832 mit dem Ausbau des Großen Tiergartens zu einer Erholungsfläche für die Stadtbevölkerung beauftragt. 1840 war der Ausbau abgeschlossen und der Tiergarten wurde der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Lenné wurde des Weiteren beauftragt, eine das ganze Stadtgebiet umfassende Grünflächenplanung durchzuführen. Daraus entstand der „Plan für die projektierten Grenzzüge von Berlin und nächster Umgebung“ (1840) - Errichtung eines Denkmals auf kaiserlichen Wunsch (Friedrich Wilhelm III.) an der höchsten geografischen Stelle Berlins - Erinnerung an die Befreiungskriege 1813-1815 - Nach Entwürfen von Karl Friedrich Schinkel Erbauung des Denkmals 1818-1821 1.2 Freiraumplanung ab 1870 1870 beschloss die Berliner Stadtverordnetenversammlung die Einrichtung einer Parkdeputation unter Leitung eines städtischen Gartendirektors. Aufgabenbereiche waren die technische Leitung des städtischen Gartenwesens, Planung und Realisierung neuer Parkprojekte sowie die Pflege und der Unterhalt aller städtischer Grünanlagen und der städtischen Baumschule. Als erster Berliner Gartendirektor wurde Gustav Meyer ernannt. Die Ausgaben für das Stadtgrün betrugen 1870 16800 RM. Sie wurden jedoch bis 1876 durch eine staatliche Bezuschussung auf 550000 RM aufgestockt. Im selben Jahr bekam Berlin auch das Recht übertragen, Verkehrs- und Grünflächenplanung für das Stadtgebiet alleinig durchzuführen. Hiervon ausgenommen waren jedoch die königlichen Besitztümer und das königliche Jagdrevier. Die letzte Entscheidungsinstanz in stadtplanerischen und 12 Abb.1 Anhebung des Denkmalsockels 1879 - 1827 Anlage eines Akazienhains als Schmuckgrün um das Denkmal herum - 1857 baut die Brauerei Tivoli in unmittelbarer Nähe zum Denkmal ihr Werksgelände - 1879 Anhebung des Denkmalsockels um 8 m auf Wunsch Kaiser Wilhelms I. - Polizeiverordnung zum Schutz des auf dem Kreuzberg errichteten Nationaldenkmals, um zukünftige Bebauungen in unmittelbarer Nähe des Denkmals zu verhindern (März 1879) - 1879-80 erste Planungen für einen Park im englischen Landschaftsstil - Erfolgreiche Klagen von Bauinteressenten am Oberverwaltungsgericht; Rücknahme der Polizeiverordnung im Dezember 1882 Abb.2 Zustand 1882 Es bestand Interesse von Seiten des preußischen Staates an der Anlage eines Parks in unmittelbarer Umgebung des Denkmals. Daraufhin wurden Überlegungen angestrengt, unter bestimmten Bedingungen das Gelände mit einer Größe von 5,8 ha an die Stadt Berlin zu übertragen. - ein zweckgebundener Zuschuss von 134000 RM wurde in Aussicht gestellt. Bedingungen: Anlage eines großzügigen Parks mit Heraushebung des Denkmals, Anlage eines Zufahrtsweges sowie Enteignung von vier angrenzenden Grundstücken zur Flächenergänzung. (Sonderenteignungsrecht für die Stadt) - März 1886 beschloss die Stadtverordnetenversammlung die Anlage eines Parks, jedoch bestand Unklarheit über die Randbebauung und somit über die Finanzierung des Parks. - Im östlichen Bereich sollten 13 Bauparzellen für gehobene Villenbebauung veräußert werden - Geplante Baukosten für die Parkanlage sowie Bestückung der angrenzenden Strassen mit Alleebäumen, exklusive der Sichtachse, insgesamt 300000 RM, davon 166000 RM als Aufwendungen der Stadt - Mai 1886 Genehmigung der Bebauung des Villenquartiers sowie des Erschließungswegs (mit Querung der Sichtachse Großbeerenstrasse) - Dezember 1887 Gelände geht in den Besitz der Stadt über - Juni 1888 Genehmigung der Vorlage eines detaillierten Projekts für die Parkanlage; zwei Jahre Vorsprung für die Baudeputation gegenüber der Parkdeputation, die für die Parkanlage zuständig war - Beginn der Baumaßnahmen im August 1888 Abb.3 Realisierungsplan Victoriapark 1888 1.3.1 Anlage des Wassersturzes 1891–1894 - Heftige Diskussionen der Stadtverordneten über Gestaltung der Sichtachse auf das Denkmal; endgültige Entscheidung erst 1891 - Erster Vorschlag Mächtigs mit geometrischen Wasserkaskaden wird abgelehnt - Zustimmung findet ein naturnaher, sich harmonischer in das Gesamtbild einfügender Wassersturz mit einer Gesamthöhe von 24 m - Gesamtkosten inkl. Technischer Anlagen 172000 RM - Immense Kosten für den Unterhalt, 32000 RM jährlich Finanzierung von Freiraum gestern. Zum Beispiel Berlin. 13 Abb.4 Anlage des Wasserfalls 1891-1894 1.3.2 Ergänzungen bis 1898 - Beleuchtungsanlage für den Wassersturz (Kosten spielten keine Rolle) - Marmordenkmäler der Sänger der Befreiungskriege (Gesamtkosten 37500 RM) 1.4.1 Erste Planungen 1880 - als Standort für Ausstellungsgebäude einer internationalen Weltausstellung - ungeklärte Besitzverhältnisse des Aufmarschgeländes wurden hierbei übergangen - vom Kaiser genehmigter Bebauungsplan sah die Bebauung des kleinen Exerzierplatzes vor Der Plan fand keine Realisierung, da die Weltausstellung nicht stattfand und für zukünftige kleinere Ausstellungen ein anderer Standort gefunden wurde. 1.4.2 Planungen von Hermann Mächtig 1891 14 Abb.5 Erweiterungsplan von H. Mächtig 1891 Städtebaulicher Wert der Erweiterung - Vollendung und Ausbau des Victoriaparks - Potentieller Baugrund für eine neue Garnisonskirche - Nationale Beweggründe; Heraushebung des Denkmals auch in westlicher Richtung - Behebung der wüsten Umgebung in Nachbarschaft zum Denkmal 1.4 Planung für eine Erweiterung des Victoriaparks - trostloser Zustand des Aufmarschgeländes sollte behoben werden - Erosion bei Regenfällen: Versandung der Wasserbecken Victoriapark - einer Beeinträchtigung der unmittelbaren Umgebung durch aufgewirbelte Sande und Stäube sollte durch Rasenansaat entgegengewirkt werden - Planung einer einfach zu pflegenden, hauptsächlich aus Baumpflanzungen bestehenden Anlage - Militärische Auflagen waren zu berücksichtigen im Das Konzept wurde jedoch durch das preußische Kriegsministerium abgelehnt. Ungelöste hygienische Zustände führten ab 1900 zum Wiederaufleben des Bürgerverbands „Grundbesitzerverein Südwest und Süd“ und zur Wiederaufnahme der Verhandlungen zwischen Kriegsministerium und der Stadt Berlin Es folgte eine erneute Ablehnung durch das Kriegsministerium Ende 1900 für die Erweiterungspläne, jedoch wurde einer Raseneinsaat zur Befestigung des Geländes stattgegeben. 1906 wurde eine Petition mehrerer Bürgerverbände den Stadtverordneten vorgelegt, mit dem Ziel einer Wohnumfeldsverbesserung durch Parkerweiterung. Auch dies geschah als Reaktion auf den extrem hohen Nutzerdruck der bisherigen Parkanlage. Durch Anwachsen der Truppengröße des preußischen Militärs verlagerte sich das militärische Interesse hin zu anderen Aufmarschflächen, z.B. dem Tempelhofer Feld. Das Aufmarschgelände verlor somit langfristig seine ursprüngliche Funktion und sollte als Bauland veräußert werden. Daraufhin entbrannte ein neuer Interessenkonflikt zwischen Stadt und Militär während der Verhandlungen bis 1909 1.4.3 Planungen von Hermann Jansen 1910 - Geplanter Grüngürtel vom Victoriapark bis zur Ringbahn nach Tempelhof - Teil eines Bebauungsplans für den westlichen Bereich des Tempelhofer Felds im Rahmen des städtebaulichen Wettbewerbs für ein Groß-Berlin Abb.6 Grüngürtelmodell von Jansen 1910 Kaufpreis für 8,2 ha sollten in etwa 8 Mio. RM sein. Die Städtische Wertschätzung des Geländes belief sich auf 6 Mio. RM. Der städtische Nutzungsplan sah eine gehobene, luxuriöse Randbebauung vor. Der Verkauf der Grundstücke sollte ca. 2,8 Mio. RM einbringen, dadurch verringerte sich der städtische Kaufanteil auf ca. 3,2 Mio. RM. - Im April 1910 Ankauf des Geländes durch die Stadt für 6,3 Mio. RM. - Geplante Refinanzierung durch Baulandverkauf 4,54 Mio. RM - Geschätzte städtische Kosten 1,76 Mio. RM - Entwürfe 1910–1913 verdeutlichen die Unentschlossenheit der Behörden bezüglich der zukünftigen Bebauung 1.4.4 Planungen von Gartendirektor Brodersen 1910-1913 - Anlage neuer Stein- und Treppenpartien in westlicher Ausrichtung Anlage von Spiel- und Sportflächen Randbebauung des westlichen Anschlusses in gehobenem Stil Verzicht auf eine in Nord-Süd-Ausrichtung querende Strasse Abb.7 Realisierungsplan von Brodersen 1911 Die Zustimmung durch Magistrat für Brodersens Erweiterungspläne erfolgte im März 1912; die endgültige Zustimmung nach geringfügiger Überarbeitung im März 1913. - Kostenschätzung in der genehmigten Vorlage März 1913: 303000 RM - 200000 RM für gärtnerische Arbeiten und - 103000 RM für technische Anlagen und die Erstellung von Mauerwerk Die Ausführungsarbeiten begannen bereits im September 1912, der endgültige Beschluss der Stadtverordnetenversammlung erfolgte im Mai 1913, die Baugenehmigung im Juni 1913. Die Bebauung wurde wegen finanzieller Schwierigkeiten nach Ausbruch des Kriegs 1914 nie realisiert. Die Fläche wird in die Spielflächen integriert. Finanzierung von Freiraum gestern. Zum Beispiel Berlin. 15 2 Freiraumpolitik von 1918 bis 1933 2.1 Gründe für Entwicklungen Der verlorene erste Weltkrieg sowie die revolutionären Ereignisse des Jahres 1918 beendeten die Monarchie und führten 1919 zur Entstehung der Weimarer Republik. Damit war auch die Zeit der obrigkeitlichen und rein baupolizeilichen Reglementierungen des städtischen Baugeschehens vorbei. 2.2 1920 Gründung der Stadtgemeinde Groß-Berlin mit 3,8 Mio. Einwohnern Im Sinne einer Dezentralisierung der Verwaltungen wurden in den 20 Bezirken Bezirksgartenämter mit weitreichenden Kompetenzen eingerichtet, die in den jeweiligen Bezirken Neuanlagen entwarfen und für die Pflege und Unterhaltung der bestehenden Anlagen zuständig waren. Als oberste Instanz hatte der Stadtgartendirektor, bis 1925 Albert Brodersen, als Leiter der Abteilung „Parkanlagen und Bestattungswesen“ die Entwürfe, Haushaltspläne und Kostenvoranschläge zu prüfen. Für die rapide wachsende Bedeutung von Grünflächen in den 20er Jahren, die zum Bau von diversen Volksparks, Plätzen und der Umsetzung neuer städtebaulicher Modelle führte, gab es mehrere Gründe: entscheidend für einen gesellschaftlichen Umbruch. Die Arbeitslosigkeit stieg immer weiter an, 1923 war mehr als die Hälfte aller Industriearbeiter arbeitslos. Durch die Industrialisierung, immense Verdichtung und Ausweitung der Städte entwickelte sich im Laufe des 19. Jahrhunderts bei einer breiten Schicht der städtischen Bevölkerung ein neues Bedürfnis nach Erholung, nach frischer Luft und Grün, nach Spiel und Sport im Freien. Vorhandene öffentliche Grünflächen waren von den Arbeitervierteln kaum zu erreichen, so dass es für die Kommunen aber auch die Gartengestalter darum ging, den neuen sozialen Bedürfnissen Rechnung zu tragen. Es mussten neue Formen und Inhalte für Parks entwickelt werden. Abb.8, Plakat aus der Zeit von Käthe Kollwitz In dieser Zeit gründeten sich auch die gemeinnützigen Wohnungsunternehmen wie die GSW oder GEWOBAG, die durch den Bau von für die damalige Zeit vorbildlichen Großsiedlungen wie die Siemensstadt 1930 oder Britz 1925 für neue städtebauliche Impulse mit wohnungsnahem Grün sorgten. Martin Wagner (1869-1957) Wichtige Impulse der städtischen Freiraumpolitik gingen von der englischen und amerikanischen „Parkpolitik“ aus. Projekte wie der Central Park von Frederick Law Holmsted als riesiger innerstädtischer Park in New York, der schon 1852 entstand, waren für die Entwicklung in Deutschland richtungsweisend. Die miserable finanzielle, wohn- und freiräumliche und hygienische Situation der Arbeiterschicht und somit des größten Teils der Bevölkerung, waren jedoch 16 Eine der bedeutendsten Persönlichkeiten für den Bereich des Stadtgrüns war Martin Wagner. Er arbeitete zuerst im Zweckverband Groß-Berlin und war von 1926-1933 Stadtbaurat von Berlin. Bahnbrechend war seine Dissertation mit dem Titel „Das sanitäre Grün der Abb.9, Martin Wagner Städte, ein Beitrag zur Freiflächentheorie“ wobei er unter sanitärem Grün alle Grünflächen und Anlagen, die für die „Gesundheit der Menschen fördernden Einfluss haben“, verstand. (MILCHERT, 1980, S.703) Öffentliche Grünflächen sollten sich weniger durch einen Zierwert, sondern eher durch einen Nutzwert auszeichnen, was vor allem der Idee der Volksparke zugrunde lag. Mit dieser Arbeit entwickelte Wagner erstmals Richtwerte für Größe, Entfernung und Verteilung von Grünanlagen in Großstädten. Damit war eine wissenschaftlichtheoretische Grundlage für eine städtische Freiflächenpolitik geschaffen, die teilweise auch heute noch von Bedeutung ist. Sie war die Grundlage für die in dieser Zeit entstehende Grünflächenplanung, die ab sofort großen Einfluss auf die Freiflächenordnung in Berlin hatte. Die Ergebnisse der Dissertation waren auch die Berechnungsgrundlage für den von Wagner und Koeppen 1929 aufgestellten Generalfreiflächenplan, der als Streusystem Grünflächen wie Spiel- und Sportplätze, Parkanlagen und Grünverbindungen über die ganze Stadt verteilt, wo nötig, vorsah. Grundsätzlich war Wagner immer als Organisator und Koordinator zwischen einzelnen Fachplanern tätig, besonders mit Lebrecht Migge und Erwin Barth - auf den später noch näher eingegangen wird - arbeitete er intensiv zusammen. Selber war er als Planer weniger tätig. Auf jeden Fall war er einer der theoretischen Wegbereiter der „sozial“-orientierten Freiflächenplanungen und Urheber weitreichender Veränderungen in der städtischen Grünordnungsplanung. Er wurde 1933 von den Nationalsozialisten entlassen und emigrierte daraufhin in die USA. 2.3 Auswirkungen der Freiraumpolitik Neue Maßstäbe für die Freiflächenpolitik in der Weimarer Republik setzte auch das „Gesetz zur Erhaltung des Baumbestandes und Freigabe von Uferwegen im Interesse der Volksgesundheit“ von 1922, mit dem auch Parkanlagen rechtlich geschützt werden konnten. Die Besonderheit der 20er Jahre war nun, dass es trotz leerer öffentlicher Kassen zu einem regelrechten Boom beim Bau von Grünanlagen kam. Dies lag vor allem am Notprogramm, das nach Auflösung des Militärs zur Beschäftigung der vielen Arbeitslosen und Flüchtlinge angesichts der sich abzeichnenden Weltwirtschaftskrise vom damaligen Oberbürgermeister Gustav Böß eingerichtet wurde, um mögliche politische Unruhen zu verhindern. Abb.10, Erdarbeiten Rehberge im Volkspark „Das System war einfach, jedem Arbeitslosen einen Spaten in die Hand, wenig Material, viel Lohnarbeit und die Leute waren von dem drückenden Gefühl der Arbeitslosigkeit befreit!“ 45 Millionen Reichsmark, die von der Stadt, dem Reich und dem preußischen Staat bereitgestellt wurden, sollten zum Bau von 43 großen Projekten von Spiel- und Tummelplätzen bis zur Parkanlage verwendet werden. Bis 1924 wurden die zwölf größten fertiggestellt. Darunter die Volksparke Jungfernheide, Wuhlheide und der Lietzenseepark. 1924 wurden weitere 35 Mio. Reichsmark zur Fortsetzung des Programms bereitgestellt, wobei zeitweise bis zu 8000 Arbeitslose für den Bau von Parkanlagen beschäftigt wurden. Großen Anteil am Volksparkboom in der Weimarer Republik hatte die im Dezember 1921 ebenfalls von Gustav Böß gegründete Stiftung „Park, Spiel und Sport“. Die Gelder für diese Stiftung kamen aus Industrie-, Handel- und Finanzierung von Freiraum gestern. Zum Beispiel Berlin. 17 Finanzkreisen sowie von Gewerkschaften und Privatpersonen. Mit den Spenden und den Erlösen aus kulturellen Veranstaltungen und Sportereignissen wurde die Finanzierung vieler Volksparke gesichert, da die Notstandsprogramme aufgrund der Inflation eingestellt werden sollten. Die Stadt Berlin hatte lediglich den Grund und Boden zu Verfügung zu stellen. 1921 gab es ungefähr 1339 ha Grünanlagen. 1945 waren schon 2250 ha als Grünfläche verzeichnet. Der Grünflächenzuwachs kam aber nur den äußeren Stadtgebieten zugute. Die dichtbesiedelte Innenstadt blieb benachteiligt. Bei der Planung und Umsetzung der oben genannten Entwicklungen war vor allem der Gartenarchitekt Erwin Barth in Berlin von großer Bedeutung. Anhand einiger Projekte und seines Werdegangs lassen sich einerseits die geschichtlichen Entwicklungen gut ablesen, andererseits die Umsetzung der Theorien, zum Beispiel Wagners, zeigen. Erwin Barth (1880 – 1933) Abb.11, Erwin Barth Geboren in Lübeck 1880 Gärtnerische Lehre und Studium 18971902 Tätigkeit in Hannover, Bremen, Düsseldorf, Köln und Lübeck... Von 1912–1925 Bezirksgartendirektor von Charlottenburg Realisierung einer Vielzahl von Plätzen in Charlottenburg, wie zum Beispiel dem Wittenbergplatz oder dem Sachsenplatz. Grundlage der Gestaltung war die Umsetzung 18 der Forderung, öffentliche Plätze nicht mehr als reines „Schmuckgrün“ zu sehen, sondern spezielle Nutzungsmöglichkeiten wie zum Beispiel Spielplätze anzubieten, sozusagen sanitäres Grün zu bauen. Erwin Barth sagte zur Gestaltung von Volksparken: „Die Gute Gartenkunst kann sich besonders bei der Anlage von Volksparken nicht an irgendeinen Kunststil klammern, sie muss sich in erster Linie den praktischen Erfordernissen anpassen.“ (STÜRMER, 1980, S.7) 1920 Entwurf für den Volkspark Jungfernheide. Die ursprünglich von Bezirk Charlottenburg veranschlagten 10 Mio. RM konnten wegen des Sperrgesetzes nicht komplett verbaut werden, so dass nur durch weitere Finanzierung durch die Stiftung Park, Spiel und Sport eine Fertigstellung möglich war. Mit einer Fläche von 160 ha hatte der Park für damalige Verhältnisse große Ausmaße. Zum Erholungsgrün des Parks gehören ausgedehnte Spiel- und Liegewiesen, Sportund Wasseranlagen mit Schwimmbad und Planschbecken sowie ein Bootsverleih. Abb.12+ Abb.13 Volkspark Jungfernheide 1926 folgte Erwin Barth in das Amt des Stadtgartendirektors. Er wurde somit der vierte Gartendirektor nach Meyer, Mächtig und Brodersen. Abb.14 + Abb.15 Volkspark Rehberge 1926 Entwurf für den Volkspark Rehberge. Das 118 ha große Gelände liegt im Bezirk Wedding. In einem strengen Winter 1919 wurde nahezu der gesamte Baumbestand abgeholzt. 1922 kam der Gedanke, das Gelände zu einem Volkspark zu entwickeln, und Brodersen erstellte die ersten Vorentwürfe. Erst 1925 kam dann aufgrund des immer weiter steigenden Drucks der hohen Arbeitslosigkeit ein Kaufvertrag für das Gelände zustande, da der Park mit Mitteln der Notstandsprogramme, mit denen die Arbeitslosigkeit bekämpft wurde, entstehen sollte. 1926 wurde mit den Erdarbeiten begonnen. Teilweise arbeiteten über 1000 Erwerbslose gleichzeitig im Park. Die Baukosten beliefen sich auf ca. 2,7 Mio. RM. Ein besonderer Bestandteil des Parks ist neben der für einen Volkspark typischen Nutzungsmöglichkeiten ein nordöstlich gelegenes Kleingartengebiet, dass als erste Dauerkolonie Deutschlands ausgewiesen wurde. Die Parzellengröße der 460 Gärten lag zwischen 250 und 300 m2. Die Stadt legte lediglich die Wege an, pflanzte Hecken und Obstbäume und verlegte eine Wasserleitung. Die Lauben wurden dann von den Kleingärtnern selber errichtet. Sie konnten zwischen drei Laubentypen wählen, die zwischen 800 und 1000 RM kosteten. Der Pachtzins Betrug lediglich 2,6 RPf pro Jahr, also ca. 8 RM. Da die Anlage aber als Prestige-Projekt dienen sollte, wurden die Pächter durch ein Auswahlverfahren ermittelt. Am 1. Oktober 1929 folgte Barth dem Ruf der Technischen Hochschule Berlin und konnte als erster Ordinarius seines Faches in Deutschland den Lehrstuhl für Gartenkunst besetzen. 2.4 Entwicklungen nach 1933 Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933, unter anderem als Folge der katastrophalen wirtschaftlichen Lage, wurden viele Amtsinhaber wie z.B Wagner abgesetzt. Der Schwerpunkt lag auf einer Reichshauptstadtplanung und später auf der Errichtung von Hochbunkern in den Parks. Detailliert soll aber hier nicht auf die genauen Ereignisse eingegangen werden. 3 Vom Wiederaufbau 1945 bis zum Mauerbau 1961 3.1 Einleitung Als 1945 in Berlin der Krieg beendet wurde, bot sich dem Betrachter ein Trümmerfeld vor Augen. Die Zerstörung der Stadt und engeren Landschaft war ohnegleichen. Die Straßen glichen einer Ruinenlandschaft. 80 Mio. Kubikmeter Schutt mussten von den 2,8 Mio. übriggebliebenen Einwohnern (4,4 Mio. vor Kriegsbeginn) beseitigt werden. Etwa ein Drittel des Gesamtbestandes an Wohnungen war völlig zerstört, Hunderttausende erheblich beschädigt. Was von den Parks und Wäldern nicht schon durch Bunker und Schützengräben, Barrikaden und Kampfhandlungen vernichtet war, fiel anschließend fast völlig der Axt zum Opfer. Brennstofflieferungen in Form von Holz und Gemüseanbau zur Linderung der Hungersnot waren nunmehr wesentliche Funktionen des Finanzierung von Freiraum gestern. Zum Beispiel Berlin. 19 öffentlichen Berliner Grüns geworden (R. Stürmer, S. 566). Allein in Westberlin fielen 110000 Straßenbäume den frierenden Menschen zum Opfer, die restlichen waren meist in einem durch die Kampfhandlungen gezeichneten, desolaten Zustand. 2000 ha Waldflächen wurden gänzlich kahlgeschlagen, weitere 1300 ha stark zerstört. Von den einst über 2200 ha öffentlichen Grünflächen blieben nur Reste übrig (ca. 80% zerstört). Ungeheure Sorgen um die tägliche Nahrung, ein Dach über dem Kopf und die Befriedigung der elementaren Lebensbedürfnisse standen zunächst im Vordergrund allen Denkens und Handelns (N. Schindler (1), S.288). Abb.16, Bild der Zerstörung 3.2 Die Berliner Grünplanung Doch schon 1946 wurden die ersten Pläne für eine neue, zukunftsweisende Umwelt vorgestellt. Man wollte die Chance für einen Neuanfang nutzen und die Fehler der Vergangenheit nicht noch einmal wiederholen. Grundsätze für fast alle Planungen dieser Zeit waren die Leitsätze der Charta von Athen: Sonne, Licht und Luft durch Auflockerung der Bebauung und die Trennung der Funktionen (nach: N. Schindler (1), S. 290). 20 3.2.1 Der Sharounplan Einer der wichtigsten, einflussreichsten Vorschläge dieser Zeit war der Grünplan des Kollektivs Sharoun - um den damaligen Baustadtrat Hans Sharoun - 1946. Er ging davon aus, dass durch die vorausgegangene Zerstörung der Stadtstruktur die Möglichkeit entstanden ist, eine Stadtlandschaft entstehen zu lassen, in der Architektur und Landschaft zusammen wirken und sie in überschaubare Teile gliedern. Die Gliederung selbst sollte durch ein Straßenraster (Schnellstraßen bis Sackgassen) erfolgen. Konkret sollte eine Bandstadt entlang des Urstromtals der Spree mit einem Verkehrsraster im Rechtecksystem und einem Mittelband mit zentralen Funktionen entstehen. Geflochtene Wohn- und Erholungsgebiete sollten in organischem Zusammenhang stehen. Die Wohngebiete sollten in Großzellen für 65-80000 Bewohner angelegt werden: Hauptsächlich Einfamilienwohnhäuser für Familien und Geschosswohnungsbau für kinderlose Ehepaare, Ledige und Alte. „Die Spannung zwischen Natur und Bauwerk schafft das beglückende Erlebnis der Stadt“ (R. Lingner, Zit. nach N. Schindler S.290). Ausgeführt wurde jedoch keine der 1945-46 entstandenen Planungen. „Zu unwirtschaftlich, Schematismus und zu wenig Rücksicht auf die Gegebenheiten nehmend“ (K. Bonatz, Zit. nach Bez. Wedding S. 67) waren einige der Gegenargumente. Und dennoch ist in dieser Planung sehr viel Beispielhaftes enthalten. Abb.17, Sharounplan 3.2.2 Der Neue Plan für Berlin 1947 entstand dann als eine Art Synthese aus allen vorausgegangenen Planungen der „Neue Plan für Berlin“ von Karl Bonatz, der gleichzeitig Nachfolger von Hans Sharoun als Baustadtrat wurde. Die Leitidee war, „dass wir es nicht mit der Neuanlage einer Stadt, sondern nur mit der sehr begrenzten Umbildung einer teilweise zerstörten, historisch gewachsenen Stadt zu tun haben“ (K. Bonatz, Zit. nach N. Schindler (1) S. 290-91). Er übernimmt somit das gewachsene Sternsystem und im Bereich der Freiflächen die keil- oder ringförmigen Grünflächenanlagen, die wieder herausgearbeitet werden sollen. Ausgehend von einem verkürzt verstandenen Begriff „Stadtlandschaft“ plant Bonatz neue Grünflächen im Inneren der Stadt, die dazu dienen sollen, „die endlose Steinwüste (...) aufzureißen und neu zu gliedern“. Dabei spielt die Begrünung der Blockinnenbereiche eine wichtige Rolle: „... in den entkernten Baublöcken alten Stils werden große, begrünte Innenhöfe anzulegen sein, die in Verbindung mit allen anderen Grünanlagen eine wesentliche Verbesserung des Stadtbildes bringen sollen“ (K. Bonatz, Zit. nach N. Schindler (1) S. 292). Geprägt ist diese Planung von dem Wunsch nach einer völligen Neuordnung Berlins. Diese Möglichkeit entfiel aber aufgrund der raschen Wiederinstandsetzung von beschädigter Bausubstanz. „Ein ideales Stadtgefüge werden wir also bei bestehenden Städten nie erzielen können und keinesfalls wird es uns gelingen, die architektonischen Scheußlichkeiten des Aufbaus aus dem Ende des vergangenen Jahrhunderts nun rasch und vollständig zu beseitigen. Leider ist hier vom rein ästhetischen Standpunkt gesehen noch allzu viel übriggeblieben. Der Zwang, einstweilen nur instand zu setzen, trägt weiter dazu bei, die Hässlichkeit zu verewigen...“ (K. Bonatz, Zit. nach H. Bodenschatz, S. 147). 3.2.3 Das Notstandsprogramm Bis zum Zeitpunkt der Spaltung der Stadt im November 1948 war das 1945 eingerichtete Hauptamt der Grünplanung, später Hauptamt für Grünplanung und Gartenbau, für die Belange der zentralen Grünverwaltung zuständig. Unter der Leitung von Reinhold Lingner (1902-1968) konzentrierte sich die Tätigkeit des Amtes auf die Beseitigung der unmittelbaren Kriegsschäden. Da das Gartenbauamt zu Kriegszeiten dem Tiefbauamt unterstellt war, war dessen Einfluss jedoch mehr als gering (nach J. Milchert, S. 713). Praktische Aufgabe waren u.a. die Planungen zum Verbleib der durch die Kriegszerstörung angefallenen Schuttmassen. Entsprechende Trümmerberge wurden neben dem Teufelsberg (117 m) unter anderem im Humboldthain, im Friedrichshain im Volkspark Prenzlauer Berg, sowie in der Hasenheide geplant. Nach 1948 übernahm in Berlin-West Fritz Witte (1906-1972), der bereits in den 20ern Mitarbeiter von Erwin Barth gewesen war, die Leitung der neu geschaffenen Hauptverwaltung für das öffentliche Grün bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1965. Schwerpunkte seiner Arbeit waren unter anderem ein umfangreiches „Grünes Notstandsprogramm“, in dessen Rahmen beispielsweise der große Tiergarten und der Humboldthain wieder instand gesetzt wurden (nach N. Schindler, S. 569). Durchgeführt werden konnte dies nur mit geförderter Wiederaufbauhilfe, speziell aus den USA und einem enormen personellen Einsatz. Wegen des politischen Restrisikos kam privates westdeutsches Kapital hierfür nicht in Frage. Ab 1950 wurde der Wiederaufbau der Stadt mit Mitteln der „Marshallplanhilfe“ (insgesamt fast 1 Mrd. DM bis Ende 1960, ERP (European Recovery Program – Europäisches Wiederaufbauprogramm) und die Stadt Berlin, 1961), welche die Einbindung West-Berlins in den von den USA dominierten „freien Westen“ auch ökonomisch absicherte, später mit Mitteln der Bundesrepublik unterstützt (H. Bodenschatz, S. 151). (Der Stundenlohn eines Zimmermanns betrug 1953 ca. 1,50 DM – Anm. des Verf.) Hierfür wurden u.a. Notstandsarbeiten für Arbeitslose eingeführt. „Bis Ende 1955 wurden in Westberlin auf 1200 gärtnerischen Baustellen rund 7 Mio. Tageswerke im Notstandsprogramm mit einem Gesamtaufwand von rund 92 Mio. DM geleistet“ (Siebert, 1958, Zit. nach J. Milchert, S. 714). Ein umfangreiches Uferbegrünungsprogramm und die Erarbeitung eines „Hauptgrünflächenplanes“ (1960) waren weitere wichtige Bestandteile Abb.18, Hauptflächengrünplan Finanzierung von Freiraum gestern. Zum Beispiel Berlin. 21 der Planung von Fritz Witte (R. Stürmer, S. 567). 3.2.4 Der Flächennutzungsplan Dieses Planwerk war Bestandteil eines neuen Instrumentariums für die Stadtplanung, einschließlich Grünplanung. Der Flächennutzungsplan hatte zum Ziel, „durch Auflockerung und Begrünung des gesamten Baugebietes gesunde Lebensbedingungen für die Bewohner zu erreichen. Teilbereiche erfuhren besondere Aufmerksamkeit, wie 1958 der Gesamtverkehrsplan (nach Bez. Wedding, S. 69). Der Flächennutzungsplan wurde jedoch erst 1970 vom Abgeordnetenhaus bestätigt. Dieser Plan sichert die großen Freiflächen der West-Berliner Wälder, öffnet die Ufer der Seen, Flüsse und Kanäle weitgehend der Begrünung, bestätigt die vorhandenen Parks, Grünzüge und Plätze, Sportgebiete, Friedhöfe sowie einen wesentlichen Teil der Kleingärten. Er weist viele neue Grünbereiche aus, Verbindungsglieder, Inseln und ganze Teilabschnitte des Grünnetzes. Die Planung geht davon aus, die Verdichtung im Innern abzubauen und dafür in den Außengebieten höhere Dichten zuzulassen als bisher. Zu nennen sind hier besonders die Großsiedlungen, welche neben der Realisierung von bezirksbedeutenden Grünanlagen und der Neugestaltung von Stadtplätzen einer der Schwerpunkte der Berliner Grünflächenpolitik waren (nach N. Schindler (1), S.294-298). Bekanntestes Beispiel für einen großflächigen Wiederaufbau ist das südliche Hansaviertel. Dieses Demonstrationsbauvorhaben des sozialen Wohnungsbaus der Stadt Berlin, Schwerpunkt der Internationalen Bauausstellung 1957 (Interbau) und späteres Konkurrenzunternehmen zum Bau der Stalinallee in Ostberlin, markiert hinsichtlich der Gebietsfläche und Wohnungszahl einen neuen Größenmaßstab des innerstädtischen Siedlungsbaus (103 ha Nettowohnbauland und 1300 Wohnungen) (H. Bodenschatz). Mit dem Mauerbau 1961 verschlechterte sich in West-Berlin die Versorgung mit Erholungseinrichtungen. In der Stadt selbst gingen zahlreiche Erholungsflächen durch Nutzungsansprüche von Verkehr, Wohnen und Industrie verloren. Landwirtschaftsflächen am Stadtrand und Kleingärten fielen dem knapp gewordenen Bauland zum Opfer (Bez. Wedding, S. 69). 22 3.2.5 Grünplanung in Berlin - Ost Im Gegensatz zu der notwendig gewordenen Neugründung einer „grünen Zentralverwaltung“ für Westberlin konnte das „Hauptamt Grün“ seine Tätigkeit für die acht östlichen Stadtbezirke nahtlos fortsetzten. Leiter des Amtes blieb Reinhold Lingner, der die Behörde bis 1951 leitete. In den 50er Jahren lagen die Arbeitsschwerpunkte des öffentlichen Grüns, analog zur Grünverwaltung im Westteil der Stadt, unter anderem in der weiteren Wiederherstellung kriegszerstörter Anlagen sowie im Bau von Parkanlagen mit bezirklicher Bedeutung. Wesentliche Neuanlagen bzw. Erweiterungsbauten waren die Volksparks Prenzlauer Berg und Am Weinbergsweg, sowie die Wiederherstellung des Friedrichhains unter Einbeziehung der dort angelegten Trümmerberge sowie die Anlagen im Tierpark Friedrichsfelde (R. Stürmer, S. 567). 3.3 Das Neue Hansaviertel Das neue Hansaviertel ist das berühmteste Beispiel für das neue West-Berlin der 50er Jahre, das auf dem Boden der Stadt des 19. Jahrhunderts errichtet worden ist. Es galt als Alternative zur verhassten Mietskasernenstadt und als „freiheitliches“ Pendant zur Stalinallee Ost-Berlins. Abb.19, Das alte Hansaviertel um 1930 Als die Stadt Berlin 1953 einen Ideenwettbewerb für die Bebauung des neuen Hansaviertels ausschreibt, wird als städtebauliches Programm der radikale Bruch mit der Stadtstruktur des 19. Jahrhunderts gefordert. Ende 1953 entscheidet sich das Preisgericht für den Wettbewerbsbeitrag von Willi Kreuer/Gerhard Jobst, der als eine Abb.20,Entwurf Kreuer/Jobstbesonders Abb.21, Alte Bausubstanz im Hansaviertel hervorragende Leistung sowohl in den großen Beziehungen wie in den Einzelheiten und als eine durchaus neuartige große Komposition gelobt wird. Um die Radikalität dieses Vorschlages richtig einschätzen zu können, muss man sich klarmachen, dass das alte Hansaviertel nicht (wie oft berichtet) völlig zerstört war und das Neubaugebiet erst recht keiner völlig neuen Erschließung bedurfte. Im Teil südlich der S-Bahn, auf den sich die Planung mehr und mehr begrenzt, sind noch 20 Gebäude (von 160) mit 283 Wohnungen (741 Personen) und 22 Gewerbebetrieben erhalten. Bei den zerstörten Gebäuden sind die Kellerfundamente noch vorhanden. Wenig zerstört sind die Straßen und vor allem die Leitungssysteme unter den Straßen. Das private kleinteilige Grundeigentum ist noch weitgehend unangetastet. Von 164 Grundstücken befinden sich 146 in Privatbesitz. All diese Merkmale, die einer neuen Bebauung à la Kreuer im Wege stehen und bei der Umsetzung immense Kosten verursachen, spielen bei der Ausschreibung und Entscheidung des Wettbewerbs eine untergeordnete Rolle. Dem Erfolg des risikobeladenen Prestigeobjekts wird somit alles untergeordnet. Das „Schaufenster des Westens“ darf sich nicht blamieren. Zunächst wird der Entwurf von Kreuer aus unterschiedlichen Gründen zu Fall gebracht und der favorisierte Städtebau zugunsten einer Präsentation von Einzelgebäuden mit erhöhter Baudichte weiter verändert. Trotzdem sollte das Grün des Tiergartens weiterhin die Bebauung im Stil einer Gartenstadt umfließen. Der Tiergarten sollte durch die Bebauung in das Gebiet hineingezogen werden. Um die unterschiedlichen Besitzverhältnisse zu ordnen wird eine Trägergesellschaft, bestehend aus drei Teilhabern mit einem Stammkapital von 3 Mio. und zwei prominenten Anwohnern des Hansaviertels mit je 1000 DM gegründet. Mit Hilfe der Hansa AG werden Grundstücke erworben, enteignet. Bei vier Gebäuden misslingt jeglicher Versuch der Aneignung. Nach der Bodenneuordnung sollen 20 Großund 60 Kleinparzellen gebildet werden. Abb.22, Neustrukturierung Stadterneuerung heißt auch immer Umschichtung der Sozialstruktur der Eigentümer (Rennert, 1957, nach H. Bodenschatz). Für die Entfernung der Kellerfundamente werden 1954 1,4 Mio. DM veranschlagt, für Straßenbaukosten sind 1955-57 3,4 Mio. DM angefordert, für Leitungsverlegungen werden Kosten in Höhe von 4,9 Mio. DM geschätzt. Die Risiken, welche bei der Bodenreform entstehen, werden voll und ganz von der öffentlichen Hand übernommen. Die Vision eines neuen Berlins kann somit nur noch durch einen ungeheuren Einsatz von öffentlichen Mitteln realisiert werden. Um die Diskussion über das teure und risikoreiche Geschäft zu vermeiden, darf die Wertlosigkeit und Rückständigkeit der alten Bausubstanz nicht in Frage gestellt werden. Finanzierung von Freiraum gestern. Zum Beispiel Berlin. 23 Abb.23, Aufräumarbeiten 1954 Auch für den Hochbau fallen höhere Baukosten an als geplant und weitere Förd ermittel werden vom Bund bereitgestellt. Als Gesamtwohnungsbaukosten werden angegeben: 5,5 Mio. DM für den Grunderwerb, 2,8 Mio. DM für vorbereitende Maßnahmen, 5,2 Mio. DM für Abriss und Enttrümmerung, sowie 33,8 Mio. DM für die eigentlichen Neubauten. Als die Interbau mit einem Jahr Verzögerung 1957 eröffnet wird, gilt sie schon als voller Erfolg. Insgesamt werden fast 1 Mio. Besucher gezählt. Der Bau des neuen Hansaviertels hat gezeigt, wie die Alternative zur Mietskasernenstadt produziert werden kann: 1.Durch eine Trägergesellschaft, in der die gemeinnützige Wohnungswirtschaft eine zentrale Rolle spielt. 2.Durch eine im einzelnen nicht begründete und nachgewiesene Abqualifizierung des alten Bauund Städtebaubestands. 3.Durch eine Bodenordnung, die den Typus des alten Kleineigentums abschafft. 4.Durch eine Tilgung möglichst aller historischen Spuren der alten Stadt, wobei nicht nur die noch stehenden Gebäude, Abb.24, Das neue Hansaviertel 24 alle Kellerfundamente und der Stadtgrundriss beseitigt, sondern auch noch vorhandene Bewohner und Gewerbebetriebe verdrängt werden. 5. Durch einen verschwenderischen Einsatz öffentlicher Mittel, der das gesamte Vorhaben nahezu ohne geschäftliches Risiko für die Trägergesellschaft absichert. (nach H. Bodenschatz, S. 164-170) 3.4 Die Rekonstruktion des großen Tiergartens In den Kämpfen um Berlin war der Tiergarten auch Objekt militärischer Planungen. Die Charlottenburger Chaussee diente als Landebahn für Flugzeuge, die Munition und anderes Kriegsmaterial herein- oder herausbrachten. Außerdem waren zahlreiche Flugabwehrstellungen und Flaktürme in den Grünflächen der Berliner Mitte untergebracht worden. Abb.25, Militärische Objekte im Tiergarten Dies und die Nähe zum bis zuletzt umkämpften Reichstag, dem Brandenburger Tor und der Reichskanzlei sorgte dafür, dass der Tiergarten sehr stark der Zerstörung ausgesetzt war. Nach dem Ende des Krieges diente der Tiergarten dem Holzeinschlag durch die frierende Bevölkerung und verlor seinen Baumbestand fast völlig. Von etwa 200000 Bäumen blieben nur etwa 700 stehen. Man konnte nach dem Kahlschlag vom Reichstag aus bis zum S-Bahnhof Tiergarten sehen (F. Wendland, S. 30). Auf dem freien Gelände wurden Kleingärten angelegt, um die kargen Rationen durch Gemüse und Kartoffeln aufzubessern. Insgesamt wurden ca. 2550 Parzellen vergeben. Ein Teil des Tiergartens wurde vom Senat feldmäßig bewirtschaftet. Abb.26, Baumverlust im Tiergarten Abb.28, Pflanzarbeiten Die Gewässer waren komplett vermüllt bzw. verschlammt, sämtliche Brücken zerstört (OrgelKöhne, S.147). Vier Jahre nach Beendigung des Krieges begann man 1949 der Unordnung zu wehren. Dem Leiter des West-Berliner Hauptamtes für Grünflächen Fritz Witte war es gelungen, die Wiederherstellung des Den Ausführungsarbeiten lag ein Entwurf von Wilhelm Alverdes zugrunde, der dem Tiergarten ein neues Gesicht als landschaftlich geprägte Erholungsanlage geben sollte und dabei eine einheitliche Gestaltung des gesamten Areals mit weiten Wiesenräumen und waldartigen Gehölzpartien verfolgte. Dabei wurde auf viele barocke Elemente und Strukturen, welche Lenné als wichtig herausarbeitete bewusst verzichtet. 1951 wurde südlich des Schlosses Bellevue der Englische Garten angelegt, dessen Namen aufgrund der großzügigen Spenden Englands und nicht aufgrund der Stilform ausgewählt wurde. All diese Maßnahmen wurden aus einer Solidaritätsaktion der Bevölkerung zusammen mit westdeutschen Städten, der Landesregierung Niedersachsens und der Bundesregierung finanziert. Abb.27, Kleingärten Tiergartens im Notstandsprogramm durchzusetzen und damit die Voraussetzung für einen raschen Beginn der Arbeiten zu schaffen. Am 17. März 1949 pflanzte der Regierende Bürgermeister Ernst Reuter die erste Linde an der Hofjägerallee. Bereits im nächsten Jahr waren 1000 Notstandsarbeiter im Tiergarten im Einsatz. Zunächst reinigte man die Gewässer. Dann räumte man als ersten Teil die Fläche zwischen S-Bahn und Hofjägerallee auf, und die ersten 250000 Junggehölze wurden gepflanzt. Viele Bäume wurden nach dem Vorbild der Stadt Bremen von anderen Städten gestiftet, andere wurden durch Gelder der alliierten Militärregierung finanziert. Zur selben Zeit wurde nach einer Umfrage der Berliner Bevölkerung auch die Brachlandaktion der Kleingärtner offiziell beendet (F. Wendland, S. 30). Abb.29, Entwurf Wilhelm Alverdes von Die hier zusammenwirkenden Kräfte schafften in der großen Notstandsaktion zur Wiederinstandsetzung Westberliner Grünflächen auch die Voraussetzung für den heutigen Zustand Finanzierung von Freiraum gestern. Zum Beispiel Berlin. 25 Abb.30, Gesamtplan des Tiergartens nach der Umgestaltund von P. J. Lenné 1840 des Tiergartens. Insgesamt wurden Kosten von 3,85 Mio. DM für Wiederbepf lanzungsarbeiten geschätzt, was umgerechnet auf den Gesamtpark 1,50 DM pro m² ausmacht. Hierin enthalten sind rund 400000 Heister und Junggehölze und weitere 800000 Gehölze (Orgel-Köhne, S. 150). 26 Finanzierung von Freiraum gestern. Zum Beispiel Berlin. 27 Quellennachweis Gartenamt, 9-10/ 1972 Literatur Senator für Stadtentwicklung und Umweltschutz Berlin, Der Berliner Tiergarten Vergangenheit und Zukunft, Heft 3, 1986 BEZIRKSAMT WEDDING – Gartenbauamt, ...wo eine freye und gesunde luft athmet... zur Entstehung der Volksparke in Berlin, Berlin 1988 BODENSCHATZ, Harald, Platz frei für das neue Berlin! Geschichte der Stadterneuerung seit 1871, 1987 HENNEBO, Dieter, Berlin – Hundert Jahre Gartenbauverwaltung. Vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zum zweiten Weltkrieg, in: Das Gartenamt, Heft 6, 1970 MARTIN, Hans, Die Geschichte der Berliner Grünanlagen, Berlin 1931 MILCHERT, Jürgen, 200 Jahre städtische Grünflächenpolitik. in: Garten+Landschaft 9/1980 MILCHERT, Jürgen, Über die Entrümpelung des Stadtgrüns, in: Neue Landschaft 9/97 STÜRMER, Rainer, Die historische Entwicklung des Victoriaparks, in: Gartendenkmalpflege Heft 4, 1988 STÜRMER, Rainer, Erwin Barth (1880-1933) – sein Wirken für Berlins Grünanlagen, Berlin 1983 STÜRMER, Rainer, Vom Humboldthain zum Britzer Garten - 1870 bis 1990 – 120 Jahre Berliner Grünverwaltung, in: Stadt und Grün, 8/ 1998 WENDLAND, Folkwin, Der große Tiergarten in Berlin Seine Geschichte und Entwicklung in fünf Jahrhunderten, Berlin 1986 www.stadtentwicklung.berlin.de/umwelt/Stadtgrün/geschichte Abbildungen ORGEL-KÖHNE, Liselotte und Armin, Der Tiergarten Berlin Geschichte und Gegenwart, 1985 Abbildungen 1 – 7 Stürmer, Rainer, Die historische Entwicklung des Victoriaparks, Gartendenkmalpflege Heft 4, 1988 RIBBE, Wolfgang, Preußischer Staat und städtische Selbstverwaltung, in: Kleine Berlin-Geschichte, Berlin Abbildung 9 www.lycos.de Senator für Bau u. Wohnungswesen, 100 Jahre Berliner Grün, Berlin 7/1970 Abbildung 11,12, Senator für Bau u. Wohnungswesen, 100 Jahre Berliner Grün, Berlin 7/1970 SCHINDLER, Norbert, (1), Die Berliner Grünplanung von 1945 bis 1970, in: Das Gartenamt, 6/ 1970 SCHINDLER, Norbert, (2), Das Berliner Grün der Nachkriegszeit, in: Das 28 Abbildung 8, 10, 14, 15, 17, 18 BEZIRKSAMT WEDDING –Gartenbauamt, „...wo eine freye und gesunde luft athmet...“ zur Entstehung der Volksparke in Berlin, Berlin 1988 Abbildung 19 – 24 BODENSCHATZ, Harald, Platz frei für das neue Berlin! Geschichte der Stadterneuerung seit 1871, 1987 Abbildung 16, 25, 26 WENDLAND, Folkwin, Der große Tiergarten in Berlin Seine Geschichte und Entwicklung in fünf Jahrhunderten, 1986 Abbildung 27 – 30 Senator für Stadtentwicklung und Umweltschutz Berlin, Der Berliner Tiergarten Vergangenheit und Zukunft, Heft 3, 1986 Finanzierung von Freiraum gestern. Zum Beispiel Berlin. 29 stefan göde kerstin karweina michael menger Finanzierung von Freiraum heute. Zum Beispiel Berlin. 1 Einleitung - Entwicklung der Freiraumplanung Die kommunale Freiraumplanung entstand in Zusammenhang mit den Emanz ipationsbestrebungen des 19. Jahrhunderts vor etwa 120 Jahren. Den ersten Innovationsschub gab es in den 20er Jahren. Die Landschaftsarchitektur und die Landschaftsplanung wurden auf eine sozialpolitische Zielsetzung verpflichtet. Ihre Objekte waren die Großgruppen der Arbeitsgesellschaft. Massenerholung, definiert als Regeneration verausgabter Arbeitsgesellschaft, wurde zu ihrer wichtigsten Aufgabe. Die „Erholungsplanung“ wurde wissenschaftlich fundiert und methodisch instrumentiert. Das heißt es wurden Richtlinien und Verordnungen geschaffen, die auf eine gezielte Lösung von Problemen hinarbeiteten. Außerdem wurde die Stadt das erste Mal in Zusammenhang mit der Umgebung gesehen, und es wurden für die weitere Stadtentwicklung verschiedene Modelle entwickelt (Radial-, Ringmodell). Einen zweiten Innovationsschub gab es in den 70er Jahren. Umweltprobleme wurden bewusst wahrgenommen und traten somit in den Vordergrund bei der Landschaftsplanung. Die Natur war der Gegenstand der beruflichen Sorge, wodurch sich der „Heimat- und Naturschutzflügel“ des Berufes mehr und mehr entfalten konnte. Die Erholungsplanung verengte sich und wurde zur Naturerlebnisvorsorge. In den 90er Jahren schien sich die neue Generation der Landschaftsplaner stärker an Stadt- und kulturellen Aspekten der Berufsaufgabe zu interessieren. Viele bezeichneten sich wieder als Landschaftsarchitekt und nicht als -pfleger, -schützer oder –planer. Es hat den Anschein, dass die kooperative „weiche“ Landschaftsplanung und die Landschaftsarchitektur auf dem Weg sind, wieder ein widerspruchfreies, komplementäres und komplexes Zielsystem zu gewinnen. Auch in der Gesellschaft vollzog sich ein Wandel. Die Landschaft spielte zwar immer noch eine Rolle, jedoch sollte sie eher der Erholung gelten, als dass der schützenswerte Aspekt in den Vordergrund tritt. Da sich aber auch der gesellschaftliche Reichtum immer ungleichmäßiger verteilte, war und ist es nicht für alle Teile der Bevölkerung möglich, kommerzielle Freizeitangebote zu nutzen. Der „Slumbildung“ und sozialen 32 Deklassierung versucht die Landschaftsplanung und Landschaftsarchitektur bisher durch Wohnumfeldverbesserungen (Spiellandschaften/Hofbegrünung) vorzubeugen. Aber nicht nur die Armut einiger Bevölkerungsteile regt zum Nachdenken und Handeln an, sondern auch die „öffentliche Armut“ sorgt für Probleme bei Landschaftsplanern und -architekten. Denn bevorzugt in der kommunalen Grünverwaltung kommt es, wegen der vermeintlich relativen Bedeutungslosigkeit von Grün, bei Haushaltsknappheit zu Einsparungen. (nach: Wenzel, Schöbel, S.28-31) 2 Finanzlage Berlin Dass die Haushaltslage von Berlin alles andere als rosig ist, zeigt sich nicht nur in den Grünflächenämtern. Dort werden die Personal- und Sachmittel auf ein Minimum zurückgeführt, die Kompetenzen werden beschnitten. Auch auf die Planungsbüros wirkt sich diese Notlage aus. Es fehlen Aufträge, Wettbewerbe werden nicht realisiert und Grünanlagen verfallen. (nach: Wenzel, Schöbel, S.28) Die Anämie der öffentlichen Kassen Berlins entzieht den Neubauprojekten der Garten- und Landschaftsarchitektur quasi die Lebenskraft. Innerhalb von zehn Jahren gingen die Investitionen der Stadt in „grüne“ Projekte auf etwa die Hälfte zurück. Aber auch um bereits realisierte Projekte steht es schlecht. Denn auch hier fehlt das Geld, um diese zu pflegen und zu erhalten. Der Haushalt der amtlichen Denkmalpfleger der Hauptstadt schrumpfte in den vergangenen zehn Jahren auf etwa ein Viertel, obwohl der Ostteil der Stadt noch zum Aufgabenbereich hinzu kam. (nach: Jaeger, S.28,29) Insgesamt gesehen belaufen sich die Schulden der Stadt Berlin auf etwa 47 Milliarden Euro (siehe Abb.1). Die Pro Kopf Verschuldung im Land Berlin liegt bei etwa 13172 Euro. Mit 14505 Euro weist einzig das Bundesland Bremen eine höhere Pro Kopf Verschuldung auf (Focus 24/2003). Eine Tilgung der Schulden aus eigener Kraft scheint schier unmöglich zu sein, denn die Neuverschuldung liegt pro Jahr bei etwa 2 Mrd. Euro (Berliner Zeitung 17.1.03). Deshalb bleibt für Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) nur noch der Weg, den Bund um eine Finanzspritze zu bitten. Er geht in diesem Fall von rund 40 Milliarden Euro aus, um die Entschuldung voran zu treiben (Focus 46/2002). Die Zahlungen müssen sich zwangsläufig in diesen Größenordnungen bewegen, da die Mittel, wenn überhaupt, frühestens ab 2006 zur Verfügung stehen werden. Bis dahin, wenn man den Prognosen Abb.1 Glauben schenken kann, steigen die Schulden der Hauptstadt bis auf 58 Mrd. an. Die Aussicht auf Hilfe vom Bund ist gar nicht so schlecht, vorausgesetzt, die Stadt Berlin kann beweisen, dass die hohe Verschuldung nicht durch eigene Misswirtschaft entstanden ist. Dies ist jedoch nicht ganz so einfach, denn bereits 1994 warnten Wirtschaftsinstitute die Stadt vor überdimensionierten Projekten. Sie hielt jedoch meist an ihnen fest und gab so zum Beispiel für das Projekt „Olympia 2000“ 9 Mrd. Euro im Voraus aus. (Tagesspiegel 6.12.2002) Ein weiteres großes Vorhaben des Senats war es, die Stadt als Sportstadt zu etablieren. Auch dieses Vorhaben scheiterte, denn die Leichtathletik WM 2005 ging nach Helsinki und als Medienzentrum für die Fußball WM 2006 wählte der DFB München aus. (Berliner Zeitung 17.1.2003) Weist die Stadt Berlin nun also ein Sanierungsprogramm für ihren Haushalt auf, kann sie Bundesergänzungszuweisungen beanspruchen. Dies sind jedoch zweckgebundene Mittel, die keine laufenden Ausgaben decken dürfen! Außerdem verlöre die Stadt etwas an ihrer Eigenständigkeit, denn Bund und Länder müssten regelmäßig über die Sanierungsbemühungen unterrichtet werden. Hält sich die Hauptstadt an diese Anforderungen und der Bund verweigert dennoch eine finanzielle Unterstützung bleibt im Endeffekt nur noch der Gang zum Verfassungsgericht. (Tagesspiegel 6.12.2002) Mit Aussagen wie „Berlin ist eine Stadt wie jede andere in Deutschland.“, „Berlin leistet sich zu Unrecht eine Luxusausstattung.“ und „Berlin gibt mehr als andere deutsche Städte für KITAs, Schulen und Universitäten aus!“ (Tagesspiegel 26.3.2003), benennt Sarrazin indirekt die ersten Bereiche, in denen die Einsparungen stattfinden werden. Der öffentliche Bereich ist mit 7 Mrd. Euro an Personalausgaben der größte Brocken im Berliner Etat. Er nimmt etwa ein Drittel des gesamten Haushaltes ein. Somit ist die Stadt gezwungen, Bibliotheken zu schließen, die Anzahl der Jugendclubs und Seniorentreffs drastisch zu reduzieren, es gibt Einsparungen im Schulbereich und bei den KITAs. Die ersten Einsparungen des Senats fanden bei den ländereigenen Bäderbetrieben statt. Durch die Schließung von neun der Badeanstalten wurden 2,4 Mrd. Euro gespart. Auch die Bezirke müssen zu internen Sparmaßnahmen greifen. Diese zeigen sich in erster Linie bei der Kürzung von Geldern für Grünanlagen, Straßen und Gebäuden. (Berliner Zeitung 17.1.2003) Der Bezirk Treptow/Köpenick muss in diesem Frühjahr sieben Sportstätten, davon sechs Plätze, schließen. Begründet wird die Schließung damit, dass zu wenig Geld für die Instandhaltung vorhanden ist. Den Vereinen wird die Möglichkeit gegeben, auf andere Sportstätten auszuweichen. Wenn sie das nötige Kleingeld besitzen, können sie diese Flächen auch kaufen. (Berliner Zeitung 9.2.2003) Eine weitere Maßnahme zur Einsparung von Finanzmitteln vom Bezirk Friedrichshain/ Kreuzberg liegt darin, die Pflege von Grünanlagen erstmals an Privatfirmen zu vergeben. Als Pilotprojekt soll die Halbinsel Stralau herhalten. Der Bezirk erhofft sich dadurch Einsparungen, weil man davon ausgehe, dass Privatfirmen die Arbeiten preiswerter anbieten als das Grünflächenamt. (Berliner Zeitung 9.2.2003) Geld in der Stadtkasse fehlt nicht zuletzt auch durch den steigenden Bevölkerungsverlust der Stadt. Seit 1994 sinkt die Zahl der Einwohner. Berlin Finanzierung von Freiraum heute. Zum Beispiel Berlin. 33 sind in den letzten zwölf Jahren, also seit 1991, etwa 164000 Einwohner verloren gegangen. Da sich einen Umzug ins Umland nur die Besserverdienenden leisten können, fehlt der Stadt einiges an Steuereinnahmen. Auch große Konzerne wie Spreequell und Nestlé verlassen die Stadt. Im vergangenen Jahr lag die Arbeitslosenzahl bei 17,5%. (Berliner Zeitung 28.2.2003) Man könnte fast sagen, dass die Innenstadtviertel verarmen. Als Maßnahme zur Aufwertung von Stadtquartieren werden mehr und mehr Quartiersmanager eingesetzt. Aber die Stadt greift auch zu anderen Mitteln. EU-Gelder werden angezapft, Einzelobjekte vermarktet, Sponsorgelder als punktuelle Hilfe eingesetzt. (nach: Lösse, S.44) 3 Finanzierung von Freiräumen durch öffentliche Mittel Durch die im vorigen Kapitel beschriebene Misere des Berliner Haushaltes ist es kaum möglich, dass Freiräume komplett von der öffentlichen Hand finanziert werden. Eine Quelle, um zusätzliche Gelder zu bekommen, ist die EU. Dem Quartiersmanagement wird zum Beispiel durch die EU Geld für die Finanzierung von Projekten zur dauerhaften Aufwertung des Stadtraumes und des Wohnumfeldes bereitgestellt. 2000 – 2006 waren dies Mittel in einer Höhe von 39 Mio. Euro aus dem „Europäischem Fonds für regionale Entwicklung“ (EFRE). Aber auch der Bund beteiligt sich mit dem Programm „Die Soziale Stadt“ an der Finanzierung von Projekten. Bis 2002 lag der Zuschuss bei etwa 13,2 Mio. Euro. Für die gesamten Programme des Bundes und der EU muss Berlin erforderliche Kofinanzierungsmittel aufbringen, von 1999 bis 2002 betrug dieser Berliner Anteil 39,5 Mio. Euro. Ziel ist es, mit diesen Mitteln das städtebauliche Umfeld weiter zu verbessern sowie soziale und kulturelle Angebote für die Bewohner zu schaffen. (www.quartiersmanagementberlin.de) Die Kofinanzierungsmittel der Stadt bzw. des Bezirkes sind dann zum Beispiel 34 das Einsetzen eines Bauleiters, also einer fachlich kompetenten Kraft, die den Bau eines Objektes leitet, oder aber es wird der Planer von der Stadt oder dem Bezirk bezahlt. Mit diesen Maßnahmen ist dann meist schon der Eigenanteil abgedeckt, der je nach Projekt einen andere Prozentsatz einnimmt. (nach: Engelhardt) Erholungspark Marzahn Finanziert durch Bund, EU und Berlin ist auch der Erholungspark Marzahn weiter verschönert worden. Als grüne Oase dient er vor allem den Bewohnern von Marzahn/Hellersdorf als Erholungsfläche. Entstanden ist dieser Park zur 750-Jahrfeier Berlins 1987 und wurde im Rahmen der Gartenschau am 9.5.1987 eröffnet. (www.berlin.de) Intensiv gestaltete Bereiche, wie Rhododendronhain, Staudengarten und eine jahreszeitlich wechselnde Bepflanzung, sowie auch ausgedehnte Spiel- und Liegewiesen prägen das Bild des Parks. Außerdem gibt es das Projekt „Gärten der Welt“, welches von der Allianz Umweltstiftung unterstützt wird. 3.1 Chinesischer Garten – „Garten des wiedergewonnenen Mondes“ Dieser Teil des Parks entstand im Rahmen der Städtepartnerschaft BerlinPeking. (www.gruen-berlin.de) Die Pläne des Pekinger Instituts für klassische Gartenarchitektur sah eine facettenreiche Landschaft mit traditionellen Bauwerken vor. Es sollten Schlichtheit sowie dezente Farben vorherrschen. Der Garten ist etwa 2,7 ha groß, und im Mittelpunkt befindet sich ein 4500 m² großer See in einer reich bepflanzten Hügellandschaft. (www.berlin.de) Am 1.12.1997 begannen die Bauarbeiten an diesem Garten, und am 15.10.2000 wurde er eröffnet. Die Kosten für den gesamten Garten belaufen sich auf 4,5 Mio. Euro. Er wurde aus Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe zur „Verbesserung der regionalen Wirtschaftstruktur“ gefördert und von der EU kofinanziert (6080%). Die Stadt Berlin war an der Entstehung dieses Gartens mit etwa 20% beteiligt. Des Weiteren gab es Spenden von Air China, Deutsche Lufthansa AG und VW Shanghai. (nach: Reuber) 3.2 Japanischer Garten – „Garten des zusammenfließenden Wassers“ Dieser zweite Garten wurde von Professor Masuno, einem Tempelpriester und Gartendesigner aus Yokohama, geplant. Er schuf einen Garten mit Stilelementen der klassischen japanischen Gartenkunst. Die Eröffnung fand im Mai diesen Jahres statt. (www.gruen-berlin.de) Auch dieser Garten wurde aus Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ gefördert und von der EU (EFRE) kofinanziert. Im Gesamten beliefen sich die Kosten auf etwa 2 Mio. Euro. Die Stadt Berlin nahm hier, wie auch schon im Chinesischen Garten, mit etwa 20% an der Finanzierung teil. (nach: Reuber) 4 Finanzierung durch Public Private Partnership Eine Folge der Sparpraxis des Berliner Senates ist, dass alles, was im Bereich des öffentlichen Grüns profitabel zu vermarkten ist, aus der Kommunalwirtschaft herausgenommen wird. Private Gesellschaften fassen Fuß, sie betreiben in den Städten profitorientierte Umwelt-Freizeitparks, „Public- Private- Partnerships“ organisieren spezielle Stadtparks und Sponsoren unterhalten historische Gärten und andere repräsentative Elemente einer Stadt, für die diese kein Geld mehr aufbringen kann (nach: Lösse,S.43). Was ist unter PPP zu verstehen? „Public Private Partnership“ (im Folgenden PPP) wird in der heutigen Zeit leerer Kassen insbesondere von der öffentlichen Hand als hoffnungsvoller Weg aus der finanziellen Not gerne beschritten. Ein derartig bezeichnetes Projekt impliziert Imageveränderung im Sinne von Verwaltungsmodernisierung und neuem Denken staatlicher Institutionen. Somit avanciert die Verwendung des Begriffes PPP gleichsam zum Modewort. Es ist daher notwendig, eine begriffliche Abgrenzung zu anderen Instrumenten des Marketing zwischen öffentlichen Aufgabenträgern und privaten Unternehmen vorzunehmen. Die folgende Übersicht zeigt die Vielfalt an Formen des Marketing und somit, wie unspezifisch PPP sein kann. Denn nicht jede Form des Zusammenwirkens von Privatwirtschaft und öffentlichem Sektor ist mit dem Terminus PPP richtig beschrieben. Falls die Rahmenbedingungen den Einsatz eines dieser Instrumentarien z.B. Sponsoring verlangen, ist dieser Bestandteil des PPP-Projektes. Nur darf ein solches Projekt nicht rein klassisches Sponsoring darstellen, wenn es denn PPP zugerechnet werden soll. Es handelt sich bei PPP meist um ein breites Spektrum verschiedener Ansätze und Formen von Kooperationen in unterschiedlichen Ausprägungen und Arbeitsfeldern. Dauer, beteiligte Personen und institutionalisierte Formen sind unterschiedlich. Die Gemeinsamkeit aller Ansätze besteht darin, dass auf der einen Seite öffentliche Akteure (d.h. öffentliche Körperschaften und Institutionen) und auf der anderen Seite privates Kapital aus freien Stücken miteinander kooperieren und entsprechende Partnerschaften eingehen, um gemeinsam Projekte zu verwirklichen, deren finanzieller oder organisatorischer Aufwand für einen der beiden Partner allein entweder nicht leistbar oder nicht profitabel erscheint. Finanzierung von Freiraum heute. Zum Beispiel Berlin. 35 Art Spende Leistung Geld-, Sach-, Gegenleistung Motiv Interessenlage Privat zu Kommune Spendenquittung Persönliche, emotionale Dienstleistungen Betroffenheit, Dokumentation gesellschaftlicher Verantwortung Leasing Geld-, Sach-, Entgeld Dienstleistungen Gewinnorientierung Sponsoring Geld-, Sach-, Kommunikation, Dienstleistungen Forum für persönliche Kontakte Bekanntheitsgradsteigerung, Imageprofilierung, Kontaktpflege Public Private Partnership Geld-, Sach, Dienst-, Personalleistungen Dokumentation gesellschaftlicher Verantwortung, Bekanntheitsgradsteigerung, Kommunikation, Forum für persönliche Kontakte, Knowhow-Transfer Imageprofilierung, Kontaktpflege, Knowhow-Transfer Tab.1 Kooperative Marketing-Instrumente Die Arbeitsgruppe „Public Private Partnership – Eine Konzeption für die Schaffung neuer Märkte?“ der FHTW (Fachhochschule für Technik und Wirtschaft) Berlin erweitert den Terminus der PPP in folgender Definition dahingehend, dass das Ergebnis dieser freiwilligen Zusammenarbeit dem Gemeinwohl dienen muss. Das bedeutet, dass die Erfüllung des PPP im 36 öffentlichen Interesse steht und der Allgemeinheit dienlich sein soll. PUBLIC PRIVATE PARTNERSHIP („PPP“) ist eine freiwillige, projektbezogene Zusammenarbeit zwischen Akteuren aus dem öffentlichen und privaten Sektor. PPP erfüllt gemeinwohlorientierte Aufgaben, wobei öffentliche und privatwirtschaftliche Interessen zum beiderseitigen Nutzen zur Deckung gebracht werden. Die Projektverantwortung wird unter Berücksichtigung der jeweils unterschiedlichen Rahmenbedingungen von den Partnern gemeinschaftlich getragen. (nach: Clemens-Ziegler, S.10) Warum existieren solche Partnerschaften? Seit Mitte der 80iger Jahre ist Public Private Partnership aus der Diskussion über Stadterneuerungen und Stadtentwicklung nicht mehr wegzudenken. Als Ursachen für die seitdem immer stärker zu beobachtende Kooperation von öffentlicher Hand und privatem Kapital werden folgende Gründe genannt: räumliche und infrastrukturelle Umbau- und Erneuerungsnotwendigkeiten aufgrund allgemeiner wirtschaftlicher Umstrukturierungen, Intensivierung des interkommunalen und interregionalen Wettbewerbdrucks, zunehmende Finanzknappheit öffentlicher Haushalte und kommunale Liquiditätsengpässe, Kompetenz- und Kapazitätsprobleme auf Seiten der Kommunalverwaltung, Überwindung von Umsetzungsproblemen, die Deregulierungspolitik mit dem Ziel ‚mehr Markt und weniger Staat’, weltweit zu beobachtende Unternehmenskonzentration mit verschärfter wirtschaftlicher Konkurrenz, neue Formen der Produktions- und Arbeitsorganisation, die Notwendigkeit effizienter Leistung in den Verwaltungen, Einbindung privater Unternehmen in politische Konzepte, höhere Flexibilität und logistisches Know-how, Einführung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien. (nach: Heinz,S.34f) Neben diesen gesamtgesellschaftlichen Gründen benennt POHL (2001) primär aus Sicht der Unternehmen zwei weitere Ursachen der Zusammenarbeit privater Investoren mit der öffentlichen Hand. Dokumentation gesellschaftlicher Verantwortung in der Öffentlichkeit: Die Unternehmen erfahren immer stärker ihre Vernetzung mit gesellschaftlichen Prozessen. Kunden- und Marktorientierung reichen nicht mehr aus. Die Ges ellschaftsorientierung als zusätzliche strategische Ausrichtung wird mehr und mehr zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor. „kostenlose“ Medienpräsenz, PR-Vorteile (vgl.:Pohl,S.9) So wird die Tendenz zu einer verstärkten Integration privatwirtschaftlicher Projekte in die Stadtplanung zudem politisch unterstützt. Neue Optionen der rechtlichen Regelung, insbesondere Vorhaben- und Erschließungsplan sowie städtebauliche Verträge, ermöglichen es den planenden Gemeinden, enger mit den privaten Investoren und Bauherrn im Sinne einer der Aufgabe angemessenen Arbeitsteilung zusammenzuarbeiten. Welche Chancen / Risiken bergen Partnerschaften? Vor dem Hintergrund von PPP steht die Frage, wie die Nutzung und Gestaltung des öffentlichen Raumes durch den Einbezug aller ansässigen Unternehmen und privaten Haushalte verbessert werden kann. Eine gemeinsame Identifizierung mit dem Freiraum sollte das Resultat sein. Die Teilnehmer an der Public Private Partnership sind die öffentliche Hand, die Unternehmen und die (Privat-) Investoren, die Medien als Kommunikator der Kooperationsinhalte und –ergebnisse und die (gemeinsamen) Zielgruppen der Partner. Alle Partner bringen sich auf der Grundlage von Leistungen und Gegenleistungen, z.B. in Form von Know-how-, Geld-, Personal-, Dienst-, Media- oder Sachleistungen, in die Partnership ein, schaffen dadurch ein Aktionsprogramm und Aktionsbudget, partizipieren an allen inhaltlichen und kommunikativen Maßnahmen und können darüber hinaus durch eigene unterstützende Maßnahmen den für sie resultierenden Nutzen verstärken. (nach: Pohl, S.10) Grundsätzlich werden von den Kommunen folgende wirtschaftliche Vorteile für die partizipierten Akteure einer PPP aufgeführt: Eine zeitnahe Realisierung von planerischen Konzepten wird durch eine direkte Verkoppelung von Planung und Umsetzung erwirkt. Bevor sich in formalen Abstimmungsverfahren Widerstände formieren können, besteht die Möglichkeit des Entgegenwirkens im Rahmen einer frühzeitigen Kooperation. Öffentliche Hand Unternehmen=Investoren Öffentlicher Meinungsbildung Freiraum Meinungsbildung z.B. Zufriedenheit z.B. Sympathie Wahrnehmung Nutzung Bevölkerung Nutzung Potentielle Kunden Tab.1 Teilnehmer der PPP Finanzierung von Freiraum heute. Zum Beispiel Berlin. 37 Eine weitere Qualifizierung der Planung wird durch die Integration der Ideen und des Erfahrungshorizontes Privater erreicht. In konsensorientierten Planungsverfahren können private Finanzierungsbeiträge für Stadtentwicklungsprojekte und Gebietsplanungen akquiriert werden. Gegenüber materiellen Privatisierungen, Auslagerungen und Betreibermodellen hat PPP für staatliche Politik den Vorteil, dass die Transaktionskosten für die Kontrolle von Verträgen, Leistungserbringung u.a. sehr gering sind, weil Vertreter der Politik und des Staates unmittelbar an den Gremien beteiligt sind. Ebenso sind sie ggf. flexibler in der Finanzierung von Vorhaben, da sie nicht der starren öffentlichen Hauswirtschaft unterworfen sind (nach: Forschungsgruppe Stadt und Dorf, S.136). Image profilieren X X Kommunikationsanlässe schaffen X X Organisationskultur verdeutlichen X X Gesellschaftliche Verantwortung dokumentieren X X Präsentation im exklusiven Umfeld X X Allerdings sind neben diesen Gesichtspunkten ideelle Faktoren für die Umsetzung durch PPP, besonders aus Sicht der Privaten Investoren, nicht zu unterschätzen. In einer Befragung der FHTW von öffentlichen und privaten Organisationen mit Erfahrungen in PPP-Projekten ergab, dass 91% der befragten Privaten an eine Imageverbesserung ihres Unternehmens hohe bis sehr hohe Erwartungen knüpfen. Dieser erwartete Imagegewinn hat sich bei fast ¾ der Befragten (83%) erfüllt. Ein möglicher Grund für die hohe Erwartungshaltung könnte in der momentanen Aktualität von PPP liegen und in der Möglichkeit, sich durch ein solches Projekt als zeitgemäß und innovativ darzustellen. Als weitere gewichtige Gründe für die Realisierung von Projekten durch PPP nannten die Befragten eine Steigerung ihrer gesellschaftlichen Verantwortung und die Bildung neuer Kontakte (nach: Clemens-Ziegler, S.24). Werbung X X Ziele Kommune Unternehmen Zielgruppe ansprechen X X Persönliche Kontakte X X 38 Kunden gewinnen X Geschäfte mit der Stadt X Know-how-Transfer „Marketing“ X Neue Einnahmequellen X X Tab.2 Synergie- Potential Eine Reihe neuer Probleme können durch die Kombination öffentlich-privater Partnerschaften entstehen: - Verfügt die Kommune nicht über ein gesamtstädtisches Entwicklungskonzept, kann durch eine Aneinanderreihung von einzelnen Projekten der Zusammenhang verloren gehen. - Abhängigkeiten und frühzeitige Allianzen können im Rahmen von Kooperationsprozessen entstehen, die mit dem Verständnis einer unabhängigen und durch politische Gremien kontrollierten Stadtentwicklung nicht übereinstimmen. Die vor dem Hintergrund der finanziellen Engpässe in den Gemeindeverwaltungen eingegangenen Koalitionen mit Privaten verbinden sich mit der Gefahr der Vernachlässigung anderer (sozialer, umweltpolitischer, kultureller) Aspekte der Stadtentwicklung. (nach: Forschungsgruppe Stadt und Dorf, S.136) An diese Problematik knüpft die hypothetische Frage an, ob sich Investoren auch in ärmeren Stadtquartieren engagieren. Modellhafte Projektbeispiele Ansätze im Sinne von Public Private Partnership spielen in der kommunalen Planungspraxis in Berlin heute eine steigende Rolle. Grundlage jeglicher Tätigkeit der Privatwirtschaft im öffentlichen Dienstleistungsbereich sind stabile, langfristige Verträge, die die Rahmenbedingungen für ein selbstständiges Agieren des Unternehmens schaffen. 4.1 Expo Hannover-Projekte (Rummelsburger Bucht) In Berlin repräsentieren 27 EXPO 2000 Projekte ein Gesamtvolumen von ca. 7 Mrd. DM (ca.3,5 Mrd. Euro). Mittel der EU, der Bundesländer, sowie Unternehmen und Kommunen stellen die Finanzquellen dar, die von der größten Zahl der Projekte in Anspruch genommen werden. (nach: Dr.Ertel, S.25) Ein dezentrales Projekt der EXPO 2000 unter dem Motto „Mensch-NaturTechnik“ ist das Entwicklungsgebiet Rummelsburger Bucht. Unter dem Projektleitspruch „Nachhaltige Stadtentwicklung“ werden 130 Hektar ehemalige Industrie- und Lagerflächen, Militär- und Hafenareale wieder für Wohnen, Arbeit und Freizeit nutzbar gemacht. Der schonende Umgang mit Wasser, Luft und Boden und die Integration alter Bausubstanz in moderne Architektur sind die Hauptziele dieses Bauvorhabens. Träger der Maßnahme ist das Land Berlin, vertreten durch den Senator für Stadtentwicklung (Abteilung 4D). Die Zuständigkeit liegt in der Steuerung und der Mittelbereitstellung sowie der Mittelkontrolle für alle öffentlichen Maßnahmen. (nach: EXPO 2000 HANNOVER GMBH (Hrsg.), S.36) Klaus Theo Brenner entwickelte zusammen mit den Landschaftsarchitekten Duquesnoy und Thomanek 1993 das Leitbild einer „Städtischen Landschaft“. 1994 gründete der Senat von Berlin die „Wasserstadt GmbH“ als Entwicklungsträger. In einem Entwicklungsträgervertrag zwischen dem Land Berlin, vertreten durch die Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen, und der Wasserstadt GmbH sind folgende Aufgaben des treuhänderischen Entwicklungsträgers genau definiert: Zu Beginn der Entwicklungsmaßnahme war die Situation vor Ort durch komplizierte Eigentumsverhältnisse und Restriktionsansprüche gekennzeichnet. Mehr als 40000 Tonnen verunreinigter Boden wurden entsorgt, ein naturnahes Sickerwassersystem installiert und über 30 erhaltenswerte und denkmalgeschützte Gebäude auf der Halbinsel Stralau und am Rummelsburger Ufer für eine behutsame Sanierung gesichert. Maßnahmen, wie Vorbereitung des städtebaulichen Planungsrechts und der Freiraumplanung, Grundstücksankauf sofern erforderlich, Maßnahmen im Bereich des Bodenmanagements und Werbung von Interessenten und Investoren für die Realisierung der Entwicklungsmaßnahme sind als vorbereitende, öffentliche Finanzierung zu bezeichnen. Die Gestaltung, Entwicklung und Durchführung von Einzelprojekten wird von der Wasserstadt GmbH und den Investoren nach den Prinzipien nachhaltiger Stadtentwicklung gemeinsam getragen. Sie sind demzufolge PPP-Kooperationen und Profit-Projekte des Landes Berlin, das die Mittelbereitstellung sowie Mittelkontrolle durch die Wasserstadt GmbH steuert. Die Finanzierung von Freiraum der Rummelsburger Bucht im Sinne von PPP kann pauschal in zwei Varianten gegliedert werden: a) öffentlich zugänglicher Freiraum der Stadt Berlin wird privatisiert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht oder b) nach Grundstücksverkäufen wird der Eigentümer verpflichtet, den entstehenden Freiraum öffentlich zugänglich zu machen. Als weitere Kooperationen können gemeinsame Publikationen und Internet-Links, sowie wechselseitige Beiträge in Fachprogrammen genannt werden (www.rubu.de). Heute gibt es ca. 350 Grundeigentümer. Sie setzen sich zusammen aus „Alteigentümern“, vornehmlich das Land Berlin, das ca. 25 % der Finanzierung von Freiraum heute. Zum Beispiel Berlin. 39 Nettobaufläche besitzt und Investoren (75% der Nettobaufläche), die Eigentum zur Selbstnutzung, als Kapitalanlage oder zum Weiterverkauf erworben haben (HELLWEG Wasserstadt GmbH). Die Investoren treten mit ihren Anliegen ausschließlich an die Wasserstadt GmbH heran, die bei der Planung und Genehmigung der Entwicklungsmaßnahmen die Aufgabenbereiche und Interessen von bis zu 40 Ämtern und Behörden zu berücksichtigen hat. Die große Zahl der Grundeigentümer und damit verbunden die Vielfalt an Kooperationsverträgen und Finanzierungskonzepten macht es schwierig, ein einheitliches Finanzierungsmodell zu konzipieren bzw. Höhe und Anteil der Kosten darzustellen (www.rubu.de). Das Gesamtvolumen des Projektes beläuft sich auf ca. 1,5 Mrd. Euro. Hierbei finanzierte das Land Berlin ca. 3,4 Mio. Euro (22%) und die privaten Investoren 1,2 Mrd. Euro (78%) (Hellweg: Wasserstadt GmbH). Bis 2015 sollen so im Entwicklungsgebiet Rummelsburger Bucht 5900 Wohnungen und 425000 M² Büro- und Gewerbeflächen entstehen. Was bringt der Titel „EXPO-Projekt“ der Stadtentwicklung? Rückblickend wird die Implikation der Rummelsburger Bucht an der EXPO von allen Beteiligten als Erfolg betrachtet. Kurzfristige Impulse für den Standort belaufen sich auf zahlreiche Besucher verschiedener Veranstaltungen, wie dem Internationalen Fachkongress URBAN21, einem internationalen Wasserstadt-Kongress gemeinsam mit der venezianischen Dachorganisation der Wasserstädte Citta d’aqua und zahlreiche kulturelle Veranstaltungen zum Thema „Wasser in der Stadt“ bzw. „Stadtentwicklung am Wasser“. Doch entscheidender im Sinne von „Nachhaltigkeit“ sind langfristige Auswirkungen für diesen Standort, auch wenn diese schwer durch Datengrundlagen nachgewiesen werden konnten bzw. abgeschätzt werden können. Dennoch ist bereits heute spürbar: ein positives Standortimage für die Rummelsburger Bucht ein wachsendes Interesse am Thema „Stadtentwicklung am Wasser“ am Standort der Rummelsburger Bucht durch die Bevölkerung 40 konkrete Investitionsabsichten. (Dr. Ertel, S.53) 4.2 Der Mauerpark Berlin Auf einem Stück des ehemaligen Mauerstreifens zwischen den Berliner Bezirken Prenzlauer Berg und Wedding, ergänzt durch die Fläche des stillgelegten Güterbahnhofs Eberswalder Straße, entsteht ein Stadtteilpark von rund 14 ha. Anknüpfend an die Idee von Bürgerinitiativen, den ehemaligen Mauerstreifen quer durch Berlin zu einem Grünzug zu entwickeln, bot die „Allianz Stiftung zum Schutz der Umwelt“ der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz Mitte 1990 an, die Umsetzung der Mauerpark-Idee mit 4,5 Mio. DM (2,3 Mio. Euro) zu fördern. Dazu handelten die Stiftung und die Senatsverwaltung einen Kofinanzierungsvertrag aus, der für den Mauerpark eine Mindestgröße von 10 ha, eine Realisierung bis zum Jahr 2010 und die Errichtung einer projektbegleitenden Arbeitsgruppe zum ersten, von der Stiftung mitfinanzierten Bauabschnitt vorsieht. Der erste Bauabschnitt (ca. 7,1 ha) konnte bereits im November 1994 eingeweiht werden. Das Gesamtvolumen des ersten Bauabschnittes belief sich auf 6,9 Mio. DM (ca. 3,5 Mio. Euro). Hierbei finanzierte das Land Berlin ca. 4,6 Mio. Euro (ca. 67%) und Allianz Stiftung 2,3 Mio. Euro (33%). (Göhler: Grün GmbH) Nach der Wettbewerbsphase übertrug das Land Berlin der GRÜN BERLIN Park & Garten GmbH die Realisierung des Mauerparks und, damit verknüpft, vermittelnde und akzeptanzfördernde Aufgaben. Eine von der GRÜN BERLIN eingesetzte Arbeitsgruppe diente dazu, das Rahmenkonzept zu präzisieren und den Bauprozess zu begleiten. Diese Vorgehensweise ermöglichte es, das Parkkonzept im Zuge der Umsetzung weiterzuentwickeln und auf geänderte Rahmenbedingungen zu reagieren. Die Realisierung des zweiten und dritten Bauabschnitts verzögert sich, da sie noch über Pachtverträge belegt sind und unterschiedliche Preisvorstellungen zum Grundstücksverkauf bestehen. Der vierte Bauabschnitt mit dem von Bürgerinnen und Bürgern geforderten Kinderbauernhof wurde 1998 begonnen und ist augenblicklich im Bau. Die Deutsche Bahn übernahm den Grundstückskauf und die Umsetzungskosten. Damit setzt sie Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen für das Bauvorhaben „Schnellbahnverbindung Hannover-Berlin“ um, wobei sich diese Maßnahmen natürlich auf Berliner Flächen beziehen. Die Pflege und weitere Betreuung der hergerichteten Bereiche des Mauerparks übernimmt das Naturschutz- und Grünflächenamt Prenzlauer Berg. Der erste und vierte Bauabschnitt umfassen zusammen knapp 9 ha, so dass das Land angehalten ist, die Umsetzung der anderen Abschnitte ebenfalls anzugehen, um den Vereinbarungen mit der Allianz-Stiftung Genüge zu tun. 4.3 Außenwerbung Wall Seit über 25 Jahren gestaltet die Wall Aktiengesellschaft den öffentlichen Raum mit Stadtmöbeln und Außenwerbung. Bus- und Tram-Wartehallen, Kioske, Stadtinformationsanlagen und City-Toiletten stehen den Städten kostenlos zur Verfügung. Die Refinanzierung erfolgt durch die Vermarktung hinterleuchteter Plakatflächen. (www.wall.de) Sicherlich förderte die öffentliche Finanzlage das Unternehmenskonzept, welches das Gesicht der Stadt derartig prägt. Die Aufgabe der öffentlichen Hand ist dabei gewaltig. Sie muss Grundlagen und Rahmenbedingungen für die Ausstattung des öffentlichen Raums mit Stadtmöbeln mindestens für eine bis zwei Generationen sichern, damit Wall wirtschaftlich agieren kann. So fertigte Wall eine Grundmodellreihe für Kleinserienfertigung, die variiert werden kann und über Jahre Anwendung finden soll. Das gestalterische Konzept des öffentlichen Raumes liegt allerdings einzig bei der öffentlichen Hand. Die Verrechnung von Leistung und Vergütung im Sinne des Geschäftsverhältnisses von privater zu öffentlicher Hand kann nicht vorgenommen werden. Allerdings war zu erfahren, dass die Berliner Verkehrsbetriebe als Mitpartner des Landes Berlin jährlich 4 Millionen DM (ca. 2 Mio. Euro) aus Werbeeinnahmen einnehmen. (nach Schöbel, S.135ff) Abb.3 One Stop Agency Finanzierung von Freiraum heute. Zum Beispiel Berlin. 41 5 Private Finanzierung von Freiräumen 5.1 Finanzsituation für Grünflächen in Berlin Die Situation der öffentlichen Grünflächen in Berlin stellt sich so dar, dass ein Anwachsen der Zahl der durch die Natur- und Grünflächenämter betriebenen Freiflächen ohne gleichzeitige Erhöhung der finanziellen und personellen Mittel zu verzeichnen ist. In Berlin standen 1998 31 Mio. DM für die Unterhaltung und den Neubau von Freiflächen für Gesamt-Berlin zur Verfügung, zum Vergleich: 1990 standen 60 Mio. DM nur für West-Berlin zur Verfügung. Der Personalbestand ist von 1990 zu 1998 um 30-40% zurückgegangen. Für die bezirkliche Grünpflege standen den Berliner Grünflächenämtern 1997 lediglich noch ca. 40 % des für notwendig berechneten Ansatzes zur Verfügung. (nach: Mahler, S. 34,35) Angesichts dieser Tatsachen sind die Berliner Grünflächenämter nicht mehr in der Lage, bestehende Freiräume angemessen zu pflegen, geschweige denn neu zu bauen. In den letzen Jahren kam daher eine Diskussion in Berlin auf, wie man Freiräume bzw. Grünanlagen qualitativ sichern kann. Das Verhältnis von privaten und öffentlichen Freiflächen muss daher hinsichtlich ihrer Nutzung und damit auch hinsichtlich Pflege und Unterhalt neu bewertet werden. Kosten für Unterhalt und Pflege der Freiflächen sollten bei der Planung von privaten Freiflächen stärker berücksichtigt werden. 5.2 Private Investoren Es existieren grundsätzlich drei Quellbereiche für private Finanzierungen von Freiräumen: Private Haushalte/ Privatpersonen, Unternehmen aus der freien Wirtschaft, Private Organisationen/ Stiftungen. Des Weiteren unterscheidet man bei privaten Investoren zwischen ProfitUnternehmen (d.h. Gewinn jeglicher Art) und Non-Profit-Unternehmen (z.B. Stiftungen). (nach: Kotler, S. 64) 42 5.3 Welche Intention verfolgen private Investoren? Gründe für Bürger, Vereine, Unternehmen, freiwillig Geld für Freiflächen zur Verfügung zu stellen, sind unterschiedlich. Freiraumplanung bedeutet heutzutage Kommunikation. Für private Investoren ist es wichtig, durch repräsentative Flächen potentielle Kunden anzusprechen. Eigeninteresse und Profit (in Form von Ansehen, Kundenwerbung, Präsentation) stehen hierbei im Vordergrund. Eine besonders schöne, qualitativ gute, spektakuläre Gestaltung eines Freiraums ist daher grundsätzlich möglicher Gegenstand unternehmerischen Engagements. (nach: Heinrich, S. 94-96) Die Bürokratie und die teilweise langwierigen Verwaltungsakte in Deutschland schrecken jedoch immer mehr Investoren ab, in Freiräume zu finanzieren. Da aufgrund der schlechten Haushaltslage auch das öffentliche Geld für Freianlagen fehlt, bleibt die Situation für Städte und Kommunen zur Finanzierung von Neuanlagen und der Unterhaltung von Freiflächen unverändert. 5.4 Möglichkeiten der privaten Finanzierung von Freiräumen Finanzielle Ressourcen sind vor allem Gelder, aber auch die direkte Bereitstellung von Dienstleistungen oder anderen Einsatzfaktoren. Dabei wird im Folgenden mehr auf die Geldmittel eingegangen, da z.B. Materialund Personalmittel sehr selten geleistet werden. Berlin will eine neue Wirtschaftsförderung für Unternehmen schaffen, die One-Stop-Agency (siehe Abb. 3). Sie dient als Ansprechpartner für Investoren und betreut die Investoren bei ihren Projekten. Nach dem Prinzip one-face-to-the-costumer soll den Investoren ein Ansprechpartner zur Verfügung gestellt werden, der diese betreut und eine Erleichterung im Berliner Verwaltungsdschungel darstellt. (nach: http://www.berlin.de/Senwiarbfrau/presse/2002/dezember/1012_1.html) Unterschiede zwischen privat und öffentlich finanzierten Freiräumen Generell gibt es große Unterschiede zwischen privat finanzierten und öffentlich finanzierten Freiflächen. Private Flächen haben meist einen höheren Baunettopreis pro m² zur Verfügung gestellt bekommen. So wird hohe Qualität durch teurere Materialien eingebaut. Das Personal zur Herstellung der Freiflächen wird vom Investor selber ausgewählt, wobei die Überwachung der Arbeiten er selber oder ein Projektsteueru Abb.4 qualifiziertes ngsunternehmen übernimmt. Die Ausführung von öffentlich finanzierten Freiräumen wird durch eine öffentliche Ausschreibung meist an die Firma mit dem billigsten Angebot abgegeben. Dies kann zur Folge haben, dass die Qualität der Arbeiten und der Ausführung niedrig ist. Des Abb.5 Weiteren übernimmt bei öffentlich finanzierten Freiräumen ein Sachbearbeiter des Bezirks die Überwachung der Projekte, wobei er meist mehrere Projekte gleichzeitig kontrollieren muss. Dies hat meist zur Folge, dass solche Bearbeiter durch die Anzahl der laufenden Projekte überlastet sind. Private Flächen sind auch teilweise für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Dagegen stehen öffentliche Freiflächen jedem zur Nutzung offen. Die Pflege bei privaten Flächen wird durch den Investor an eine von ihm selbst ausgewählte Garten- und Landschaftsbaufirma übergeben. Dabei übernimmt er ebenfalls die Kontrolle der Pflegemaßnahmen. Bei öffentlichen Freiräumen erfolgt nach der Fertigstellung der Baumaßnahmen die Übergabe der Flächen an die Grünflächenämter der Bezirke. Die Pflege der Freiflächen übernehmen Mitarbeiter der Grünflächenämter, die aber aufgrund der schlechten Haushaltslage und des momentanen Personalbestandes eine qualitätsgerechte Unterhaltung der Flächen nicht gewährleisten können. Hohe Qualität erzeugt zwar hohe Akzeptanz, aber sie erfordert auch einen hohen Pflegeaufwand. Daher sollten beim Entwurf bzw. Neubau von Freiflächen aufkommende Kosten für Pflege und Wartung im Planungsprozess eine wichtige Rolle spielen. Die öffentliche Hand ist aufgrund ihrer schlechten finanziellen Situation nicht in der Lage, die gebaute Qualität der Freiflächen aufrecht zu erhalten. Durch den entstehenden Qualitätsverlust vollzieht sich im Endeffekt eine Verdrossenheit bei den Investoren und diese ziehen sich für die Finanzierung von weiteren Neubauprojekten zurück. 5.5 Vor- und Nachteile von privater Finanzierung von Freiräumen Die Vorteile bei der Finanzierung von privaten Freiräumen für den Investor liegen darin, dass er die gesamte Entscheidungsgewalt im Planungs- und Ausführungsprozess besitzt. Er kann selber entscheiden, in welche Objekte er Geld investiert und was, wie und durch welche Firma gebaut wird. Dem entgegen steht der hohe Behördenaufwand vor dem Baubeginn, der durch seine Bürokratie den Baubeginn erschwert bzw. verzögert. Die Öffentlichkeit erhält qualitativ hohe Freiflächen zur Nutzung. Nachteile für die Öffentlichkeit sind die teilweise geringen Nutzungsmöglichkeiten der Flächen, da Verbote seitens des Investors und der öffentlichen Hand zum Erhalt der Flächen beitragen sollen. Außerdem können private Freiflächen teilweise für die Öffentlichkeit nicht zugänglich sein. Durch die Übertragung der Pflege an die öffentliche Hand entstehen des Weiteren ein hoher Aufwand und hohe Kosten für die Qualitätssicherung der Freiflächen. Finanzierung von Freiraum heute. Zum Beispiel Berlin. 43 5.6 Private Finanzierung von Freiräumen anhand des Beispiels Klingelhöfer Dreieck Das ehemalige Klingelhöfer Dreieck (siehe Abb.4) hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Das Gelände liegt im Übergangsbereich zwischen der geschlossenen Bebauung der City West, einer in der Nachkriegszeit mehrfach überformten gründerzeitlichen Stadtstruktur südlich des Landwehrkanals, und dem vormals mit großbürgerlichen Villen und Botschaften bebauten Tiergartenviertel. Das 29.000 m2 große Areal selbst wurde in den Nachkriegsjahren lediglich als Festwiese und Parkplatz genutzt. Dieser Status einer innerstädtischen Brache änderte sich trotz verschiedener Planungen erst nach der Wiedervereinigung. Im Flächennutzungsplan 1994 war es nun wieder als Standort für Botschaften und gehobenes innerstädtisches Wohnen vorgesehen, außerdem hatten die fünf nordischen Länder beschlossen, ein gemeinsames Botschaftszentrum auf dem nördlichen Klingelhöfer Dreieck zu errichten. (nach: Stadtwandel-Verlag, S.6) 1995 lobte das Land Berlin erneut einen beschränkten städtebaulichen Ideenwettbewerb nun nur noch für den südlichen Teil des Klingelhöfer Dreiecks aus, mit dem Ziel der Errichtung von Botschafts-, Verbandsbauten sowie qualitativ hochwertigem Wohnen, einschließlich notwendiger Wohnfolgeeinrichtungen und ergänzender Dienstleistungsbereiche. (nach: Stadtwandel-Verlag, S.44) Im Kreis der sieben eingeladenen Teilnehmer konnten sich das Büro Machleidt + Partner und Walther Stepp (beide Berlin) mit ihrem Konzept einer an gründerzeitliche Blockstrukturen erinnernden Baustruktur um einen kleinen Park durchsetzen. Im April 1996 wurde nach Überarbeitung und teilweiser Orthogonalisierung des Wettbewerbsergebnisses das städtebauliche Konzept endgültig verabschiedet. In einem anschließend im Januar / Februar 1997 gemeinsam vom Senat und der Groth Gruppe durchgeführten Realisierungsworkshop prämierte die Jury den Entwurf von Hilmer Sattler + Albrecht und bestätigte damit das städtebauliche Konzept von Machleit und 44 Stepp. Die Blöcke entlang der Klingelhöfer-, der Cornelius- und der Stülerstraße wurden zur weiteren Bearbeitung unter alle am Workshop beteiligten aufgeteilt und mit Ausnahme des Eckgrundstückes Klingelhöfer- / Corneliusstraße, welches durch die CDU erworben wurde, im Rahmen eines im Mai 1998 geschlossenen städtebaulichen Vertrages an die Groth Gruppe verkauft. Die verbleibenden vier landeseigenen Grundstücke an der Rauchstraße wurden bis auf die historische Stadtvilla (1912 von Georg Rathenau und Friedrich August Hartmann) anderweitig veräußert. Die Blockecke Stüler- / Rauchstraße ging an die Republik Jemen, die Blockecke Klingelhöfer- / Rauchstraße an die Vereinigten Staaten von Mexiko, das verbleibende Grundstück (Teilfläche 12) wurde an die Wirtschaftsprüfkammer veräußert. Für die beiden letzteren sowie für die CDU-Parteizentrale wurden 1997 und 1998 eigene Realisierungswettbewerbe durchgeführt. Die Investitionskosten für alle Anlagen und Gebäude, ohne Kosten für die Botschaften, belaufen sich in der Bauzeit von 1998 bis 2001 auf rund 350 Millionen Mark. (nach: StadtwandelVerlag, S. 8-42) Der als Hofgarten oder Pocket-Park bezeichnete Blockinnenraum (siehe Abb. 5) reiht sich nach Auffassung von Machleidt/Stepp und Burger/Tischer als eigene Identität zwischen die im südlichen Tiergartenviertel vertretenen Freiräume"Blockpark" (IBA-Projekt Rauchstraße), Schulhof (Caniuskolleg), Ehrenhof (Bendlerblock) und Piazza (Kulturforum) ein. In den Pocket-Park mit seinen 6000 m² wurden 900000 Euro investiert. Dies entspricht einem Quadratmeter-Preis von 150 Euro , der weit übe r den Quadratmeter-Preisen öffentlich finanzierter Projekte liegt. (nach: Stadtwandel-Verlag, S. 43) Bei allem angeführten Berlinischen Kontextualismus, bei allem Anspruch auf Normalität, ist sowohl die städtebauliche Figur als auch die Idee der Schaffung eines öffentlich zugänglichen privaten Parks, der in seinem Wesen zwischen der Privatheit eines normalen Blockinnenbereichs und einer repräsentativen Grünanlage schwankt, in Berlin grundsätzlich neu. 6 Fazit Es existieren viele unterschiedliche Methoden zur Finanzierung von Freiräumen durch öffentliche und private Hand. Dabei existieren große Unterschiede in den Ausführungen, in der Unterhaltung und in der Qualität der Freianlagen. Kooperationen zwischen privaten und öffentlichen Institutionen sollten stärker gefördert werden, um das Verständnis untereinander zu verbessern. Des Weiteren wäre eine Vereinfachung des Verwaltungsaufwandes für die öffentliche und private Hand hilfreich, da der Zeitfaktor bei solchen Bauprojekten ebenfalls ein erheblicher Kostenfaktor ist. Eine Förderung und Anwerbung von privaten Investoren ist aufgrund der knappen Haushaltslage der Stadt Berlin momentan unabdingbar. Denn, wie in Kapitel 1.2 beschrieben, ist es gerade der „grüne Bereich“, in dem eine Stadt, im Beispiel hier Berlin, die ersten Einsparungen vornimmt. Das Verhältnis von privaten und öffentlichen Freiflächen hinsichtlich ihrer Nutzung und damit auch hinsichtlich ihrer Pflege und Unterhaltung sollte neu durchdacht werden. Entstehende Kosten für Erhaltungsmaßnahmen müssten schon in der Planungsphase seitens des Planers und Investors berücksichtigt werden. Denn nur so kann es zu einer Planung kommen, die Qualität besitzt. Diese Qualität setzt sich wiederum fort in der Ausführung, aber vielmehr noch in der entstehenden Pflege. Schließlich sind es gerade die Freiflächen und Außenanlagen, mit denen sich eine Stadt schmücken kann. Nicht zuletzt haben sie auch eine gewisse Repräsentationspflicht zu erfüllen, denn welcher Bewohner oder Tourist könnte eine Stadt wie Berlin anziehend finden, wenn diese nicht auch durch Parks, Plätze und grüne Oasen überzeugen würde?! Finanzierung von Freiraum heute. Zum Beispiel Berlin. 45 Quellenverzeichnis Literatur CLEMENS-ZIEGLER, B./ Look, F., Public Private Partnership – Eine Konzeption für die Schaffung neuer Märkte?, Fachhochschule für Technik und Wirtschaft. Berlin 1998 MAHLER, Erhard, Dürre in den Kassen. Wer bezahlt die Freiraumplanung?, Stadtforum, 12/1998 POHL, H.P., Fundraising, Sponsoring, Public Private Partnership – Instrumente des strategischen Beschaffungs-Marketing für Hochschulen, ProfilPlus Marketing für öffentliche Institutionen GmbH. Hamburg 2001 ERTEL Dr., R., Weltweite Projekte der EXPO 2000 in Deutschland, Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung, Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsförderung E.V., Hannover 2000 Quartiersmanagement Berlin, „Quartiersmanagement“ – Was ist das?; Die Quartiere – Marzahn NordWest; Und was kostet das Ganze?, in: www.quartiersmanagement-berlin.de www.gruen-berlin.de EXPO 2000 HANNOVER GMBH (Hrsg.), Die weltweiten Projekte der Expo 2000, Bände 1 und 2. Hannover 2000 SCHÖBEL, Sören; WENZEL, Jürgen, Eingriffe in die kommunale Freiraumplanung. Berlin 2000 Forschungsgruppe Stadt und Dorf, Flächenmanagement in Brandenburg, Ministerium für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr. Potsdam 1999 Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Öffentliche Grün- und Erholungsanlagen – Erholungspark Marzahn, in: www.berlin.de HEINRICH, Alexander, Sponsoring als Instrument zur Finanzierung öffentlicher Freianlagen Diplomarbeit TU Berlin. Berlin 1999 Stadtwandel-Verlag, Die neuen Architekturführer Nr. 27. Tiergarten Dreieck. Berlin 2002 HEINZ, W. (Hrsg.), Public Private Partnership – ein neuer Weg zur Stadtentwicklung? Stuttgart 1993 (Tages-)Presse zum Thema der Finanzsituation Berlin, Berliner Zeitung, Tagesspiegel, Focus JAEGER, Falk, Berlin – Hauptstadt der Gartenkunst, in: Garten + Landschaft 11/2001 WENZEL, Jürgen; SCHÖBEL, Sören, Für eine neue Freiraumplanung, in: Garten + Landschaft 3/1999 KOTLER, Philip, Social marketing : strategies for changing public behavior. New York, 1989 www.berlin.de/Senwiarbfrau/presse/2002/dezember/10-12_1.html LÖSSE, Julia, Berlin am Tipping Point: Segregation und neue Armut, in: Die Vierte Dimension – Prozessorientierte Landschaftsarchitektur für eine Gesellschaft im Wandel, Diplomarbeit TU-Berlin 1999. Berlin 46 Wall Stadtmöblierung: www.wall.de Tabellen/ Abbildungen Tab.1 eigene Darstellung Tab.2 Clemens-Ziegler, B./ Look, F., Public Private Partnership – Eine Konzeption für die Schaffung neuer Märkte?, Fachhochschule für Technik und Wirtschaft. Berlin 1998 Abb.1 Tagesspiegel 6.12.2002 Abb.2 Heinrich, Alexander, Sponsoring als Instrument zur Finanzierung öffentlicher Freianlagen Diplomarbeit TU Berlin Fachgebiet LA Loidl, 1999 Abb.3 Aufbau der One-Stop-Agency in Berlin Abb.4 Blick auf das Tiergarten Dreieck/ Klingelhöfer Dreieck Abb.5 Blick in den Pocket-Park Kontakte Grün Berlin Park und Garten GmbH. Ansprechpartner: Herr Göhler Grün Berlin Park und Garten GmbH – Erholungspark Marzahn Ansprechpartner: Frau Reuber Engelhardt, Birgit – Dipl. Ing. Landschaftsarchitektin, Amt Marzahn Nachhaltige Stadtentwicklung Rummelsburger Bucht: Projektträger: Wasserstadt GmbH; Ansprechpartner: Uli Hellwig, Geschäftsführer; www.rubu.de Finanzierung von Freiraum heute. Zum Beispiel Berlin. 47 karin moser christina röske katarzyna weiss Was kostet der Ort? 1 Einleitung „Was kostet der Ort“? Das gilt es in diesen Ausführungen zu klären. Wie entstehen Kosten? Welche Kosten entstehen? Was hat Einfluss auf diese Kosten? Theoretisches Hintergrundwissen ermöglicht die Anwendung an praktischen Beispielen. Aus diesem Grund ist das Referat in einen theoretischen und einen praktischen Teil gegliedert. Normen und Regelwerke, durch die die Kosten für Freiflächen bestimmt werden, werden beschrieben. Die DIN 276 (Norm zur Errichtung einer Freifläche), das Pflegezumessungsmodell (Modell zur Pflege und Erhaltung der Freifläche nach Fertigstellung) und die HOAI (Honorarordnung von Architekten und Ingenieure) werden näher vorgestellt und im praktischen Teil auf konkrete Beispielparks bezogen. Hier wird eine Übersicht über die verwendeten Kostengruppen, Materialien, Quadratmeterpreise und Bauvolumen zusammengestellt. Es werden Fragestellungen wie die Rolle des Standorts, das Verhältnis Folgekosten zu Herstellungskosten und die Rolle der Qualität beleuchtet. Den Einstieg bildet aber zunächst das theoretische Hintergrundwissen. 2 Theoretischer Teil 2.1 DIN 276 : Kosten im Hochbau 2.1.1 Geschichte und Zweck Zum ersten Mal wurde die DIN 276 im August 1934 mit dem Titel „Kosten von Hochbauten“ zusammen mit der DIN 277 (Grundflächen und Rauminhalte von Bauwerken im Hochbau) herausgegeben. Beide Normen wurden danach oft neu bearbeitet und neu verfasst, unter anderem 1971 und 1981. Im Juni 1993 hat der Deutsche Normenausschuss Bauwesen (NABau) die heute gültige, neugestaltete DIN 276 „Kosten im Hochbau“ herausgegeben und damit die 50 Norm, Ausgabe April 1981, abgelöst. Der neue Titel weist darauf hin, dass auch die anderweitig entstehenden Aufwendungen, wie Kosten für Außenanlagen und Baunebenkosten von ihr abgedeckt werden. Sie ist eine Rechtsverordnung, mit dem 1. Wohnungsbaugesetz von 1950 als Ermächtigungsgrundlage. Die DIN 276 dient der Ermittlung der anrechenbaren Kosten im Rahmen der Honorarermittlung nach der HOAI. Diese Kostenermittlung ist Vorraussetzung für die Prüffähigkeit eines Honoraranspruches nach HOAI, deswegen sollten alle Kostenermittlungen für Hochbauten, von der Kostenschätzung bis zur Kostenfeststellung, nach DIN 276 angefertigt werden. 2.1.2 Gliederung Die DIN 276 ist in die folgenden vier Bereiche unterteilt: Anwendungsbereich Begriffe Kostenermittlung und Kostengliederung. 2.1.2.1Anwendungsbereich Der Anwendungsbereich wird exakt umschrieben. Es werden die Investitionskosten für Maßnahmen zur Herstellung, zum Umbau und zur Modernisierung der Bauwerke einschließlich aller dabei entstehenden Kosten ermittelt. Die Norm gilt für Kostenermittlungen nach dem Stand der Bauplanung, nicht aber für Kostenannahmen, die vor Beginn der Bauplanung als Vorwegangaben für den finanziellen Rahmen gebräuchlich sind. 2.1.2.2Begriffe Es werden die Kostenermittlung, Begriffe Kosten im Hochbau, Kostenplanung, Kostenschätzung, Kostenberechnung, Kostenanschlag, Kostenfeststellung, Kostenkontrolle, Kostensteuerung, Kostenkennwert, Kostengliederung, Kostengruppe und Gesamtkosten definiert. 2.1.2.3Kostenermittlung Die Kostenermittlung ist in zwei Abschnitte gegliedert. Der erste Abschnitt umfasst die Grundsätze der Kostenermittlung. Sie behandeln Zweck, Darstellung, Art, Vollständigkeit, Kostenermittlung bei Bauabschnitten, Kostenstand, Grundlagen, Erläuterungen, besondere Kosten, wiederverwendete Teile, Eigenleistungen sowie die Umsatzsteuer. Sie wurden in erweiterter Form dargestellt, um eine verbesserte Wirtschaftlichkeit und Kostensicherheit zu erreichen. Im zweiten Abschnitt werden die vier Arten der Kostenermittlung dargestellt. Dazu gehören die Kostenschätzung, die Kostenberechnung, der Kostenanschlag und die Kostenfeststellung, zu denen Folgendes anzumerken ist. Kostenschätzung Die Kostenschätzung ist die überschlägige Ermittlung der Gesamtkosten, bereits zu einem Zeitpunkt, in dem die Planung erst in groben Umrissen erkennbar ist. Sie ist, im Gegensatz zu den anderen Kostenermittlungsarten, noch unverbindlich und erfordert einen geringeren Zeitaufwand. In ihr sollen die Gesamtkosten nach Kostengruppen mindestens bis zur ersten Ebene der Kostengliederung ermittelt werden, es werden aber noch keine Einzelleistungen erfasst. Sie dient als Grundlage für die Entscheidung über die Vorplanung und findet dementsprechend in der Vorplanungsphase (Leistungsphase 2 der HOAI) statt, in der nur wenige grobe Planungsund Kostendaten vorliegen. Dabei werden die Flächen- und Rauminhalte möglichst genau ermittelt und mit Erfahrungswerten multipliziert. Abb.1: Beispiel für eine Kostenschätzung Was kostet der Ort? 51 Kostenberechnung Die Kostenberechnung ist eine verbindliche Unterlage und stellt eine angenäherte Ermittlung der Kosten dar (die Genauigkeit liegt bei 10 - 15 %). In ihr sollen die Gesamtkosten nach Kostengruppen mindestens bis zur zweiten Ebene der Kostengliederung ermittelt werden. Sie dient als Grundlage für die Entscheidung über die Entwurfsplanung und findet in der entsprechenden Phase (Leistungsphase 3 der HOAI) statt. Ihre Grundlagen sind Vorentwurfs-/Entwurfspläne, gegebenenfalls Detailpläne, die Massenberechnung sowie ausführliche Erläuterungen. Es findet eine Feingliederung der Kostendaten und der Planungsdaten nach Bauteilen, Bauelementen, etc. statt. Die Kosten für ein Bauvorhaben können anhand von Listen zu Garten- und Landschaftsbauarbeiten kalkuliert werden. 52 Kostenanschlag und Kostenfeststellung Der Kostenanschlag ist ebenfalls eine verbindliche Unterlage. Er hat einen sehr hohen Genauigkeitsgrad, d.h. es geht um die möglichst genaue Ermittlung der Kosten mit nur geringfügigen Abweichungen, was einen verhältnismäßig hohen Arbeits- und Zeitaufwand erfordert. Er stützt sich unter anderem auf vollständige Planungsunterlagen, Berechnungen der Mengen von Bezugseinheiten der Kostengruppen sowie Erläuterungen zur Bauausführung, wie Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnis. Er dient zur Kostenkontrolle, weil die Kosten mit denen in der Kostenberechnung entstandenen verglichen und geprüft werden können. Der Kostenanschlag dient als eine Grundlage für die Entscheidung über die Ausführungsplanung (Leistungsphase 5 der HOAI) und die Vorbereitung der Vergabe (Leistungsphase 6 der HOAI). Bei der Kostenfeststellung geht es um die Ermittlung der tatsächlich entstandenen Kosten (die Genauigkeit liegt bei 100%). Sie dient zum Nachweis der Kosten, ist dokumentarisch und zum Kostenvergleich geeignet. Es sollten alle durch Listen oder Bücher nachgewiesenen und durch Abrechnungsunterlagen belegten Kosten in der Systematik der Kostengliederung geordnet und zusammengefasst werden. Sie stützt sich auf Nachweise, zeichnerische Unterlagen und Erläuterungen. Es sollen die Gesamtkosten nach Kostengruppen bis zur 2. Ebene der Kostengliederung unterteilt werden und bei Baumaßnahmen, die für Vergleiche und Kostenkennwerte ausgewertet und dokumentiert werden, sollte die Gliederung bis zur 3. Ebene erfolgen. Abb. 2 : Beispiel für eine Kostenberechnung Was kostet der Ort? 53 Abb.3 : Beispiel für das Inhaltsverzeichnis Ausschreibung 54 Abb.4 : Beispiel für ein Blatt des Leistungsverzeichnisses gem. DIN 276 Im Leistungsverzeichnis wird eine Beschreibung der einzelnen Bauleistungen aufgestellt. Die durchzuführenden Arbeiten und deren Umfang sind in Positionen festgelegt, und zu jeder Position gehört die Mengenangabe und die Einheit, in der geliefert, geleistet und abgerechnet wird. Es wird an die Bewerber/Bieter (z.B. Garten- und Landschaftsbaufirmen) vergeben bzw. ausgeschrieben und diese setzen ihre Preise in die entsprechenden Spalten des Leistungsverzeichnisses ein und machen damit ihr Angebot, das zu einem bestimmten Termin abgegeben werden muss. 2.1.2.1Kostengliederung Bei der Ausführungsorientierten Gliederung der Kosten werden die Kosten je nach Umständen oder Erfordernis des Einzelfalls so gegliedert, wie es die Ausführung erfordert. Dabei werden die Kostengruppen der 1. Ebene nach dem Herstellungsablauf unterteilt. In dem Fall kann die Gliederung in Leistungsbereiche entsprechend dem Standardleistungsbuch für das Bauwesen (StLB Abschnitt 4.4), dem Standardleistungskatalog (StLK) oder der Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB Teil C) verwendet werden, was der 2. Ebene der Kostengliederung entspricht. Das weitere erforderliche Aufschlüsseln z.B. in Teilleistungen (nach Inhalt, Eigenschaften und Menge) ist der 3. Ebene gleichzusetzen. Für die Ausschreibung landschaftsgärtnerischer Arbeiten ist die DIN 18320 „Landschaftsbauarbeiten“ in VOB Teil C „Allgemeine technische Vorschriften für Bauleistungen“ bindend, die Gliederung des Leistungsverzeichnisses erfolgt nach der neuen DIN 276. 2.1.3 Fazit Die DIN 276 bildet sozusagen einen Rahmen für die Kostenermittlung von Bauwerken und Freiräumen. Sie hilft dabei, genaue Kosten zu ermitteln, die Einhaltung der Kosten zu kontrollieren und die Entwicklung der Kosten zu steuern. Anhand der beiden nachfolgend dargestellten Projekte wird die praktische Anwendung dieses theoretischen Überblicks der DIN 276 nochmals verdeutlicht und dabei die erforderlichen Kostengruppen für Herstellung und Pflege aufgeführt und konkretisiert. 2.2 Pflegezumessung Nach der Errichtung der Grünanlage folgt die Pflege. Es gibt Pflegezumessungsmodelle, die bestimmen, welche Kosten für die Pflege einer Freifläche veranschlagt werden. Es gibt öffentliche und nicht-öffentliche Freiflächen. Die als öffentlich gewidmeten Grünanlagen werden in Berlin vom jeweiligen Bezirksamt erhalten und gepflegt. Die Pflege bei nicht öffentlichen Flächen übernimmt ein nicht-staatlicher Träger (wird in diesem Teil nicht bearbeitet). 2.2.1 Pflegezumessungsmodelle für öffentliche Grünanlagen Die staatliche Pflege von Freiräumen ist in Berlin durch ein Gesetz geregelt. Das Gesetz, zum Schutz , zur Pflege und zur Entwicklung der öffentlichen Grün- und Erholungsanlagen vom 24. November 1997 besagt im § 4 Schutz, Pflege und Entwicklung: „Für Schutz-, Pflege-, und Entwicklungsmaßnahmen öffentlicher Grün- und Erholungsanlagen sollen die Bezirke der Größe und der Bedeutung der Anlage angemessene Parkpflegewerke oder Pflegerichtlinien aufstellen.“ Ziel ist eine Umsetzung von Pflege- und Entwicklungskonzepten für die Fläche. Gepflegt wird nach gärtnerischen und ökologischen Grundsätzen zur Erhaltung und Entwicklung der Grünflächen. ( SENATSVERWALTUNG FÜR FINANZEN, 2003, S. 76) Das Zumessungsmodell für die Pflege von öffentlichen Grünanlagen wird derzeit reformiert. In dieser Übergangsphase gelten zwei Modelle. Das alte, demnächst abgeschaffte A04-Modell und das neue Modell der „Outputorientierung“ (Arbeitstitel), das sich an einer Kosten-Leistungsrechnung orientiert. Der Unterschied der beiden Modelle wird im Folgenden dargestellt. Das alte Modell wird, obwohl es demnächst nicht mehr gilt, noch beschrieben, um die Entwicklung nachvollziehen zu können. Was kostet der Ort? 55 2.2.1.1A04–Modell (veraltet) Das A04-Modell bestimmt die Höhe der Gelder für die Pflege einer Grünanlage über zwei Bestimmungsgrößen, die Anlageart und die Pflegeklasse. Die Anlageart ist eine Aufteilung der zu unterhaltenden Grünanlagen nach funktionalen Gesichtspunkten. Solche Anlagearten sind: 011 Parkanlagen über 50 ha, 012 Parkanlagen 10-50 ha, 013 Wohnungsnahe Grünanlagen, 014 Naherholungsanlagen, 020 Kinderspielplätze, 030 Straßengrün, 040 Sportanlagen, 110 Kleingärten (Rahmengrün), 120 Landeseigene Friedhöfe, 050 Grünflächen an Schulen, 060 Grünflächen an Kindertagesstätten, 073 Grünflächen an öffentlichen Gebäuden und Straßenbäume. Auf Grund von Erfahrungswerten werden für die einzelnen Anlagearten relative Anteile von Kostenstellen festgelegt. Ein Beispiel wäre die Prozentualverteilung einer „Wohnungsnahen Grünanlage“: Spiel– und Liegerasen mit 10,1 %, Zierrasen mit 40,4 %, Blumenbeete mit 0,1 %, Stauden mit 0,4 %, Rosen mit 0,3 %, Ziergehölze mit 22 %, Wildgehölze mit 11,4 %, Hecken mit 0,9 %, Tennenflächen mit 7,2 % und Asphaltflächen mit 7,2 %. Außerdem sind 250 m Wasserleitungen pro ha, 100 m Umzäunungen pro ha, fünf Bänke pro ha, und fünf Papierkörbe als Kostenstellen aufgeführt. An jeder Kostenstelle werden Arbeitsgänge verrichtet. Die Arbeitsgänge werden in Sachmittel und Personal aufgegliedert. Zu den Sachmitteln zählen bestimmte Kostenarten, wie z.B. Düngemittel, Wasser sowie die Abnutzung des Rasenmähers etc. Bei den Personalkosten verzehrt jede Kostenstelle pro 56 Arbeitsgang und Einheit unter normalen Bedingungen eine bestimmte Menge an Arbeitszeit, den Zeitaufwand, der nach Erfahrungswerten festgelegt ist. Der Pflegeturnus ist die Häufigkeit der jeweiligen Arbeitgänge in einem Jahr. Dieser bemisst sich in bis zu vier Pflegeklassen. Pflegeklasse I ist eine intensiv gepflegte, Pflegeklasse IV eine extensiv gepflegte Grünanlage. Die Berechnung der Pflegeklassen für die jeweilige Fläche ergibt sich aus der Berücksichtigung des Nutzungsdrucks. Für „Wohnungsnahe Grünanlagen“ sind die Pflegeklassen I-III möglich je nach den Kriterien des Versorgungsgrades mit öffentlichen Anlagen, durchschnittliche Anlagengröße, Anteil der Wohnungen in Mehrfamilienhäusern und Anteil ausländischer Bevölkerung. Die Berechnung erfolgt nach statistischen Gebieten innerhalb der Bezirke. Bei „Parkanlagen mit 10-50 ha“ sind die Pflegeklassen II-III möglich. Die Kriterien werden innerhalb festgelegter Einzugsbereiche (mehrere statistische Gebiete) für die jeweilige Parkanlage erhoben und sind identisch mit denen der „Wohnungsnahen Grünanlage“. Für „Naherholungsanlagen“ können alle Pflegeklassen zutreffen je nach der Intensität der Nutzung. Anlagearten für die Pflegeklasse I sind verkehrsgünstig gelegene Erschließungsbereiche (z.B. Dampferanlegestellen), unter II fallen Uferpromenaden und -wanderwege, unter III fallen waldähnliche Parkanlagen mit Intensivzonen spezieller Nutzung (z.B. Badewiesen), unter IV sind waldähnliche Parkanlagen ohne Intensivzonen zu finden. Bei Straßenbäumen erfolgt die Einteilung der Pflegeintensität aufgrund des Alters. Die möglichen Pflegeklassen werden mit A, B, C beschrieben. Ein bis 15 Jahre alter Baum fällt unter A, 15-40 Jahre B, über 40 Jahre C. Der Jahresbedarf für eine Einheit jeder Kostenstelle (m2 bzw. Stück) ist das Produkt von Pflegeturnus und Bedarf einer Kostenart (für Sachmittel) bzw. Zeitaufwand (für Personal) pro Arbeitsgang. Bei den Sachmitteln wird der Jahresbedarf mit den marktüblichen Preisen bewertet. Entsprechend der Struktur (relative Anteile) der Kostenstellen für die einzelnen Anlagearten und dem Jahresbedarf einer Einheit der Kostenstellen wurde der jährliche Bedarf pro m2 bzw. ha jeder Anlageart für die entsprechenden Pflegeklassen (Pflegeturnus) ermittelt. Zum Beispiel ergibt das bei den Sachmitteln 2,81 DM für einen m2 der Anlage „Wohnungsnahe Grünanlage“ (Pflegeklasse I). Die Beträge bilden Richtwerte für den laufenden Sachaufwand, Beschaffungen und Erneuerungen. Die Kostenrichtwerte werden jährlich nach dem Preissteigerungsindex für Wohngebäude fortgeschrieben. Das Personal hat folgende Richtwerte auf dieses Beispiel: 1456 Stunden je ha der Anlageart „Wohnungsnahe Grünanlagen“ (Pflegeklasse I). Diese Richtwerte wurden im Rahmen der Einführung neuer Richtwerte für die Bemessung des Personalbedarfs im Grünpflegebereich der bezirklichen Gartenbauämter 1987 erstmals angewendet. Die Richtwerte wurden aufgrund von Rationalisierungen an die jeweilige Zeit angepasst. (SENSTADT I F 312, 2000, o.S.) Der Nachteil dieses Modells ist die Steuerung der Bemessung über den Input, also nach den Haushaltsansätzen. Der Haushalt hat eine Summe festgelegt und diese wurde ausgegeben, egal ob nötig oder nicht. Die festgesetzten Gelder orientieren sich nicht an den tatsächlichen Ausgaben für die Grünanlage. Hier wird eine Unwirtschaftlichkeit gesehen, was die Reformierung dieser Pflegebemessung veranlasst hat. 2.2.1.1Das neue Modell (Outputorientierung) Die Budgetierung der Bezirksämter baut auf die Daten der Kosten- und Leistungsrechnung auf und erfordert ein finanzorientiertes Berichtswesen auf allen Managementebenen. Die Einführung einer ergebnisorientierten Budgetierung auf Basis von Kostenrechnungsdaten (Berliner Budgetierung) ist bis zum Juni 2003 noch nicht vollständig abgeschlossen. Das Konzept der „Outputorientierung“ steht. Die Umsetzung wird schrittweise eingeleitet. Der Output stellt die Arbeitsergebnisse der Berliner Verwaltung dar, auch Produkte (z.B. Grünflächen) genannt. Dieser Produktkatalog ist ein wesentliches Reformelement und Grundlage für die Kosten- und Leistungsrechnung. In ihm spiegeln sich die Ergebnisse der Leistungen der Berliner Verwaltung wider. Aufgrund der unterschiedlichen Aufgabenstrukturen in den Bezirken und der Hauptverwaltung gibt es für diese jeweils einen Produktkatalog. Dieser wurde erstmalig 1994 entwickelt und seitdem regelmäßig aufgrund neu gewonnener Ergebnisse angepasst. Produkte sind in Hierarchien eingebunden, um den unterschiedlichen Informationsbedürfnissen der Verwaltungen gerecht zu werden. Konkret setzt sich ein Produkt aus verschiedenen Leistungen zusammen. Bei einer Größenordnung von ca. 10000 Leistungen allein in den Bezirken wird deutlich, warum die Produkt- und nicht die Leistungsebene den richtigen Anknüpfungspunkt für eine Steuerung und Budgetierung bildet. Produkte, die in einem unmittelbaren fachlichen Zusammenhang stehen, werden zu Produktgruppen zusammengefasst. Mehrere Produktgruppen werden wiederum einem Produktbereich zugeordnet. Produktbereiche stellen die höchste Aggregationsebene der Produkthierarchie dar und bilden das Leistungsspektrum der einzelnen Verwaltungseinheiten ab. Thematisch lassen sich die Produktbereiche damit den bezirklichen Abteilungen (Fachbereichen) zuordnen. Das angewendete Verfahren zur Outputbewertung wird als Kostenträgerrechnung bezeichnet. Dafür werden zunächst alle Kostendaten durch die Kosten-Leistungsrechnung erfasst. Diese Kosten werden den Produkten zugeordnet, die deshalb als Kostenträger bezeichnet werden. Die Ergebnisse der Kostenträgerrechnung bilden die Grundlage für die Berechnung von Globalbudgets für einzelne Verwaltungen (zentrale Budgetierung) sowie deren interne Verteilung auf die beteiligten Stellen (dezentrale Budgetierung). Das heißt, dass erst anhand der Transparenz der eigenen Arbeitsergebnisse und des daraus resultierenden Budgets sich für jede Organisationseinheit Anreize zum wirtschaftlichen Umgang mit den eigenen Mitteln ergeben und dies zum optimalen Einsatz knapper Ressourcen führt. Das Steuerungsinstrument für den effizienten Umgang mit knappen Ressourcen ist das Controlling. Es werden durch ein Berichtswesen Aussagen über IstZustand und über Abweichungen der Daten aus der Kosten-Leistungsrechnung getroffen. Dieses Berichtswesen des Controllings basiert auf Produktdaten und unterstützt so eine ergebnisorientierte Steuerung. Durch das Berichtswesen werden die vielfältigen Kostendaten ergebnisorientiert übersichtlich aufbereitet Was kostet der Ort? 57 und wesentliche Informationen zusammengefasst. Die Berichte dienen demnach als Planungs- und Entscheidungsgrundlage für die verantwortlichen Stellen. (Abschluss Kostenrechnung 1999, Produktsummenbudget.) Als Ergebnis wird eine bessere Steuerung der tatsächlichen Arbeitsergebnisse angestrebt und eine neue Qualität in der Finanzmittelzuweisung erhofft. „Die Bezirksverwaltungen mit ihrer einheitlichen Produktpalette bieten gute Voraussetzungen für den Praxiseinsatz dieses in der Bundesrepublik neuen, wettbewerbsorientierten Finanzmittelzuweisungsverfahren“ (SENATSVERWALTUNG FÜR FINANZEN II B3, 1998, S. 1). 1999 wurde erstmals auf Grundlage der Jahresdaten aus der Kosten- und Leistungsrechnung für alle Bezirke ein Jahresabschluss erstellt. Dieser Jahresabschluss 1999 bildete die Grundlage für den Einstieg in die outputorientierte Budgetierung der Berliner Bezirke. Im Ergebnis wurde für jeden Bezirk ein Produktsummenbudget ermittelt, in dem die Budgetanteile aller Produkte zusammengefasst sind. Um die Ernsthaftigkeit des Budgetierungseinstiegs zu unterstreichen, wurden diese Produktsummenbudgets bei der Berechnung der Globalsummen für das Haushaltsjahr anteilig berücksichtigt, bis das neue System vollständig übernommen wird. Schema: Outputorientierung Arbeitsergebnisse Kosten-Leistungsrechnung Budgetierung Controlling 58 2.3 Die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) Die Grundlage für die Schaffung der HOAI bildet das Gesetz zur Verbesserung des Mietrechts und zur Begrenzung des Mietanstiegs sowie zur Regelung von Ingenieur- und Architektenleistungen (MRVG), welches 1971 in Kraft getreten war. Der Artikel 10 §§ 1,2 ermächtigte die Bundesregierung durch eine Rechtsverordnung, eine Honorarordnung zur Regelung von Architektenund Ingenieursleistungen zu erlassen. Das Bundesministerium für Wirtschaft gab den entscheidenden Anstoß zur Entwicklung der HOAI, indem es die Gruppe Pfarr/Arlt/Hobusch mit der Vorformulierung der HOAI beauftragte. Auf dieser Grundlage entstand die im Wesentlichen noch heute geltende Honorarordnung. Sie trat am 1. Januar 1977 in Kraft. Es folgten eine Reihe von Änderungsnovellen, die die HOAI erweiterten und vervollständigten. Im Wesentlichen regelt die HOAI Mindest- und Höchstpreise von Architektenund Ingenieursleistungen. Sie hat lediglich preisrechtlichen Charakter, d.h. sie greift nicht in die Vorschriften des Vertragsrechts ein. Selbst der § 8, der die Zahlung des Honorars regelt, gilt trotz seines vertragsrechtlichen Inhalts als Preisrecht. 2.3.1 Anwendungsbereiche Nach § 1 gilt die HOAI für die Berechnung der Entgelte für erbrachte Architekten- und Ingenieursleistungen. Dabei ist es unmaßgeblich, ob es sich tatsächlich um Architekten und Ingenieure oder um Berufsfremde handelt, denn ausschlaggebend ist die erbrachte Leistung. Der sachliche Anwendungsbereich der HOAI umfasst also alle Leistungen, die in den Leistungsbildern der Honorarordnung erfasst sind. Sie wirkt also tätigkeitsbezogen, nicht berufsbezogen. Der räumliche Anwendungsbereich erstreckt sich über das gesamte Bundesgebiet, sofern von Deutschen Architekten- oder Ingenieursleistungen im Inland erbracht werden. Diese Regelung gilt auch für Ausländer, die zur Zeit des Vertragsabschlusses ihren Geschäftssitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben. Übersteigen die anrechenbaren Kosten die Summen, die in den Honorartafeln erfasst sind, ist die HOAI nicht mehr anwendbar. In solchen Fällen können die beteiligten Parteien das Honorar frei vereinbaren, ohne sich an die Mindestund Höchstsätze der Honorarordnung halten zu müssen. 2.3.2 Aufbau Die HOAI ist in 14 Teile eingeteilt. Teil I umfasst die allgemeinen Vorschriften, die für alle nachfolgenden Vorschriften Gültigkeit haben. In den Teilen II bis XIII sind in sich abgeschlossene Leistungsbilder dargestellt. Der Teil XIV dagegen beinhaltet Überleitungs- und Schlussvorschriften, die sich auf den gesamten Text der HOAI beziehen. Teil I: Allgemeine Vorschriften; ist unterteilt in die Paragraphen: § 1 Anwendungsbereich § 2 Leistungen § 3 Begriffsbestimmungen § 4 Vereinbarung des Honorars § 5 Berechnung des Honorars in besonderen Fällen § 6 Zeithonorar § 7 Nebenkosten § 8 Zahlungen § 9 Umsatzsteuer Teil II: Leistungen bei Gebäuden, Freianlagen und Innenräumen Teil III: Zusätzliche Leistungen Teil IV: Gutachten und Wertermittlungen Teil V: Städtebauliche Leistungen Teil VI: Landschaftsplanerische Leistungen Teil VII: Leistungen bei Ingenieursbauwerken und Verkehrsanlagen Teil VII a: Verkehrsplanerische Leistungen Teil VIII: Leistungen bei der Tragwerksplanung Teil IX: Leistungen bei der Technischen Ausrüstung Teil X: Teil XI: Teil XII: Teil XIII: Teil IV: Leistungen für Thermische Bauphysik Leistungen für Schallschutz und Raumakustik Leistungen für Bodenmechanik, Erd- und Grundbau Vermessungstechnische Leistungen Schluss- und Überleitungsvorschriften Für die Profession des Landschaftsarchitekten gilt im Besonderen der Teil II der HOAI: Leistungen bei Gebäuden, Freianlagen und Innenräumen. 2.3.1 Leistungsbilder In der HOAI sind die Tätigkeitsbereiche der Architekten und Ingenieure in Leistungsbildern erfasst. Die in Leistungsbildern erfassten Leistungen gliedern sich laut § 2 der HOAI in Grundleistungen und Besondere Leistungen. Grundleistungen umfassen die Leistungen, die zur ordnungsgemäßen Erfüllung eines Auftrages unbedingt erforderlich sind. Sind besondere Anforderungen an die Ausführung eines Auftrages gestellt, die über die allgemeinen Leistungen hinausgehen, spricht man von Besonderen Leistungen. Grund- und Besondere Leistungen greifen bei der Ausführung eines Auftrages ineinander über. Liegen nur Teilergebnisse innerhalb einer Leistungsphase vor, wird der gesamte Ablauf einer Planung empfindlich gestört. Die einzelnen Leistungsbilder sind unterteilt in Leistungsphasen, die den chronologischen Ablauf einer Planung skizzieren. Für die Leistungen im Bereich Landschaftsarchitektur gilt das Leistungsbild Objektplanung für Gebäude, Freianlagen und raumbildende Ausbauten, das im § 15 aufgeführt ist. Die Leistungen dieses Leistungsbildes umfassen 9 Leistungsphasen, die in einem detaillierten Leistungskatalog zu finden sind. Die einzelnen Leistungsphasen sind: Leistungsphase 1 – Grundlagenermittlung: Die Grundlagenermittlung umfasst Arbeitsgänge, die im Vorfeld einer Planung von Bedeutung sind. Voraussetzungen werden geschaffen, die für die Ausführung eines Auftrages erforderlich sind. Was kostet der Ort? 59 Grundleistungen z.B. Klären der Aufgabenstellung, Beraten zum Leistungsbedarf, Formulieren von Entscheidungshilfen Besondere Leistungen Grundleistungen Besondere Leistungen z.B. Bestandsaufnahme, Standortanalyse, z.B. Objektbeschreibung mit Erläuterung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen, zeichnerische Darstellung des Gesamtentwurfs, Verhandlung mit Behörden, Kostenberechnung nach DIN 276 z.B. Wirtschaftlichkeitsberechnung, Prüfen der Umweltverträglichkeit Leistungsphase 2 – Vorplanung: In dieser Phase wird ein Planungskonzept erstellt, das die Vorstellungen des Auftraggebers berücksichtigt. Das Planungskonzept (Vorentwurf) beinhaltet auch alternative Lösungsansätze und wird zeichnerisch abgebildet. Um dem Auftraggeber eine grobe Übersicht über die auf ihn zukommenden Kosten zu geben, wird in dieser Planungsphase die Kostenschätzung nach DIN 276 vorgenommen. Leistungsphase 4 – Genehmigungsplanung: Die Planungsunterlagen müssen nun im genehmigungsreifen Zustand vorliegen. Grundleistungen Besondere Leistungen Grundleistungen Besondere Leistungen z.B. Vorentwurf, Integration der Leistungen anderer an der Planung z.B. Aufstellen eines Finanzierungsplanes, Mitwirken bei der Kreditbeschaffung, z.B. Erarbeiten der Vorlagen, die für Genehmigungen erforderlich sind, Einreichung der Vorlagen, z.B. Fachliche und organisatorische Unterstützung des Bauherrn im Widerspruchsverfahren, Klageverfahren o.ä. Beteiligter, Vorverhandlungen mit Behörden, Kostenschätzung nach DIN 276 Aufstellen eines Organisationsplanes Zeit- und Leistungsphase 3 – Entwurfsplanung: Das Ergebnis dieser Leistungsphase ist ein vollständiger Gesamtentwurf, der aber noch nicht die Form von eingabereifen Plänen entspricht. Je nach Art und Größe des Bauvorhabens ist er im Maßstab 1:500 bis 1:100 vorzulegen. Nach der Kostenschätzung erfolgt in der Leistungsphase 3 die Kostenberechnung. 60 Vervollständigen und Anpassen der Pläne Leistungsphase 5 – Ausführungsplanung: Der Ausführungsplan wird erstellt, mit Detailplanung und Konstruktionszeichnungen bis zum Maßstab 1:1. Der Ausführungsplan enthält alle notwendigen Angaben und schriftliche Erläuterungen, die zur Ausführung der Planung notwendig sind. Änderungen des Plans aufgrund von neuen Wünschen des Auftragsgebers (z.B. Verwendung anderer Baustoffe) sind als besondere Leistungen abzurechnen. Grundleistungen Besondere Leistungen Grundleistungen Besondere Leistungen z.B. Durcharbeiten der Ergebnisse der z.B. Erarbeiten von Detailmodellen z.B. Überwachen der Ausführung des z.B. Tätigkeit als verantwortlicher Bauleiter Leistungsphasen 3 und 4, Erstellen des Ausführungsplans Leistungsphase 6 – Vorbereitung der Vergabe: In dieser Phase hat eine Mengenermittlung und -zusammenstellung als Grundlage zur Aufstellung von Leistungsbeschreibungen mit Leistungsverzeichnissen zu erfolgen. Grundleistungen z.B. Mengenermittlung Zusammenstellung, Aufstellen Leistungsverzeichnissen Besondere Leistungen und von z.B. Aufstellen von Kostenübersichten unter Auswertung der Beiträge anderer an der Planung Beteiligter Leistungsphase 7 – Mitwirkung bei der Vergabe: Anhand der in Phase 6 entstandenen Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnissen, sind nun Angebote von Firmen einzuholen und zu prüfen. Ein Preisspiegel ist anzufertigen und der Kostenanschlag nach DIN 276 ist aufzustellen. Mit den bietenden Firmen ist zu verhandeln. Mit einer Vollmacht vom Auftraggeber kann der Planer Verträge mit den Unternehmen abschließen. Grundleistungen Besondere Leistungen z.B. Einholen von Angeboten, Prüfen und z.B. Werten der Angebote, Kostenanschlag nach DIN 276 von Preisspiegeln Anforderungen Aufstellen, Prüfen nach und Werten besonderen Leistungsphase 8 – Objektüberwachung (Bauüberwachung): Der Planer überwacht die korrekte Ausführung seiner Planungen. Er muss dabei nicht ständig auf der Baustelle anwesend sein. Objekts, Aufstellen und Überwachen eines Zeitplans, Kostenfeststellung nach DIN 276, Kostenkontrolle Leistungsphase 9 – Objektbetreuung und Dokumentation: In dieser Phase erfolgt u.a. eine Objektbegehung zur Feststellung etwaiger Mängel. Der Planer ist für einen festgelegten Zeitpunkt zur Mängelbeseitigung verpflichtet. Spätestens nach 5 Jahren endet aber diese Frist. Grundleistungen z.B. Objektbegehung Mängelfeststellung, Überwachen Beseitigung von Mängeln Besondere Leistungen zur z.B. Erstellen von Bestandsplänen, Erstellen der von Wartungs- und Pflegeverzeichnissen, Baubegehung nach Übergabe 2.3.2 Honorarberechnung Das Honorar für die erbrachten Leistungen im objektplanerischen Bereich errechnet sich laut HOAI nach: - den anrechenbaren Kosten (§ 10) der zulässigen Honorarzone (§§ 13 und 14) dem Honorarsatz (§ 17) dem Leistungsumfang (§ 15) 2.3.2.1Anrechenbare Kosten Im § 10 wird der Planer verpflichtet, seine erbrachten Leistungen in drei Phasen abzurechnen und die ermittelten Summen als anrechenbare Kosten vorzulegen. Die anrechenbaren Kosten für die Leistungsphasen 1 bis 4 errechnen sich Was kostet der Ort? 61 auf der Grundlage der Kostenberechnung nach DIN 276. Liegt diese nicht vor dient die Kostenschätzung als Grundlage. Der Kostenanschlag bildet die Basis für die Ermittlung der anrechenbaren Kosten für die Leistungsphasen 5 bis 7. Liegt kein Kostenanschlag vor, wird die Kostenberechnung zur Hilfe gezogen. Für die Leistungsphasen 8 bis 9 bildet die Kostenfeststellung die Grundlage zur Ermittlung der anrechenbaren Kosten. Im Falle des Fehlens einer Kostenfeststellung dient der Kostenanschlag als Basis zur Errechnung. Zone IV: Zone V: Freianlagen mit 23 bis 29 Punkten Freianlagen mit 30 bis 35 Punkten 2.3.2.2Honorarzone Um das Honorar ermitteln zu können, sieht die HOAI die Beurteilung von Plan ungsschwierigkeitsgraden mit Hilfe von Honorarzonen vor. Für die Leistungen bei Freianlagen gibt es fünf Honorarzonen, in die der Planer seine Leistung einzuordnen hat: Zone I: sehr geringe Planungsanforderungen Zone II: geringe Planungsanforderungen Zone III: durchschnittliche Planungsanforderungen Zone IV: überdurchschnittliche Planungsanforderungen Zone V: sehr hohe Planungsanforderungen Im einfachsten Fall ist die Einordnung in eine Honorarzone eindeutig, aber oft sind Einzelleistungen erbracht worden, die unterschiedliche Schwierigkeitsstufen aufweisen und somit in verschiedene Honorarzonen einzuordnen sind. In solch einem Fall werden Einzelkriterien, die im Absatz 3 des § 13 aufgeführt sind, isoliert mit bis zu acht Bewertungspunkten versehen. Aus der Summe der Bewertungspunkte ergibt sich, laut § 13 Absatz 2, die Einordnung in die zutreffende Honorarzone: Zone I: Freianlagen mit bis zu 8 Punkten Zone II: Freianlagen mit 9 bis 15 Punkten Zone III: Freianlagen mit 16 bis 22 Punkten 62 Abb. 5 Honorartafel für Grundleistungen bei Freianlagen 2.3.2.1Honorarsatz Der § 17 enthält die für Landschaftsarchitekten interessante Honorartafel für Grundleistungen bei Freianlagen. Zu den jeweiligen anrechenbaren Kosten sind, für jede Honorarzone einzeln, Mindest- und Höchstsätze der Honorare festgesetzt. Innerhalb dieser Spanne bewegt sich das zu zahlende Honorar an den Planer, das verhandelt werden kann. Wenn nicht anders vereinbart gilt der Mindestsatz. In der Regel liegen die anrechenbaren Kosten zwischen den in der Honorartafel angeführten Werten. In diesem Fall ist nach § 5 a HOAI linear zu interpolieren. Dafür wird folgende Formel (FRANKEN) angewandt: a + (S – A) (b – A) B–A x = gesuchtes Honorar S = anrechenbare Kosten des Objekts A = nächst niedrigere anrechenbare Kosten gemäß Honorartafel B = nächst höhere anrechenbare Kosten gemäß Honorartafel a = Honorar bei A gemäß Honorartafel b = Honorar bei B gemäß Honorartafel x= 2.3.2.2Leistungsumfang Die erbrachten Leistungsphasen nach § 15 werden in Vonhundertsätzen der Honorare des § 17 wie folgt bewertet: Leistungsphasen Bewertung der Grundleistungen für Freianlagen in Vonhundertsätzen der Honorare 1. Grundlagenermittlung 2. Vorplanung 3. Entwurfsplanung 4. Genehmigungsplanung 5. Ausführungsplanung 6.Vorbereitung der Vergabe 7. Mitwirkung bei der Vergabe 8. Objektüberwachung 9. Objektbetreuung und Dokumentation 3 10 15 6 24 7 3 29 3 1 bis 9 100 % Gesamt: 2.3.2.3 Zeithonorar Des Weiteren besteht laut § 6 der HOAI die Möglichkeit das Honorar für erbrachte Leistungen des Auftragnehmers oder seiner Mitarbeiter, nach Stundensätzen zu berechnen. Der Auftragnehmer schätzt im Voraus seinen Zeitbedarf ein und gibt ihn als Fest- oder Höchstbetrag an. Ist es vorab nicht möglich, den Zeitaufwand zu schätzen, erfolgt die Honorarberechnung auf der Grundlage des nachgewiesenen Zeitbedarfs. Für jede Stunde können folgende Beträge berechnet werden: für den Auftragnehmer 82,00 € für Mitarbeiter, die technische oder wirtschaftliche Aufgaben erfüllen für Technische Zeichner und sonstige Mitarbeiter mit vergleichbarer Qualifikation, die technische oder wirtschaftliche Aufgaben erfüllen. 43,00 € 38,00 bis 36,00 bis 59,00 € 31,00 bis 2.3.1 Die Bedeutung der HOAI Seit dem Frühjahr 2001 arbeiten Architekten und Ingenieure zusammen mit dem Bundeswirtschaftsministerium auf eine grundlegende Novellierung der HOAI hin. Gleichzeitig schlägt der Bundeswirtschaftsminister Clement die Abschaffung der HOAI vor und stößt damit auf allgemeinen Protest bei den betroffenen Professionen, denn diese Einstellung zeugt in den Augen der Betroffenen von einem hohen Grad an Missachtung oder unverzeihlicher Unkenntnis gegenüber dem Berufsstand der Architekten und Ingenieure. Die Abschaffung der HOAI entzieht allen Beteiligten eine einheitliche, gerechte Verhandlungsgrundlage und verdammt Architekten und Ingenieure zum Arbeiten zu Dumpingpreisen, was für viele, vor allem kleine Planungsbüros, das Aus bedeutet. Aber der Wegfall der HOAI birgt noch andere Gefahren, die Was kostet der Ort? 63 auch den Auftraggeber und nicht nur die Auftragnehmer betreffen. Die HOAI erzwingt eine ständige Rückkopplung zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber, dessen Vorgaben und Wünsche umgesetzt werden müssen. Die HOAI beschreibt den Planungsablauf und macht entstehende Kosten und Entgelte kalkulierbar. Leistungen und Kosten werden transparent. Planung ist gegenüber anderen Leistungen ein Prozess, bei dem ein Preiswettbewerb nicht sinnvoll ist, denn der Auftraggeber kann die angebotenen Leistungen nicht wie eine Ware vergleichen. Vergleichbar sind nur die entstehenden Kosten, die aber nichts über den Entwurf an sich aussagen. Also bietet die HOAI den Architekten und Ingenieuren eine auskömmliche wirtschaftliche Grundlage für die Auftragserfüllung. Sie gibt dem Bauherrn die Sicherheit, zu einem angemessenen Preis eine Leistung erbracht zu bekommen, die der erwarteten Qualität entspricht. Es ist nicht sinnvoll für Architekten und Ingenieure, über Preiswettbewerbe Aufträge zu erhalten, sondern sie sollten über Leistungswettbewerbe miteinander in Konkurrenz treten. Ohne die HOAI würde ein gnadenloser Preiswettbewerb, verbunden mit erheblichen Qualitätsverlusten, losbrechen. Eine solche Politik würde nur den finanziell Starken das Überleben sichern und viele mittelständige Büros in die Insolvenz treiben. Die Honorarordnung leistet also ihren Beitrag zur Durchsetzung der von der Bundesregierung geforderten Mittelstandspolitik. Außerdem ermöglicht die HOAI bundesweit einheitliche Vergütungsregeln. So ist in ganz Deutschland derselbe Standard zu erwarten. Qualität ist ein wichtiges Gut, das ein wesentliches Element einer Planung bedeutet. 2.3.2 Fazit Es gibt eigentlich zu viele Argumente für die HOAI. Die HOAI aus Gründen des Bürokratieabbaus abzuschaffen, ist also keine Problemlösung. Aber die betroffenen Berufsstände kämpfen um die HOAI und haben auch den Bundesbauminister Manfred Stolpe auf ihrer Seite. Er hat den Architekten und Ingenieuren am Deutschen Baumeistertag 2003 zugesichert, sie nicht auf den freien Markt zu werfen. Es bleibt Hoffnung für die HOAI. 64 3 Praktischer Teil Im praktischen Teil der Ausarbeitung gilt es nun, die theoretischen Grundlagen auf konkrete Beispiele zu übertragen. „Was kostet der Ort?“ wird nun anhand von zwei Beispielen verdeutlicht. Vorgestellt werden eine öffentliche Grünfläche, der Priester-Pape-Park, und eine Fläche an einer Wohnsiedlung mit halböffentlichen Charakter, das Low-Budget-Projekt Park „Spreefenster“. Die Beispiele wurden nach ihrem Charakter und ihren Trägern gewählt, um unterschiedliche Dimensionen von Freiflächen aufzuzeigen. Es kann daher schwer ein direkter Vergleich angestrebt werden. Bei den beiden Flächen werden Kosten zur Herstellung und Pflege beschrieben. Bei der Beschaffung von Angaben zu konkreten Kosten waren wir auf die Auskünfte von Ämtern und Planungsbüros angewiesen. Aufgrund von unterschiedlicher Auskunfts bereitwilligkeit ist die Quantität der zu treffenden Aussagen unterschiedlich ausgefallen. 3.1 Priester-Pape-Park Der Priester-Pape-Park liegt in Berlin Tempelhof-Schöneberg westlich der S-Bahnlinie zwischen den S-Bahnhöfen Priesterweg und Papestraße. Der ehemals ungenutzte Geländestreifen wurde 1999-2002 zu einer öffentlichen Freifläche umgestaltet. Zweck der Neugestaltung war die Erschließung für einen übergeordneten Fuß- und Radweg im Stadtbereich. Es gibt zahlreiche Querverbindungen (z.B. eine Fußgängerbrücke) zum in unmittelbarer Nähe liegenden Naturpark Schöneberger Südgelände im Osten und zur Kleingartensiedlung im Westen. Die übrigen Flächen weisen einen zurückhaltenden und extensiven Charakter auf. Abgesteckte Streifen können auch nach und nach von den Kleingartenparzellen eingenommen werden. Daneben gibt es Birkenpflanzungen, die in Anlehnung an ein spontan entstehendes Birkenwäldchen im Süden angelegt wurden, sowie eine Streuobstwiese, eine Sportwiese und Freizeitwiesen. Die vorhandene Aufschüttung des Geländes ist ergänzt worden und dient sowohl als Aussichtsmöglichkeit über die Stadt als auch als Lärmpuffer zur SBahnlinie. Abb. 6 Plan Priester-Pape-Park 3.1.1 Gestaltung An die neue Wegeachse lagern sich unterschiedliche Freiräume an, die die Nutzer zum Verweilen einladen und die Kleingärtner der benachbarten Kolonien zu gemeinschaftlichen Aktivitäten anregen. Neben den beiden Eingängen des Parks an den S-Bahnhöfen im Norden und im Süden befinden sich vier analog gestaltete Aussichtsflächen in regelmäßigen Abständen entlang des Weges mit erhöhtem Niveau. Das erhöhte Geländeniveau der Aussichtsflächen bietet Fernblicke zu städtischen Wahrzeichen der benachbarten Bezirke, um das räumliche Bewusstsein des Besuchers zu schärfen. Sie bestehen aus jeweils zwei gegeneinander verkippten Flächen mit Rasenböschung, die durch den Hauptweg wiederum in zwei Bereiche gegliedert sind. Die Platzflächen werden durch Sitzmauern eingerahmt, und Säulenpappeln markieren sie von Ferne in der Stadtlandschaft. Alle Plätze sind mit einem wieder erkennbaren Merkzeichen (z.B. Kiefernpflanzung) ausgestattet, das den Park ins Bewusstsein der vorüberfahrenden S-BahnGäste rückt. Neben diesen gleichen Elementen sind die Plätze in vier verschiedene Themenbereiche aufgegliedert und dementsprechend unterschiedlich ausgestattet. Es gibt den Aussichtsplatz des Sports, den Aussichtsplatz des Sonnens, den Aussichtsplatz des Picknicks und den Aussichtsplatz des Spiels. 3.1.2 Nutzung Die Fläche hat einen stark sportlichen Charakter. Die Nutzung ist entsprechend gemischt durch Inline-Skater, Radfahrer und Fußgänger. Hundebesitzer nutzen die Fläche als Auslaufmöglichkeit, da im nahegelegenen Südgelände Hundeverbot herrscht. Abb.7 Prieser-Pape-Park 3.1.3 Entstehungsgeschichte 1998 wurde die Grün Berlin Park und Garten GmbH mit der Planung und Umsetzung der Maßnahme von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Umwelt und Technologie beauftragt. Die Planung des Parks hat das Büro Kiefer, Berlin übernommen, nachdem es 1. Preisträger im 1995 durchgeführten Wettbewerb zur Vorbereitung der Bundesgartenschau 1995 war. Die Ausführungsplanung wurde vom Büro Klapka übernommen. 1998 wurde begonnen, den bisher ungenutzten Geländestreifen als attraktiven Was kostet der Ort? 65 Park zu gestalten. Die Ausweisung des Geländestreifens als Ausgleichsfläche hat die neue Planung ermöglicht. Im Planfeststellungsbeschluss zur Bundesautobahn 100 Sachsendamm VB1/92 der Senatsverwaltung für Verkehr und Betriebe vom 7.10.1992 ist als wesentliche Ersatzmaßnahme für den Eingriff in Natur und Landschaft ein Grünzug mit Fuß– und Radweg einschließlich Überquerung des Sachsendamms und der Bundesautobahn sowie des Prellerwegs von der Naumannstraße bis zur Sembritzkistraße vorgesehen. Bei dem Fuß- und Radweg handelt es sich um einen 5 m breiten Verbindungsweg zwischen der „Schöneberger Insel“ im Norden und dem „Südende“ im Süden. In diesem Gebiet ergeben sich daher zwei Erholungsräume mit unterschiedlichem Charakter, die eine besondere Bereicherung der Erlebnisvielfalt darstellen. Der Priester-Pape-Park ist eine gestaltete Parklandschaft, geprägt durch locker gestreuten Gehölzbestand, vereinzelte Sportmöglichkeiten und Aussichtsbereiche, wogegen das Südgelände, parallel auf der anderen Seite der Bahngleise, eine dicht bewachsene Bahnbrache mit geschützten Naturflächen aufweist. 3.1.4 Finanzierung Durch die Ausweisung der Fläche als Ausgleichs- und Ersatzfläche wurde eine Gesamtmittelsumme von 1.789.521,58 Euro (Nettobausumme) veranschlagt. Die Finanzierung war daher gesichert. 3.1.5 Bauvolumen 3.1.6 Kostenaufstellung Der Park wurde 2002 fertig gestellt und hat Folgendes gekostet. Die Angaben der Kosten wurden anhand der Kostengruppen der DIN 276 aufgelistet. Die erste Abbildung zeigt die Gesamtkosten der jeweiligen Kostengruppen. Die nachfolgenden Tabellen zeigen die einzelnen Positionen mit Quadratmeterpreisen und jeweiligen Gesamtkosten. 200 Herrichten 130 126 € 500 Außenanlagen 520 Geländearbeiten 348 400 € 530 Baukonstruktionen 46 251 € 540 Wirtschaftsgegenstände 32 416 € 560 Anlagen für Sonderzwecke 45 506 € 570 Verkehrsanlagen 594 928 € 580 Grünflächen 409 474 € 590 Sonstige Außenanlagen 147 766 € Verwendete Kostengruppen des Parks Im Folgenden werden ausgewählte Positionen aus den Kostengruppen herausgenommen und genauer dargestellt, da eine vollständige Aufzählung den Rahmen sprengen würde. 200 Herrichten Gesamtmittel: 1 789 521 € Material Abriss, Abfuhr Betonflächen Einheit 200 m2 Gesamtkosten brutto (Stand 2002): 1 757 593,67 € für die Freianlage (Restmittel 31 927 €) Roden von Bewuchs 40 St Flächengröße: 7 ha 66 Einzelpreis Gesamtpreis m2 30 € 6000 € 24 000 € Stück 300 € 520 560 Geländearbeiten Material Einheit Sichtbeton für Stützmauer der Rampe, Schalung, Niveauunterschied 50-400 cm im Bereich Bewehrung, 70 lfm Einzelpreis Gesamtpreis lfm 443 € lfm 138 € 41 415 € Böschungsmodellierung m2 1,50 € 1 800 € 540 Material Einheit Einzelpreis Gesamtpreis Streetballständer 1 St 1278 € Rutsche 1 St 1534 € Schaukel 1 St 1022 € Rutschberg 1 St 17384 € 31 024 € Granitblöcke für Sitzmauer 45x50x250 cm dunkelgrau, anthrazit, Oberflächen bruchrauh, 300 lfm Stirnseiten gesägt 1200 m2 Anlagen für Sonderzwecke Wirtschaftsgegenstände 570 Verkehrsanlagen Material Wegebelag 571 Einheit Einzelpreis Gesamtpreis Material Einheit Einzelpreis Gesamtpreis Abfallkörbe aus feuerverzinktem Stahl 25 St Stück 230 € 5752 € Fahrradständer (Bügelparker) aus Stahlrohr, 20 St OK 80 cm, je 2 Fahrräder Asphalt zweilagig 3+7 cm, Fuß- und Radweg, 3800 m 300 cm breit m2 47,80 € 81 818 € Stück 143 € 2863 € Sonnenliege aus Stahlgeflecht 4 St Stück 511 € 2045 € Granitplatten 100x100x10 cm, als Plattenweg 650 m2 m2 110 € 71 454 € Picknicktisch aus Holz (800x100 cm) 1 St 2556 € m2 26,60 € 151 549 € Picknickbänke 2 St Stück 1022 2044 € € Granitschotter für Aussichtsplätze 8/16 , 5700 m2 kantiges Material, zweilagig, 10 cm stark lfm 33 € 39 881 € lfm 23 € 16 106 € Bänke aus Metall 12 St Stück 920 € 11043 € Nistkästen für Höhlenbrüter 30 St Stück 31 € Wegweiser aus Hartaluminium 1 St Wegeeinfassungen 572 920 € Cortenstahlwinkel abgerundet, seitliche 1200 lfm Einfassung des Weges, als Aufkantung 2556 € 150x150x4 mm Cortenstahlband Randeinfassung 4x10 mm 700 lfm Was kostet der Ort? 67 Cortenstahlblech für Böschungen, großformatigen Platten 200x300 zugeschnitten 580 aus 1200 m2 cm m2 49 € 58 288 € Gesamtpreis Grünflächen Material Einheit Einzelpreis Säulenpappel 40 St Stück 332 € 13 294 € Weißbirken 190 St Stück 215 € 40 802 € Schwarzkiefern 35 St Stück 435 € 15 211 € Frühjahrsblüher 9000 St Stück 0,50 4 601 € € Bodendecker 1000 m2 m2 9,70 € 9 715 € Baumpflanzung 345 St Stück 46 € 15 875 € Baumgruben 345 St Stück 54 € 18 521 € Fertigstellungspflege 500 m2 m2 8 € 4 000 € Material Einheit Einzelpreis Gesamtpreis Sportrasen Säulenpappel 4050 m2 m2 4 € 16 200 € Trittrasen 100 m2 m2 1,50 € 150 € Blumenwiesenmischung 46000 m2 m2 1,50 € 69 000 € Fertigstellungspflege für Rasen 58150 m 116 300 € 583 Rasen Baustelleneinrichtung 68 2 m 2€ 2 8180 € Der Quadratmeterpreis für die Außenanlagen der Nettobausumme beläuft sich auf 21,60 €. Die Ingenieurkosten wurden nach §17 der HOAI berechnet. Dem Büro Kiefer wurden die Leistungsphasen 2 (10 %) und 3 (15 %) bezahlt. Für die Leistungsphase 2 erhielten sie 39.520 € und für die Leistungsphase 3 59.280 €. Insgesamt lagen die Kosten für die Ingenieure zzgl. der Nebenkosten bei 93.300.00 €. Da der Park eine enorme Größe besitzt, wurden teure Elemente nur auf bestimmten Plätzen verwendet, wie an den vier Aussichtsplätzen und an den Eingangsbereichen. Bei den Materialien kommen teilweise nur auf Grund der großen Fläche und nicht des besonderen Materials hohe Kosten vor. Dies gilt es hier zu berücksichtigen. 3.1.7 Pflege Das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg hat nach Fertigstellung die Pflege und Erhaltung des Parks übernommen. Der Park wurde in die Pflegeklasse IV des neuen Pflegezumessungsmodells eingeordnet. Das bedeutet, dass keine regelmäßige Pflege durchgeführt wird, die Verkehrssicherheit jedoch gewährleistet wird (Ziel). Für eine Fläche der Pflegeklasse IV gilt nach der Produktdefinition folgende Bemessung von Leistungen. „Aufgrund eigener Erfahrungen und im Vergleich mit anderen Großstädten liegt der Pflegeaufwand der Regiekräfte in der Aufwandsklasse IV pro m2 zwischen größer 0 und kleiner als 2,4 Nettoarbeitsminuten im Jahr. Die Sachkosten bei Vergabe dieser Leistungen betragen zwischen 0,60 und 1,30 € pro Jahr /pro m2.“ (Produktkatalog für Berlin, 2003). Letzteres trifft für die Fläche nicht zu, da die Pflege des Priester-PapeParks nicht an externe Firmen vergeben wird, so dass keine Sachkosten im Sinne des Produktkatalogs entstehen. Die Pflege übernehmen die Mitarbeiter des Grünflächenamts Tempelhof-Schöneberg. Qualitätsindikatoren der Pflegeklasse IV sind die Einhaltung fachlicher Standards, die Zufriedenheit der Nutzer und der Erfüllungsgrad des angestrebten Entwicklungsziels. Nach einer Statistik in einer Ausarbeitung der Senatsverwaltung für Finanzen mit dem Titel „Was kostet wo wie viel ?“ wird unter dem Bereich Stadt-/ Landschaftsplanung, Natur und Grünflächen „die Pflege eines m2 Grünfläche pro Jahr?“ angegeben. Für Tempelhof-Schöneberg wird der Wert 2,27 € angeführt. Daraus ergibt sich für den Park ein Schätzpreis von 158 900 € im Jahr auf 7 ha. 3.2 Park „Spreefenster“ Direkt am Spreeufer, auf einer verwilderten Industriebrache in der Schnellerstraße 99 – 102, entstand eine Wohnanlage mit 105 Wohneinheiten mit der Auflage, die Ruderalvegetation und den alten Baumbestand auf der Mitte des Grundstücks zu erhalten und zu einem Stadtteilpark zu gestalten. Im Anschluss an den Bau der Wohneinheiten und die Fertigstellung der Außenanlagen der Privatgrundstücke wurde der „Spreefenster“-Park über Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen für den Wohnungsbau verwirklicht. Von Abb. 8 Entwurf Park „Spreefenster“ Anfang an war klar, dass es sich dabei um ein Low-Budget-Projekt handeln würde. Unter dieser Prämisse wurde das Planungsbüro Atelier Loidl mit einer möglichst kostengünstigen Gestaltung des Grundstücks beauftragt. Das gesamte Grundstück wurde dabei in drei Lose aufgeteilt, wobei das Los 3 den eigentlichen Park „Spreefenster“, mit einer Fläche von 3565 m², bildet. 3.2.1 Gestaltung Die grundlegende Gestaltungsidee für den „Spreefenster“-Park ist es, die herausragenden Qualitäten, die der Ort in sich birgt, deutlich herauszuarbeiten. Dabei galt es, die direkte Lage am Ufer der Spree und den alten Baumbestand zu inszenieren. Zunächst wurde der Bezug zwischen dem Spreeraum und dem Quartier mit klar gefassten, direkt geführten Wegen hergestellt. Abb.9 Uferweg an der Spree Die Wege bilden auf diese Weise eine Pforte zum Fluss und der Park selbst wird zum Fenster zur Spree. Entlang dem Ufer der Spree gibt es einen tiefer gelegenen, vom eigentlichen Spreepark deutlich abgesetzten Uferweg, der so als eigenständiger Teilbereich wahrnehmbar wird. Die vorhandene Ruderalvegetation fungiert als Raumgrenze und als Sicht- und Lärmschutz, sowohl zur Straße, als auch zum Uferweg. Ein Holzdeck mit Blick auf die Spree, zwischen dem z-förmigen Gebäude und dem Fluss, erinnert an das früher auf der Fläche befindliche „Wirtshaus Loreley“ und soll als Kaffeeterrasse und gebäudebezogener Aufenthaltsort dienen. Zur Straße und zum Wasser hin wurde der alte Baumbestand inszeniert. Während an anderen Stellen der von der ehemaligen Industrienutzung kontaminierte Boden ausgetauscht wurde, sind dort Steinwälle unter den Bäumen aufgetürmt Was kostet der Ort? 69 Abb. 10 Blick durch den Park worden, die verhindern, dass man mit dem giftigen Untergrund in Berührung kommt. Der extensive Wiesenraum zwischen den Ruderalflächen ist für Erholung und freies Kinderspiel vorgesehen. 3.2.2 Finanzierung Der Park „Spreefenster“ ist ausschließlich über Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen zum angrenzenden Wohnungsbauvorhaben finanziert worden. Der Bauherr „Stadt und Land Wohnbautengesellschaft mbH“ hat also den Park finanziert. Die Gesamtkosten betrugen 97 657 Euro netto bei einem Quadratmeterpreis von 21,10 Euro. Der Park „Spreefenster“ ist der Öffentlichkeit zugänglich und gehört dem Bezirk Treptow. 3.2.3 Kosten Die Angaben der Kosten wurden anhand der Kostengruppen der DIN 276 aufgelistet. Die erste Abbildung zeigt die Gesamtkosten der jeweiligen Kostengruppen. Die nachfolgenden Tabellen zeigen die einzelnen Positionen mit Quadratmeterpreisen und jeweiligen Gesamtkosten. 200 500 510 520 530 70 Herrichten Außenanlagen Geländeflächen Geländearbeiten Baukonstruktionen 4 550 € 30 210 € 34 791 € 4 446 € 540 Wirtschaftsgegenstände 0€ 590 Sonstige Außenanlagen 3 820 € Verwendete Kostengruppen des Parks „Spreefenster“ 200 Herrichten Posten Einheit Einzelpreis Gesamtpreis Gesamtfläche von Schutt und Unrat säubern 3 5 6 5 m2 0,45 € m2 820,24 € 510 Geländeflächen Material 511 Geländebearbeitung 524 Randeinfassungen Einheit Einzelpreis Gesamtpreis Bodenabtrag 47 m³ Baumlöcher in Rasenflächen 49 Stck Stck 56,40 2763,38 € € Baumlöcher in befestigten Flächen 1 Stck Staudenbeet mit einem Gemisch aus 25 m² vorhandenem Oberboden mit Kompost, im Verhältnis 3:1, herstellen m³ 6,54 € 307,59 € Stck 56,40 56,40 € € m² 7,21 € 180,23 € 514 Pflanzen und Fertigstellungspflege Betula pendula 50 Stck Stck 34,77€ 1738,39 € Ulmus X hollandica “Dodoens” 20 Stck Stck 14,11 282,23 € € Ligustrum vulgare 30 Stck Stck 1,50 € 46,00 € Scilla sibirica 1 0 0 0 Stck 0,28 € 281,21 € Stck 520 Material Geländearbeiten Einheit Einzelpreis Gesamtpreis Granit-Mosaikpflasterflächen 4-6 cm, aus 170 m² gebrauchtem Material m² 46,27 € 7866,23 € Grauwackefläche in Handarbeit aus 220 m² Schüttstein, Körnung 300-500 mm auf die Ahornwälle m² 29,30 € 41 415 € Grauwacke-Grobschotter Körnung 45/56 mm 5 m³ m³ 75,67 € 378,36 € Betonkantensteine Form C, 6/25/100 cm 213 lfm lfm 14,24 € 3033,00 € Einfassung mit Tiergartengitter 90 lfm lfm 82,32€ Einfassung mit Bandstahl unbehandelt, 25 lfm lfm 24,39 € 635,28 € 7408,62 € 100 x 4 mm Der Quadratmeterpreis für die Außenanlagen der Nettobausumme beläuft sich auf 21,10 € bei einer Fläche von 3565 m². 3.2.4 Pflege Das Bezirksamt Treptow hat nach Fertigstellung des „Spreefenster“-Parks die Pflege und Erhaltung des Parks übernommen. Derzeitig erfährt der Park keine regelmäßige Pflege und sieht dementsprechend ungepflegt aus. Nach einer Statistik in einer Ausarbeitung der Senatsverwaltung für Finanzen mit dem Titel „Was kostet wo wie viel?“ wird unter dem Bereich Stadt-/ Landschaftsplanung, Natur und Grünflächen „die Pflege eines m2 Grünfläche pro Jahr?“ angegeben. Für Treptow wird der Wert 1,25 € angeführt. Daraus ergibt sich für den Park „Spreefenster“ ein Schätzpreis von 4456,25 € im Jahr auf eine Fläche von 3565 m². 3.2.5 Prinzipien zur kostengünstigen Planung Bei der Gestaltung des Parks „Spreefenster“ wurden sechs Prinzipien zur kostengünstigen Planung berücksichtigt, die sich auch auf andere Planungen anwenden lassen. Die Prinzipien helfen, Kosten gering zu halten, aber trotzdem qualitative Arbeit abzuliefern. Inszenierung des Vorhandenen: Jeder Ort hat seine besondere Ausstrahlung. Die Geschichte des Ortes, Standortfaktoren und vorhandene Elemente, gilt es in den Mittelpunkt der Planung zu rücken. Besonderheiten werden hervorgehoben und in Szene Was kostet der Ort? 71 gesetzt. Das Vorhandene wird lediglich um weitere Elemente erweitert. „Das Vokabular wird erweitert, die Sprache bleibt erhalten.“ (nach Reimann, 1999, S. 18) Weniger ist mehr: Die Beschränkung auf das Wesentliche fördert Klarheit und Übersichtlichkeit des Entwurfes und regt den Benutzer zu Selbstinitiative an. Punktuelle Intervention: Die Neugestaltung eines Ortes muss nicht immer gleichgesetzt werden mit dem kompletten Ersetzen der vorhandenen Strukturen. Neue Räume entstehen auch durch punktuelle Eingriffe. Phasenmodell: Phasenmodelle planen die Fertigstellung einer Planung in sinnvollen Arbeitsschritten über einen längeren Zeitraum hinweg. Der „Spreefenster“Park-Entwurf wurde in 2 Phasen umgesetzt. Die Erd-, Erschließungs- und Vegetationsarbeiten wurden in der ersten Bauphase verwirklicht. Die Möblierung und Beleuchtung kamen erst in der zweiten Bauphase dazu. Translokation und temporäre Besetzung: Translokation meint den Ortswechsel, der das Begehen einer Fläche spannend macht. Das Schaffen von unterschiedlichen Teilräumen schafft Abwechslung und ermöglicht eine veränderte Wahrnehmung des Raumes, was ihn interessanter macht. Die temporäre Besetzung spielt mit der Vergänglichkeit von Materialien. Less standard: Man muss sich bei einer Planung nicht immer an den gewohnten Elementen orientieren. Auch der Einsatz von einfachen, rohen, recycelten oder zweckentfremdeten Materialien macht einen Ort besonders und hilft Kosten 72 zu reduzieren. Das komplette Möblieren ist für viele Orte überflüssig. „Eines muss der Anspruch, qualitativ hochwertige Entwürfe mit minimalem Budget umzusetzen, einkalkulieren: einen erhöhten Planungsaufwand. Die Honorarordnung für Architekten (HOAI) mit ihrer noch immer starken Kopplung von Planungshonorar und Bausumme wird dieser Folge nicht gerecht. Zwar eröffnet Punkt 4a des Paragraphen 5 HOAI die Möglichkeit eines „Erfolgshonorars für besondere Leistungen, die unter Ausschöpfung der technisch-wirtschaftlichen Lösungsmöglichkeiten zu einer wesentlichen Kostensenkung ohne Verminderung des Standards führen…“. Im Streitfall jedoch ist dies äußerst schwer nachweisbar und dürfte eher Anwaltskosten produzieren als Baukosten senken.“ (nach Reimann, 1999, S. 21) Was kostet der Ort? 73 Quellenverzeichnis EICH, Rainer, Honorarordnung für Architekten und Ingenieure Textausgabe 1996 in Euro, Köln 2001 GRÜN BERLIN PARK UND GARTEN GMBH, sämtliche Unterlagen zum Priester-PapePark (außer Informationen zur Pflege) (Kopien) GESETZ, ZUM SCHUTZ, ZUR PFLEGE UND ZUR ENTWICKLUNG DER ÖFFENTLICHEN GRÜN- UND ERHOLUNGSANLAGEN, 24.11. 1997: Abruf im Internet: Mai 2003: http://www.stadte ntwicklung.berlin.de/umwelt/stadtgruen/gruenanlagen/de/gesetze/index.shtml MORLOCK, Alfred, Die HOAI in der Praxis Praktische Hinweise, Empfehlungen und Auslegungsgrundsätze, Düsseldorf 1985 PFARR, Dr. K. H.; ARLT, J.; HOBUSCH, R., Das Planungsbüro und sein Honorar, Wuppertal 1975 REIMANN, Stefan, Low-budget-Park an der Spree, in: Garten und Landschaft 1/1999, München SENATSVERWALTUNG FÜR FINANZEN, 1996,1997: Produktblatt; Produktkatalog für Berlin, Version 7.0, Bearbeitungsstand: 1. Januar 2003 ( Kopie vom Grünflächenamt Tempelhof-Schöneberg) SENATSVERWALTUNG FÜR FINANZEN II B3, 1998: Einführung der ergebnisorientierten Budgetierung in den Berliner Bezirksverwaltungen, Abruf im Internet: Mai 2003: http://www.Berlin.de/Verwaltungsmodernisierung/budgetierung.html SENATSVERWALTUNG FÜR FINANZEN REFERAT II G, 2003: Was kostet wo wie viel? Berliner Bezirke im Kostenvergleich; Haushaltsjahr 2001, Abruf im Internet: Mai 2003: http://www.berlin.de/senfin/Presse/Alt/130303.html SENSTADT I F 312: Kurze Erläuterung des A04-Modells (Kopie von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung), Berlin 2000 HALLMANN, BORNHOLDT, Technisch-konstruktive Landschaftsarchitektur II, Skript zur VL Grundlagen der WINKLER, Walter, Hochbaukosten Flächen Rauminhalte, Braunschweig/ Wiesbaden 1994 74 Was kostet der Ort? 75 steffen eißer peter gäbelein annette jablanowsky EU-Finanzierung von Freiraum 1 Einleitung In der folgenden Abhandlung soll die Finanzierung von Freiraum durch die Europäische Union erläutert werden. Einleitend werden dazu die vorhandenen Instrumente der „EU-Regionalpolitik“, deren Anwendungsmöglichkeiten sowie deren Umsetzung dargestellt. Des Weiteren werden die relevanten EUStrukturfonds für die Landschaftsarchitektur und deren Anwendungsbereiche und Inhalte herausgearbeitet. Zum Schluss sollen spezielle „Projekte“ der Freiraumplanung aus der Region „Berlin-Brandenburg“, die mit Hilfe von EU Entwicklungs- und Förderprogrammen finanziert wurden, vorgestellt werden. 2 „Regionalpolitik der Europäischen Union“ 2.1 Einführung Im internationalen Vergleich erscheint die Europäische Union als eine Insel des Wohlstands und des Reichtums. Dennoch gibt es innerhalb der Union bedeutende regionale Unterschiede in der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung. „So ist beispielsweise das Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf von Luxemburg doppelt so hoch wie dasjenige von Griechenland. Und Hamburg ist die wohlhabendste Region Europas mit einem viermal so hohen Pro-KopfEinkommen wie dasjenige im Alentejo (Europa.eu 2003). Diese Disparitäten zwischen den Regionen schaden dem Zusammenhalt der Union und um diesem entgegenzuwirken wurden schon in Artikel 2 des EU- und des EG-Vertrags der soziale Fortschritt und die wirtschaftliche Konvergenz zwischen den Mitgliedstaaten als verbindliche Ziele genannt. Die Regionalpolitik soll durch eine Verringerung der „Unterschiede im Entwicklungsstand der verschiedenen Regionen“ sowie des Rückstands „der am stärksten benachteiligten Gebiete“ helfen, diese Ziele zu erreichen (Titel XVII des EG-Vertrags). Einfach ausgedrückt bedeutet dies: Gleiche Lebensbedingungen und Wohlstand 78 für alle EU-Bürger! (Europa-Digital 2003, a) Um diese Herkulesaufgabe zu stemmen, stehen der „Regionalpolitik der EU“ für den Zeitraum von 2000 bis 2006 insgesamt 213 Mrd. Euro zur Verfügung - rund ein Drittel des gesamten EU-Haushalts. Einzig die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) darf noch mehr Geld ausgeben. Verantwortlich für die Durchführung aller regionalpolitischen Maßnahmen ist die Generaldirektion Regionalpolitik. Der inhaltliche Rahmen der Regionalpolitik wird in den drei so genannten „Zielen 1-3“ und fünf Gemeinschaftsinitiativen festgelegt. Unterstützt wird ein breites Geflecht an Aufgaben, sie reichen von Investitionen in die Infrastruktur - etwa Häfen, Straßen, Telefonleitungen - bis hin zur Stadtentwicklung oder der Arbeits- und Bildungspolitik. Die wichtigsten Finanzinstrumente der Regionalpolitik sind vier Strukturfonds und ein Kohäsionsfonds. Alle fünf Fonds haben im Prinzip die Funktion eines Girokontos und sind jeweils für ein spezifisches Themengebiet vorgesehen. Die Erweiterung der Europäischen Union stellt auch die Regionalpolitik vor neue Herausforderungen. Speziell die mittel- und osteuropäischen Länder haben noch einen enormen Nachholbedarf in nahezu allen Feldern der Regionalpolitik (Industrie, Regierungsinstitutionen, Infrastruktur etc.). Um diesen Prozess zu beschleunigen, wurden drei Fonds gebildet: PHARE, SAPARD und ISPA, die hier aber nur kurz Erwähnung finden sollen und somit nicht weiter betrachtet werden. 2.2 Rechtliche Grundlagen Die rechtlichen Grundlagen der heutigen Regionalpolitik wurden bereits 1957 im EWG-Vertrag mit der Forderung, den Rückstand weniger begünstigter Gebiete zu verringern, gelegt. Bis zum heutigen Tage hat sich an diesem Grundsatz nichts geändert. In der aktuellen Fassung des EG-Vertrags werden in Artikel 2 und 3 unter anderem der wirtschaftliche und soziale Zusammenhalt, die Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten und ein hohes Beschäftigungsniveau als Aufgaben der Europäischen Gemeinschaft genannt. Ziele, die in Artikel 2 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Union (EU-Vertrag) formuliert sind, werden noch einmal bekräftigt. (Europa-Digital 2003, b) Diese allgemeinen Grundsätze werden in Titel XVII „Wirtschaftlicher und Sozialer Zusammenhalt“ des EG-Vertrages (Artikel 158-162) ergänzt. Artikel 158 fordert explizit, „die Unterschiede im Entwicklungsstand der verschiedenen Regionen [...] zu verringern“. In den Artikeln 159 und 160 wird darauf verwiesen, dass die Strukturfonds zur Unterstützung dieser Ziele zu verwenden seien. Die Kommission wird verpflichtet, gegenüber dem Europäischen Parlament, dem Rat, dem Wirtschafts- und Sozialausschuss und dem Ausschuss der Regionen alle drei Jahre Rechenschaft über die Ergebnisse der Regionalpolitik abzulegen. Eine wesentliche Grundlage der Regionalpolitik stellen natürlich die Strukturfonds dar. Ihre Organisation (Aufgaben und Ziele) wird von der Kommission erarbeitet und muss dem Europäischen Parlament zur Annahme vorgelegt werden. Abschließend muss der Rat diesen Vorschlag einstimmig akzeptieren. Der Ausschuss der Regionen sowie der Wirtschafts- und Sozialausschuss müssen hingegen nur angehört werden (Art. 161). 2.3 Inhaltliche Ziele Die Regionalpolitik der Europäischen Union dient im Wesentlichen der Stärkung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts. Grundlage ihrer Aktion ist die finanzielle Solidarität, die es ermöglicht, mehr als 35% der EU-Haushaltsmittel (213 Mrd. für den Zeitraum 2000-2006) in die am stärksten benachteiligten Regionen zu transferieren. Auf diese Weise wird es den Regionen der Union mit Entwicklungsrückstand, den Umstellungsregionen und den Regionen mit besonderen geografischen, wirtschaftlichen und sozialen Problemen besser gelingen, mit ihren Schwierigkeiten fertig zu werden und die Möglichkeiten des Binnenmarktes in vollem Umfang zu nutzen. „Die Unterstützung der Europäischen Union im Rahmen der Regionalpolitik hängt ab vom Entwicklungsstand der Regionen sowie von der Art der Probleme, mit denen diese konfrontiert sind. Die Strukturfondsverordnungen für den Zeitraum 2000-2006 sehen insbesondere die Aufstellung von drei vorrangigen Zielen vor:“ (Europa-Digital 2003, c) − Ziel 1: Erfasst werden Regionen, deren Bruttoinlandsprodukt (BIP) weniger als 75 Prozent des EU-Durchschnitts beträgt. Die Bestimmung des Pro-KopfBIPs erfolgt auf der NUTS-II Ebene, diese entspricht den Regierungsbezirken in Deutschland. Gegenwärtig fallen alle fünf ostdeutschen Bundesländer mit Ausnahme von Ostberlin unter diese Kategorie. Außerdem werden sehr dünn besiedelte Gebiete im Norden Finnlands und Schwedens sowie Gebiete in extremer Randlage der EU (Azoren, Kanarische Inseln, Madeira, französische Überseedepartments) berücksichtigt. „Ziel 1“-Gebiete weisen einen enormen Nachholbedarf in nahezu allen Bereichen auf. Gefördert werden Investitionen in die Infrastruktur (Telefon, Straßen, Energie, Telekommunikation usw.), in das Erziehungs- und Gesundheitswesen und in die öffentliche Verwaltung. Ebenso sollen Besch äftigungsinitiativen und die Ansiedlung neuer Betriebe unterstützt werden. − Ziel 2: Gefördert werden Gebiete mit Strukturproblemen, die sich außerhalb der „Ziel 1“-Regionen befinden. Dabei kann es sich um Industrieregionen, ländliche Gebiete, von der Fischerei abhängige Krisengebiete und städtische Problemgebiete handeln. Die Unterstützungsmaßnahmen entsprechen im Wesentlichen den Projekten der „Ziel-1“-Gebiete. − Ziel 3: Das Ziel 3 ist im Gegensatz zu den Zielen 1 und 2 thematisch definiert. Gefördert werden alle Maßnahmen im Bereich der Bildungs- und Ausbildungssysteme sowie die Beschäftigungspolitik. Das „Ziel-3“-Gebiet umfasst die gesamte EU mit Ausnahme der „Ziel 1“-Regionen, dort sind diese Projekte schon Bestandteil der „Ziel 1“-Programme. EU-Finanzierung von Freiraum 79 2.4 Instrumente der Regionalpolitik Die wichtigsten Instrumente bilden die vier Strukturfonds: − Der Europäische Fonds für regionale Entwicklung (EFRE), − der Europäische Sozialfonds (ESF), − der Europäische Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL), − das Finanzinstrument für die Ausrichtung der Fischerei (FIAF) sowie der so genannte Kohäsionsfonds. Sie bilden auch gleichzeitig das finanzielle Rückgrat der Europäischen Regionalpolitik. Zusätzlich wurde festgelegt, welche Ziele oder Gemeinschaftsinitiativen durch einen bestimmten Fonds finanziert werden dürfen. Rund 94 Prozent der Mittel der vier Strukturfonds werden für die drei vorrangigen Ziele (Ziel 1-3) eingesetzt. (Europa-Digital 2003, b) Für die zehn mittel- und osteuropäischen Beitrittsländer wurden zusätzlich Strukturfonds angelegt (PHARE, ISAP, SAPARD). Der für die Freiraumplanung entscheidende und somit als Finanzierungsinstrument mögliche Strukturfonds bildet der EFRE. Zum Teil erfolgen Finanzierungen auch über den ESF, da bestimmte Aufgabenbereiche die Gemeinschaftsinitiativen überlagern. 2.4.1 EFRE Ziel des Fonds ist der Ausgleich der wichtigsten regionalen Ungleichgewichte, die Beteiligung an der Entwicklung, die Umstellung der Regionen und die Förderung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts. Gleichzeitig sind Synergieeffekte in Verbindung mit den Interventionen der anderen 80 Strukturfonds sicherzustellen. Die allgemeinen Rahmen und Aufgaben bilden hierbei: − Der EFRE wird im Rahmen der neuen Ziele „1 und 2“ (Siehe 1.2.3), der Gemeinschaftsinitiativen zur grenzübergreifenden, transnationalen und interregionalen Zusammenarbeit, der wirtschaftlichen und sozialen Erneuerung von städtischen Problemgebieten (URBAN II) sowie der innovativen Maßnahmen und Maßnahmen der technischen Hilfe aufgrund der allgemeinen Verordnung tätig. (Die Verordnung (EG) Nr. 1783/1999) − Um die Unterschiede im Entwicklungsstand der Regionen und den Rückstand der am stärksten benachteiligten Gebiete oder Inseln, einschließlich der ländlichen Gebiete, zu verringern, trägt der EFRE zur harmonischen, ausgewogenen und nachhaltigen Entwicklung des Wirtschaftslebens, zu einem hohen Grad an Wettbewerbsfähigkeit, zu einem hohen Beschäftigungsniveau, zu einem hohen Maß an Umweltschutz und zur Gleichstellung von Männern und Frauen bei. (Europa.eu 2003, b) Im Rahmen der ihm übertragenen Aufgaben zur regionalen Entwicklung beteiligt sich der EFRE an der Finanzierung von: − „produktiven Investitionen zur Schaffung oder Erhaltung dauerhafter Arbeitsplätze; − Infrastrukturinvestitionen, die in den unter Ziel 1 fallenden Regionen zur Entwicklung, zur Strukturanpassung und zur Schaffung oder Erhaltung von Arbeitsplätzen und in allen förderfähigen Regionen zur Diversifizierung, Revitalisierung, Verkehrsanbindung und Erneuerung von Wirtschaftsstandorten und von Industriegebieten mit rückläufiger Entwicklung, von städtischen Problemgebieten sowie von ländlichen Gebieten und der von der Fischerei abhängigen Gebiete beitragen. Diese Investitionen können auch die Entwicklung der transeuropäischen Netze für den Verkehr, die Telekommunikation und die Energie in den Ziel-1-Regionen betreffen; − Aktionen zur Erschließung des endogenen Potentials durch Maßnahmen zur Anregung und Unterstützung lokaler Entwicklungs- und Beschäftigungs initiativen sowie der Aktivitäten kleiner und mittlerer Unternehmen, die u.a. Beihilfen für Unternehmensdienste, Technologietransfer, die Entwicklung von Finanzinstrumenten, direkte Investitionsbeihilfen, die Errichtung von kleinen Infrastrukturen und Beihilfen für lokale Dienstleistungseinrichtungen umfassen; − Investitionen im Bildungs- und Gesundheitswesen in den unter Ziel 1 fallenden Regionen.“ (Europa.eu 2003, b) 2.4.2 ESF Der Europäische Sozialfonds (ESF): Gefördert werden die Programme der „Ziel 1“-, „Ziel 2“- und „Ziel 3“-Regionen sowie die Gemeinschaftsinitiative EQUAL. Es soll die Eingliederung von Arbeitslosen und benachteiligten Gruppen durch Bildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen unterstützt werden. Analog zum EFRE werden Mittel zur Finanzierung der „innovativen Maßnahmen“ bereitgestellt. 2.4.3 FIAF Das Finanzinstrument für die Ausrichtung der Fischerei (FIAF): Finanziert wird die Neuordnung des Fischereisektors. Dazu zählen Investitionen in die Aquakultur, die Modernisierung der Fangflotte, die Vermarktung der Produkte und in den Schutz der Fischbestände in „Ziel 1“-Gebieten. Bei Bedarf ist auch eine Förderung von Projekten außerhalb der „Ziel 1“-Regionen möglich. Zusätzlich wird Geld für die „innovativen Maßnahmen“ bereitgestellt. 2.4.4 EAGFL Der Europäische Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL): Durch die Abteilung Ausrichtung des EAGFL werden Reformen in der Land- und Forstwirtschaft innerhalb der „Ziel 1“-Regionen sowie die Gemeinschaftsinitiative LEADER+ unterstützt. 2.4.5 Der Kohäsionsfonds Der Kohäsionsfonds: Der Kohäsionsfonds wurde speziell zur Unterstützung besonders stark benachteiligter EU-Staaten ins Leben gerufen. Anspruch auf eine Förderung haben Länder, deren Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt weniger als 90 Prozent des EU-Durchschnitts beträgt. Gegenwärtig gehören Spanien, Portugal, Griechenland und Irland dazu. Unterstützt werden Projekte in Bereichen Umwelt und Verkehrsinfrastruktur (Art. 161 des EG-Vertrags). 2.4.6 Der Solidaritätsfonds Der Solidaritätsfonds: Erst 2001 gegründet, dient dieser Fonds zur Unterstützung der Opfer besonders schwerer Naturkatastrophen. 3 Die europäischen Gemeinschaftsinitiativen Die Gemeinschaftsinitiativen sind besondere Maßnahmen, die die Kommission den Mitgliedstaaten auf eigene Initiative vorschlägt. Sie können im gesamten Gemeinschaftsgebiet umgesetzt werden und werden aus den Strukturfonds unterstützt, um spezifische Probleme zu beheben. Gemeinschaftsinitiativen sind durch folgende Faktoren gekennzeichnet: − Förderung der transnationalen, grenzübergreifenden und interregionalen Zusammenarbeit, − Einbeziehung der Akteure vor Ort, − Unterstützung einer echten Partnerschaft aller Beteiligten durch die Gemeinschaftsinitiative, Anzahl der Gemeinschaftsinitiativen wurde in Strukturfondsperiode (2000–2006) von 13 auf 4 verringert. − Die der neuen Jedes der vier Programme (Interreg III, Leader+, Urban II und Equal) wird mit EU-Finanzierung von Freiraum 81 den Mitteln eines bestimmten Strukurfonds finanziert. (ESDP 2001, S. 12) − INTERREG III: Durch diese Initiative soll die grenzübergreifende und transnationale Zusammenarbeit zwischen den Regionen der Europäischen Union unterstützt werden, d.h. die Bildung von Partnerschaften über die Grenzen hinweg zur Förderung einer ausgewogenen Raumordnung überregionaler Gebiete. (Finanzierung: EFRE) − URBAN II: Gefördert werden Städte oder Stadtteile mit erheblichen wirtschaftlichen und/oder sozialen Problemen. Berücksichtigt werden Probleme wie eine überdurchschnittlich hohe Kriminalitätsrate, eine hohe Quote an Langzeitarbeitslosen oder eine Vielzahl von Umweltschäden. Der Erfahrungsaustausch zwischen den geförderten Städten ist ein wesentlicher Bestandteil dieser Initiative. (Finanzierung: EFRE) − LEADER+: Mit dieser Gemeinschaftsinitiative soll besonders der ländliche Raum gefördert werden. Gefördert werden Projekte, die Probleme wie Landflucht und Arbeitslosigkeit bekämpfen. (Finanzierung: EAGFL) − EQUAL: Gefördert werden Projekte, die Diskriminierungen auf dem Arbeitsmarkt bekämpfen. (Finanzierung: ESF) Die Gemeinschaftsinitiativen Leader+ und Equal werden nicht weiter dargestellt, da sie nicht zur EU-Finanzierung von Freiräumen herangezogen werden können. Die für diese Arbeit wichtigen Gemeinschaftsinitiativen Interreg III und Urban II werden im Folgenden an konkreten Projektbeispielen speziell erläutert. 3.1 Die Lokale Verwaltung Wie unter Punkt 1.2.2 schon dargestellt, wird der Etat der Strukturfonds und die grundsätzlichen Förderziele durch den Europäischen Rat festgelegt. Die Kommission beschließt gemeinsam mit den Nationalstaaten, welche Gebiete durch die einzelnen Strukturfonds gefördert werden können. Außerdem 82 gibt die Kommission eine thematische Ausrichtung für die Förderung der einzelnen Regionen vor. Die direkte Programmplanung und die Auswahl der einzelnen Projekte in der Region wird von den nationalen Regierungen und regionalen Behörden vorgenommen. Je nach finanziellem Aufwand erfolgt die Programmplanung in einem oder zwei Schritten. Für die Förderung von „Ziel 1“-Regionen wird zuerst ein nationales Programm (Gemeinschaftliches Förderkonzept, GFK) erstellt, in Deutschland z.B. für alle ostdeutschen Länder, und mit der EUKommission abgestimmt. Anschließend erfolgt die „Feinabstimmung“ mit einem operationellen Programm für jede „Ziel 1“-Region. Ab diesem Zeitpunkt nimmt die EU-Kommission keinerlei Einfluss mehr auf die Projektauswahl und die Verwaltung der Fördergelder. Für jedes Förderprogramm müssen von der nationalen Regierung drei „Institutionen“ eingerichtet werden, welche die Verantwortung für die Durchführung der Programme tragen: − Verwaltungsbehörde: Sie wickelt die gesamte Verwaltung der Programme ab - etwa die Projektauswahl oder die Überwachung der Projektdurchführung. Sie muss jedes Jahr einen Durchführungsbericht erstellen und den Erfolg der einzelnen Projekte beurteilen. Sie ist gegenüber der Kommission und dem Begleitausschuss für die ordnungsgemäße Durchführung der Programme verantwortlich. − Zahlstelle: Die Zahlstelle wickelt die Auszahlung der Fördergelder ab. Sie muss unabhängig von der Verwaltungsbehörde arbeiten. − Begleitausschuss: Überwacht die Arbeit der Verwaltungsbehörde und berichtet der Kommission. Sobald ein Programm läuft, sind also nur noch die einzelnen Projekte und die regionalen Verwaltungseinrichtungen an der Durchführung der Regionalpolitik beteiligt. Obwohl die EU-Kommission für alle Haushaltsmittel der EU verantwortlich ist, somit auch für die Fördergelder der Strukturfonds, beschränkt sie sich darauf zu kontrollieren, ob die lokalen Behörden kompetent genug sind, diese Aufgabe zu übernehmen. Ein wichtiger Hebel der Kommission zur Effizienzkontrolle der Programme ist der Halbzeitbericht. Nach der Hälfte der Programmlaufzeit (Ende 2003) wird jedes Programm hinsichtlich der geplanten und erreichten Ziele sowie der Mittelverwendung überprüft. Damit ist Deutschland nach Spanien zweitgrößter Empfänger von Mitteln aus den Strukturfonds. Da die Bundesrepublik etwa ein Viertel des EU-Haushalts finanziert, leistet sie für die europäische Strukturpolitik einen wesentlich größeren Betrag als sie aus den Fonds erhält. 3.2 4 Die transnationale Zusammenarbeit anhand des Beispiels INTERREG Exkurs Europäische Strukturfonds in Berlin Berlin ist die einzige Stadt und Region in der Europäischen Union, in der alle drei Förderziele umgesetzt werden: − Der ehemalige Ostteil der Stadt erhält in der Förderperiode 2000-2006 eine Übergangsunterstützung aus dem Ziel 1. − Wesentliche Teile der westlichen Bezirke fallen unter das Ziel 2, ein geringerer Teil erhält aus dem Ziel 2 eine Übergangsunterstützung. − Überall im Westen der Stadt leistet der ESF im Rahmen des Ziel 3 seinen Beitrag zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. „Um das Zusammenwachsen der ehemaligen Stadthälften optimal zu unterstützen und Wettbewerbsverzerrungen innerhalb Berlins zu vermeiden, wurde jedoch eine aufeinander abgestimmte und weitgehend einheitliche Förderstrategie für den Einsatz der Strukturfonds im Rahmen aller drei Ziele entwickelt.“ (Berlin.de 2003, a) Berlin erhält im Zeitraum 2000-2006 fast 1,3 Mrd. € Förderleistungen aus allen vier Strukturfonds. Hiervon entfallen 762 Mio. € auf den EFRE. Zusätzlich profitiert Berlin von den Gemeinschaftsinitiativen. Aus URBAN II stehen 15 Mio. € für die Förderung eines Gebietes rund um den Bahnhof Ostkreuz zur Verfügung. (nach Berlin.de 2003, b) Eines der wichtigsten Beispiele der transnationalen Zusammenarbeit ist das Programm INTERREG. Es ist ein Programm zur Förderung des wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts auf der Basis des EUREK. 4.1 Das EUREK (Europäisches Raumentwicklungskonzept) wurde von den 15 Mitgliedstaaten der EU und der Europäischen Kommission im Jahre 1993 erarbeitet. Die Initiation kam aus Deutschland, die föderal strukturierte deutsche Raumordnungspolitik ist die Basis dieses Konzeptes. Ziele des EUREK sind u.a., die wirtschaftliche und soziale Zusammenhalt und die Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Raumes zu stärken. Es ist auch eines der wichtigsten Ziele, die natürlichen Lebensgrundlagen und das kulturelle Erbe zu erhalten. Um diese Ziele zu verwirklichen, hat das EUREK mehrere Leitbilder entwickelt. Eine der Hauptideen ist die Entwicklung eines ausgewogenen und polyzentrischen Städtesystems mit einer neuen Stadt-Land-Beziehung. Ein weiterer Schwerpunkt ist es, einen gleichwertigen Zugang zu Infrastruktur und Wissen zu schaffen. Die letzte der drei Hauptideen ist die Sicherung einer nachhaltigen Entwicklung mit einem intelligenten Management und der Schutz von Kulturerbe und Natur. (nach Interreg.de 2003) 4.2 Für Deutschland stehen in den Jahren 2000-2006 ca. 30 Mrd. € zur Verfügung, davon gehen ca. 20 Mrd. € in die „neuen“ und etwa 10 Mrd. € in die „alten“ Bundesländer. Das EUREK (Europäisches Raumentwicklungskonzept) INTERREG Die Förderung der transnationalen Zusammenarbeit erfolgte in verschiedenen Stufen mit unterschiedlichen Laufzeiten und Fördermittelsummen. Diese sind: EU-Finanzierung von Freiraum 83 4.2.1 INTERREG Kooperationsräume: INTERREG II C Pilotaktion Artikel EFRE INTERREG III B 10 Laufzeit EFRE-Fördermittel 1996-1999 420 Mio. € 1996-1999 20 Mio. € 2000-2006 1.300 Mio. € Gegenwärtig läuft INTERREG III auf drei Ebenen: INTERREG III A ist das Programm für grenzübergreifende Zusammenarbeit. INTERREG III B ist das Programm für transnationale Zusammenarbeit. INTERREG III C ist das Programm für interregionale Zusammenarbeit. Was die transnationale Zusammenarbeit betrifft ist INTERREG III B von diesen das wichtigste Programm. Die Arbeit erfolgt auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene, erforderlich ist dabei die möglichst reibungslose Zusammenarbeit der jeweiligen Behörden. Die Ziele dieses Programms sind: − Der Erfahrungsaustausch und die Erarbeitung gemeinsamer Strategien, − Die Förderung einer polyzentrischen, nachhaltigen, harmonischen und ausgewogenen Entwicklung in der Gemeinschaft mit besserer räumlicher Integration der Beitrittskandidaten und anderer Nachbarländer, − Die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit, der Effizienz und des Wachstums der beteiligten Regionen, − Die Verbesserung des transnationalen Wissens durch angewandte Forschung über Schlüsselfragen, − Die Ausarbeitung effizienter und umweltverträglicher Verkehrsnetze und ein besserer Zugang zur Informationsgesellschaft, − Die Förderung der nachhaltigen Bewirtschaftung des Natur- und Kulturerbes. (nach Interreg.de 2003) 84 Am Programm INTERREG III B werden alle Mitgliedstaaten der EU beteiligt. Außerdem sind Nicht-EU-Länder, vor allem in Mittel- und Osteuropa und andere Gebiete in äußerster Randlage der Gemeinschaft (Kanarische Inseln, französische Überseedepartments, Azoren, Madeira), daran angeschlossen. Das Programm wurde in zehn Kooperationsräume aufgeteilt: die nördliche Peripherie, der Ostseeraum, der Nordseeraum, Nordwesteuropa, der atlantische Raum, Südwesteuropa, der westliche Mittelmeerraum, CADSES (Mitteleuropäischer, Adriatischer, Donau- und Südosteuropäischer Raum), der Alpenraum und Archimed. Deutschland ist an fünf dieser Kooperationsräume beteiligt (Ostseeraum, CADSES, Nordseeraum, Nordwesteuropa, Alpenraum). Vier von diesen haben bereits am Programm INTERREG II C teilgenommen, der Alpenraum kam erst im INTERREG III B dazu. 4.2.2 Finanzierung von INTERREG: INTERREG wird überwiegend durch den EFRE (Europäischer Fonds für regionale Entwicklung) finanziert. Von den insgesamt 4,9 Mrd. € EFRE–Fördermitteln für INTERREG III werden dem INTERREG III B 27% zugeteilt (INTERREG III A 67%, INTERREG III C 6%). Außerdem wird INTERREG durch andere EU Programme (PHARE, CARDS, TACIS) finanziert. Die Unterstützung wird auf lokale und regionale Ebenen aufgeteilt. Die Gesamtmittel für den Kooperationsraum CADSES belaufen sich auf 240 Mio. €, von denen 130 Mio. € aus dem EFRE stammen. EU-Strukturfondsmittel müssen grundsätzlich kofinanziert werden, das heißt, dass der Antragsteller einen bestimmten Anteil an den gesamten Projektkosten durch nationale Mittel beitragen muss. Bei strukturschwachen Regionen liegt dieser Prozentsatz bei 25, in allen anderen Gebieten bei 50. Halböffentliche und private Mittel werden dabei auch eingesetzt. Nicht-EU-Länder akquirieren, da sie keine direkte Förderung aus INTERREG-Mitteln erhalten, Mittel aus anderen EU-Programmen und erbringen zusätzlich nationale Finanzierungsmittel. (nach Bbr.bund.de 2003) 4.2.3 Beispielprojekte im Rahmen von INTERREG: − SuPortNet: Ausbau von Häfen für den Bootstourismus im Ostseeraum − Radwanderwegsystem im Nordseeraum − NWMA – Nordeuropäische Handelsachse − IRMA – Vorbeugender Hochwasserschutz, dezentrale Regenwasserbewirts chaftung − Umweltfreundliche Reiselogistik im Alpenraum − REKULA Beispielprojekt REKULA: Das Ziel dieses Programms ist die Entwicklung eines Instrumentariums für die Restrukturierung von Kulturlandschaften, die durch industrielle Prozesse (zum Beispiel Bergbau) innerhalb kurzer Zeit stark verändert und zerstört wurden. Dieses Programm läuft im Rahmen des INTERREG III B-Programms innerhalb des Kooperationsraums CADSES. Der Projektleiter ist die IBA „Fürst-PücklerLand“ in Deutschland, die die Gesamtkoordination des Projektes übernimmt. Andere Projektpartner sind die Region Venetien und die Fondazione Benetton Studi Richerche (FBSR) aus Italien, sowie die Stadt Zabrze und die Schlesische Technische Universität in Gliwice, aus Polen. Für die Laufzeit von 2003 bis 2006 steht eine Gesamtsumme von 3,7 Mio. € zur Verfügung. Die IBA ist Teil des Beispielprojektes REKULA. Es findet in den Jahren von 2000 bis 2010 in der Region Lausitz statt. Diese Region war das Energiezentrum der DDR, die Braunkohlegewinnung hat die Landschaft komplett umgewandelt. Die IBA hat die Aufgabe der Sanierung dieses Gebietes, sie verknüpft gestalterische und technische Innovationen, konfrontiert Wissenschaft und Kunst mit dieser Aufgabe. Die Teilnehmer an diesem Projekt sind die Landkreise Elbe-Elster, DahmeSpreewald, Oberspreewald-Lautsitz, Spree-Neiße sowie die Stadt Cottbus. EU-Finanzierung von Freiraum 85 Weiterhin wird es durch das Land Brandenburg gefördert. Im Zentrum der IBA-Arbeit stehen 22 Einzelprojekte, die in acht Landschaftsinseln eingebettet sind. Diese Inseln sind nachhaltig durch den Tagebau geprägt. Alle diese Inseln stehen unter einem anderen Teilthema, als modellhafte Projekte. Einige Beispiele: Großräschen-Senftenberg mit dem IBA-Zentrum als Informationszentrum Gräberdorf-Greifenhain mit Thema „Landschaftskunst“ Welzow zum Thema „Wüste/Oase“ mit der Idee, bei der Rekultivierung des Tagebaus eine Teilfläche als besonderes Wüstenerlebnis auszubilden Die Lausitzer Seenkette als einzigartige „Wasserwelt“ 86 5 Stadtvierteln und benachteiligten Regionen Beispiel Brandenburg-Bahnhofsvorstadt 5.1 Einleitung URBAN ist eine Gemeinschaftsinitiative der EU. Ihr Ziel ist es, die Lebensqualität in benachteiligten Stadtteilen zu verbessern. Der Förderzeitraum für URBAN I lief von 1995 bis 2001 (Urban II läuft von 2000 bis 2006). Es wurden in dieser Zeit 33 Projekte mit Fördermittel in Höhe von rund 9 Mio. Euro verwirklicht. URBAN wurde als Anschub für die Entwicklung der Bahnhofsvorstadt gesehen, der dazu führen sollte, − die Attraktivität der Bahnhofsvorstadt zu erhöhen, − die Lebensbedingungen zu verbessern, − die Wirtschaftskraft zu erhöhen und somit neue Arbeitsplätze zu schaffen. Zentrale Rolle dieser Initiative in Brandenburg an der Havel spielte die Bürgerbeteiligung (Information über den Fortgang der Maßnahmen, Möglichkeit, über die Veränderungen im Stadtteil mitzubestimmen). In erster Linie sollten akzeptabler Wohnraum und Arbeitsplätze geschaffen werden. Ebenso wichtig war und ist es jedoch, dass die Bürger der Bahnhofsvorstadt wieder Verantwortung für ihren Stadtteil übernehmen und seine Entwicklung unterstützten. (nach Stadt-brb.de 2003) 5.1.1 Leitbild der Stadt Brandenburg an der Havel Dieses Leitbild wurde von Oktober 2001 bis April 2002 in insgesamt 23 Workshops erarbeitet, an denen rund 350 Brandenburger Bürgerinnen und Bürger teilnahmen. − Drei „Lebensadern“ prägen die Stadt und stellen die zentralen Ausgangspunkte für ihre zukünftige Entwicklung dar. Wasserstadt Brandenburg – die Lage am Wasser Kulturstadt Brandenburg – hoher Stellenwert der Kultur Bildungsstadt Brandenburg – vielfältiges Bildungsangebot − Technologie- und Dienstleistungsstandort Brandenburg Wasserstadt Brandenburg Brandenburg wird geprägt von der Havel, die mit ihren Nebenarmen, Kanälen und Gräben das Stadtbild bestimmt und das historische Zentrum in drei Inseln teilt. Das Wasser ist überall in der Stadt präsent. Im westlichen Stadtgebiet erweitert es sich zu einer 15 km² großen Seenplatte (Plauer-, Möserscher, Quenz-, Breitling- und Wendsee). Die Wasserflächen nehmen knapp 20% des Stadtgebietes ein. Brandenburg verfügt über eine Regattastrecke auf dem Beetzsee, auf der Deutsche-, Europa- und Weltmeisterschaften ausgetragen werden. Ziele waren unter anderem: die Ergänzung der bestehenden Promenaden, das Anlegen neuer Strände sowie die Erhöhung der Anzahl der Anlegestellen für Boote. Kulturstadt Brandenburg Brandenburg verfügt sowohl über ein historisch gewachsenes und gut erhaltenes Stadtgefüge als auch über ein hochwertiges kulturelles Veranstaltungsangebot. Die Stadt blickt auf eine über 1000jährige Geschichte zurück, rund 400 Baudenkmäler sind erhalten. Die Ziele der Stadtentwicklung im Rahmen des URBAN-Programmes waren: Bestandsentwicklung und Konzentration auf den Stadtkern sowie auf die Ortskerne mit bauhistorischem Wert (z.B. Umbau des St.-Pauli-Klosters zum Landesmuseum für Ur- und Frühgeschichte, Sanierung der Mühlengebäude auf der Dominsel), Schaffung eines breiten und hochwertigen kulturellen Angebots (historische Bausubstanz zu kulturellen Zwecken umfunktionieren, Regelmäßigkeit der etablierten Veranstaltungen gewährleisten und ihre Qualität erhöhen). Bildungsstadt Brandenburg Am 25.10.2001 wurde Brandenburg an der Havel vom Minister für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg als einzige Stadt im Land Brandenburg der Titel „Bildungsstadt“ verliehen. Die Stadt verfügt u.a. über fünf Gesamtschulen, zwei Realschulen, drei Gymnasien, zwei Oberstufenzentren und eine Fachhochschule (Fachbereiche Informatik, Medien, Wirtschaft, Technik). Darüber hinaus steht ihnen mit der Kinder- und Jugend-Kunstgalerie Sonnensegel, der Wredowschen Zeichenschule, der Station junger Techniker und Naturforscher, der Jugendkulturfabrik, vier Musikschulen und 74 Sportvereinen ein breit gefächertes Angebot an freizeitorientierten Bildungsinstitutionen zur Verfügung. Als Motto wurde gewählt: „Brandenburg als Lern- und Lebensort entwickeln“. Technologie- und Dienstleistungsstandort Brandenburg Seit 1990 hat sich ein tief greifender Wandel in der Wirtschaftsstruktur vollzogen, der dazu führte, dass sich Brandenburg zu einem modernen technologieorientierten Standort mit einem leistungsfähigen Mittelstand entwickelt hat. Die Stadt unternimmt intensive Anstrengungen, den Standort neben der Produktion vor allem in den Bereichen Forschung und Entwicklung, unternehmensbezogene Dienstleistungen sowie Tourismus zu stärken. Brandenburg verfügt über eine hervorragende Lage im Raum und entsprechend gute Verkehrsanbindungen. Die Stadt liegt auf dem europäischen Entwicklungskorridor Paris-Moskau nur 70 km von Berlin entfernt. Sie ist angebunden an die Bundesautobahn A2 und verfügt über einen ICE-Bahnhof, einen modernen Hafen sowie einen Flugplatz. Es ist ein Brachflächenmanagement vorhanden, um Firmen, die sich erweitern oder neu EU-Finanzierung von Freiraum 87 ansiedeln wollen, auch zentrumsnah Gewerbeflächen anbieten zu können. Die Stadt stellt sicher, dass Gewerbeflächen in allen Größenordnungen und verschiedenen Qualitäten angeboten werden. (nach Stadt-brb.de 2003) 5.1.2 Ziele der Stadtentwicklung − Innenstadt entwickeln − Kernstadt entwickeln − Stadtteile fördern − Stadteingänge und Zentrumsring aufwerten − Verkehr verbessern − Umwelt und Freizeit stärken 5.1.3 Geschichte der Bahnhofsvorstadt Die Eröffnung der Eisenbahnstrecke Berlin - Potsdam - Magdeburg 1846 gab den Anstoß für die Entwicklung der Bahnhofsvorstadt. Bis 1866 entstanden 196 Wohngebäude. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte sich das Viertel zum wichtigsten Industriegebiet der Stadt. Wenige Jahre nach der Wende hatte die Bahnhofsvorstadt einen sehr schlechten Ruf, da das Gründerzeitviertel zu DDRZeiten stark vernachlässigt worden war. Die meisten Häuser wurden noch mit Kohle beheizt und viele hatten eine nur unvollkommene sanitäre Ausstattung, fast alle Straßen konnten auf Grund ihres Zustandes nur im Schritttempo befahren werden, auf den Fußwegen senkten sich die Gehwegplatten ab, vorhandenen Freiflächen befanden sich in einem ungepflegten Zustand, es gab 88 kaum Angebote zur Freizeitgestaltung und keine Spielmöglichkeiten für Kinder. Nur wenige Jugendliche zogen nach der Wende in die Bahnhofsvorstadt, und der Altersdurchschnitt der Bevölkerung stieg erheblich an. Als 1991 schließlich die Brennaborwerke schließen mussten, kam es zu einer erhöhten Arbeitslosigkeit. Dies hatte zur Folge, dass die Kaufkraft immer weiter absank, so dass viele Geschäfte schließen mussten. Der Niedergang des Viertels war nahezu besiegelt. Gleichzeitig verfügte die Bahnhofsvorstadt aber unbestreitbar über Potentiale, die eine positive Entwicklung unterstützen konnten. Einerseits grenzt sie unmittelbar an die Innenstadt, andererseits liegt sie direkt am Bahnhof. Dazu kam, dass fast die gesamte Bausubstanz noch in einem so guten Zustand war, dass sie saniert werden konnte. 5.1.4 Verwendung der zur Verfügung stehenden Gelder Die für die Bahnhofsvorstadt zur Verfügung stehenden Gelder wurden für folgende Schwerpunkte verwendet: − Einleiten neuer wirtschaftlicher Tätigkeiten durch die teilweise Sanierung der ehemaligen Brennaborwerke und ihre Entwicklung zum „Kultur- und Gewerbehof Brennabor“ − Verbesserung der sozialen und kulturellen Infrastruktur sowie Aufwertung der Freizeitmöglichkeiten im Stadtteil z.B. durch die Errichtung eines Bürgerzentrums mit Stadtteilbüro, die Sanierung der Wredow´schen Zeichenschule − Verbesserung des Wohnumfeldes durch die Rekonstruktion von Straßen, die Neugestaltung von Plätzen und die Anlage von Wegen an Gewässern − Maßnahmen zur Beschäftigung und Weiterbildung Die zentrale Rolle des URBAN-Stadtteilbüros (Stadt-brb.de 2003) Das URBAN-Stadtteilbüro spielte eine zentrale Rolle bei der Umsetzung des URBAN-Programmes. Es wurde am 1. April 1997 eröffnet und wird seitdem von acht ABM-Kräften der BAS gGmbH (Brandenburg an der Havel Arbeitsförderungs- und Strukturentwicklungsgesellschaft mbH) und vom Projektmanager der Brandenburger Dienstleistungen GmbH betrieben. Das Büro hat die Aufgabe − die Öffentlichkeit über den Fortgang des URBAN-Programmes zu informieren, − Treffpunkt im Stadtteil und Anlaufpunkt für die Anliegen der Bürger zu sein, − die Bewohner zu animieren, sich an der Entwicklung der Bahnhofsvorstadt und der URBAN-Projekte zu beteiligen, − die Bürgerbeteiligung organisieren. 5.1.5 Projekte Trauerberg (siehe Abb. URBAN-Projekte in Brandenburg an der Havel Projektnummer 4) Der Trauerberg ist der einzige größere öffentliche Platz in der Bahnhofsvorstadt und wurde als Busbahnhof genutzt. Seine Umgestaltung zu einem Platz mit hoher Aufenthaltsqualität war ein wesentlicher Schritt zur Aufwertung der Bahnhofsvorstadt. Ziel war es, eine Mischung von verschiedenen Nutzungen auf dem Platz anzusiedeln, die sowohl junge als auch alte Menschen dazu anregen, sich dort aufzuhalten. Um Ideen zu sammeln, wurde im Herbst 1997 ein bundesweiter Ideenwettbewerb für Studenten ausgeschrieben. Im April 1998 wurden die Siegerarbeiten den Bürgern und, im Rahmen einer Tagung, den Mitgliedern des URBAN-Netzwerkes EU-Finanzierung von Freiraum 89 Deutschland vorgestellt. Die Ideen der Studenten bildeten die Grundlage für die Planung des beauftragten Planungsbüros. Der endgültige Entwurf wurde im September 1999 nach intensiven Diskussionen zwischen Planern, Stadtverwaltung und Bürgern vorgelegt. Auf dem Areal der bisherigen Bussteige wurde eine Fläche geschaffen, die sich aus wassergebundener Decke, Beton und Grün zusammensetzt. Es sind ein Brunnen, Sitzgelegenheiten, ein Kleinkinderspielplatz und Fahrradspuren vorhanden. Aus der Verknüpfung dieser Elemente ergeben sich viele verschiedene Nutzungsmöglichkeiten. Projekte zur Weiterbildung Innerhalb von URBAN wurden 1,2 Mio. Euro aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) bewilligt. Mit Hilfe dieser Mittel wurden die Teilnehmer von Qualifizierungs- und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) weitergebildet, um ihnen den Eintritt in den ersten Arbeitsmarkt zu erleichtern. Die Mittel wurden bisher in folgenden Maßnahmen eingesetzt: − 2 AB-Maßnahmen im Stadtteilbüro à 8-10 Teilnehmer, Träger: BAS gGmbH (Brandenburger Arbeitsförderungs- und Strukturentwicklungsgesellschaft mbH) − ABM „Bausicherung, Rückbau“ 26 Teilnehmer, Träger: BAS gGmbH − Weiterbildungsmaßnahme „Innovative Fortbildung Sanierungstechniker“ 52 Teilnehmer, Träger: Gesellschaft für berufliche Bildung mbH (GBB) Kultur- und Gewerbehof Brennabor (siehe Abb. URBAN-Projekte in Brandenburg an der Havel - Projektnummer 1) 90 Die ehemaligen Brennaborwerke liegen im nordöstlichen Teil der Bahnhofsvorstadt und sind das besterhaltenste Zeugnis der Industriegeschichte in der Stadt Brandenburg. Das Denkmal aus der Gründerzeit ist Teil eines weitläufigen Industriekomplexes. Die ca. 30.000 m² Nutzfläche gehören verschiedenen Eigentümern, wovon sich ca. 7.500 m² im Besitz der Stadt Brandenburg befinden. Im rückwärtigen Teil der Immobilie wurde ein Kultur- und Gewerbehof geschaffen, der mit 4,2 Millionen DM gefördert wurde und damit das größte Projekt innerhalb des URBAN-Programmes darstellte. Die Grundidee des Projektes stellte die Verknüpfung von Kultur und Gewerbe dar. Es sollen gemeinsame Produkte und Projekte entstehen, die wirtschaftliche und gestalterische Zielsetzungen miteinander verbinden und somit auch zu einer Belebung des Stadtbezirkes führen. Künstler, Gewerbetreibende und interessierte Bürger können den Hof, den Veranstaltungssaal, das gesamte Areal für gemeinsame Aktionen nutzen und finden so Raum zur Entfaltung. Um diese verschiedenen Ideen zu bündeln und miteinander zu vernetzen, gründete sich der „Brennabor e.V.“. Bemerkenswert bei der Entwicklung des Projektes ist, dass es gelang, private und öffentliche Interessen und Gelder zu bündeln. Dies geschah durch den Einstieg eines privaten Investors, der das inhaltliche Konzept mittrug und in die Sanierung der vorderen Gebäudeteile ca. weitere 5 Mio. Euro investierte. 5.1.6 Die wichtigsten Akteure Bei der Umsetzung des URBANProgrammes wirkte eine Vielzahl von Akteuren mit. Die Aufzählung gibt einen groben Überblick: − Stadt Brandenburg an der Havel − Conceptfabrik − BBJ GmbH − Ministerium für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr − Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen − Europäische Union − Arbeitsamt Potsdam − Gesellschaft für berufliche Bildung mbH (GBB) − Brandenburger Arbeitsförderungs- und Strukturentwicklungsgesellschaft mbH (BAS gGmbH) − Gesellschaft für Arbeitsförderung, Beschäftigung und Strukturentwicklung mbH (GABS) − Stadtteilbüro − Bürgerzentrum 5.1.7 Ausblick Der Bestand an akzeptablem Wohnraum hat sich in den letzten Jahren kontinuierlich erhöht. Waren im September 1996 erst 84 der insgesamt 448 Gebäude (19%) saniert, so waren es im März 1999 bereits 195 (44%). Insgesamt wurden seit 1996 nach vorsichtigen Schätzungen etwa 20,5 Mio. Euro von privater Seite in die Schaffung von Wohnraum investiert. Die Sanierung und der Neubau von Häusern tragen gleichzeitig natürlich auch wesentlich zu einem positiven Erscheinungsbild des Stadtteils bei. Seit 1996 hat rund jedes vierte Grundstück in der Bahnhofsvorstadt den Besitzer gewechselt. Dies ist ein Beweis dafür, dass die Bahnhofsvorstadt immer stärker als attraktiver Wohnstandort erkannt wird. Arbeitsplätze sind in den letzten Jahren durch die Ansiedlung von Büros und Praxen und die Eröffnung mehrerer neuer Geschäfte geschaffen worden. Gleichzeitig haben jedoch einige Gewerbetreibende die Bahnhofsvorstadt verlassen. Insgesamt muss der Ansatz, durch die Anschubwirkung des URBAN-Programms privates Kapital in die Bahnhofsvorstadt zu ziehen, als gelungen betrachtet werden. Gleichzeitig ist zu beobachten, dass das Interesse an den Veranstaltungen des Stadtteilbüros stetig zugenommen hat. Das deutet darauf hin, dass sich nicht nur die Lebensqualität in der Bahnhofsvorstadt spürbar verbessert hat, sondern auch die Bewohner wieder Interesse und Verantwortung für ihren Stadtteil entwickeln. 6 Das Bund-Länder-Programm „Soziale Stadt“ Das Quartiersmanagement (QM) ist im Rahmen des Bund-Länder-Programms „Soziale Stadt“ entstanden. „Soziale Stadt“ ist eines von drei Stadtentwicklung sprogrammen in Berlin neben − der „Sozialen Stadterneuerung“ in 30 förmlich festgelegten Sanierungsgebieten und − der Strategie zur Weiterentwicklung der 32 Großsiedlungen des sozialen und 17 Großsiedlungen des komplexen Wohnungsbaus. Es unterstützt seit Frühjahr 1999 zunächst 15 und seit Herbst 2001 zwei weitere durch Senatsbeschluss festgelegte Quartiersmanagementgebiete sowie das Gebiet des Pilotprogramms URBAN II der Europäischen Union. Das Gebiet rund um das Ostkreuz wird innerhalb der Gemeinschaftsinitiative dabei mit knapp 20 Millionen € gefördert. 75% dieser Gelder werden von der Europäischen Union zur Verfügung gestellt; der übrige Anteil muss von EU-Finanzierung von Freiraum 91 Landes- oder Bundesinstitutionen getragen werden. (nach Senatsverwaltung für Stadtentwicklung - Wohnen - URBAN II) Seit 1999 bedeutet das Programm „Soziale Stadt“ eine Fortführung der Stadte rneuerungsprogrammatik mit den Schwerpunkten − einer integrierten Vorgehensweise, − der Bündelung von städtebaulichen, wohnungspolitischen, sozialen und wirtschaftspolitischen Instrumenten und − der Vernetzung von öffentlichen, wirtschaftlichen und privaten Akteuren. Das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) übernimmt für das Programm „Soziale Stadt“ im Auftrag des Bundes und der Länder die Programmbegleitung. Es erfüllt die Aufgabe einer Vermittlungs-, Informations-, und Beratungsagentur. Das Difu ist damit Ansprechpartner für alle im Rahmen des Programms beteiligten Personen, Initiativen und Institutionen (nach Sozialestadt.de 2003). 6.1 Die Ermittlung von Quartiersmanagementgebieten Aufgrund der sich schnell entwickelten Veränderungen nach dem Mauerfall und den damit verbundenen extrem gestiegenen Umzugsbewegungen haben sich in Teilen der Stadt sozial selektive Tendenzen ausmachen lassen. Beispielhaft sei hier der Wegzug wohlhabender Familien in die Randbereiche der Stadt oder ins Umland zu nennen. Vielfach war eine Entmischung der unterschiedlichen Bevölkerungsschichten die Folge, so dass einige Gebiete einer negativen Entwicklung entgegensahen. Es zeichnet sich insgesamt ein stärkerer Sortierungsprozess nach Einkommen, Nationalität und Familienstand ab. Der Wegzug der einheimischen Bevölkerung hat aber auch zur Folge, dass die Identifizierung der zugezogenen Bevölkerung mit dem Kiez nicht so stark ausgeprägt ist. Abhilfe soll hierbei das Quartiersmanagement schaffen, indem es integrativ auf die Bevölkerung wirkt und v.a. die Außendarstellung des Kiezes attraktiver gestaltet. Häufig wurde bereits beobachtet, dass es „… zu einem neuen Miteinander von Anwohnern kam. Ein interessanter wie wichtiger Aspekt ist, dass zugewanderte Jugendliche über den Kontakt mit älteren Deutschen 92 Einblicke in die Geschichte ihrer Wohngegend bekamen und damit einen inneren Zugang erhielten, der sie anders mit ihrem unmittelbaren Lebensumfeld umgehen lässt.“ (Stadtentwicklung.berlin.de 2003, b) Auch oder gerade Angebote für Kinder sollen mehr und mehr Beachtung finden, um das Verantwortungsbewusstsein dieser und der nächsten Generation für den Kiez zu stärken und die geleistete Arbeit selbstorganistorisch durch die Bevölkerung weiterzuführen. QM-Gebiete, sog. „Gebiete mit besonderem Entwicklungsbedarf“, wurden daraufhin in den Wohngegenden eingerichtet, in denen mehrere der folgenden Faktoren vorzufinden waren: − städtebauliche, bauliche und ökologische Defizite, − infrastrukturelle Defizite, − wirtschaftliche Stagnation auf niedrigem Niveau, − Umbruch bzw. sprunghafter Rückgang der wirtschaftlichen Aktivitäten, unausgewogene Bevölkerungsentwicklung, − hohe Arbeitslosigkeit, − hoher Grad der Abhängigkeit von Transfereinkommen, − hoher Anteil von Ausländern, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, − hohe Mobilität (Fortzug insbesondere von Familien, Erwerbstätigen und einkommensstarken Haushalten), − zunehmende soziale und kulturelle Segregation und Exklusion, − Zunahme der Kriminalität im öffentlichen Raum (nach Stadtentwicklung.berlin.de 2003, b) Folgende QM-Gebiete sind in Berlin entstanden: Seit März 1999: Berlin-FriedrichshainKreuzberg Boxhagener Platz Kreuzberg - Kottbusser Tor Wrangelkiez Berlin-Marzahn-Hellersdorf Stadtteil 1 (Nord und West) Berlin-Mitte Sparrplatz Magdeburger Platz Moabit West (Beusselkiez) Soldiner-/Wollankstraße Berlin-Neukölln Rollbergsiedlung Schillerpromenade Sonnenallee, High-Deck-Siedlung Berlin-Pankow Prenzlauer Berg – Falkplatz Prenzlauer Berg – Helmholtzplatz B e r l i n - T e m p e l h o f - Schöneberger Norden Schöneberg (Sozialpalast/Bülowstraße) Berlin-Treptow-Köpenick Oberschöneweide Seit Oktober 2001: Berlin-Mitte Reinickendorfer/Pankstraße Berlin-Neukölln Reuterplatz 6.2 Förderschwerpunkte des EFRE und die QM-Beteiligung Einordnung der Fördermittel, die für das Quartiersmanagement vorgesehen sind, im Kontext der Förderschwerpunkte des EFRE: 1. Förderung der Wettbewerbsfähigkeit der gewerblichen Wirtschaft bspw. Förderung von Existenzgründer/innen mit dem Existenzgründungsda rlehen 2. Förderung der Infrastruktur − wirtschaftsnahe Infrastruktur − Infrastrukturen im Bereich Wissenschaft, Forschung und Entwicklung − Infrastrukturen im Bereich Aus-, Fort- und Weiterbildung − Städtische und lokale Infrastrukturen, Förderung von Problemvierteln (Quartiersmanagement, Verbesserung des Wohnumfeldes) − Wirtschaftliche Maßnahmen im Rahmen „Bezirklicher Bündnisse für Wirtschaft und Arbeit“ − Verkehrsinfrastrukturen 3. Schutz und Verbesserung der Umwelt Förderung von Ressourcen schonenden Investitionen (Umweltentlastungsp rogramm) (nach Berlin.de 2003, c) 6.3 Mittelbündelung und Finanzierung des QMs Die finanziellen Mittel für die Quartiersmanagementgebiete werden durch den Bund, die Länder und die EU bereitgestellt, da, wie bereits beim Thema INTERREG erwähnt, die Bedingung für den Erhalt von EU-Strukturfondsmittel stets ist, dass diese nur verwandt werden können, wenn sie durch die Region (in diesem Fall das Land Berlin) und/oder den Staat kofinanziert werden. Dadurch wird verhindert, dass EU-Mittel dafür verwendet werden, Pflichtaufgaben des Mitgliedstaates zu finanzieren. (nach Berlin.de 2003, d) Aufschlüsselung des Mitteleinsatzes in Berlin im Zeitraum 1999 – 2002 (Stadt entwicklung.berlin.de 2003, b): EU-Finanzierung von Freiraum 93 Bund: EU: Berlin: Gesamtsumme 13,2 Mio. € 22,3 Mio. € 39,5 Mio. € 75,0 Mio. € Insgesamt werden im Zeitraum bis 2006 Mittel in Höhe von 39 Mio. € aus dem EFRE für die Berliner Quartiersmanagementgebiete bereitgestellt. Bisher wurden im Zeitraum von 2000–2002 352 Projekte mit Beteiligung von EFREMitteln bewilligt. Zusätzlich wird an der Erschließung von Mitteln aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) gearbeitet. Bisher läuft ein Modellprojekt mit einer Laufzeit von 12/2002 bis 11/2004 in den im Ostteil der Stadt liegenden QMGebieten Helmholtzplatz, Falkplatz und Boxhagener Platz, in denen die Entwicklungsagentur BEST das Programm „lokale Beschäftigungsstrategien und Innovation“ betreut. Ziel ist es, die Gründung und den Ausbau von sozialen Unternehmen zu unterstützen und dadurch auf lokaler Ebene Arbeitsplätze zu schaffen und unversorgte Bedürfnisse abzudecken. (nach BEST 2003) Der Grund, warum diese Gebiete im Ostteil der Stadt liegen, ist, dass bei der Förderung durch die EU zumindest noch bis zum Jahre 2005 zwischen „Ziel-1“- (im Ostteil) und „Ziel-2“-Gebieten (im Westteil) unterschieden wird. Das heißt, dass „Ziel-2“-Gebiete nur bis zu 50%, „Ziel-1“-Gebiete bis zu 75% EU-Fördermittel erhalten. Zuweilen rechtfertigt allerdings der tatsächliche Zustand der Kieze diese Unterscheidung nicht mehr, weil in einigen Gebieten im Westen Berlins schwerwiegendere Entwicklungstendenzen auszumachen sind, die Fördersumme jedoch geringer ausfällt. So wären eventuell die Mittel aus dem ESF in einigen QM-Gebieten im Westteil der Stadt besser angelegt gewesen, aufgrund dieser Unterscheidung war jedoch der Ostteil Berlins die „lukrativere“ Alternative. Neben diesen Mitteln bemühen sich die QM-Teams auch noch um weitere Fördermöglichkeiten aus Programmen wie der „Weiterentwicklung von Großsiedlungen“, dem „Schul- und Sportanlagensanierungsprogramm“ oder 94 dem „Umweltentlastungsprogramm“ (UEP). Im UEP können beispielsweise umweltentlastende Stadtentwicklungsmaßnahmen, die zu einer Verbesserung der Umweltqualität und zur Integration von Beschäftigungs- und Umweltinitiativen beitragen, gefördert werden. (UEP-BERLIN.DE 2003) 6.4 Durchführungsstruktur des EFRE Mittel für größere Projekte, die aufgrund ihres finanziellen Umfangs nicht über Aktions- oder Quartiersfonds finanziert werden können, müssen von den Quartiersmanagement- Teams direkt beantragt werden. Die EFRE-Förderung wird in Berlin dezentral umgesetzt, das heißt die Bewilligung der geförderten Projekte und die Durchführung der Förderung liegt bei den fachlich zuständigen Senatsverwaltungen und Bezirksämtern. Bei einem Großteil der Fördermaßnahmen wurde die Durchführung, Antragsbearbeitung und Bewilligung auf sogenannte geschäftsbesorgende Träger übertragen, wie − die Investitionsbank Berlin (IBB), die einen Großteil der Förderprogramme umsetzt, − die BAO Berlin International GmbH, die das Außenwirtschaftsförderprogram m umsetzt, − die Beratungs- und Service-Gesellschaft Umwelt mbH (B&S.U) für das Umweltentlastungsprogramm und − die Handwerkskammer, bei der die Antragstellung für die Meistergründungsprämie erfolgt (nach Berlin.de 2003, e). Im Fall der Quartiermanagement-Förderung bedeutet dies, dass Anträge für größere Projekte bei der IBB eingereicht werden, welche die Fördermittel verwaltet und über die Vergabe zu entscheiden hat. Geprüft wird, ob die Projekte den Förderrichtlinien entsprechen und zu bewilligen sind, wobei die IBB sich einen Widerruf vorbehalten kann. 6.5 Aktions- und Quartiersfonds Jedes QM bekommt jährlich einen Aktionsfonds in Höhe von 15.339.- € (30.000 DM) zugeteilt. Dadurch können kleinere Projekte und Veranstaltungen realisiert werden, die auf Antrag von Gremien, meist aus Bewohnern, Gewerbetreibenden und Fachleuten aus den Quartieren bestehend, angeregt werden. Die Reichweite von durch den Aktionsfonds finanzierten Projekten reicht von Veranstaltungen wie Hoffesten über Informationsblätter wie das „Falkblatt“ bis hin zu Pflanzaktionen und Verschönerung von Spielplätzen. Über die Vergabe der Mittel aus dem Fonds wird von einem aus Anwohnern des Quartiers bestehenden Anwohnerbeirat entschieden. Dieser tritt alle sechs Wochen zusammen und berät über die vorliegenden Anträge. Pro eingereichten Antrag kann ein Betrag von bis zu 500 € aus dem Fonds bewilligt werden. Der Quartiersfonds – 1 Million (DM) in Bürgerhand Der Quartiersfonds ist ein vom Senat für die Jahre 2001 und 2002 eingesetztes Finanzmittel, das pro QM-Gebiet den Anwohnern 1 Million DM bzw. etwa 510.000 € bereitstellt. Nach dem Motto „Sie wissen am besten, was in Ihrem Stadtteil gebraucht wird. Gestalten Sie ihn aktiv mit!“ (S.T.E.R.N. 2001) wurde, wie bereits erwähnt, in den Überlegungen zu diesem Fonds die Frage diskutiert, wie man das „angestrebte Empowerment der Anwohner“ (Stadtentwicklung.berlin.de 2003, b) erreichen könne, um eine dauerhaft selbsttragende Struktur zu schaffen und um Projekte, die eine reelle Relevanz für das jeweiligen Gebiet haben, bürgernah umzusetzen. Man entschied sich schließlich für ein Modell, in dem mindestens 51% der Jurymitglieder aus Anwohnern bestehen musste und nur 49% Vertreter aus existierenden Interessengruppen. Wie die Praxis zeigte, wurde dieses Modell mit überwältigendem Interesse von den Anwohnern angenommen und damit bei der Vergabe der Mittel erfolgreich verhindert, dass etablierte Gruppen die Jurys dominierten und ihre eigenen Interessen durchsetzten. Was kann alles finanziert werden? − Anschaffungen und Sachkosten − Vergütung für kleine Aufträge − Entschädigung für entstandene Auslagen − Honorare − Anschubfinanzierung für Projekte − Aufwendungen zur Durchführung von Aktionen Die Gesamtzahl der aus Mitteln der Quartiersfonds bewilligten Projekte beläuft sich bereits auf weit über 1.500. (nach S.T.E.R.N. 2001, a) Beispielhaft sind dabei anzuführen: Schulhofumgestaltungen, mobile und zeitweilige Betreuung von Spielplätzen, Stadtteilfeste, Theater- und Musikprojekte, Reparatur von Brunnen und Schultoiletten, Wiederherstellung von Spiel- und Bolzplätzen, Aufstellen öffentlicher Sitzbänke, Baumscheibenbepflanzungen und Begrünungsprojekte, Aufstellung von Fahrradständern, Deutschkurse für Zuwanderer/Zuwanderinnen unterschiedlicher Altersgruppen, Kiezzeitungen und Branchenführer im „Kiez“, Wiederherrichtung eines öffentlichen Parks etc. 6.6 Projektbeispiel Kinder & Jugend Museum Prenzlauer Berg Das Projekt beinhaltete den Umbau der EliasKirche in der Senefelderstraße im Bezirk Pankow-Prenzlauer Berg zu einem Kinder- und Jugendmuseum mit einem überdimensionierten Regal, einem Familiencafé und der Gestaltung des Museumshofes. Das Motto lautete „Bau mit!“: Kinder und Jugendliche sollen bei der Planung und teilweise auch bei der Umsetzung mitwirken können. Da der Denkmalschutz größere Veränderungen am Gebäude verbot, entwickelte der Architekt Klaus Block den Plan, ein bespielbares Regal in der Kirche EU-Finanzierung von Freiraum 95 zu installieren. Beide Regalseiten, die mit einer Brücke verbunden sind, sind 10 Meter hoch und fast 15 Meter lang. Dort können Kinder und Jugendliche höchst unterschiedliche Gegenstände zum Ausprobieren, Hören, Riechen und Fühlen erforschen. Für das Projekt „Ein neues Haus für das Kinder & JugendMuseum Prenzlauer Berg“ beliefen sich die Baukosten auf rund 1,3 Millionen €. Davon wurden 766.937,82 € vom Bund-LänderProgramm „Soziale Stadt“ finanziert, von denen wiederum 575.203,37 € durch EFRE-Mittel kofinanziert wurden. (nach Berlin.de 2003, f) 96 EU-Finanzierung von Freiraum 97 Quellenverzeichnis: BERLIN.DE 2003, A: Strukturfonds in Berlin, http://www.berlin.de/strukturfonds/ index.html, 7.06.2003 BERLIN.DE 2003, B: Strukturfonds in Berlin, http://www.berlin.de/strukturfonds/ html/efre_allg.html, 7.06.2003 BERLIN.DE 2003, C: Strukturfonds in Berlin, http://www.berlin.de/strukturfonds/ html/efre_for.html, 7.06.2003 BERLIN.DE 2003, D: Strukturfonds in Berlin, http://www.berlin.de/strukturfonds/ html/efre_fobe.html, 7.06.2003 BERLIN.DE 2003, E: Strukturfonds in Berlin, http://www.berlin.de/strukturfonds/ html/efre_ums.html, 7.06.2003 BERLIN.DE 2003, F: Strukturfonds in Berlin, http://www.berlin.de/strukturfonds/ html/efre_proj.html, 7.06.2003 EUROPA-DIGITAL 2003, C: Die rechtlichen Grundlagen der Regionalpolitik, http: //europa.eu.int/scadplus/printversion/de/lvb/g24203.htm, 6.06.2003 EUROPA.EU 2003, A: Allgemeine Bestimmungen zu den Strukturfonds, http: //europa.eu.int/scadplus/leg/de/lvb/l60014.htm, 6.06.2003 EUROPA.EU 2003, B: EFRE: Europäischer Fonds für regionale Entwicklung, http://europa.eu.int/scadplus/leg/de/lvb/efre.htm, 6.06.2003 KINDERMUSEUMBERLIN.DE 2003, A: Umbaupläne, http://www.kindermuseumberlin. de/dasneue_umbau.htm, 8.06.2003 KINDERMUSEUMBERLIN.DE 2003, B: Bau Mit!, http://www.kindermuseumberlin.de/ baumit.htm, 8.06.2003 IBA-FUERST-PUECKLER-LAND.DE 2003: Newsletter, http://www.iba-fuerst-pueckler-land.de/newsletter/newsletter_39.htm, 4.06.2003 BEST BERLINER ENTWICKLUNGSAGENTUR FÜR SOZIALE UNTERNEHMEN UND STADTTEILÖKONOMIE: Faltblatt Gründung Sozialer Unternehmen im Stadtteil, Berlin 2003 IBA-SEE.DE 2003, A: Themeninseln, http://www.iba-see.de, 4.06.2003 IBA-SEE.DE 2003, B: IBA-Team, http://www.iba-see.de, 4.06.2003 ESDP, European Special Development Perspective, Im Dienst der Regionen, Reihe Europa in Bewegung, Luxemburg 2001 IBA-SEE.DE EUROPA-DIGITAL 2003, A: Die Regionalpolitik der EU ,http://www.europadigital.de /dschungelbuch/polfeld/regional/Regionalpolitik-EU.shtml, 6.06.2003 INTERREG.DE 2003: http://interreg.de/, 2.06.2003 EUROPA-DIGITAL 2003, B: Die rechtlichen Grundlagen der Regionalpolitik, http://www.europa-digital.de /dschungelbuch/polfeld/regional/ rechtl.shtml, 6.06.2003 98 2003, C: Organigramm, http://www.iba-see.de/inc/aktuell-home/rekula/organigramm.pdf, 4.06.2003 INTERREG.DE 2003: Kooperationsräume, http://www.bbr.bund.de/raumordnung/ europa/interreg_koopraum.htm, 2.06.2003 BBR.BUND.DE 2003: ohne Titel, http://www.bbr.bund.de/raumordnung/europa/ download/INTERREG.ppt, 3.06.2003 SOZIALESTADT.DE 2003: Begleitung durch das Difu, http://www.sozialestadt.de/ programm/grundlagen/taskforce.shtml, 6.06.2003 Stadt-brb.de 2003: ohne Titel, http://www.stadt-brb.de/urban/index.html, 8.06.2003 STADTENTWICKLUNG.BERLIN.DE 2003, A: Quartiersmanagement, Karte der Gebiete, http://www.stadtentwicklung.berlin.de/wohnen/quartiersmanagement/de/ karte.shtml, 2.06.2003 STADTENTWICKLUNG.BERLIN.DE 2003, B: http://www.stadtentwicklung.berlin.de/ wohnen/quartiersmanagement/download/einleitung.pdf, 2.06.2003 S.T.E.R.N. GESELLSCHAFT DER BEHUTSAMEN STADTERNEUERUNG MBH: Faltblatt `Der Quartiersfonds`, Berlin 2001 UEP-BERLIN.DE 2003: Konzentrierte Förderung von Umweltschutzinvestitionen, http://uep-berlin.de/index.html, 9.06.2003 EU-Finanzierung von Freiraum 99 100 björn kalinowski maria pfeiffer laura vahl Der Wert der Landschaft 1 Der Wert der Landschaft Der Wert der Landschaft ist ein hochaktuelles Thema, das grundlegend die Erscheinungsformen und Besitzverhältnisse unserer Grünflächen in der Zukunft bestimmen wird! 1.1 Monetäre Bewertung von öffentlichen Grünflächen „Öffentliches Grün wird ein privates Produkt“ 1.2 Problemstellung Öffentliche Grünflächen sind vorhanden und erscheinen wichtig, wobei ihr Wert häufig nicht bewusst ist. Wie viel sind Dir die öffentlichen Grünflächen wert? Der Nutzen konnte bis jetzt nur verbal beschrieben werden und blieb damit ein weicher, nicht messbarer Standortfaktor. Grün ist ein öffentliches Gut und wird deshalb als für Free Rider, also als ohne Gegenleistung zu erbringen, nutzbare Fläche wahrgenommen. Dies gilt für direkte Nutzer wie den Fußballspieler im Park, sowie den indirekten Nutzen wie die Wertsteigerung umliegender Immobilien. Trotzdem gibt es hohe Kosten, Bau-, Unterhalts- und Pflegekosten, für die keiner aufkommen will oder kann. Der hohe Preis ist auch der Grund, weshalb in Abwägungsprozessen oft andere Nutzungen der Grünfläche vorgezogen werden. Wie viel Grün brauchst Du? Der Einsatz der vorhandenen Finanzmittel zur Pflege und Neuinvestitionen geschieht oft willkürlich und nicht nachvollziehbar. Gerade durch das in heutiger Zeit sehr stark begrenzte Budget der Verwaltung kommt die Forderung nach einem messbaren Wert auf, um sinnvolle Entscheidungen und damit eine Präferenzordnung der Grünflächen erreichen zu können. Welches Grün ist Dir wie viel wert? 102 1.3 Szenario A „total privat“ Nehmen wir einmal an, das öffentliche Grün sei ein handelbares Produkt und unterläge somit nur den Gesetzen der freien Marktwirtschaft. ‚Die Grünflächen bieten sich auf dem Markt an’ würde bedeuten, dass der Verwendungszweck und die Nutzung alleine durch den Preis bestimmt werden. Angebot und Nachfrage bestimmen die Preisentwicklung. Durch die Preisbestimmung des Marktes entsteht so ein absoluter Wert der Fläche. Die Kosten für die Investition werden unter Berücksichtigung der Rendite vom Investor direkt auf die Nutzer umgelegt. Der Investor, der sich für eine Grünfläche entscheidet, vermarktet diese nur unter den Gesichtspunkten der Gewinnmaximierung. Grün ist damit ein privates Gut, für das der Markt als Transaktionsrahmen den Ort des Güteraustausches bildet. Güteraustausch bedeutet die freie Güterübertragung und deren Verfügungsrechte. Wenn sich eine Grünfläche nicht mehr rentiert, wird diese gegen eine ertragreichere Nutzung ausgetauscht. Private Güter zeichnen sich durch rivalisierenden Konsum, dass sie nur für eine vorgesehene Nachfragerschicht zugänglich sind und die Anwendbarkeit des Ausschlussprinzips aus. Eine Form der neuen Grünflächen wären Freizeit- oder Themenparks. Die nachfrage- angepasste Gestaltung à la Disneyworld zielt auf ein bestimmtes Besucherklientel. Die Eintrittsgebühren sichern die nachgefragte hohe Qualität der Grünflächen, sie müssen aber so hoch bemessen sein, dass sie dem Unternehmen einen Gewinn ermöglichen. Eine Einzäunung schafft die räumliche Begrenzung und regelt den begehrten Zutritt. Feste Öffnungszeiten stellen einen weiteren Zutrittsregulator dar. 1.4 Szenario B „Grün - ein Betriebsprodukt“ Öffentliche Grünflächen bleiben in einer Hand der Verwaltung/des Betriebes, der monetäre Wert der einzelnen Grünflächen wird ermittelt, um diese einander gegenüberzustellen und eine Präferenzordnung zu erreichen. Erst wenn der Wert messbar ist und im Vergleich zu anderen Grünflächen steht, kann auch effizientes Wirtschaften erreicht werden. Gesetze von Angebot und Nachfrage sind tätig, Grünflächen werden einander in der Bewertung durch eine KostenNutzen-Analyse gegenübergestellt, andere Nutzungen bleiben aber außen vor. Für die Grünflächen würde das im praktischen Fall bedeuten, dass eine Entscheidung über die Vergabe von Finanzmitteln zur Pflege eines Repräsentativgrüns im Innenstadtbereich oder zur Pflege eines Stadtteilparks durch die Abwägung des Kostennutzwertes der beiden Flächen erreicht werden könnte. Der Informationstransfer zwischen Anbieter und dem Kunden/Nutzer ist wichtig, um das Produkt „Grün“ zu verkaufen. Bekanntmachung des Angebotes, Aufbau eines positiven Images und Schaffung der Identität mit der Grünfläche sind Ziele der Kommunikationspolitik. Für die konkrete monetäre Bewertung der einzelnen Grünflächen sind die Ermittlung der aufgebrachten Kosten sowie die Nachfrage/Nutzung notwendig. 1.4.1 Der Betrieb (Verwaltung) und sein Produkt (Grün mit Pflege) Die Kosten für öffentliche Grünflächen setzen sich aus drei Komponenten zusammen: Den Betriebskosten: das sind die jährlich anfallenden klar bezifferbaren Unterhaltungskosten. Dem Inventar: das sind die Anschaffungskosten mit entsprechender Refinanzierung nach Abnutzungsgraden. Dem Grund und Boden. Betriebwirtschaftliches Handeln ist der neue Slogan der Verwaltung. Verantwortlich dafür sind die heutige Finanzsituation und die Einsicht, dass private Betriebe mehr Leistung erbringen können. Es ist eine Reform von der Obrigkeitsverwaltung hin zum Dienstleistungsbetrieb, die Entstehung des Unternehmens Verwaltung Berlin ist verwirklicht. Leistungen werden zu Produkten, die zu Produktgruppen und Produktbereichen zusammengefasst werden. Die Berliner Bezirke haben somit 600 Produkte und die Senatsverwaltung 2000 Produkte in ihrem Produktkatalog. Die Kosten der Produkte sind messbar, Produkte können wie die Waren in einem Supermarkt miteinander verglichen werden. Das Produkt Grünfläche soll durch eine Marketing-Konzeption, welche Marktforschung, Produktpolitik, Preispolitik und Kommunikationspolitik beinhaltet, angeboten werden. Grundannahme des betriebwirtschaftlichen Marketings: Gründliche Analyse des Angebotes an Parks und Grünflächen Identifizierung/Definition der Zielgruppe, Schaffung der Nachfrage Die Marketing-Konzeption umfasst die bedarfsgerechte Gestaltung des Angebotes. Handlungsfelder für die Grünflächensituation wären z.B.: Flächengröße und -zuschnitt Technische und verkehrliche Erschließung Städtebauliche Qualität Landschaftsbauliche Qualität 1.4.2 Die Kosten Die Betriebs- und Inventarkosten sind im Gegensatz zu den Kosten des Grund und Bodens relativ einfach mess- und erfassbar. Die Kostenermittlung des Grund und Bodens kann auf zwei unterschiedlichen Wegen erfolgen: Festlegung durch den geltenden Bodenwertsatz. Berechnung mit Kosten-Leistungs-Rechnung. Sie ist ein Versuch, mit marktanalogen Kriterien den Grund und Boden der Grünflächen sowie das daraus erwirtschaftete Vermögen zu berechnen. Bei der Vermögensrechnung ist es wichtig, den Stand des Vermögens zu Beginn, die Veränderung während und den Stand am Ende der Rechnungsperiode nachzuweisen. Außerdem ist die Ermittlung der Abschreibung und Verzinsung des aufgewendeten Kapitals notwendig. Für die öffentlichen Grünflächen sind die Erfassung, Bewertung und Fortschreibung des Vermögens bis jetzt nicht vorgesehen. Es würde deshalb für bereits existierende Grünflächen mit geschätzten Anschaffungs- bzw. Der Wert der Landschaft 103 Wiederherstellungskosten zum Bewertungszeitpunkt zu arbeiten sein. 1.4.3 Die Nutzung/Nachfrage Für die Ermittlung der Nachfrage kommen drei verschiedene Verfahren in Betracht: - Messung der Nutzungsintensität. Wie viele Besucher kommen am Tag in den Park? - Umfragen zur Zahlungsbereitschaft. Laut einer Passantenbefragung im Auftrag des Verbands Garten, Landschafts- und Sportplatzbau Bayern e.V. zur Bedeutung des Grüns in München wären 82% bereit, aus ihren eigenen Mitteln Geld zur Verfügung zu stellen, das für die zweckgebundene Pflege und Neuanlage von Grünflächen verwendet wird (24% wären bereit, 10 DM pro Jahr zusätzlich auszugeben, 35% bis zu 25 DM und 23% sogar über 25 DM). Untersuchung der Wert-igkeit. Umfragen, wie wichtig einzelne Grünflächen für die Nutzer sind. 104 1.4.4 Kosten-Nutzen-Analyse Um Nutzen- und Kostenkomponenten miteinander vergleichbar zu machen, erfolgt die Bewertung in einer einheitlichen Dimension, in monetären Einheiten. Die Nutzwerte, die Nachfrage, wird so einem bestimmten Geldbetrag zugeordnet. Der Kostennutzwert wird nun wie folgt ermittelt: Kosten-Nutzwert = Summe Nutzen – Summe Kosten Mit diesem Kostennutzwert können die Produkte der Grünflächenverwaltung, die unterschiedlichen Grünflächen, miteinander verglichen werden. Es gibt nun den Kostennutzwert xy für das Repräsentativgrün sowie den Kostennutzwert xy für den Stadtteilpark. Diese können im Sinne der Wohlfahrtsmaximierung gegeneinander abgewogen werden. 1.5 Kritische Analyse Das öffentliche Grün begibt sich auf einen privaten Weg und doch zeigen beide Szenarien deutlich die unterschiedlichen Mängel bei dessen Bewertung und sollten deshalb auf ihre Anwendung kritisch hinterfragt werden. Szenario A: Das Bewerten der Grünflächen schafft Begehrlichkeiten. Man würde öffentliche Grünflächen total in den Markt eingliedern, womit sie austauschfähig wären und dann ein Beleihen, Verkaufen und Leasen stattfinden könnte. Die sozialen Eigenschaften von öffentlichen Gütern wie Nicht-Ausschließbarkeit, NichtRivalität (Nicht-Aufteilbarkeit), jederzeitige Verfügbarkeit für Jedermann, also auch für denjenigen, der keinen Beitrag leistet, wären verloren. Öffentliche Güter können nicht einfach nach Marktgesetzen privaten Gütern gleichgesetzt werden. Dies ist für mich unakzeptabel, weil diese Orte der „Freizone“ der immer stärkeren Privatisierung von unbezahlbarem Wert sind. 97% der Antworten aus einer Umfrage benennen Parks und Grünflächen als unbezahlbar und unverkäuflich. Als positiver Effekt wäre die Ermittlung des absoluten Preises zu sehen, der Rückschlüsse über die Nachfrage geben wird, Grün stünde jedoch immer in Konkurrenz zu anderen Nutzungen. Würde es sich herauskristallisieren, dass in manchen Stadtbereichen gar keine Grünflächen konkurrenzfähig wären, dagegen andere Viertel von Grün dominiert würden? Szenario B Kritik an der Kostenermittlung von Grünflächen: - Eine Bewertung nach der Kosten-Leistungs-Rechnung ist fragwürdig, insofern gar kein Markt für öffentliche Grünflächen existiert, der Wert also geschätzt werden muss. - Die Bewertung nach der Bodenwertsteuer ist unzureichend, weil die herausragenden Eigenschaften öffentlicher Güter nicht beachtet werden. Kritik an der finanziellen Nutzungsermittlung: - Erfassung aller Nutzungen, also auch indirekter Nutzungen. - Die Transformation in einen monetären Wert. Ich denke, dass eine monetäre Bewertung sinnvoll sein kann, die momentane, latent vorhandene Nachfrage (Nutzung) aufzudecken, um den Umfang des bereitzustellenden Grüns zu ermitteln. Weiterhin stellt sich die Frage, ob „Minderheitsnutzungen“, welche in einer Nutzwertanalyse schlechter abschneiden würden, nicht auch ihre Berechtigung oder gar einen bereichernden Wert in der Stadtlandschaft besitzen. Vielleicht könnte das Bewusstsein für öffentliche Grünflächen auch auf andere Weise (zum Beispiel Bildung) gestärkt werden. Oder könnte es sogar sein, dass eine monetäre Bewertung, das Wissen darum, wie viel Euro die Grünfläche wert ist, den ästhetischen Wert der Freifläche verdirbt? Durch die beiden unterschiedlichen Szenarien kann gezeigt werden, dass die Erscheinungsform oder der Bestand von Grünflächen überhaupt durch die kommende Entwicklung geprägt wird. Eine kritische Diskussion bei der Suche nach einer funktionierenden Bewertung von öffentlichen Grünflächen ist damit unabdingbar. 2 Wert durch Image? ... 2.1 Thematik Im folgenden Absatz geht es darum aufzuzeigen, wie viel das IMAGE für den Wert der Landschaft (bzw. in diesem Fall einer Region) bedeuten kann. Am Beispiel von Rhein Central zeigt sich das Bestreben einer Region, über das eigene Kleinstadtdenken hinweg, zu einer gemeinsamen Identität zu finden und diese als Image nach außen zu verankern, mit dem Ziel, auf dem internationalen Markt ein wiedererkennbares, attraktives Gesicht zu erhalten und sich auf diese Art und Weise marktwirtschaftlich zu etablieren. 2.2 ...am Beispiel der Rhein-Ruhr-Metropole BBDO Moskau: RC – ein neues Produkt, das viel verspricht und alles hält. Ganz klar: nur zusammen! München stellt sich in der Welt seit Jahrzehnten als „Weltstadt mit Herz in idyllischer Landschaft“ dar. Auf diese Art und Weise zahlt der Starnberger See auf das Imagekonto der Stadt ein und das Umland profitiert von der Leuchtturmfunktion der Metropole München. Die Region Nordrhein-Westfalen zeigt sich dagegen ganz anders: Köln und Düsseldorf verhalten sich oftmals als wären sie auf zwei verschiedenen Planeten angesiedelt und nicht nur 38 km voneinander entfernt, und statt auf einen Kristallisationspunkt der Profilierung zu setzen, beschäftigt man sich in Der Wert der Landschaft 105 der Region lieber mit der Binnendifferenzierung. Diese ist jedoch schon im Nachbarland schwer vermittelbar. Als Folge werden beide Städte somit nicht als Metropolen wahrgenommen, vor allem nicht im Ausland. Da spielen BayerLeverkusen im Fußball international Respekt und Sympathien ein, der Kölner Dom ist weltbekannt und bedeutende Künstler wie Joseph Beuys und Gerhard Richter stammen aus Düsseldorf – doch kaum jemand weiß, nicht im Ausland und auch in Deutschland kaum, dass die Herkunftsorte all dieser Dinge ganz nah beieinander liegen. BBDO Singapore: In Rhein Central findet man immer ein Stück Vertrautes… Da jede Weltklasseleistung einem anderen Konto zugeordnet wird, bleibt die geballte Attraktivität der faktischen Metropole, die entlang der Rheinschiene zwischen Köln und Duisburg existiert, unsichtbar. Dabei ist diese Region die zweitgrößte Metropole Deutschlands! Sie zählt zu den stärksten Wirtschaftsräumen der Welt, besitzt die größte Museumsdichte weltweit und belegt im internationalen Vergleich der Wirtschaftskraft und dem Anteil von Hightech-Arbeitsplätzen mit New York, London, Chicago, Shanghai den dritten Platz. Als struktur- und imageschwächend wirkt sich jedoch nicht nur diese individualistische Selbstdarstellung der Städte aus, sondern auch eine verwaltungsmäßige Zersplitterung, welche die Kommunen kontraproduktiv um dieselben Neuansiedlungen, Forschungseinrichtungen und Fördergelder buhlen lässt. Dabei ist in der Wirtschaft schon seit langem bekannt: Wer international sichtbar und wettbewerbsfähig sein möchte, muss seine Kräfte bündeln. Unternehmen 106 haben daraus längst ihre Konsequenzen gezogen, z.B. im Branding: Es ist einfach besser, eine bekannte Marke zu haben und zu vermarkten, als 27 kleine. D.h. solange Leverkusen, Köln, Düsseldorf, Duisburg weiterhin einzeln auftreten, werden sie nicht in einem Atemzug mit Barcelona, München, Mailand genannt werden. Dabei könnten sie gemeinsam fast noch größer und schöner sein, denn das Potential ist da. Was fehlt ist eine gemeinsam getragene Zielvorstellung, eine Identität: Ein Image. Um der unentdeckten Metropole im Ausland ein Gesicht zu geben, startete die BBDO Group Germany eine Initiative zur Standortförderung der Region Köln/ Düsseldorf. Unter dem Namen Rhein Central erfand sie eine exemplarische Metropole aus Köln, Leverkusen, Düsseldorf und Duisburg – eine Metropole, die sich mit 2,8 Mio. Einwohnern, zwei Flughäfen, dutzenden Universitäten und einer Wirtschaftskraft vor Brüssel, Stockholm, und London brüsten kann. Betrachtet man dazu noch Dortmund und Essen innerhalb der Grenzen Rhein Centrals, so entstünde eine Metropole mit 6,5 Millionen Einwohnern! Hintergrund des Projektes ist das Wissen darum, dass unter dem Markendach eines gemeinsamen Metropolen-Namens alle Stärken des Standortes gesammelt und gebündelt werden können. Um die Diskussion über ein geeignetes Standortmarketing für die Region und die Idee Rhein Central anzustoßen, hat die BBDO Group Germany sieben BBDO-Agenturen aus allen Teilen der Welt beauftragt, jeweils eine Werbekampagne aus ihrer Ländersicht für Rhein Central zu entwickeln. Ziel dabei war es zu zeigen, wie faszinierend und vielseitig Rhein Central ist und wie aus der globalen Perspektive Stadtgrenzen und Kirchturmdenken verschwinden. Die Kampagnen-Ansätze richten sich in erster Linie an Reisende und Geschäftsleute der jeweiligen Länder. Aus der Ferne betrachtet werden die Unterschiede in der Region, die vielen Einwohnern an Rhein und Ruhr so bedeutsam erscheinen, irrelevant und enthüllen auch für die Einheimischen neue Perspektiven und Einsichten in die Metropole am Rhein. BBDO Chicago: RC ermöglicht die perfekte Balance zwischen Privatund Berufsleben… BBDO Melbourne: RC ermöglicht die Befriedigung aller Interessen, weil die Metropole alles bietet… Das Beispiel dieser Kampagne der Rhein-Ruhr-Metropole soll zeigen, wie sehr eine gemeinsame Identität und ein starkes Image zur Stärkung einer Region beitragen könnten und wie wichtig es sein kann, Namen zu finden, um Werte zu benennen und zu verdeutlichen. Offen bleibt, ob mögliche Werte tatsächlich allein dadurch entstehen können, dass man ihnen einen Namen gibt, denn eine Metropole lässt sich ganz sicher nicht herbeireden. WENN es sie aber schon gibt – dann heißt es (nach der BBDO) nur noch, sie „wachzuküssen und als Marke zu verankern“! BBDO Düsseldorf: Es muss neu kartografiert werden. Rhein Central ist da. Dabei ändern sich Landkarten nicht nur auf dem Papier, sondern auch im Kopf. 3 Brandscapes 3.1 Thematik Im März 2001 untersuchten Studenten des Bauhaus Dessau und der UDK Berlin eine gesellschaftspolitische Entwicklung der neuesten Zeit. Ihre Ergebnisse wurden in der Ausstellung: „Brandscapes – EventCity“ vorgestellt. Der Ausgangspunkt für die Thematik war die Annahme, dass in der Kultur der Gegenwart die Sphären von Kultur, Politik, Gesellschaft und Politik miteinander verschmelzen und eine neue Art von Freiraum im Begriff ist, sich zu konstituieren: die Brandscapes. Brandscapes in diesem Zusammenhang sind Markenlandschaften, von Marken annektierte, ehemals öffentliche Stadträume, in denen die Marke und ihre Identität erlebbar wird. Die sich wandelnde und immer präsenter werdende Besetzung durch Marken soll im Folgenden aufgeklärt werden. Die Ausführungen über das Brandscaping sollen die wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Faktoren vor Augen führen, die zu diesen Entwicklungen geführt haben. Aus dem Gewahrwerden jener Entwicklungen stellt sich uns als zukünftigen Landschaftsarchitekten die Frage, welche Möglichkeiten der Architektur offen stehen, um auf die zunehmende Markenpräsenz im Stadtraum zu reagieren. Denn im Strom kultureller Waren kann sich Landschaftsarchitektur als Kunstprodukt kaum noch halten. Als Vermittler zwischen kulturellen und ökonomischen Interessen können wir uns wahrscheinlich nicht mehr den Zwängen der Markenkultur entziehen (nach: Eröffnungstext, Brandscapes - Event-City, www.brandscapes.org). Wie können wir mit einer Entwicklung umgehen, in der die Landschaft zum Bestandteil der Schaufenster der Großkonzerne wird? Der Wert der Landschaft 107 3.2 Brandscaping Brandscape (engl. “Brand” = Marke und “Landscape” = Landschaft) bezeichnet einen Landstrich, in dem eine Marke “inszeniert” werden soll. Es ist eine Art “Erlebniswelt”. (www.phil.uni-erlangen.de/economics/bwl/wi_news/absatz.html) 3.2.1 Raum ist Geld Es ist eine Entwicklung der letzten 15 Jahre, dass eine Marke nicht mehr wie früher der Garant für die Qualität eines Produktes ist, sondern vielmehr eine Lebenseinstellung. Nike produziert zum Beispiel keine Schuhe, sondern Sport, Microsoft macht Kommunikation, nicht Software und Starbucks kocht keinen Kaffee, Starbucks kreiert Gemeinschaften. Um diese Lebenseinstellungen zu vermitteln, denkt sich die Werbebranche immer neue Konzepte und Kampagnen aus, um potentielle Konsumenten zu erreichen. In der letzten Zeit sind die herkömmlichen Werbeformate wie Fernsehen, Print etc. ausgereizt worden, und so schmiegen sich neue Werbeformen in die Atmosphären der Zielgruppen. Wenn die herkömmlichen Werbeformate also nicht mehr reichen, muss ein Konzern neue abstrakte und reale Räume finden, um sein Image auszubreiten. Daraus folgt, dass Konzerne ein unmittelbares Interesse am realen Raum haben und dem öffentlichen Raum und der Landschaft somit ein neuer Wert zugewiesen wird. Neue Werbeformen sind überall, auch da, wo man sie nur subjektiv wahrnimmt. Das Vitra Design Museum ist nichts anderes als eine Undercover-Werbung. Eine Institution, die das Image der Marke Vitra bei den Zielgruppen der Werber, Designer und Architekten durch Ausstellungen über Kunst, Architektur, Design, Mode und Ästhetik einprägen soll, damit beim nächsten Bürostuhl ein Vitra gekauft wird. 3.2.2 Reale Räume werden zu 3D-Manifestationen von Markenidentitäten Naomi Klein beschreibt in ihrem Buch „No Logo“ unter anderem den Widerstand, 108 der gegen die Macht der Großkonzerne wächst und ist mit diesem Bestseller zur Ikone der Globalisierungsgegner geworden. „Klassischerweise bestand Marketing aus Assoziationen: schönes Mädchen trinkt Soda, benutzt Shampoo, fährt Auto. Soda/Shampoo/Auto werden mit unserem Streben assoziiert, so hübsch zu sein wie sie. Assoziationen reichen nicht mehr, der Markenwahn hat all das verändert. Die Marken von heute wollen ihre Markenidentitäten zum Leben erwecken, sie sollen Teil der realen Welt werden, lebende Manifestationen ihrer Mythen.“ Diese wirtschaftliche Entwicklung beschreibt Klein mit einer Metapher: Das markengesteuerte Unternehmen ist ein sich ausbreitender Ballon. Öffentlicher Raum, neue politische Ideen und avantgardistisches Image, das Gas, mit dem sich der Ballon füllt. Die Marke muss also kulturellen Raum konsumieren, um zu verhindern, dass sie schrumpft. Fast jedem Produkt liegt heute die selbe Strategie zugrunde: „Schnell weg mit diesen Gewerkschaftsfabriken im Westen – kaufe Deine Produkte lieber bei asiatischen oder südamerikanischen Vertragspartnern oder Zwischenhändlern. Dann nimm das Geld, das Du gespart hast, und gib es für Deine Marke aus – für Werbung, Markensuperstores und Sponsoring.“ 3.2.3 Sponsoring Um die Präsenz der Großkonzerne in unserem alltäglichen Leben zu identifizieren, sollen Beispiele für den Sponsoring-Boom der letzten Jahre angeführt werden. Wir müssen davon ausgehen, dass die staatlichen Kassen leer sind, und dieser Zustand bietet Marken neue Möglichkeiten, in vorher unbesetzte Nischen vor zu dringen. Konzerne lösen den Staat in der Finanzierung ehemals staatlich organisierter Einrichtungen ab. Beispiel New York. Seit dem 11. September klafft ein 4,6 Milliarden großes Loch in den Kassen New Yorks. Bürgermeister Bloomberg will nun die öffentlichen Parks zum Sponsoring für Konzerne freigeben. Die Süddeutsche Zeitung titelte einen Artikel über dieses Thema: „Coca-Cola Park statt Central Park?“. 9,8 Millionen Euro hat eine Fluggesellschaft gezahlt, damit das Selwyn – Theatre auf dem Broadway für die nächsten 10 Jahre „American – Airlines – Theatre“ heißt. Auch in Deutschland finden sich äquivalente Beispiele, so heißt das Stadion des Hamburger SV nun AOL – Arena und München bekommt seine Allianz – Arena. Doch Konzerne sind keine Wohlfahrtsunternehmen, sie wollen ihren Nutzen aus ihren Sponsoring-Aktivitäten ziehen. Die Geldgabe ist gekoppelt mit Auflagen, die unterschiedliche Gravitätsstufen in der Einschränkung des ehemals relativ auflagenfreien Raumes mit sich bringt. Die unlängst größte Geldwelle rollt gerade in die Schulen und Kindergärten. Es wird gesponsert, was zu sponsern geht, es werden Markenwerte vermittelt, wo immer man sein Sendebewusstsein meint, reinstopfen zu können. In Amerika haben viele Klassenzimmer gesponserte Fernseher, bei denen in den Werbeblöcken Umschaltsperren aktiv werden. Es gibt eine Schule, von CocaCola gesponsert, die einen offiziellen Coca-Cola-Feiertag feiert. Ein Schüler trug an jenem Tag ein Pepsi-T-Shirt: er flog von der Schule. Im Mathe-Unterricht lernen amerikanische Kinder nicht Kreisumfänge zu berechnen, sondern die Cookieumfänge einer berühmten rundkeksigen amerikanischen Marke zu ermitteln. Viele bisher unangetastete Lebensbereiche scheinen nun abhängig von der Geldgütigkeit der Wirtschaftsmächte zu werden. Es ist eine Art Diktatur der Marken. Während Sponsoring das Finanzieren von Dingen ist, die ins Image passen, die den Stil der Marke repräsentieren könnten, ist das Brandscaping das Stilisieren einer Marke zu einem Charakter, die Neu-Kreation von Räumen. Ein Marketingkonzept wird in die Dritte Dimension gezogen, das Erleben des Raumes wird gleichzeitig zum Erleben der Marke. Immer schon in der Geschichte des Raumes war er Repräsentationsfläche und ein Ort der Signalisierung von Macht, neu beim Brandscaping ist jedoch die Partizipation, die Interaktivität und Verschmelzung von Marke und Mensch. 3.2.4 Image Der gute Name einer Marke ist ein enormer Wert. Diese drei Wagen wurden in einer EU-finanzierten Fabrik in Portugal gefertigt und sind mehr oder weniger gleich, bis auf ihre Markenembleme auf den Kühlern. Es sind der VW Sharan, der Ford Galaxy und der Seat Alhambra. Das interessanteste aber bei diesem Beispiel ist, dass der VW 23.000 Euro, der Ford 22.000 und der Seat 21.000 Euro kostet. Noch interessanter ist, dass sich der Alhambra mäßig und der Galaxy auch eher schleppend verkaufen, der Sharan jedoch ein Verkaufsschlager ist. 3.3 Autostadt Wolfsburg Die Autostadt Wolfsburg ist eine Brandscape der Reinform. Das Projekt, auf einem 25 Hektar großen Gelände ein „Center of excellence“ zu entwickeln, basiert auf einem ausgefeilten Marketingkonzept. Auf dem Grundstück, das „vorher als Kohlelagerplatz genutzt wurde, entstand ein 850 Millionen Mark teures “Weltforum der Automobilität“. 3500 Besucher werden täglich erwartet, darunter viele, die ihr Auto abholen, ihren Volkswagen natürlich. Ein Luxushotel, erlesene Gastronomie, Der Wert der Landschaft 109 Geschäfte, Ausstellungen und Kinos stehen den erwartungsfrohen Kunden bereit.“ (Schäfer 2000). Die Hauptattraktion ist jedoch der Showroom, der aus einer Hügel- und Wasserlandschaft besteht, in die einzelne Markenpavillons integriert sind. Die Freiflächen des Hamburger Landschaftsarchitekturbüros WES & Partner haben eine Bausumme von 16 Millionen Mark und schlucken jährlich eine Pflegesumme von 2,5 bis 3 Millionen Euro. Auf den Park in seinen Ausführungen soll im weiteren jedoch nicht eingegangen werden, viel interessanter im Zusammenhang der Brandscapes ist die Selbstdarstellung der PR-Abteilung der Autostadt und die Aussageabsicht der Architekten. Hierzu dienen Passagen aus dem offiziellen Werbekatalog von Volkswagen: Jeder Markenpavillon ist mit einem Hausbaum gekennzeichnet: „Volkswagen durch die Birke, ein ebenso widerstandsfähiges wie heiteres Pioniergehölz, Audi durch den früh blühenden, im Herbst farbenprächtigen Spitzahorn, Bentley durch eine englische Eiche. Lamborghini wählte mit der Esskastanie den mediterransten Baum, der dem Klima Wolfsburgs noch standhält, Seat die Silberweide, Skoda eine zweistämmige böhmische Linde.“ DieAutostadt ist „eine ökologisch begrünte Stadt, deren Bewegungsbahnen immer auf das Ankommen zielen, nicht auf die Flucht vor einer allzu trostlosen Umgebung.“ „WES & Partner schaffen (...) zwischen den acht bis zehn Meter hohen Hügeln dichte, inhaltsreiche und tiefsinnige kleine Welten, die intensiv zu lesen sind, wie die Markenpavillons oder die darin manifestierten Grundsätze und Werte.“ Nach dem Verlassen des Konzernforums scheint alles in sein Gegenteil 110 verkehrt: „Straßen mutieren zu Wasserläufen, die Autos bevölkern die Häuser, (...) und nicht zuletzt besetzen bewegte Grashügel (...), blühende Solitäre und plätschernde Wasserspiele den nirgends mehr sichtbaren schwarzen Asphalt der Stadt. Einer Stadt, in der sich zwar alles um das Auto dreht, die aber gelernt hat, dem Menschen zu dienen.“ „Die notwendige ökologische Zielsetzung symbolisiert rund um die Markenpavillons eine erstarkte, ausgelassene bewegte Landschaft, die sich unabhängig von den Zwängen einer vorgegebenen Bau- oder Erschließungsstruktur frei entfalten kann.“ „Eine raffiniert inszenierte Ferienstimmung wird unterstrichen durch strandartig ins Wasser abfallende Stufenfolgen, die zwar nicht dazu animieren sollen, den Mittellandkanal mit einem Baderevier zu verwechseln, die aber zum Ausruhen und Verweilen einladen. Vor dem Besucher liegt eine märchenhaft merkwürdige, aber umso anziehendere Lagunenstadt, in der Natur und Technik, Landschaft und Stadt gleichgewichtige Rollen spielen.“ Die Autostadt ist etwas anderes als zum Beispiel Disneyworld. In Disneyworld wird dir eine Traumwelt vorgesetzt und du bezahlst dafür, dass du diese Welt - aus welchen Gründen auch immer - zeitweilig erleben darfst, außerdem zielt Disneyworld auf den unmittelbaren Profit ab. Was aber in Wolfsburg entstanden ist, ist durchaus mit der neuen Axe-Werbung zu vergleichen. In Werbersprache ist das eine Wants-Strategie. Im Gegenteil zu den Needs sind die Wants das, was man nicht kaufen kann, aber gerne hätte. Nimmst du Axe, ist nicht nur für deine körperliche Pflege gesorgt, Du bekommst sogar noch ne Frau oder zwei, nein besser noch, sie fallen in Heerscharen über Dich her. In Wolfsburg wird dieses Konzept in die 3. Dimension gezogen. So wie es eine Lüge ist, dass Axe das absolute Aphrodisiakum ist, so ist die Vorstellung eines Umgangs und einer Wertigkeit von Freiflächen, wie sie auf dem Grundstück von Volkswagen präsentiert und vermarktet wird, völlig utopisch. Wenn das beschriebene Freiflächenkonzept überall so funktionieren würde wie in der Autostadt, würden die Golfs und Sharans und Bentleys wahrscheinlich ziemlich viel Zeit in der Garage verbringen, und das Nachfolgemodell von Volkswagen würde nicht so schnell, wenn überhaupt, gekauft. Peter Lau / brandeins: „Eine bestimmte Art zu denken, fördert eine bestimmte Art des Handelns, eine Architektur, auch die Idee des Brandscapes, viele neue öffentliche Räume. Ein Denken, in dem der Mensch zwar als Modell vorkommt, doch als ein Modell, das mit uns, den echten Menschen, nur zum Teil identisch ist.“ 3.4 Fazit - Chance oder Untergang des öffentlichen Freiraums Wie weit geht die Beherrschung des als öffentlicher Raum getarnten Parks des Volkswagen-Konzerns? Wenn wir in Wolfsburg im Park sitzen und unsere Stulle essen und ein MercedesBenz T-Shirt tragen, werden wir dann von tapferen Security-Menschen dezent vom Gelände verwiesen? Dass sich bestimmte soziale Gesellschaftsschichten am Potsdamer Platz nicht aufhalten dürfen, ist jedem bekannt und ganz schrecklich, was könnte aber in der Zukunft passieren, wenn Konzerne beschließen, ihre „öffentlichen Freiräume“ nur noch ihren Zielgruppen zu öffnen? Wenn Brandscapes noch in ihren Kinderschuhen stecken, wie werden wir Freiraum erst erleben dürfen, wenn sie erwachsen sind? Zutritt nur für Leute mit Fußpilz auf dem Canesten-Platz? Was bedeutet die neue Wertigkeit des Freiraums, die durch die Inszenierung eines Markenkonzerns produziert wird? Und was bedeutet diese Entwicklung für uns als Planer? Wie können und wollen wir uns überhaupt anpassen? Werden wir zu Werbemachern? Liegt unsere Zukunft in der Vermarktung von Images, indem wir lernen, unsere Materie als Werbeformat zu benutzen? Der Wert der Landschaft 111 Quellenverzeichnis BBDO Group Germany, Rhein Central – Ein anderer Blick auf eine unbekannte Metropole, Presse-Information vom 20.11.2002, Düsseldorf BLUME, Johannes, Nutzungsansprüche an das öffentliche Grün, in: Stadt und Grün 06/1999 DANKBAR, Christine, Wer Personal abgibt, verliert Macht, in: Berliner Zeitung, 23.07.1999 Hork , Matthias, Die zehn wichtigsten Trendentwicklungen im Konsumentenbereich für das neue Jahrtausend, www.intercorp.de/ bibliothek.html?cat=3 JANSEN, Monika, Grünflächen als Wertfaktor, in: TFH Presse Nr. 11/12/ 1999 KLEIN, Naomi, Die Tyrannei der Marken, in: BrandEins 5/2001, www.brandeins.de/magazin/archiv/2001/ausgabe_05/schwerpunkt/ artikel5.html KUHLMANN, Friedrich, Landschaft als Produkt – zum Preis ihres Sensationsgehaltes, in: Zone7 Heft 05/06/2002, Berlin LAU, Jörg, Kultur als Abschreibungsmodell, in: Die Zeit 50/2002 LAU, Peter, Bedeutende Orte, in: BrandEins 10/2000, www.brandeins.de/ magazin/archiv/2000/ausgabe_10/schwerpunkt/7_2_frame_rechts.html ZIMMERMANN, Dr. Rainer, COE BBDO Group Germany, Die unsichtbare Metropole, o.A. MEYERHÖFER, Dirk, Schmuck oder Zahl, in: BrandEins 2/2003, www.brandeins.de/ magazin/archiv/2003/ausgabe_02/schwerpunkt/artikel8.html) 112 MILCHERT, Jürgen, Vom Siegeszug der Freizeitparks, in: Stadt und Grün 06/ 1999 ROOST, Frank, Unwiderstehlich sexy, in: Zone7 Heft 05/06/ 2002, Berlin SCHÄFER, Robert, Autostadt Wolfsburg, in: Garten+Landschaft 8/2000 SCHULZ, Bernhard, Die geballte Stadt, in: Berliner Tagesspiegel 25.11.2002 TAUNITZ, Hartmut; NIGGEMANN, Christian, Strukturwandel der Grünflächenämter, in: Stadt und Grün 6/1999 www.autostadt.de Der Wert der Landschaft 113 ulrike gawlik dana göpffahrt martina oeser Geld verdienen! Aufgabenfelder für Landschaftsarchitekten. 1 Einleitung Als Einstimmung in das Thema „NeueAufgabenfelder für Landschaftsarchitekten. Geld verdienen!“ stellten wir bei unserer Präsentation zwei Landschaftsvideos aus der CADRAGE Reihe „Der bewegte Blick“ der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich vor. Dieser seit drei Jahren an der ETH existierende Kurs thematisiert die kritische Auseinandersetzung mit der städtischen Natur und der Beziehung, die der Mensch zu ihr hat. Das Landschaftsvideo ist Mittel der Reflexion und Positionierung, mit dem Ziel, die äußere Welt so darzustellen, wie man sie erlebt. Landschaftsvideos sind demzufolge eine Form, Landschaft auf eine eigenständige, neue Art und Weise zu betrachten, gleichzeitig aber auch neues Ausdrucksmedium für den Landschaftsarchitekten und innovatives neues Aufgabenfeld. Diese Ausarbeitung ermöglicht es leider nicht, ein Video abzuspielen, von daher an dieser Stelle der Verweis auf dieses Arbeitsfeld. Im folgenden Text betrachten wir zunächst die Aufgabenfelder der Landschaftsarchitekten anhand exemplarisch ausgewählter europäischer Länder. Im Anschluss daran werden mit Hilfe zahlreicher Bilder die heutigen Arbeitsfelder der deutschen Landschaftsarchitekten im Spannungsfeld vieler Professionen verdeutlicht. Um einen umfangreichen Überblick zu gewährleisten, schauen wir mit einem historischen Rückblick auf die Anfänge der Freiraumplanung. Aus diesem Zusammenhang leiten wir über zu neuen Perspektiven, ermöglicht durch den Wandel der Arbeit. 116 2 Der Stand der Dinge in Europa 2.1 Schweiz – Die Profession wird urban In der Schweiz bewirkten gesetzliche Änderungen 1996 die Öffnung für den freien Wettbewerb, da die Verpflichtung, sich an Honorarund Wettbewerbsordnungen zu halten, entfiel. Seitdem hat sich der Konkurrenzkampf verschärft, denn es drängen immer mehr berufsverwandte Sparten, zu nicht mehr kostendeckenden Preisen, in den Aufgabenbereich der Landschaftsarchitekten. Der öffentliche Raum und der Garten sind Betätigungsfelder für eine Reihe von Spezialisten geworden. „Geographen, Architekten, Planer, Biologen, Hydrologen, Archäologen, Agronomen, Forstingenieure, Künstler, Historiker, Kunsthistoriker, Soziologen, Pädagogen und Landschaftsarchitekten melden Mitspracherecht und Kompetenz an.“ (Klötzli, 1999, S. 81) Landschaftsarchitekten fehlt es in der Schweiz nach wie vor an einer eigenen Hochschulausbildung. Einheitliche Forschung und die Neuinterpretation der schweizerischen Landschaft fehlen bisher. Die Schaffung eines eigenen Studiengangs wäre eine zukunftsorientierte Aufgabe. Durch eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit und die Zusammenarbeit mit berufsverwandten Organisationen haben die Schweizer Landschaftsarchitektur in das Blickfeld der Politik, Wirtschaft und der Öffentlichkeit eingeführt. Schweizer Landschaftsarchitekten setzen immer mehr auf interdisziplinär zusammengesetzte Arbeitsgruppen, die sich untereinander ergänzen. Ein Beispiel dafür ist die Zusammenarbeit von Denkmalschützern und Naturschützern und der zunehmenden Wertschätzung der Gartendenkmalpflege. Längerfristig sehen die Landschaftsarchitekten ihr Arbeitsfeld im urbanen, Fällen der Außenraum miteinbezogen. Auch vorhandene Freiflächen werden aufgrund fehlender Mittel und fehlender Wertschätzung schlecht instand gehalten. (nach: Anderson, 1999, S. 95f) Heute gibt es einen veränderten Anspruch an das Wohnumfeld. Das Starre wird abgelehnt und dem Dynamischen der Vorzug gegeben. bereits besetzten Umfeld. Umnutzungen und Neuinterpretationen von Vorhandenem werden die neuen Aufgaben sein. (nach: Klötzli, 1999, S. 81) Satellitenstädte sollen, als Inbegriff des Unbeweglichen und Eintönigen, dynamisch aufgewertet werden. Eine Planung, die sich nur auf die Architektur 2.2 Dänemark - Wohnumfeldverbesserungen In Dänemark entstanden in den 1960er und 70er Jahren zahlreiche Satellitenstädte. Mit Städtebau glaubte man in den vergangenen 50 Jahren kulturelle, soziale und architektonische Probleme lösen zu können. Trabantenstädte, völlig losgelöste Einheiten in der Peripherie, zu errichten, war eine Ausdrucksform dieser Zeit. Sie besitzen einen sehr hohen Grad an Eigenständigkeit und weisen keinen Zusammenhang zu ihrem Umland auf. „Den Trabantenstädten mangelt es an räumlicher Identität, Individualität, Geschichte und angemessener Bautechnik.“ (Anderson, 1999, S. 96) Den Bewohnern fehlt der Bezug zu ihrem Umfeld und zur Architektur. In Dänemark wurden in den letzten Jahren Milliardensummen darauf verwendet, die Baufehler dieser Städte zu sanieren. Dabei wurde jedoch in den seltensten konzentriert, ist überholt. Dänische Landschaftsarchitekten sollen über die Neugestaltung des Wohnumfeldes zum einen den Wohnraum aufwerten, jedoch sollen sie gleichzeitig den Bogen spannen zwischen der beim Bau der Satellitenstädte vernachlässigten Betrachtung der Geschichte des Ortes, dem lokalen Kultur- und Landschaftsmuster sowie der Zusammensetzung der Bewohner. Eine dynamische, in Beziehung stehende Landschaft soll entstehen. Freiräume sollen umgestaltet und weiträumig mit ihrem Umfeld verknüpft werden. Die Gestaltung des Landschaftsarchitekten als Initialisierung eines Wachstumsprozesses, dessen Ausgang nicht absehbar ist. Der Landschaftsarchitekt soll Planungsmodelle entwickeln, die das Bedürfnis nach Veränderung, Dynamik und Naturerleben als Ganzes im Einklang vereinen. Diese Erkenntnis beruht auf der Einsicht, dass die landschaftlichen und die gebauten Ressourcen gleichwertig sind. Dies ist gleichzusetzen mit einer Funktionsmischung, die durch die Charakteristik des Freiraums gesteuert wird. Statt dem Bestreben, Widersprüche zu negieren, sollen gerade diese nun wichtiges Planungselement werden. (nach: Anderson, 1999, S. 95ff) Geld verdienen! Aufgabenfelder für Landschaftsarchitekten 117 2.3 Schweden – Topmanager für den Freiraum In Schweden ist die Landschaftsarchitektur dabei, sich als Konzept wie auch als Berufsstand zu etablieren, und genießt große öffentliche Aufmerksamkeit. Es gab viele medienwirksame Beiträge und zahlreiche Zusammenarbeiten mit Künstlern. Dies weckt teilweise die Nachfrage nach der Schaffung einer eigenen Kunstform „Landschaftsarchitektur“. Das Ausbildungskonzept der schwedischen Landschaftsarchitekten setzt sich aus einer konkurrenzfähigen Kombination aus Leistungstraining und designorientierter Wissensvermittlung zu Inhalten wie Projektsteuerung, Konstruktion, Umweltschutz und Ressourcennutzung zusammen. Mit diesem Konzept erschließt sich den Absolventen ein umfangreicher Arbeitsmarkt. Neben der Ausbildung sind die schwedischen Landschaftsarchitekten aber auch gut in der Forschung vertreten. Heute finden sich in Schweden zahllose Landschaftsarchitekten in Führungspositionen in Ministerien, Kommunalverwaltung, technischen Abteilungen, Straßenbauämtern etc. Auch hier als Folge einer veränderten Wertschätzung zugunsten des Freiraums. Große Firmen betrachten Landschaftsarchitektur als Imagefrage. „Gestiegenes Umweltbewusstsein sowie eine höhere Wertschätzung der Qualität des alltäglichen Arbeitsumfeldes haben dazu geführt, dass Landschaftsarchitekten immer früher in planerische 118 Entscheidungen einbezogen werden.“ (Suneson, 1999, S.55) Man überträgt ihnen die Koordination neuartiger planerischer Aufgaben mit gesellschaftlichem Bezug. (nach: Suneson, 1999, S. 50ff) 2.4 Niederlande – Landschaftsarchitektur als Prozess Aufgrund ihrer besonderen Naturgegebenheiten bedeutet Natur in den Niederlanden auch immer Kulturlandschaft und Wassermanagement. Neuerdings wird Naturentwicklung, Wasserhaushalt und Landschaftsarchitektur als eine Einheit betrachtet. Projekte sind zunehmend prozesshaft angelegt, tragen den Charakter einer Naturentwicklung und beinhalten das verbindende Element Wasser. Die Tendenz ist ganz klar: weg vom konservierenden Naturschutz, hin zur Naturentwicklung, was unter anderem auch zu vermehrter Zusammenarbeit zwischen Landschaftsarchitekten und Städtebauern führt. Die Naturentwicklung als prozesshafter Planungsansatz schließt ein Endstadium aus. „Die Planung gibt vor allem die Rahmenparameter vor, innerhalb derer sich die Naturgebiete auf Grundlage der natürlichen und anthropomorphen Gegebenheiten entwickeln können.“ (Den Ruijter, 1999, S. 36) Der Landschaftsarchitekt wird zum Initiator von Prozessen. Die ökologische Planung arbeitet mit klassischer Landschaftsarchitektur. Der Prozess der Naturentwicklung stützt sich auf die verbindende Rolle des Wassers und auf die plastische Modellierung des Geländes. „(…) [D]er Boden wird zum Gegenstand landschaftsarchitektonischer Komposition.“ (Den Ruijter, 1999, S. 37) Visuelle Akzente, die Einheit des Systems sowie gestalterische Integration spielen beim Entwurf eine wesentliche Rolle. (nach: Den Ruijter, 1999, S. 32) 2.5 Spanien – Modell Barcelona In Spanien gibt es keine geschützte Berufsbezeichnung des Landschaftsarchitekten. Die Freiraumplanung – insbesondere die städtische – ist Aufgabenfeld diverser Berufe, wie der des Architekten oder des Bauingenieurs. Seit vor 25 Jahren neue öffentliche Parks in Barcelona entstanden, besitzt die Stadt Vorbildwirkung innerhalb Spaniens und Europas. Aktuelle spanische Freiraumgestaltung orientiert sich an der zeitgenössischen Architektursprache und demonstriert damit die Schwerpunktsetzung auf dem ästhetischen Ausdruck des Entwurfs. Als neue Tendenz wäre der Bedeutungsgewinn von Kriterien der Gestaltung im Umgang mit Projekten zur Verbesserung der Umwelt zu nennen. Die geweckte öffentliche Sensibilisierung für Natur und öffentlichen Raum schuf die Voraussetzung zur sukzessiven Etablierung einer landschaftsarchitektonischen Fachausbildung an den Hochschulen. Das Lehrspektrum der Studenten bewegt sich im Spannungsfeld ästhetischer, biologischer, ökonomischer, sozialer und anthropologischer Komponenten. (nach: Pla, 1999, S. 41ff) 2.6 Frankreich – Zur Stadt beitragen Französische Landschaftsarchitekturbüros entwickeln konzeptionelle Ideen zum Städtebau. „Zu den besonderen Fähigkeiten der [französischen] Landschaftsarchitekten gehört vor allem das `Entwerfen´, verstanden als eine umfassende Arbeit, die sämtliche Etappen und Maßstäbe eines Projektes behandelt.“ (Arnold, 1999, S. 6) Dass auch in Frankreich die ästhetische Komponente des Entwurfes eine außerordentliche Rolle spielt, spiegelt die Anerkennung des Berufes als künstlerische Disziplin (beispielsweise im Namen der führenden Schule: Ecole Supérieure des Arts du Jardin (ESAJ) de Paris) und das Bedürfnis, sich gegen die technisch orientierte, angelsächsische Ausbildungsausrichtung abzusetzen, wider. Der Schwerpunkt der Arbeit des französischen Landschaftsarchitekten liegt im Bereich des Städtebaus und hier vorrangig auf dem Feld der Verbesserung der städtischen Peripherie. Interessanterweise scheint sich hier der Wechsel der Definition des Gegenstandes der Stadtplanung von der Organisation der Gebäude im Raum hin zur Organisation/Gestaltung der Freiräume abzuzeichnen. Eine zunehmende und als positiv bewertete Theoriebildung äußert sich vorrangig in einer verstärkten Publikationstätigkeit. Der französische Landschaftsarchitekt ist involviert als Vermittler und Berater in der Auseinandersetzung mit Freiraumbedürfnissen und Problemen des städtischen Raums. Sein Aufgabenspektrum umfasst auch Infrastrukturaufgaben, die Gestaltung von Straßen und Wegenetzen. Er hat Einzug gehalten in öffentliche Bauverwaltungen. (nach: Arnold, 1999, S. 6ff) Geld verdienen! Aufgabenfelder für Landschaftsarchitekten 119 2.7 Griechenland – Lebendige Geschichte Griechenland verwaltet das Erbe der Grundtypen der Freiraumgestaltung, wie das Lyceum und die Akademie. Aktuell formulieren Landschaftsarchitekten den ebenfalls historischen Begriff des genius loci (das Charakteristische eines Ortes) weiter aus und definieren ihn als eine allumfassende Ordnung für einen spezifischen Ort im Sinne der anachronistischen Haltung der Architekturmoderne der CIAM-Architekten. Formale Tendenzen zeitgenössischer griechischer Landschaftsgestaltung zeigen sich sowohl in der Verwendung der Formensprache der Moderne, wie Geometrie und Plastizität, als auch in der Sprache des Dekonstruktivismus. (nach: Ananiadou – Tzimopoulou, 1999, S. 88ff) 2.8 die Schaffung einer modernen Landwirtschaft, vor allem die Definierung des gegenseitigen Leistungsverhältnisses zwischen der Landwirtschaft und einer verstärkt städtisch geprägten Gesellschaft. Ist vielleicht urbane Landwirtschaft die Lösung? (nach: Schäfer, 1999, S. 101ff) Die deutschen Landschafts-architekten sind in der Bundesrepublik eine verhältnismäßig kleine Berufsgruppe. Ein Wandel in der Gesellschaft wird den Berufsstand verändern. „Eine neue Aufgabenverteilung zwischen staatlichen, institutionellen und privaten Akteuren wird zu neuen Partnern führen: Stiftungen, Projektmanagern, intermediären Organisationen.“ (Schäfer, 1999, S. 106) Deutschland – Gartenschauen und mehr Landschaftsarchitektur in Zeiten magerer Jahre auf der Basis eines gedrosselten Marktes. „Das erfordert Kreativität, Selbstbewusstsein und Energie.“ (Schäfer, 1999, S. 101) In Zeiten der leeren Kassen hat sich das Instrument der Gartenschau etabliert. Gartenschauen sollen nicht länger „Blümchenschauen“ sein, sondern Stadtentwicklung betreiben und neue Grünanlagen schaffen. Ereignisplanung, Events, Gartenschauen, Expo, IBA sowie Wettbewerbe sind alternative 120 Planungsverfahren, deren „(…) Investitionsströme rechtzeitig kanalisiert werden (…)“ (Schäfer, 1999, S. 102) müssen. Die aufgezählten Elemente haben in Deutschland Hochkonjunktur. Neben Wettbewerben und Ähnlichem liegt in Deutschland ein großes Augenmerk auf der Landschaftsplanung, dem Naturschutz und dem Planungsrecht. Ein zukunftsorientiertes Feld ist zudem Die an diesen Abschnitt anschließende, intensivere Betrachtung von Aufgabenfeldern in Deutschland lässt den Schluss zu, dass Landschaftsarchitekten heute in vielen Bereichen zu finden sind, so beispielsweise in der Wirtschaft, der Politik, den Sozialwissenschaften, der Philosophie, der Kunst, dem Städtebau etc. 3 Deutschland … wir beschäftigen uns immer noch mit dem, was sich so Stadt nennt. ... er sagt: „Unser Interesse gilt der Stadt und ihren Bewohnern.“ ... wir hören eine Frage aus dem Off... (Walter Gropius, Marcel Breuer, László Moholy-Nagy, Wassily Kandinsky, Lyonel Feiniger, Oskar Schlemmer) ... die Frage lautet: Und, wo befindet Ihr Euch heute? ... wir antworten: Nun, wir sind immer noch in Bewegung ... ... und formuliert zehn Thesen zur Landschaftsarchitektur ... 1 „Unsere Arbeit ist die Suche nach einer Natur der Stadt, deren Farbe nicht nur grün, sondern auch grau ist. (...).“ 2 „Unser Interesse gilt der Stadt und ihren Bewohnern. Die Stadt ist kein monolithisches Gebilde mehr, sondern tausendfach zergliedert und fraktioniert. (...) [Die] Heterogenität [der Bewohner] verlangt nach zeitgemäßer Aktion und Reaktion im Außenraum (...).“ 3 „Das alte Gegensatzpaar Stadt und Land hat sich aufgelöst, die Grenzen sind verwischt. Wir gehen davon aus, dass weder der Rückbau der Stadt noch derjenige der Landschaft möglich ist. Die Lesbarkeit, die Erlebbarkeit der Welt beruht aber auf dem Prinzip der Ungleichheit. Zukünftige Aufgabe in dieser Gleichzeitigkeit von Stadt und Land ist deshalb, das weitere Verschleifen der inneren Grenzen und Brüche zu verhindern. (...).“ Geld verdienen! Aufgabenfelder für Landschaftsarchitekten 121 4 „Die Stadt mit ihren Außenräumen ist als Ganzes nicht planbar. Wir vertrauen auf die mosaikartigen Eingriffe (...).“ 5 „Unsere besondere Aufmerksamkeit gilt den zahllosen Unorten (...). Städtebauliche und damit auch landschaftsarchitektonische Interventionen erscheinen uns gerade an der Peripherie (...) von wesentlicher Bedeutung.“ 6 „Wir sehen Gartenarchitektur als Ausdruck des Zeitgeistes. Ihre Grundlagen sind die aktuellen sozialen, kulturellen und ökologischen Ereignisse, die wiederum nur in ihrem geschichtlichen Kontext verstanden werden können. (...) Die Zusammenarbeit mit unseren Schwesterdisziplinen Architektur, Ingenieurwesen und bildender Kunst ist uns weniger Notwendigkeit denn Selbstverständlichkeit. (...) Die Auseinandersetzung mit den aktuellen Zeitereignissen erfordert den Einbezug des weiteren kulturellen Umfeldes, die Beschäftigung mit Film und Video, Philosophie und Literatur, Musik und Werbung. (...).“ 7 „Eine weitere Grundlage unserer Landschaftsarchitektur ist die Bezugnahme zum Ort. Dieser reichlich strapazierte Begriff ist für unsere Arbeit unverzichtbar (...). Aus der Lektüre und Analyse des Ortes, seines kulturellen, ökologischen und sozialen Zustandes entwickeln wir ein Konzept, das den Bestand auf seine Tragfähigkeit überprüft, ihn vorbehaltlos übernimmt, umformt, neu interpretiert oder auch vernachlässigt. (...) Gärten, Parkanlagen und Plätze (...) sind poetische Orte (...).“ 8 „(...) Das Prinzip der Transparenz erscheint uns hervorragend geeignet, 122 städtische Außenräume zu entwickeln. Sie bejaht die Verschiedenheit, die Heterogenität der Stadt und ihrer Bewohner, kann Altes und Neues aufnehmen, provoziert Bildhaftigkeit – dialektische Orte, in denen sich die Gesellschaft, aber auch der Einzelne wiederfinden kann.“ 9 „(...) Das Naturangebot der Stadt ist wie (...) das Kulturangebot zum wesentlichen Standortfaktor geworden. Wir meinen, dass es bei einer noch nie da gewesenen gesellschaftlichen Akzeptanz dringend geboten ist, Konzeptionen für städtische Natur zu entwickeln. (...).“ 10 „(...) Städtische Vegetation lebt mit und von ihrer Gegensätzlichkeit, sie ist geschnitten und wildwachsend, vielfarbig und einheitlich grün, üppig und karg, einheimisch und fremd. Pflanzen sind nützlich. Sie verbessern das Klima und sind Habitat für Tiere und Menschen. Pflanzen stehen aber auch für das Naturversprechen der Stadt (...) Bertold Brecht hat das so formuliert: Befragt über sein Verhältnis zur Natur, sagt Herr K.: „ Ich würde gern mitunter aus dem Haus treten und ein paar Bäume sehen. (...) Bäume [haben] für mich, der ich kein Schreiner bin, etwas beruhugend Selbstständiges, von mir Absehendes, (...).“ (Professur für Landschaftsarchitektur der ETH Zürich (Hrsg.), 2002, S. 207-210) Der Südraum Leipzig, eine „künstliche Landschaft [eine Bergbaufolgelandschaft] als Landart-Skulptur gigantischen Ausmaßes. (...) Vis-à-vis der Julia Martin, als Landschaftsarchitek Stadt Leipzig ergibt sich hier (...) die Möglichkeit, ein Labor für neue richtet sich an Tänzer, Schauspieler, Lebensformen und städtebauliche Experimente einzurichten. (...) Die und andere Interessierte. Vision einer nomadischen Stadt Im Blickpunkt der vorjährigen Veranstaltung standen urbane Leer- und Zwischenräume, die mit Hilfe des Butoh-Tanzes und den Mitteln des Filmes hinterfragt wurden. könnte hier Wirklichkeit werden, einer Stadt der endlosen Experimente, einer Stadt als Labor für die Lebensentwürfe entwurzelter Existenzen. Hier kann der moderne Geist seine Glückverheißung einlösen.“ (Uhlig, 1994, S. 18) „Et in arcadia ego“ - Garten des Ehepaares E. am Üetliberg in Zürich, 1989. Der Brückenschriftzug wird zum erzählenden Element. Assoziationen werden geweckt: Zur Landschaftsmalerei, zur Poesie ... (nach: Kienast, 1997, S.92) turstudentin und Tänzerin nimmt sie an der 4. BauhausBühnenWerkstatt vom 29. Juli – 24. August 2002 teil. Die jährlich stattfindende Werkstatt Bühnenbildner, Filmemacher, Musiker Zitat: „Die Bühnenwerkstatt erforscht und erprobt, wie die Arbeit mit und in diesen Räumen außerhalb etablierter Orte der Kunstproduktion dazu beitragen kann, festgefahrene Wahrnehmungs- und Arbeitsweisen des Theater- und Kunstbetriebes aufzubrechen, um kreativ zu neuen, zeitgemäßen Formen zu finden. Zwischen den zeitgenössischen Mitteln, mit denen die Bühnenwerkstatt arbeitet, und der Tradition der Bauhausbühne unter Oskar Schlemmer bestehen enge Verbindungen: Tanz, Theater, Improvisation und Einflüsse außereuropäischer Darstellungsformen gehen eine Synthese ein, die jeweils neuesten Medien werden zur Abbildung und Reflektion der Arbeitsprozesse genutzt.“ (http://server.kibla.org/pipermail/peco1/2002-May/000227.html, 22.6.03) Geld verdienen! Aufgabenfelder für Landschaftsarchitekten 123 Das Projekt Urban Drift – das Spiel mit der Grenze. Das Projekt Urban Drift definiert sich als übergreifendes Medium, das neue Strömungen in Architektur und Städtebau sowie im Bereich des Design untereinander in Verbindung zu bringen versucht. Ausgangspunkt der Überlegungen ist die Aufweichung der bisherigen Grenzen der Fächer Architektur und Städtebau. (nach: http://www.urbandrift.org/, 22.6.03) Urban Drift sieht sein Engagement auf unterschiedlichen Ebenen turnushaft stattfindender Veranstaltungen angesiedelt. So ist die Koordinierungsarbeit sowohl der konzeptionell-ideellen Ebene als auch der experimentell-praktischen Ebene Vorarbeit zur anschließenden vertikalen Gesamtschau aller Neuerungen der unterschiedlichen künstlerischen Disziplinen. Als Untersuchungsgrundlage dient ein Themenkatalog mit einem Schlagwortspektrum zwischen „mobile Kulturen“, „neue urbane Strategien“, „prozesshaftes Design und prozesshafte Planung“ sowie „periphere urbane Zonen“. Den ausführenden, international arbeitenden Architekten, Planern, Designern und Künstlern wird die Gelegenheit zur Positionierung innerhalb der benannten Fächer gegeben. (nach: http://www.urbandrift.org/, 22.6.03) Das Aufgabenfeld des Architekten und Stadtplaners, so spekuliert man, beginnt sich in Richtung Prozessmanagement und –steuerung zu 124 verschieben. Damit entfernt man sich bewusst von der professionellen Suche nach formalen Ausdrucksmitteln. Auf diesen Veränderungsprozess will das Projekt Urban Drift aufmerksam machen. (nach: http://www.urbandrift.org/, 22.6.03) (Die Arbeitsweise – Management der Protagonisten: Neben der Organisation von turnushaften Veranstaltungen, Diskussionen und Präsentationen und der Einrichtung einer Internetplattform, sieht sich das Projekt Urban Drift vor die Aufgabe gestellt, die angestoßene, letztendlich textliche Diskussion zu redigieren und zu publizieren. Seit der Initiierung des Projektes 1996 knüpft sich ein Netz aus den Teilnehmern der bisherigen Veranstaltungen.) Neue Impulse für zukünftige Planung – die Projektidee der Urban Catalyst: Die URBAN CATALYST sind Mitglieder des gleichnamigen zweijährigen Forschungsprojektes (bis März 2003) der Technischen Universität Berlin. Das Projekt wurde durch Mittel der EU kofinanziert. 11 Partner aus sechs europäischen Ländern arbeiteten zusammen. (Zum Projektteam zählte u. a.: Philipp Oswalt. Projektdirektor war Kees Christiaanse) Gegenstand der Forschungsarbeit waren angewandte Strategien temporärer Nutzung auf urbanen Brachflächen sowie in leer stehenden Gebäuden der europäischen Großstädte Amsterdam, Berlin, Helsinki, Neapel und Wien. Das nach Abschluss des Projektes aus den beobachteten Strategien abstrahierte Handlungsinstrumentarium soll in die Stadtplanung einfließen und den zukünftigen planerischen Schwerpunkt im Sinne von Zwischennutzungslösungen verschieben. (nach: http:// www.urbancatalyst.de/) Das Haus der Illusion ist ein innerer, dunkler Glaskubus mit einer Außenmembran aus transparentem Stoff für das Spiel aus Schattenbildern. (nach: Louafi, 2000, o.S.) Das Sandhaus im Sandgarten, acht ineinandergeschachtelte Wände, vier innen, vier außen, Blickbeziehungen zwischen Innen und Außen sind aufeinander abgestimmt. (nach: Louafi, 2000, o. S.) „Wo autistische Elemente im Raum aneinander stoßen ist es wichtig, Übergänge vielfältiger Art zu kultivieren.“ (Sieverts, 2002, S.41) Geld verdienen! Aufgabenfelder für Landschaftsarchitekten 125 Friedrich Kuhlmann schreibt, Zitat: „das ist keine Architektur – das ist 70er Jahre“ Ausruf in Brno/ Juni 2001 „Die Beach Boys veröffentlichten 1965 Pet Sounds. Als Popalbum steht es erstmals für dezentriertes Wahrnehmen und Erkennen von Welt, indem die scheinbare Ganzheit des umgebenden Alltags demaskiert, zerstört und neu aufgebaut wird. Pet Sounds übermittelt Trennung und Fragmentierung statt Komposition und Synthese. Die Ganzheit des versprochenen Bildes wird zugleich unterminiert, weil Klänge einander gegenüber stehen, so dass die Wahrnehmung sich beim wiederholten Hören nicht abschleift, sondern vertieft. Das bekannte Bild aus Sonne, Mädchen, Strand und Autos wurde zugunsten einer diffusen Stimmung fallen gelassen, die sich nur noch in neuen Sounds äußern konnte und ihre eigenen Referenzen herstellte. Damit war auch keine eindeutige Interpretation der Kritik mehr möglich, und das Album verkaufte sich schlecht – dreißig Jahre später gilt es als Meilenstein.“ (Kuhlmann, o. J., S. 14) Der eher dekonstruktivistischen Reflexion über Landschaft und Landschaftsarchitektur ... ... geht der konstruktivistische Versuch der Kunstgeschichte parallel. Am Dumbarton Oaks Institute, gehörig zur Harvard University, finden seit den 1970er Jahren Symposien zu spezifischen Themen der Garten- und Landschaftsgeschichte statt. Zitat: „LAY RITUAL PRACTICES IN GARDENS AND LANDSCAPES This symposium will aim at better understanding the reception of gardens and landscapes by focusing on a limited number of lay ritual practices in garden 126 and landscapes in a large variety of cultural contexts. It will rise to discussions of the formative functions of gardens and landscapes for cultural and social life.“ (http://www.doaks.org/GLS2003Sym.html) 4 Martin Wagner 4.1 Das sanitäre Grün der Städte Der Architekt Martin Wagner verfasste 1915 eine Dissertation mit dem Titel Um „Laienrituale“ ging es auch im letztens veranstalteten Park-Test der Zitty. Die dort dargestellte Rankinglist für den Treptower Park, den Humboldthain, den Volkspark Friedrichshain und „Das sanitäre Grün der Städte. Ein Beitrag zur Freiflächentheorie“. Die Abhandlung beschäftigt sich mit Grundsätzen und Richtlinien zur Verteilung von Grün innerhalb Berlins. (nach: Oeser, 2000, S. 67) andere errechnete sich aus der Punkteverteilung zu den Kriterien: Hipnessquotient, Einsamkeitsfaktor, Sauberkeitsfaktor, Flirtfaktor, Hundhaufenquotient, Ruheskala, Grill- und Chillfaktor, Sporteignung, Kinderfreundlichkeit, Grünfaktor sowie Anbindung an Café und Kiosk. (nach: Zitty 13/2003, S. 16 – 22) Die Unterscheidung der Grünflächen in „dekoratives“ und „sanitäres“ Grün wurde vor Wagner bereits von Camillo Sitte in seinem 1901 erschienenen Buch „Der Städtebau nach seinen künstlerischen Gesetzen“ erwähnt. Sitte schreibt den Gärten und Alleen der Stadt einen hygienischen Wert zu und vertritt die Ansicht „Je mehr Grünes, desto besser.“ (In Oeser, 2000, S. 67) Wagner greift nun diesen Grundgedanken des sanitären Grüns auf und entwickelt ihn weiter. Als sanitäres Grün bezeichnet er alle Grünflächen und Grünanlagen, die einen gesundheitsfördernden Einfluss haben. Diese Flächen sind vor allem als Luftspeicher und Luftverbesserer unentbehrlich. (nach: Oeser, 2000, S. 67) Die Bewertung von Grünflächen geht historisch gesehen bis auf Martin Wagner zurück. Im Folgenden sollen nun deshalb Martin Wagners Zielsetzungen näher betrachtet werden. Wagner war der erste, der berechnete, welchen Umfang an Freiflächen die Bewohner einer Stadt wie Berlin benötigten. Er ermittelte sieben verschiedene Altersklassen bzw. Bevölkerungsgruppen, davon stellten die unter Zwanzigjährigen fünf der sieben Gruppen. Martin Wagner begründete diese Einteilung der Altersklassen mit der Feststellung, dass gerade die nicht arbeitende, junge Generation die Freiflächen am intensivsten nutzt. (nach: Oeser, 2000, S. 67) Geld verdienen! Aufgabenfelder für Landschaftsarchitekten 127 Die verschiedenen Freiflächenarten unterscheidet Wagner wie folgt: Sandspielplätze Bankplätze Schulspielplätze Spielwiesen Sportplätze Promenaden Parkanlagen Wälder (nach: Oeser, 2000, S. 67) Mit Berücksichtigung der oben genannten Aspekte errechnete er für jede Gruppe aus ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung, ihrem Freiraumplatzbedürfnis und ihrem Anspruch an dieses einen prozentualen Bedarf an den einzelnen Freiflächen. (In Oeser, 2000, S. 67) „Größe, Lage und Ausgestaltung der Freiflächen muss auf eine verschiedenartige Benutzung durch die verschiedenen Bevölkerungsschichten zugeschnitten werden. Auf jeden Bewohner sollen durchschnittlich 2,4 m² Kinderspielplätze, 1,6 m² Sportplätze, 0,5 m² Promenaden, 2 m² Parkanlagen und 13 m² Stadtwald entfallen.“ (Zitat in Oeser, 2000, S. 67) Martin Wagner setzte zudem Maßstäbe für die Erreichbarkeit der Anlagen. „Die Spielplätze dürfen von den Wohnquartieren nicht mehr als 10 bis 15 Minuten, die Parkanlagen nicht mehr als 20 Minuten und die Sportplätze und Stadtwälder nicht mehr als 30 Minuten entfernt liegen.“ (Zitat in Oeser, 2000, S. 68) 128 Um Freiflächen in der unmittelbaren Umgebung der Wohnungen zu ermöglichen, fordert er eine gemeinsame Planung der Gebäude und Freiflächen. Die Bereitstellung der Flächen ordnet er der extensiven Flächenpolitik zu. Dieser steht der differenzierte Ausbau der Freiflächen, die intensive Flächenpolitik gegenüber. (nach: Oeser, 2000, S. 68) 4.2 Wagners Wirken als Stadtbaurat von Berlin In seinen städtebaulichen Vorstellungen und Ansichten war Wagner seinen Zeitgenossen weit voraus. Wagner verglich die Stadt mit einem effizient wirtschaftenden Industriebetrieb. Er war fasziniert von der Idee, die Stadt einem Unternehmen gleichzusetzen. Dies hätte bedeutet, städtische Bauvorhaben nach privatwirtschaftlichen Grundsätzen durchzuführen. Die Stadtverwaltung würde als Unternehmensleitung fungieren und hätte sich als solche zu bewähren und produktiv zu arbeiten. Er selbst sah sich als Manager des Ganzen. (nach: Oeser, 2000, S. 68) Betrachtet man die Stadt also als privates, industrielles Unternehmen, muss man davon ausgehen, dass es einer ständigen Entwicklung ausgesetzt ist. Um bestehen zu können, passt es sich den Gesetzen des freien Marktes an. Dieser „Dynamische Städtebau“ braucht folglich keinen Generalbebauungsplan, da fortwährend Veränderungen auftreten. Wagner sieht in der andauernden Anpassung/Entwicklung den Grund dafür, keine langlebige Architektur zu schaffen. Er vertritt den Standpunkt, jede Generation müsse ihre eigene Stadt bauen. Zudem schreibt Wagner den Bewohnern einer Stadt einen gewissen „Verbrauch“ von Architektur zu, denn wie eine Maschine verliert auch diese nach und nach an Wert. (nach: Oeser, 2000, S. 68) In Wagners Amtszeit als Stadtbaurat (1926 – 1933) beginnt zunehmend die verkehrsgerechte Planung der Stadt. Im Zentrum der Planung steht die Schaffung einer Weltstadt Berlin. Es kommt zu einer Reihe von Veränderungen. Unter anderem sollen zentrale Plätze wie der Alexanderplatz, der Hermannplatz, der Platz der Republik und der Potsdamer Platz als Mittelpunkt des neuen Geschäftszentrums zwischen Zoologischem Garten und Alexanderplatz umgestaltet werden. (nach: Oeser, 2000, S. 69) Städtebau findet zu dieser Zeit vorwiegend mit Siedlungen und Wohnblocks am Rande der City statt. Beispiel hierfür ist die Hufeisensiedlung in Britz, die Wagner zusammen mit Taut entwarf. Diese Arbeitersiedlung warb mit hygienischer Weiträumigkeit, den Ansprüchen Licht, Luft und Grün, um auf diese Weise den veränderten Ansprüchen der Zeit gerecht zu werden. (nach: Oeser, 2000, S. 69) Sanitäres Grün, Nutzergruppen, Freiflächenarten, Freiflächenbedarf, Erreichbarkeit, verkehrsgerechte Planung und Dynamik sind bis heute ein Thema in der Freiraumplanung. Dennoch ist Martin Wagner heute Geschichte, da wir eine andere Gesellschaftsform vorfinden. Diese ist insbesondere durch Flexibilität gekennzeichnet. Zum einen sind wir flexibel in der Wahl unseres Berufes. Im Gegensatz zu den Fabrikarbeitern der 20er und 30er Jahre des 20. Jahrhunderts stellt die derzeitige Gesellschaft aufgrund sozialer, gesellschaftlicher und politischer Veränderungen ganz andere Anforderungen an ihre Freiräume. Ein Freiraum muss heutzutage andere Dinge leisten. Die Mobilität ermöglicht ohnehin ganz andere Maßstäbe an die Erreichbarkeit von Freiflächen. Gleichzeitig verändert sich auch der Anspruch an die Freifläche, wenn ich beispielsweise zwei Jahre in Paris gelebt habe, morgen in New York und übermorgen in Mailand wohne, habe ich viele Bilder vor Augen. Man kann sagen, dass ein Übergang von einer statischen Gesellschaft zu Wagners Zeiten zu einer heute flexiblen Gesellschaft stattgefunden hat. Diese Flexibilität zeigt sich auch im Bereich der Arbeit und in den individuellen Lebensentwürfen. Die heutige Gesellschaft bzw. das Individuum definiert sich vorrangig über Arbeit. An dieser Stelle soll nun auf den Wandel der Arbeit eingegangen und die daraus resultierenden Konsequenzen skizziert werden. 5 Der Wandel der Arbeit 5.1 Situation Unsere Wirtschaft wird derzeit mit Schlagworten wie Dienstleistungsge sellschaft, Flexibilität, Liberalisierung, Individualisierung, Globalisierung und Dezentralisierung beschrieben. Der wichtigste Produktionsfaktor im Wirtschaftsprozess war und ist das Humankapital – der Mensch. Angesichts der aktuellen Situation von über 4 Millionen Arbeitslosen - lässt sich diese Aussage zunehmend in Frage stellen. Wie kam es zu einer Entwicklung, die einen zunehmenden Teil der Bevölkerung aus dem Erwerbsprozess ausschließt? Ist dies ein Problem oder eine Chance für eine neue, „bessere“ Wirtschafts- und Gesellschaftsform? Wie kam es zu der hohen Arbeitslosigkeit? Am Anfang der menschlichen Evolution bestand Arbeit im Wesentlichen Geld verdienen! Aufgabenfelder für Landschaftsarchitekten 129 aus Jagen und Sammeln. Mit dem Eintritt in das Agrarzeitalter wird der landwirtschaftliche Sektor als weiterer Arbeitsbereich eingeführt. Der Mensch beginnt seine Umwelt bewusst zu verändern und sichert sich auf diesem Weg bessere Überlebenschancen. Nach der Industriellen Revolution wurde der Reichtum einer Gesellschaft Eine Vollbeschäftigung im Sinne der Versorgung aller mit ausschließlich bezahlter Arbeit wird es wohl nie wieder geben. Es wird nun nur noch ein Bruchteil der Arbeitsplätze benötigt, um ein Vielfaches herzustellen. So wurde berechnet, dass sich die Produktivität je Arbeitsstunde für Deutschland zwischen 1910 und 1980 um das 1500fache erhöht hat. (Reheis, 1998, S. über die industrielle Produktion von Gütern bestimmt: je höher die Produktion, desto größer der Wohlstand. Zur Zeit befinden wir uns im Übergang von 152f) Gleichzeitig mit der Produktivitätssteigerung drängen aber immer mehr Arbeitswillige auf den Markt. Wohlstand, Ansehen, soziale Sicherheit und der industriellen Gesellschaft zur Dienstleistungsgesellschaft. Dieser Wandlungsprozess stellt die Wirtschaft vor neue Aufgaben. (nach: Lösse, Identität werden daher in Zukunft nicht mehr nur über monetarisierte Arbeit realisiert werden können. 1999, S. 18) Der Startschuss für den vollkommenen Übergang zur Dienstleistung sgesellschaft in den Industrieländern wird mit dem Eintritt weiter Teile Osteuropas und Asiens in den Weltmarkt gegeben. Die alten Industrieländer wurden gezwungen, ihre Strukturen an eine neue globalisierte Wirtschaft anzupassen. Diese Entwicklung brachte einen sektoralen Strukturwandel hervor: Die Landwirtschaft verlor in den Industrieländern an Arbeitsplätzen, der Dienstleistungssektor gewann dagegen an Beschäftigungsmöglichkeiten. Allerdings kann der Verlust im Landwirtschafts- und Produktionssektor nicht über Stellen im Dienstleistungsbereich ausgeglichen werden. Die zunehmende Produktivitätssteigerung aufgrund einer absoluten Technisierung im Dienstleistungsbereich führt neben weiteren wirtschaftlichen und politischen Diskrepanzen zu einer stetig steigenden Arbeitslosigkeit. Forderungen nach einem Entwurf einer neuen Dienstleistungsgesellschaft werden immer lauter. (nach: Lösse, 1999, S. 16f) 130 5.1.1 Eigenproduktion und Individualität Die industrielle Revolution verdrängte die Eigenproduktion. Im Zeitalter der Dienstleistungsgesellschaft wird sich nun auf sie zurück besonnen. Schon jetzt definiert sich die Wirtschaft der Dienstleistungsgesellschaft zu einem großen Teil über Eigenproduktion. Deutlich wird dies in der steigenden Zahl von Selbs tbedienungsrestaurants und Geldautomaten in Banken. Der Mensch löst sich zunehmend von Gütern und bevorzugt Lösungen für deren Umsetzung. Er ist bereit, eine Eigenleistung zu erbringen. Dies zeigt sich unter anderem darin, dass die Vermietung von Produkten anstatt ihrer Anschaffung immer mehr Zuspruch findet. Es geht nicht mehr nur um funktionelle Leistungen, sondern der „Kunde will sich individuell bedient wissen, mit einem Produkt seine Identität inszenieren und sich von anderen Gruppen abgrenzen können“. (Lösse, 1999, S. 20) 5.1.2 Gemeinnützige Arbeit Es wird deutlich, dass „zusätzliche unbezahlte, freiwillige oder wohltätige und eigenproduktive Tätigkeiten ebenfalls zum Funktionieren des Wirtschaftssystems beitragen“. (Lösse, 1999, S. 20) Zur Zeit findet in der Gesellschaft fast ausschließlich nur monetäre Arbeit als ernstzunehmende produktive Tätigkeit Akzeptanz. Nichtmonetäre Arbeiten wie Hausarbeit und Kindererziehung erfahren dagegen wenig Achtung von der Gesellschaft. Dennoch ist der Wille zu nichtmonetarisierter Arbeit vorhanden, wie sich in der Erhebung der Enquete-Kommission „Demographischer Wandel“ zeigt. Laut dieser übernehmen in Deutschland 16,3% der Frauen zwischen 25 und 34, sowie 27,2% der Männer gemeinnützige Arbeit. (nach: Lösse, 1999, S. 20f) 5.1.3 Derzeitige Maßnahmen zur Verringerung der Arbeitslosigkeit Regierungen in Ländern mit einer hohen Arbeitslosenrate greifen zu unterschiedlichen Maßnahmen, um die Beschäftigungslosigkeit zu verringern. Mobilisierung des Angebots an Arbeitskräften: Programme, die die Beschäftigungschancen schwer vermittelbarer Personen wie Behinderter, Jugendlicher und Älterer erhöhen sollen Die Entwicklung von beschäftigungsorientierten Fähigkeiten: Die Zuständigkeit liegt bei den Arbeitgebern und den Ausbildungsstätten Die Förderung der aktiven Suche: Erleichterung der Kontaktaufnahme von Arbeitgeber und Arbeitnehmer Die direkte Schaffung von Arbeitsplätzen: zeitlich befristete Arbeit, Arbeitsplätze im öffentlichen Bereich und in gemeinnützigen Institutionen (nach: Lösse, 1999, S. 22) Würde man die drei Millionen Arbeitslosen (Mitte der 90er) in den Produktionsprozess eingliedern, dann könnten nach Berechnungen des Deutschen Institutes für Wirtschaftsforschung rechnerisch alle Deutschen drei Wochen mehr Urlaub machen. (nach: Reheis, 1998, S. 203) 5.1.4 Mehrschichtenmodell der Arbeit In der Zukunft, wie in den letzten 25 Jahren, ist nicht mehr mit einem Wirtschaftswachstum von jährlich 6% zu rechnen. Gleichzeitig besteht auch nicht mehr die Erwartung, dass eine steigende Produktivität in der Schaffung von mehr Arbeitsplätzen münden wird. Nun gibt es Überlegungen, sämtliche Facetten von Arbeit - die bezahlte Arbeit, die Eigenarbeit und die gemeinnützige Arbeit - in den Arbeitsprozess eines Jeden einzubinden. 1997 wurde dem Club of Rome ein neuer Bericht „The Employment Dilemma and the Future of Work“ vorgelegt. Der Bericht zeigt die Probleme und Tendenzen der derzeitigen Beschäftigungssituation auf und präsentiert einen Lösungsansatz: Das Mehrschichtenmodell der Arbeit. (nach: Lösse, 1999, S. 22f) „In der Dienstleistungsgesellschaft mit ihrer Betonung auf Leistung muss akzeptiert werden, dass auch eine bestimmte Form von Eigenproduktion und nicht bezahlter Arbeit enthalten sein muss, um die Funktion des gesellschaftlichen Systems zu sichern und Wohlstand zu schaffen“. (Lösse, 1999, S. 24) Das Modell zielt daher darauf ab, die drei Formen der Tätigkeiten parallel zu fördern. Monetarisierte Arbeit Nichtmonetisierte aber monetarisierte Arbeit Geld verdienen! Aufgabenfelder für Landschaftsarchitekten 131 Jede Arbeit, die bezahlt werden könnte, dies aber aus verschiedenen Gründen nicht wird. Dazu zählt wohltätige und freiwillige Arbeit wie Kinderbetreuung durch Großeltern oder Vereinsarbeit Nichtmonetarisierte Arbeit Jene Arbeit hat keinen impliziten oder expliziten Tauschwert und umfasst Tätigkeiten des Eigenkonsums und der Eigenproduktion. Darunter fällt das Selbststudium, der Umgang mit Computern oder die Eigenbehandlung von Krankheiten. (nach: Lösse, 1999, S. 24f und Giarini, 1997, S. 231ff) Das Mehrschichtenmodell der Arbeit integriert die drei Beschäftigungsformen wie folgt: Erste Schicht: Jedem Menschen soll von Seiten des Staates ein Minimum an bezahlter Arbeit garantiert werden. Diese Grundbeschäftigung umfasst ca. 20 Stunden pro Woche. Wer seine Arbeitskraft als Gegenleistung für ein Grundeinkommen nicht zur Verfügung stellt, erhält keine staatlichen Leistungen. Traditionell benachteiligte Gruppen wie Frauen, Jugendliche und Alte werden dadurch in den Wirtschaftsprozess wieder einbezogen. Zweite Schicht: Jede bezahlte Tätigkeit, die über die erste Schicht hinausgeht und über welche die Definition der Persönlichkeit geschehen soll, da die Arbeit der ersten Schicht vielleicht nicht in allen Fällen dem Wunschjob entspricht. Diese unternehmerische Arbeit beeinflusst/ bestimmt die Dynamik der Wirtschaft. Sie sollte abgesehen von gesetzlichen Rahmenbedingungen 132 von den Eingriffen des Staates frei sein. Dritte Schicht: Tätigkeiten in Eigenleistung und nicht bezahlten freiwilligen Leistungen (nach: Lösse, 1999, S. 26f und Giarini, 1997, S. 231ff) 5.1.5 Organisation der Bürgerarbeit Der Soziologe Ulrich Beck verfasste für die von Kurt Biedenkopf und Edmund Stoiber eingesetzte Zukunftskommission, welche 1997 ihre Arbeiten präsentierte, das Kapitel „Bürgerarbeit“. Bürgerarbeit umfasst nicht marktgängige, aber gemeinwohlorientierte Tätigkeitsfelder, die in einem neuen Zentrum gesellschaftlicher Aktivität zu bündeln sind. Hierunter fallen: theoretische Bildung, die Betreuung von Lernschwachen, Asylbewerbern und Obdachlosen, Sterbehilfe, Kunst und Kultur. Es geht um das freiwillige soziale Engagement. Bürgerarbeit ist als eine selbst organisierte Arbeitsform gedacht. Sie findet projektgebunden, zeitlich begrenzt und von der Kommune autorisiert unter der Regie eines Gemeinwohlunternehmers statt. Diese dritte Schicht der Arbeit wird nicht im herkömmlichen Sinne entlohnt, aber immateriell belohnt durch den Erwerb von Rentenansprüchen, Sozialzeiten und Qualifikationen, durch die Weiterbildung bei Arbeitslosigkeit. (nach: Lösse, 1999, S. 29f) 5.1.6 Wertewandel in der Gesellschaft Heute wird vielfach von einem allgemeinen Wertewandel in unserer Gesellschaft gesprochen. Freundschaften, Liebe, Unabhängigkeit und Freizeit steht hoch im Kurs. Das folgende Zitat bringt diesen Wandlungsprozess auf den Punkt: „Unsere Gesellschaft fällt sukzessive vom Glauben ab. Der Tod Gottes liegt lang zurück, auch die Trauerzeit ist vorbei. Der so genannten Politikverdrossenheit sehen wir mit schreckgeweiteten Augen entgegen, während sie längst eingetreten ist. Nach der Emeritierung von Religion und Politik verlieren nun die Götzen der Wirtschaft an Sinn stiftender Kraft. Die Abkehr vom Wirtschaftlichen ist die letzte Stufe eines logischen Dreischritts.“ (Zeh, 2002, S. 186) 6 Fazit Aufweichung der Grenzen zu Nachbarprofessionen aber auch stilistische Diskussionen hinsichtlich einer Entwurfssprache ergeben. Als Planende können wir uns weiterhin am gesellschaftlichen Diskurs beteiligen aber auch bewusst Experimentalphasen zulassen. Vielleicht kommt man dann auf die Idee, als Landschaftsarchitekt in Zusammenarbeit mit einem Logopäden einen Kindertheaterkurs als zusätzliche Veranstaltung an Grundschulen anzubieten. Unabhängig von einer vielleicht sehr guten Ausbildung entscheiden sich zunehmend mehr Menschen gegen eine feste Arbeitsstelle im herkömmlichen Sinne. Die Betonung der Erwerbsarbeit zur Absicherung der Mietkosten, zum Kauf von Nahrungsmitteln, für Kleidung, Urlaub etc. wird zurückgehen. So kann sich die Definition von Arbeit zukünftig zu Gunsten einer eher ideellen Bestätigung des Ich verschieben. Würden wir uns mit dem Konsumstandard unserer Eltern von vor 25 Jahren begnügen, könnten wir heute bei einer Lebensarbeitszeit von 20.000 Stunden angelangt sein. Das entspricht 10 Jahren Vollzeitarbeit oder 20 Jahren Teilzeitarbeit oder 40 Jahren unregelmäßiges Arbeiten mit Zwischenphasen für Urlaub oder Eigenarbeit. Folgt man dieser Argumentation tritt nun an die Stelle von materiellen Gütern der Wohlstand an Zeit. (Reheis, 1998, S. 203) Was kann ein höheres Maß an Individualität und mehr frei verfügbare Zeit bei Stadt- und Freiraum planenden Professionen an Diskussionen forcieren? Ein mögliches Themenspektrum könnte sich zwischen der kritischen Hinterfragung der weiteren Relevanz tradierter, fachbezogener Planungsthemen, der Geld verdienen! Aufgabenfelder für Landschaftsarchitekten 133 Quellenverzeichnis o. A.; Der Park-Test, in: Zitty 13/ 2003, Berlin 2003 Bücher und Artikel OESER, Martina; Martin Wagners „Sanitäres Grün der Städte“ 1915, in: Stadt - Landschaft einer besonderen Art, Berlin 2000 ANANIADOU - TZIMOPOULOU, Maria; Griechenland: Landschaftsgestaltung als Erbe, in: Topos 27/ 1999, München 1999 PLA, Miquel Vidal; Spanien: Weiterarbeiten am Modell Barcelona, in: Topos 27/ 1999, München 1999 ANDERSSON, Stig L.; Dänemark: Strategie zur Verbesserung der Wohnumwelt, in: Topos 27/ 1999, München 1999 Professur für Landschaftsarchitektur der ETH Zürich (Hrsg.); Dieter Kienast – Die Poetik des Gartens: Über Chaos und Ordnung in der Landschaftsarchitektur, Basel, Berlin, Boston, Birkhäuser, 2002 ARNOLD, Françoise; Frankreich: Zur Stadt beitragen, in: Topos 27/ 1999, München, 1999 GIARINI, ORIO; LIEDKE, PATRICK; Wie wir arbeiten werden – der neue Bericht an den Club of Rome. München 1997 KIENAST, Dieter; Kienast: Gärten: Gardens, Basel, Boston, Berlin, Birkhäuser, 1997 KLÖTZLI, Beatrice Friedli; Schweiz: Die Profession wird urban,. in: Topos 27/ 1999, München 1999 KUHLMANN, Friedrich; Landschaft als Produkt zum Preis ihres Sensationsgehaltes, in: Zone 7: Stadt.Architektur.Landschaft: Notforsale?, o. J. LÖSSE, Julia; Der Wandel der Arbeit, in: Die Vierte Dimension - Prozessorientierte Landschaftsarchitektur für eine Gesellschaft im Wandel. Diplomarbeit TU Berlin, Berlin 1999 LOUAFI, Kamel; Die Gärten der Weltausstellung auf dem Kronsberg: Realisierung als Metamorphose. EXPO 2000 Hannover, Aedes, Ausstellung Juli – August, 2000 134 REHEIS, Fritz; Die Kreativität der Langsamkeit. Neuer Wohlstand durch Entschleunigung. Darmstadt 1998 RUIJTER, den Michiel; Niederlande: Landschaftsarchitektur – ein Prozess, in: Topos 27/ 1999, München 1999 SCHÄFER, Robert; Deutschland: Gartenschauen und mehr, in: Topos 27/ 1999, München SIEVERT, Thomas; Die Diskussion um die Zwischenstadt, in: 10 Jahre Topos, Perspektiven europäischer Landschaftsarchitektur, 40 September 2002 SUNESON, Torbjörn; Schweden: Topmanager für den Freiraum, in: Topos 27/ 1999 UHLIG, Günther (Hrsg.); Südraum Leipzig: Eine Region im Wandel: Ergebnisse der 3. Regionalkonferenz und des Teamwettbewerbs 1994, Schäfer Verlag Leipzig ZEH, Juli; Das Gregor – Prinzip - Juli Zeh über die neue Bescheidenheit junger Leute, in: Der Spiegel 45/ 2002, Hamburg 2002 Internet http://server.kibla.org/pipermail/peco1/2002-May/000227.html, 22.6.03. http://www.urbandrift.org/, 22.6.03 http://www.urbancatalyst.de/ http://www.raw-tempel.de/html/rawframset.htm http://www.doaks.org/GLS2003Sym.html Abbildungsverzeichnis Bild 1: Wohnungen mit Gärten in Lenzburg, CH. Topos 30/ 2000, S. 60, München Bild 2: Ladegårdsparken. Topos 27/ 1999, S. 99, München 1999 Bild 3: Höga Kusten Projekt. Topos 27/ 1999, S. 53, München 1999 Bild 4: Europan 4: Wohnkuben und Gärten. „Housing Terminals“. Topos 30/ 2000, S. 81, München Bild 5: Nordplatz des Bellaterra Campus der FU Barcelona. Topos 27/ 1999, S. 44, München 1999 Bild 6: Luftbild von Saint Denis bei Paris. Topos 34/ 2001, S. 86, München Bild 7: Pascha Gardens in Thessaloniki. Topos 27/ 1999, S. 90, München 1999 Bild 8: 22 Dachgärten der Victoria Versicherung in Düsseldorf. Topos 37/ 2001, S. 37, München Bild 9: Gruppenfoto der Bauhausmeister 1926, Postkarte, In: Bauhaus – Archiv, Museum für Gestaltung Bild 10: Umberto Boccioni, Uomo in movimento, 1910, In: Careri Francesco: Walkscapes: El andar como pràtica estética: Walking as an aesthetic practice, Barcelona, Editorial Gustavo Gili, SA, 2002, S. 71 Bild 11: System of routes engraved on a stone, Bedolina, Val Camonica, Italy, In: Mariano Pallottini, Alla origini della città europaea, Quasar, Rom, 1985, In: Careri Francesco: Walkscapes: El andar como pràtica estética: Walking as an aesthetic practice, Barcelona, Editorial Gustavo Gili, SA, 2002, Cover Bild 12: Dieter Kienast, Vicenza 1996, In: Professur für Landschaftsarchitektur ETH Zürich (Hrsg.), Dieter Kienast – Die Poetik des Gartens: Über Chaos und Ordnung in der Landschaftsarchitektur, Basel, Berlin, Boston, Birkhäuser, 2002, S. 200 Bild 13: Südraum Leipzig: Eine Region im Wandel: Ergebnisse der 3. Regionalkonferenz und des Teamwettbewerbs 1994, Gutachten Gruppe A: Hans Kollhoff, Dieter Kienast, Rob van Gool, Hans Rudolf Güdemann, Ingemar Vollenweider, Thema: Die andere Stadt, In: Uhlig, Günther (Hrsg.), Südraum Leipzig: Eine Region im Wandel: Ergebnisse der 3. Regionalkonferenz und des Teamwettbewerbs 1994, Schäfer Verlag Leipzig, S. 24 Bild 14: Südraum Leipzig: Eine Region im Wandel: Ergebnisse der 3. Regionalkonferenz und des Teamwettbewerbs 1994, Gutachten Gruppe A: Hans Kollhoff, Dieter Kienast, Rob van Gool, Hans Rudolf Güdemann, Ingemar Vollenweider, Thema: Die andere Stadt, In: Uhlig, Günther (Hrsg.), Südraum Leipzig: Eine Region im Wandel: Ergebnisse der 3. Regionalkonferenz und des Teamwettbewerbs 1994, Schäfer Verlag Leipzig, S. 25 Geld verdienen! Aufgabenfelder für Landschaftsarchitekten 135 Bild 15: Garten des Ehepaares E, In: Kienast, Dieter, Kienast: Gärten: Gardens, Basel, Boston, Berlin, Birkhäuser, 1997, S. 93 Bild 16: Werbekarte des Hebbel Theaters Berlin Bild 17: http://www.urbandrift.org/, 22.6.03 Bild 18: http://www.urbancatalyst.de/ Bild 19: http://www.raw-tempel.de/html/rawframset.htm Bild 20: Das Haus der Illusion, In: Louafi, Kamel, Die Gärten der Weltausstellung auf dem Kronsberg: Realisierung als Metamorphose, EXPO 2000 Hannover, Aedes, Ausstellung Juli – August 2000, o.S Bild 21: Das Sandhaus im Sandgarten, In: Louafi, Kamel, Die Gärten der Weltausstellung auf dem Kronsberg: Realisierung als Metamorphose, EXPO 2000 Hannover, Aedes, Ausstellung Juli – August 2000, o.S Bild 22: Thomas Sieverts, Die Diskussion um die Zwischenstadt, In: 10 Jahre Topos, Perspektiven europäischer Landschaftsarchitektur, 40 September 2002, S. 41 Bild 23: Kuhlmann, Friedrich, Landschaft als Produkt zum Preis ihres Sensationsgehaltes, In: Zone 7, Stadt.Architektur.Landschaft: not for sale?, Berlin 2002, S. 14 Bild 24: http://www.doaks.org/GLS2003Sym.html Bild 25: Zitty Deckblatt, 13, 2003 136 Geld verdienen! Aufgabenfelder für Landschaftsarchitekten 137 thomas felmeden emma furphy mario gessler felicitas petter Exkursion Neustrelitz Exkursion Neustrelitz Im Rahmen des Seminars fand eine Exkursion nach Neustrelitz statt. Im Folgenden werden die einzelnen Stationen des Stadtrundgangs aufgeführt und die dort jeweils wichtigen Aspekte zusammenfassend dargestellt. Zentrale Gesichtspunkte waren stets die Geschichte und die aktuelle Finanzsituation der Orte. Die Gliederung des Textes orientiert sich an der Route des Spaziergangs, den die Seminarteilnehmer am 14. Juni 2003 machten. 1 Die Geschichte der Stadt Die slawische Siedlung Strelitz wird 1278 zum ersten Mal urkundlich erwähnt und erhält 1359 das Stadtrecht. Nach der letzten mecklenburgischen Landesteilung 1701 wird die Stadt zur Residenz des Herzogs von Mecklenburg-Strelitz. Nach einem Brand des Schlosses baut man zwischen 1726 und 1731 ein neues am Zierker See. Die Hofbediensteten bleiben zunächst noch in Strelitz, was sich zunehmend als hinderlich herausstellt. Deshalb entschließt man sich 1733, eine neue Stadt am Schloss zu bauen – Neustrelitz. Der „hochfürstliche Kunstgertner“ Christoph Julius Löwe (die genauen Lebensdaten sind nicht bekannt) entwirft einen von einem Marktplatz ausgehenden achtstrahligen Straßenstern. Die Bebauung entlang den in die Himmelsrichtungen führenden Straßen wird durch strenge Bauauflagen geregelt. Während der Regentschaft Großherzog Georgs zwischen 1816 und 1860 erlebt Neustrelitz eine Blütezeit. Der Schinkelschüler Friedrich Wilhelm Buttel (1796-1869) prägt mit einer großen Anzahl von Bauten des Stadtbild, darunter die neugotische Schlosskirche und das klassizistische Rathaus. Durch die engen Beziehungen zum preußischen Hof – Königin Louise von Preußen war eine Schwester Georgs – sind die führenden Baumeister, Künstler und Gartenarchitekten Preußens beratend oder aktiv auch an der Verschönerung 140 von Neustrelitz beteiligt. Die Stadt bleibt bis 1918 Residenz. Von 1919 bis 1933 fungiert sie als Landeshauptstadt des Freistaates Mecklenburg-Strelitz. 1945 brennen Schloss und Theater ab. Während die Schlossruine später aus politischen Gründen gesprengt und abgetragen wird, eröffnet man das Theater 1954 wieder. Im selben Jahr muss Neustrelitz bei der Bezirksgründung hinter Neubrandenburg zurückstehen und verliert somit an politischem Gewicht. Seit 1991 steht die Innenstadt unter Denkmalschutz und wird umfassend saniert. (Stadt Neustrelitz – Informationsbroschüre mit mehrfarbigem Stadtplan) 2 Die Sanierung der Altstadt Das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern fordert seine Städte auf, „Integrierte Stadtentw icklungskonzepte“ (ISEK) zu erstellen. Hierfür können bei Planung und Umsetzung Mittel aus dem Programm „Soziale Stadt“ in Anspruch genommen werden. Um diese Mittel jedoch zu akquirieren, muss die Stadt Neustrelitz ein Drittel selbst aufbringen, was sie aufgrund ihrer vergleichsweise guten finanziellen Lage kann. Was ist ein Integriertes Stadtentwicklungskonzept? Das vom Stadtplanungsamt Neustrelitz zusammen mit der BIG-Städtebau Mecklenburg-Vorpommern GmbH und der Planungsgruppe 4 erarbeitete Planwerk erklärt sich selbst so: „Das ISEK ist integrierter Bestandteil eines sich aus formellen und informellen Planungen zu gestaltenden Stadtentw icklungsprozesses, unter Beteiligung aller daran mitwirkenden Akteure.“ (www.vol-1.com). Aufbauend auf einer umfassenden Analyse und Prognosen zu Entwicklungsmöglichkeiten der Stadt Neustrelitz und unter besonderer Beachtung der wohnungswirtschaftlichen Situation werden Strategien zum Umbau städtischer Teilräume aufgezeigt. In einem dynamischen Prozess wird das ISEK Neustrelitz als gesamtstädtische Strategie auf seine Aussagen hin überprüft und gegebenenfalls den veränderten Rahmenbedingungen angepasst. Für die Entwicklung der Gesamtstadt trifft es folgende Aussage: „Das aus dem Stadtkern, dem Stadtteil Kiefernheide und Strelitz-Alt gebildete Siedlungsband bietet die Chance, Zersiedelungstendenzen am Stadtrand durch die Bestandspflege und Entwicklung innerörtlicher Potenzialflächen, die in die kompakte Struktur der Stadt integriert sind, zu vermeiden.“ (www.vol1.com). Daher wurden für das Stadtgebiet Schwerpunkte definiert, wozu auch die barocke Altstadt als „Stadtdenkmal Neustrelitz“ gehört. Man geht davon aus, dass der Stadtkern aufgrund der historischen Stadtstruktur und der Sanierungserfordernisse weiterhin einen hohen Handlungsbedarf aufweisen wird. Als Entwicklungsziele für die Altstadt werden die Stärkung der Wohnfunktion und die Ausprägung einer lebendigen und urbanen Innenstadt verfolgt. Neben dem ISEK hat die Stadtverwaltung noch zwei weitere Möglichkeiten, die Altstadtsanierung zu forcieren. Als klassisches Mittel hat sie eine Erhaltungssatzung aufgestellt: hierzu entstand eine fortlaufende Häuserkartei, die wertvolle Bausubstanz beschreibt und bewertet. Durch zinsgünstige Darlehen werden Fassadensanierungen und Modernisierungen pro Wohneinheiten durch die Stadt mit finanziert. Bis zum 19.06.2002 wurden dafür 41.947 Mio. € an Förderung bewilligt (Gespräch mit Frau Philine Weeck, Stadtplanungsamt Neustrelitz Juni 2002). Mit der ihr gehörenden NeuWo GmbH hat die Stadt Neustrelitz aber auch die Möglichkeit, selbst als Bauherr in die Stadtentwicklung einzugreifen. Die NeuWo GmbH - Neustrelitzer Wohnungsbaugesellschaft - wurde im April 1991 gegründet und entstand aus dem Gebäudewirtschaftsbetrieb der Stadt. Sie bewirtschaftet ungefähr 3.100 eigene Wohnungen und verwaltet weitere 1.600 Wohnungen für private Hauseigentümer. Auch heute noch ist sie ein zu 100 % städtisches Unternehmen (www.neuwo.de, Stand: Juni 2003). Als städtisches Tochterunternehmen muss die Gesellschaft natürlich auch die Vorgaben der Stadt und somit die Empfehlungen des ISEK berücksichtigen. So hat sie sich in den letzten drei Jahren verstärkt Objekten in der barocken Innenstadt zugewandt. Dazu wurden Häuser erworben und in Abstimmung mit dem Bauamt der Stadt saniert. Eine große Maßnahme im Rahmen der Sanierung der Strelitzer Altstadt durch die NeuWo GmbH war das Wohnquartier Elisabethstraße/Augustastraße. „Dort ist ein attraktiver Wohnhof entstanden, der ein Aushängeschild für das sanierte Innenstadtquartier ist.“ (Falko Herschel, Geschäftsführer der NeuWo GmbH in Strelitzer Zeitung, Verlagsbeilage: Freizeitmagazin NEUSTRELITZ, 24. Mai 2003, Kurierverlag Neubrandenburg). Der Wohnhof wurde mit großzügigen Stellflächen für PKW, Grünflächen, einer Brunnenanlage, einem Spielplatz und kleinen Mietergärten ausgestattet. 3 Die Neugestaltung des Marktplatzes Der Marktplatz (120 m x 120 m) ist der von Christoph Julius Löwe geplante und bis heute erhaltene barocke Gründungsteil der Stadt. Von ihm zweigen acht Straßen in alle Richtungen ab – eine europaweit einmalige Gestaltung. 1866 wurde der Platz nach Plänen des herzoglichen Oberbaurates Friedrich Wilhelm Buttel um ein Rondell erweitert und mit zweigeschossigen Häusern umbaut. Die Bepflanzung erfolgte in den Landesfarben Blau (Flieder), gelb (Goldregen) und rot (Rotdorn). Springbrunnen und Sitzgelegenheiten machten das Rondell bürgerfreundlich. Unter dem Denkmal des Großherzogs befand sich der „0-Punkt“, von dem aus alle Entfernungen gemessen wurden. Buttel entwarf auch das Rathaus, welches 1841 an der Ostseite des Platzes fertiggestellt wurde. Die von 1768 bis 1778 gebaute barocke Stadtkirche gegenüber des Rathauses wurde 1831 von Buttel durch einen 45 m hohen viergeschossigen Turm erweitert. Die sowjetische Armee legte 1945 auf dem Rondell einen Soldatenfriedhof an. Es kamen in der Folge eine kleine Ehrenhalle und eine Statue hinzu. Im Mai 1995 wurde das Denkmal zurückgebaut und die sowjetischen Soldaten wurden umgebettet. Das Rondell wurde begrünt. Der Marktplatz in Neustrelitz hat also nach seiner Entstehung mehrere Umgestaltungen erfahren. Während der spätbarocke Entwurf in seiner städtebaulichen Struktur und hinsichtlich der raumbegrenzenden Bebauung weitgehend erhalten ist, ist die Platzgestaltung den geänderten Exkursion Neustrelitz 141 gesellschaftlichen Ansprüchen und verkehrstechnischen Notwendigkeiten kontinuierlich angepasst worden. Dieser Umformungsprozess lässt sich an den z.T. kleinflächig veränderten Bodenbelägen und an der Durchmischung von Ausstattungselementen unterschiedlicher Zeitgeschichte ablesen. Der Platz hat dabei sein ursprüngliches Ordnungsprinzip, seine Funktionalität als zentraler Platz und seine städtebaulich-räumliche Erlebbarkeit eingebüßt (www.neustrelitz-guide.de). Aus diesen Gründen hat die Stadt Neustrelitz 2001 einen Architektenwettbewerb ausgelobt, der sich auf die Erarbeitung einer denkmalpflegerischen Zielstellung für den Markt beziehen sollte. Der architektonisch und städtebaulich wichtigste Platz, der Markt der Stadt Neustrelitz, sollte unter Berücksichtigung der zeitgeschichtlichen Veränderungen und Wandlungen neu gestaltet werden und zur neuen Mitte der Stadt avancieren. Den ersten Platz bei diesem Wettbewerb belegte das Planungsbüro Irene Lohaus und Peter Carl aus Hannover. Der Entwurf sieht folgendermaßen aus: Der Entwurf lässt weitgehend den ursprünglichen alten Marktplatz mit den umfassenden Häuserfassaden erkennen, wobei das derzeitige Rondell herausgenommen und durch hochstämmige schmalblättrige Eschen überstellt wird, so dass die gewünschten Sichtachsen beibehalten werden und die große offene Platzfläche aus der Entstehungszeit erlebbar wird. Das angedachte Baumrondell erhält im Kreuzungspunkt der Hauptachsen Wasserspiele mit verschieden hohen Wasserfontänen, wobei das ablaufende Wasser in einer umlaufenden Rinne aufgefangen und dem Kreislauf wieder zugeführt wird. Die Wasserspiele sind überfahrbar, mit Reihenpflaster gepflastert, mit Granitplatten eingefasst und damit für alle Nutzungen offen. Der Verfasser legt an die nach Osten, Süden und Westen abgehenden Straßen konsequent Parkplätze, die mit Parkholmen abgegrenzt werden. Die Holme sind demontierbar und lassen somit flexible Nutzungen des Marktes zu. Im Rondell werden Leuchten, Rundbänke und Versorgungspoller integriert, so dass auch auf dieser Fläche variable Nutzungen möglich sind. Die vorgeschlagene Verkehrsführung ist für 142 die derzeitige und zukünftige Befahrbarkeit variabel und lässt alle denkbaren Verkehrsführungen zu. Verkehrsanbindungen werden nach außen um das Rondell herum als nicht geschlossener Kreisverkehr angeboten, wobei das Baumrondell an der Strelitzer Straße ebenerdig angebunden ist. Die Angebote für Wochenmarkt und weitere Nutzungen sind realistisch. Der Fahrverkehr kann getrennt vom Markttreiben und von den Fußgängerbeziehungen an der Strelitzerstraße zum Markt passieren (Broschüre zur Ausstellung der Ergebnisse des Architektenwettbewerbs). Die Grundsteinlegung für den Umbau des Marktplatzes fand am 28.05.03 statt. Zur Zeit läuft die Ausschreibung mit anschließender Vergabe (Gespräch mit Frau Weeck Stadtplanungsamt Neustrelitz Juni 2002). Für das Bauvorhaben des Marktplatzes mussten sehr strenge Auflagen der Denkmalpflegebehörde Schwerin beachtet werden. Der Umbau des Marktplatzes wird durch das Ministerium für Arbeit-, Bau- und Landesentwicklung Mecklenburg-Vorpommern und das Bundesministerium für Verkehr-, Bau- und Wohnungswesen zu je einem Drittel gefördert. Das letzte Drittel der gesamten 2 Mio. Euro für den Umbau des Marktplatzes muss die Stadt Neustrelitz selbst bezahlen. Der Kanalbau wird durch die Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und das Umweltministerium Mecklenburg-Vorpommern auch zu je einem Drittel gefördert. Die Gesamtsumme für die Kanalarbeiten beträgt 200.000 Euro, wobei die Stadt Neustrelitz wiederum ein Drittel selbst bezahlen muss. Die Kanalarbeiten laufen nicht über das Städtebauprogramm (Gespräch mit Frau Weeck Stadtplanungsamt Neustrelitz Juni 2002). 4 Der neue Hafen am Zierker See Geschichte Die Informationen zur Geschichte und Planung des Hafens sowie des Sees sind aus der Informationsbroschüre „Der neue Hafen am Zierker See“. Der Großherzog von Mecklenburg-Strelitz wollte den Anschluss an die MüritzHavel-Wasserstraße, so wurde die Stadt Neustrelitz 1843 zu einer Hafenstadt. Nun bestand die Verbindung einerseits nach Hamburg und andererseits nach Berlin. Der erste Speicher wurde 1842 errichtet, weitere folgten. Ab 1870 nahm der Schiffsverkehr durch den regen Handel mit Holz und Getreide erheblich zu, was zum Ausbau des Hafens führte. Nun konnten sich die ersten Industriebetriebe ansiedeln. Jedoch ging mit der Zeit der Handel zu Wasser zurück, da der Transport mit der Bahn rentabler wurde. 1927 wurde die Hafenbahn als Abzweig der Strecke Neustrelitz-Mirow gebaut. Dabei wurden große Teile des Hafens zugeschüttet. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde dann ein Teil wieder ausgebaggert und der Beckenrand befestigt. 1962 erfolgte erneut ein Ausbau des Hafens, da der Handel mit Holz, Getreide und Brennstoffen wieder zunahm. 1975 erreichte der letzte Kohlenfrachter den Hafen. Die Speicher waren bis 1991 in Betrieb, danach lag das ganze Areal brach und man wusste nicht, wie es weiter gehen sollte. Das Seeufer 1731/32 ging die Uferlinie bis zum Wall am Hebetempel. Die Uferflächen wurden jedoch mit der Zeit trocken gelegt, um Land zu gewinnen. Auch der Ausbau des Torfkanals und der Bau des Kammerkanals führten zum Absinken des Wasserspiegels. Heute trennt eine stark befahrene Landstraße das Schlossareal vom See. Es gibt nur eine punktuelle Sichtbeziehung. Anfang der 90er Jahre erkannte man den Handlungsbedarf, und es wurden für die gesamte Stadt die ersten städtebaulichen Konzepte mit Entwicklungszielen aufgestellt. Die Umsetzung erfolgte aber erst Mitte der 90er, denn die Sanierung der Wohnhäuser, vor allem die in der Altstadt, sowie die Schaffung neuer technischer Infrastruktur gingen erst einmal vor. Planung Die Leitidee sieht die Stärkung der vorhandenen Potentiale vor, das heißt die bessere Einbindung des Gebietes in die Stadt, den Schlossgarten und die umgebende Landschaft. Der Hafen soll ausgebaut und zu einem Anlaufpunkt für Touristen des Wassersports werden. Es entsteht eine spannungsreiche Abfolge von Aufenthaltsorten unterschiedlichen Charakters. Es sollen Räume der Ruhe und des Verweilens, sowie Aktionsräume entstehen. Die Hafenbahn wird erhalten und hat die Planung des Hafens beeinflusst. Die gesamte Planung besteht aus vier Bauabschnitten (siehe Bild rechts; entnommen aus der Broschüre „Der neue Hafen am Zierker See“ ) Die Finanzierung wird durch private Investoren, die Stadt, EU-Fördermittel und durch Fördermittelgeber des Landes und des Bundes unterstützt. Exkursion Neustrelitz 143 BA1 Der neue Hafen (siehe Bild links; entnommen aus der Broschüre „Der neue Hafen am Zierker See ) Das Hafenbecken wurde vergrößert und die Einfassung saniert. Östlich vom Beckenrand stehen Bänke, die zum Verweilen einladen. An der Südspitze entstand ein Platz, auf dem die unterschiedlichsten Veranstaltungen stattfinden können, hier schließt ein Spielbereich an. Die neuen Flächen nördlich und östlich des Hafens sind einer „maritimen Hafenmeile“ vorbehalten, im Sommer kann so die Nacht zum Tag gemacht werden. Zusätzlich entsteht ein neues touristisches Informationszentrum, das eine Dauerausstellung zum Hafen (Geschichte, Planung etc.) vorsieht. Der älteste Speicher von 1842 wurde bereits zu einem Wohnspeicher umgebaut. Hier wurden denkmalpflegerische Aspekte und neue Nutzungsanforderungen erfolgreich in Einklang gebracht. Der Speicher von 1846 soll demnächst saniert werden, mit ihm entstehen dann neue Wohnungen, vielleicht auch Ferienwohnungen und neue Restaurants. Für die Speicher aus den Jahren 1852 und 1860 stehen noch keine Nutzungskonzeptionen fest. Die Finanzierung dieser Umbaumaßnahmen wird ausschließlich von Investoren getragen. BA2 Der nördlichste Abschnitt des Planungsgebietes soll zu einem Wohnstandort entwickelt werden. Die Gebäude, die dort standen, wurden bereits abgerissen und der Boden wurde saniert. Auch hier erfolgt die Finanzierung ausschließlich durch Investoren. 144 Der Ausbau der Zierker Nebenstraße erfolgt ebenfalls im zweiten Bauabschnitt. BA3 Gegenüber des Speichers von 1852 ist ein Platz vorgesehen, auf dem größere Veranstaltungen stattfinden können oder der als Parkplatz genutzt wird. BA 4 Dieser Bauabschnitt liegt südlich des Fischereigeländes, es erfolgt nur eine punktuelle Aufwertung. Der Fuß- und Radweg wird an die Zierker Straße angebunden und soll am Seeufer entlang führen. Die Verbindung zum Schlosspark muss durch die gestalterische Verknüpfung und über Sichtbeziehungen wieder hergestellt werden. Der Zierker See Der Zierker See hat eine sehr schlechte Wasserqualität und ist zum Baden nicht geeignet. Es wurden jahrzehntelang Abwässer der Stadt eingeleitet, und dies führte zur Eutrophierung des Sees. Seit 1991 werden Untersuchungen durchgeführt, die als Grundlage für das Sanierungskonzept dienen. Durch die Sanierung soll sich das ökologische Umfeld verbessern, und die Attraktivität für die Touristen soll gesteigert werden. Für die Sanierung werden 1,2 Millionen Kubikmeter Schlamm aus der Mitte des Sees entnommen und ökologisch sinnvoll verwertet. Der Schlamm wird zur Entwässerung auf ufernahen Polderflächen abgelagert, damit das Wasser in den See zurückfließen kann. Der verbleibende Schlamm wird unter anderem zur Rekultivierung im Kiestagebau verwendet. 1993 wurde die neue Kläranlage in Betrieb genommen, und das Kanalisationssystem der Stadt wird laufend verbessert. Es werden auch biologische Maßnahmen durchgeführt, wie zum Beispiel der Einsatz von Pflanzen und Raubfischen. Das Projekt wird vorerst eine Laufzeit von vier Jahren haben, und die Chancen stehen gut, dass sich die Gewässerqualität verbessert. 5 Die Strelitzer Kleinseenplatte Das Seengebiet erstreckt sich von Fürstenberg über Neustrelitz und die Müritz bis nach Plau. Die Müritz ist der größte der mecklenburgischen Seen. Am Ostufer der Müritz beginnt der Müritz-Nationalpark, der bis zur Strelitzer Kleinseenplatte reicht. Das 32000 Hektar große Areal ist eines der Europareservate entlang der Vogelzugroute. Sogar der vom Aussterben bedrohte Seeadler ist hier noch heimisch. Der 1990 gegründete Müritz-Nationalpark bietet einen Ausschnitt der seen, moor- und waldreichen Landschaft der Mecklenburgischen Seenplatte mit einer Vielzahl seltener Großvogelarten. Die Mecklenburgische Seenplatte gilt als das größte zusammenhängende Seengebiet Europas. Über tausend Seen, umrahmt von ausgedehnten Wäldern und malerischen Hügelketten, erstrecken sich über das Gebiet. Entstanden in der letzten Eiszeit hat sich hier dank nur dünner Besiedelung eine einzigartige Naturlandschaft erhalten. Im östlichen Teil, der Strelitzer Kleinseenplatte, unweit des Müritz-Nationalparks liegt Feldberg inmitten des eindrucksvollen Naturparks „Feldberger Seenlandschaft“. Von den Ortsteilen Prälank und Fürstensee aus ist Neustrelitz ein ideales Tor sowohl in den westlichen und östlichen Teil des Müritz-Nationalparkes, als auch in den Naturpark Feldberger Seenlandschaft. Die idyllische Naturkulisse lädt ein zum Wandern, Radeln und Bootfahren. Paddeltouren versprechen besinnliche Stunden und urwüchsige Naturerlebnisse auf den Seen und Kanälen rund um die Stadt. Von der Weißen Brücke starten Fahrgastschiffe zu Rundfahrten auf dem Zierker See und in die Seenplatte. Der Glambecker See als innenstadtnaher Badesee, naturkundliche Lehrpfade zum Beobachten einzigartiger Fauna und Flora, Wasserwanderstrecken, der ausgedehnte Tiergarten mit dem Nationalpark-Zentrum und das Slawendorf am Zierker See sind Angebote für naturverbundene Gäste. Neustrelitz ist über drei ausgewiesene Radfernwege gut zu erreichen. Auf dem Wasserwege ist die Stadt über den Zierker See und den Kammerkanal mit dem Bundeswasserstraßennetz verbunden. „Der Landkreis Mecklenburg/Strelitz hatte im Jahr 2002 1.021.000 Übernachtungen in gewerblichen Unternehmen (mehr als neun Betten) zu verbuchen.“ (Telefonat mit Herrn Fechner Stadtplanungsamt Neustrelitz). Der Naturpark Feldberger Seenlandschaft umfasst ein ca. 345 km² großes Gebiet nördlich der Landesgrenze zu Brandenburg, welches zwischen den Städten Neustrelitz und Woldegk liegt. Zentrum ist die Stadt Feldberg mit ihren zahlreichen Seen. Die Entstehung der Landschaft geht auf Prozesse zurück, die während der letzten Eiszeit vor ca. 20000 Jahren abliefen. Gewaltige Gletscher schufen die heute sichtbaren Geländeformen wie schwach gewellte Grundmoränen, steil aufragende Endmoränenbögen und flache Sandergebiete. Aber auch die Seen und vielfältige Kleinstrukturen verdanken ihre Entstehung der Eiszeit. Der Naturpark stellt auf Grund seiner ausgeprägten Geländeformen einen charakteristischen Ausschnitt der eiszeitlich geformten Kulturlandschaft der Mecklenburgischen Seenplatte dar. Den größten Flächenanteil im Naturpark nehmen Wälder mit 38,4 % der Gesamtfläche ein, es folgen Ackerland mit 34,7 %, Grünland mit 10,1 % und die Seen mit 8,8 % der Fläche. Für den Strukturreichtum spricht, dass auch die Gehölze, Moore und Kleingewässer mit jeweils 1-2 % beteiligt sind. Gegenwärtig gibt es im Naturpark Feldberger Seenlandschaft 14 Naturschutzgebiete mit einer Gesamtfläche von mehr als 3000 ha. Je ein weiteres Naturschutzgebiet ist einstweilig gesichert bzw. geplant. Neben See-, Exkursion Neustrelitz 145 Schrei- und Fischadler kommen im Gebiet auch noch Schwarzstorch, Kranich, Fischotter und Biber vor. Anliegen des Naturparks soll die Gestaltung von Nutzungsformen der Land- und Forstwirtschaft, des Fremdenverkehrs und des Naturschutzes in einer Art und Weise sein, welche die Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes nachhaltig sichert und die Eigenart, Vielfalt und Schönheit der Landschaft bewahrt (www.neustrelitz.de; www.morce.de/nationalpark.html; www.müritz-nationalpark.de). „Da Naturschutz in der Bundesrepublik Sache der Länder, Natur aber grenzenlos ist, bedarf es einer länderübergreifenden Koordinierung. Diese Aufgabe übernimmt die 1991 gegründete Organisation EUROPARC DEUTSCHLAND“ (www.müritz-nationalpark.de) . Der Müritz-Nationalpark fällt unter die Kategorie V –Geschützte Landschaft/ geschütztes marines Gebiet laut der IUCN. Dies bezeichnet ein Gebiet, dessen Management hauptsächlich auf den Schutz einer Landschaft oder eines marinen Gebietes ausgerichtet ist und der Erholung dient. Definition Geschützte Landschaft/geschütztes marines Gebiet: Landgebiet, gegebenenfalls unter Einbeziehung von Küsten und marinen Gebieten, in dem das Zusammenwirken von Mensch und Natur im Laufe der Zeit eine Landschaft von besonderem Charakter geformt hat und diese über herausragende ästhetische, ökologische und/oder kulturelle Werte und oft über außergewöhnliche biologische Vielfalt verfügt. Die ungestörte Fortführung dieses traditionellen Zusammenwirkens ist für den Schutz, Erhalt und die Weiterentwicklung des Gebietes unerlässlich. Management-Ziele: - Aufrechterhaltung des harmonischen Zusammenwirkens von Natur und Kultur durch den Schutz von Landschaften und/oder marinen Gebieten sowie 146 die Fortführung der traditionellen Formen der Landnutzung und Bauweisen, aber auch die Bewahrung sozialer und kultureller Eigenarten - Förderung von Lebewesen und Wirtschaftsformen, die sich in Einklang mit der Natur befinden, und Erhalt des sozialen und kulturellen Gefüges der betroffenen Gemeinden - Erhalt der Vielfalt von Landschaften und Lebensräumen sowie der darin vorkommenden Arten und Ökosysteme - Wo nötig Beendigung und sodann Unterbindung solcher Formen der Nutzung oder Inanspruchnahme, die ihrer Dimension oder ihrer Art unangemessen sind - Schaffung eines Tourismus- und Erholungsangebotes, das nach Art und Umfang den besonderen Merkmalen des Gebietes gerecht wird - Förderung von Aktivitäten im Rahmen von Wissenschaft und Bildung, die nachhaltig Vorteile für die einheimische Bevölkerung mit sich bringen und die geeignet sind, die öffentliche Unterstützung des Natur- und Umweltschutzes zu fördern - Sicherstellung von Vorteilen für die einheimische Bevölkerung und Erhöhung ihres Wohlstandes durch die Bereitstellung natürlicher Produkte (etwa aus Forstwirtschaft und Fischerei) und Dienstleistungen (wie z.B. sauberes Wasser oder Einkünfte aus sanftem Tourismus) Auswahlkriterien: - Das Gebiet umschließt eine Landschaft und/oder ein an der Küste und/oder eine Insel anschließendes marines Gebiet, das sich durch außerordentliche landschaftliche Schönheit auszeichnet. Es beherbergt verschiedene Lebensräume, Pflanzen- und Tierarten sowie einzigartige oder traditionelle Formen der Landnutzung, aber auch soziale Gefüge, die sich in den Siedlungen, Sitten und Gebräuchen oder religiösen Traditionen manifestieren. - Das Gebiet bietet Erholungsmöglichkeiten, die jedoch mit der Lebensweise und den traditionellen Wirtschaftsweisen seiner Bewohner vereinbar sein müssen (www.müritz-nationalpark.de; www.morce.de/nationalpark.html). 6 Der Neustrelitzer Schlossgarten Die Geschichte des Schlossgartens ist eng mit jener der Stadtanlage von Neustrelitz verwoben. Zwischen 1726 und 1731 wird der Garten von Christoph Julius Löwe, dem Erbauer von Neustrelitz, ganz im barocken Zeitgeschmack angelegt. Nach einem Besuch Herzogs Adolf Friedrichs IV. in Versailles wird der Garten am Ende des 18. Jahrhunderts um mächtige Sandsteintreppen, eine Grotte und einen Irrgarten bereichert. Während der Regentschaft Großherzog Georgs wird aus dem barocken Schlossgarten in den Jahren 1842 und 1843 ein englischer Landschaftspark. Dies geschieht auf Anregung des Bildhauers Christian Daniel Rauch. In diese Umgestaltung war auch der bedeutende Gartenkünstler Peter Joseph Lenné einbezogen, auf den eine Gedenktafel hinweist. Bis zum Zweiten Weltkrieg bleibt der Garten weitgehend in dieser Gestalt erhalten. (Stadt Neustrelitz (Hrsg.), Informationsbroschüre: Der Neustrelitzer Schlossgarten) Nähert man sich dem Garten von der Stadt her, so sieht man zunächst die Schlosskirche, Buttels Meisterwerk und eines der schönsten Gebäude in Neustrelitz. Sie wurde 1854 bis 1859 im neugotischen Stil erbaut. Hierfür entwarf der Architekt über 300 verschiedene Formsteine. Auf Konsolen und unter Baldachinen stehen vier Apostel – ebenfalls von Buttel entworfen und von Albert Wolff ausgeführt. In der Schlosskirche ist heute die Plastikgalerie untergebracht. Gleich neben der Schlosskirche stand einst die Residenz der Großherzöge von Mecklenburg-Strelitz. Eine Hinweistafel und eine Installation geben den Ort an, auf den der ganze Garten ausgerichtet ist. Betritt man die Mittelachse von der Schlossterrasse aus, so passiert man zunächst zwei mit Prunkvasen geschmückte Springbrunnen, die 1852 von Buttel gebaut wurden. Es folgt die Sandsteingruppe von San Ildefonso, deren Original im Prado in Madrid zu finden ist. Die Prunkvasen und die Skulptur sind Geschenke des preußischen Königs. Auf halber Strecke findet sich der Zinkabguss der Victoria von Leuthen von Christian Daniel Rauch, dessen Original auf dem Schlachtfeld von Leuthen an einen Sieg Friedrichs II. erinnert. Als nächstes folgt die Drake-Vase, ein Zinkabguss, dessen Original im Berliner Tiergarten steht. Den Abschluss der Mittelachse bildet der 1825 entstandene Hebetempel, eine der ersten Arbeiten des Schinkelschülers Buttel. Der Tempel ist ein offener Rundbau nach dem Vorbild des Erechtheion in Athen. In der Mitte steht Hebe, die Göttin der ewigen Jugend, den Göttern mit Kelch und Krug Ambrosia kredenzend. Die Skulptur ist ein Zinkabguss, dessen Original von Canova in der Berliner Nationalgalerie steht. Das Original des kleinen Apollo auf dem Dach befindet sich in den Florentiner Uffizien. Kopien aus Zinkguss wurden übrigens seinerzeit wegen ihrer einfachen und somit kostengünstigen Herstellungsweise bevorzugt in repräsentativen Anlagen zur Schau gestellt. Vom Hebetempel führt der Weg auf dem ehemaligen Uferwall des Zierker Sees zur östlich gelegenen Götterallee. Die Figuren aus Pirnaer Sandstein sind Kopien von Allegorien und antiken Göttern. Man findet Reste des üblichen Programms: Herbst und Winter von den Jahreszeiten; Jupiter und Juno, Diana und Mars aus der römischen Götterwelt; Apollo, Meleager und eine Najade aus der griechischen Mythologie. Die Götterallee endet an der Orangerie, die von Buttel gebaut beziehungsweise erweitert wurde. In den Nischen der Säle befinden sich Gipsabdrücke von Skulpturen - Geschenke des preußischen Königs. Im Orangeriegarten steht der Kinderbrunnen von Albert Wolff mit Szenen aus den Märchen Hans Christian Andersens. Im englischen Teil des Gartens, der sich westlich der Mittelachse erstreckt, ließ Großherzog Georg nach dem Vorbild des Charlottenburger Mausoleums den Louisentempel errichten. An der Stirnseite ist eine Tafel mit folgender Inschrift angebracht: „Edle Frau aus edlem Stamm, Ruhe sanft in ew‘gem Frieden, Nach des Lebens wilden Stürmen“. In der Mitte des Raumes befindet sich eine Kopie der Grabstatue von Christian Daniel Rauch. In der Nähe, am Ufer des Zierker Sees, erstrahlt der chinesische Pavillon. Das ehemalige Wäschespülhaus war 1821 Buttels erster Bau in Neustrelitz. (Stadt Neustrelitz (Hrsg.), Informationsbroschüre: Der Neustrelitzer Schlossgarten) Heutiger Besitzer des Schlossgartens ist das Land Mecklenburg-Vorpommern. Seit 1919 ist die Stadt Neustrelitz für seine Pflege verantwortlich. Im Jahr 2001 Exkursion Neustrelitz 147 wendete sie hierfür 74.500,- DM auf und 49.000,- € im Jahr 2002. Seit 1920 ist die Orangerie Kulturstätte und Restaurant und bildet somit eine weitere Einnahmequelle. Außerdem gibt es seit 2001 Festspiele im Schlossgarten, die der Stadt Einnahmen beim bescheren. (Gespräch mit Frau Philine Weeck, Stadtplanungsamt Neustrelitz Juni 2002) 7 Die Kiefernheide - Stadtumbau Ost Wie schon zuvor bei dem Thema Altstadtsanierung angeschnitten handelt es sich bei Stadtumbau Ost um ein Programm der Bundesregierung, bei dem Fördermittel an die Städte vergeben werden. Um die Fördermittel erhalten zu können, bewirbt sich die jeweilige Stadt im Rahmen eines Wettbewerbs. Der Wettbewerb wurde eingeführt, um die Vorbereitung von Stadtentwicklungskonzepten in den Städten der neuen Länder voranzutreiben. Aus dem Merkblatt über die Finanzhilfen des Bundes (Berlin, im Januar) geht hervor, dass hierfür im Jahre 2002 bereits rund 16 Millionen Euro von der Bundesregierung zur Verfügung gestellt wurden. Grundvoraussetzung für den Erhalt der Fördermittel ist das Stadtentwicklungs konzept. In ihm sind die einzelnen Fördergebiete räumlich abgegrenzt und die Entwicklungsziele formuliert. Ziel des Programms ist die Stärkung der Städte in den neuen Ländern als Wohn- und Wirtschaftsstandorte. Man muss dem drohenden Verfall entgegenwirken, der aufgrund des steigenden Wohnungsleerstands entsteht. Laut des Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (BmVBW) stehen derzeit ungefähr 1 Millionen Wohnungen leer, das heißt 13 % des Gesamtbestandes. Das Maßnahmenpaket fördert die städtebauliche Entwicklung, den Rückbau des Wohnraumüberhanges durch Reduzierung und Aufwertung des Bestandes. Zudem werden die Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen sowie die Eigentumsentwicklung gefördert. Die Wohnungswirtschaft wird zum Beispiel beim Abriss von Leerstand und 148 Aufwertung von Wohnquartieren unterstützt. (Informationen zum Programm Stadtumbau Ost, BmVBW: Revitalisierung der Innenstädte in den neuen Ländern: Stadtumbau Ost) Mittelvolumen und Finanzierung Laut des BmVBW sollen in den Jahren 2002 bis 2009 insgesamt 2,7 Milliarden Euro aufgebracht werden. Rund 1 Milliarde stellt die Bundesregierung zur Verfügung, die Länder stellen in etwa denselben Betrag. Das Zuschussprogramm für Rückbau und Aufwertungsmaßnahmen sieht die Bereitstellung von rund 1 Milliarde vor. Der Bund zahlt davon in den Jahren von 2002 bis 2005 rund 153 Millionen und bis 2009 dann 100 Millionen Euro, ergänzt durch Landesmittel in gleicher Höhe. Bei Aufwertungsmaßnahmen muss die Gemeinde den gleichen Betrag wie Bund und Länder beisteuern, die Einzelheiten regelt eine Verwaltungsvereinbarung mit den Ländern. (BmVBW: Revitalisierung der Innenstädte in den neuen Ländern: Stadtumbau Ost) Für Neustrelitz wurde wie schon erwähnt ein Stadtentwicklungskonzept aufgestellt. Es wurde zu Anfang auf die Altstadtsanierung eingegangen, nun wird das Stadtteilkonzept Kiefernheide etwas näher erläutert. StrukturanalyseDie nun folgenden Informationen sowie die hier abgebildeten Pläne sind dem Stadtentwicklungskonzept entnommen, das von dem Büro Planungsgruppe 4 erarbeitet wurde. Das Untersuchungsgebiet ist ungefähr 42 ha groß, hat ungefähr 5200 Einwohner und ist damit das größte Wohngebiet der Stadt. Die Bebauung setzt sich vor allem aus traditionell und industriell errichteten DDR-Bauten zusammen. Der Typ Brandenburg ist ein viergeschossiges Zeilengebäude der 60er Jahre mit kleinräumigen Innenhöfen und ist überwiegend saniert. Die industriell errichteten Geschossbauten vom Typ WBS 70 sind Fünf- bis Sechsgeschosser mit großen internen Freiflächen. Hier ist die Hälfte des Bestands noch nicht saniert. Durch die Anbindung an die B 96 weist das Gebiet eine verkehrsgünstige Lage auf, außerdem schließt der Strelitzer Stadtforst, der ein wichtiges Naherholungsgebiet ist, an. Die Wohngebiete westlich und südlich von Kiefernheide sind durch einen hohen Eigenheim- und Grünanteil geprägt. Die Stadtanbindung muss noch ausgebaut werden, vor allem die Verbindung zum Stadtkern im Bahnhofsbereich und zum umgebenden Landschaftsraum. Die bestehenden Fuß- und Radwege sind ausbaufähig. Die Wohnnutzung ist durch Versorgungseinrichtungen der sozialen Infrastruktur und Handelseinrichtungen ergänzt. Es gibt drei Schulen und zwei Kindergärten. Eine ehemalige Kita wird derzeit zu einem Bürgertreff umgebaut. Für den Schulund Vereinssport stehen zwei Turnhallen zur Verfügung. Die vorhandenen Einzelhandelseinrichtungen wurden in den letzten Jahren ergänzt, so dass ein ausreichendes Angebot vorhanden ist. Die Grün- und Freiflächen weisen in den einzelnen Teilbereichen unterschiedliche Qualitäten auf. Mit den ersten Sanierungs- und Aufwertungsmaßnahmen wurde der Prozess der Weiterentwicklung des Stadtgebietes erfolgreich betrieben. Vor allem Wohnhöfe wurden bereits durch geförderte Wohnumfeldmaßnahmen neu gestaltet und aufgewertet. Neue Spielplätze bieten Kindern bessere Freizeitangebote. Die öffentliche Grünfläche in der Mitte des Gebietes bietet nur geringe Aufenthaltsqualitäten und stellt mit seiner anschließenden Brachfläche kein attraktives Freiraumangebot dar. Im Rahmen des Wohnumfeldprogrammes läuft derzeit eine Baumaßnahme an. In manchen Teilbereichen besteht keine feste, ablesbare Stadtstruktur und die darin befindlichen Freiflächen besitzen kaum Aufenthaltsqualität. Auch die zum Teil vorhandenen Stellplätze in den Wohnhöfen führen zu einer wenig attraktiven Aufenthaltsatmosphäre in den internen Freiräumen. Manche Gebäudegruppen weisen einen geringen Quartiersbezug auf, das heißt sie sind nicht in die vorhandenen Gebietsstrukturen eingebunden und schwächen so die Wohnqualität. Die Eingangsbereiche weisen erhebliche Gestaltungsdefizite auf. Entwicklungsziele Es muss ein städtebauliches Grundgerüst gebildet werden, indem die vorhandenen Grundstrukturen erhalten, gestärkt und ausgebaut werden. Die vorhandenen Gebietsqualitäten müssen heraus gearbeitet werden, um die Quartiersstrukturen zu stärken. Die Verbesserung der Bebauungssubstanz und der Freiräume führt zu einer angenehmeren Aufenthaltsatmosphäre und zu einer stärkeren Identifizierung der Bewohner mit ihrem Gebiet. Maßnahmenräume Die Kiefernheide wurde in fünf unterschiedliche Quartiersfelder bzw. in Maßnahmenräume unterteilt. Status-quo-Gebiet Diese Gebiete besitzen einen hohen Grün- und Eigenheimanteil. Es handelt sich um funktionierende Bestände mit hohem Sanierungs- und Modernisierungsgrad. Hier sind keine Baumaßnahmen erforderlich. Konsolidierungsgebiet Bei diesem Gebiet handelt es sich um potenziell stabile und marktfähige Bestände. Der Bestand wird beibehalten; nur das Wohnumfeld bedarf einer Aufwertung, das heißt es besteht ein punktueller Handlungsbedarf. Man geht davon aus, dass sich die Strukturen des Quartiers von selbst weiterentwickeln und verfestigen. Umstrukturierungsgebiet: Schwerpunkt Gebäudetransformation Hier handelt es sich um mehr oder weniger stabile Bestände mit mittlerem bis hohem Handlungsbedarf. Der Bestand wird aufgewertet und zum Teil beibehalten. Der partielle Rückbau einiger Gebäude schafft neue Wohnformen (z.B. Maisonette, Wohnung mit Dachgarten, Grundrissveränderung). In Frage kommen zwei Gebäude am Pablo-Neruda-Ring (Siehe Plan 8, Haus Nr. 37,44). Durch den Rückbau wird der skulpturale Charakter der achteckigen Exkursion Neustrelitz 149 Bebauungsstruktur verstärkt und ein baulicher Übergang zur Umgebung geschaffen. Umstrukturierungsgebiet: Schwerpunkt Abriss/Neubaumaßnahme Die Gebäude haben einen geringen Quartiersbezug und sind langfristig nicht mehr marktfähig. Der Abriss einzelner Gebäude stärkt den Quartierszusammenhang. Abriss zur Freiflächengewinnung Die Freiräume werden erweitert, es entstehen neue Blickbeziehungen und durch umfangreiche Neugestaltung wird die Aufenthaltsqualität verbessert. Vor allem die drei Gebäude innerhalb der Wohnhöfen bieten sich für diese Maßnahme an. (Siehe Plan 8, Haus Nr. 48, 47, 26 ) Abriss und Neubaumaßnahmen Der Neubau bietet alternative Wohnformen wie zum Beispiel Reihen- oder Stadthäuser an. Dies fördert die Eigentumsbildung und die Identifizierung der Bewohner mit dem Gebiet, außerdem führt es zu einer sozialen Durchmischung. Der Bestand in der Heinrich-Mann Straße weist einen geringen Quartiersbezug auf und ist langfristig nicht marktfähig. Diese Struktur soll durch eine kleinteiligere Bebauungstypologie ersetzt werden (Plan 8, Nr. 31, 32, 33, 45, 46). Grünes Band/Grünzug Bei der Freiflächenaktivierung werden die vorhandenen und neu entstandenen Freiräume neu gestaltet. Der verbindende Charakter der Grünfläche ist derzeit noch nicht erfahrbar. Das „Grüne Band“ soll sich nach der Neugestaltung als verbindendes Strukturelement durch das Gebiet ziehen (siehe Plan 9). Durch die Kombination von Infrastruktureinrichtungen und Landschaftselementen wird ein dynamischer, lebendiger Funktionsraum geschaffen, der die Funktion als 150 gebietsprägendes und Stadtraum gliederndes Element übernimmt. Das Entwicklungskonzept ist aufgestellt, nun gilt es die weiteren Planungsschritte zu konkretisieren. Dazu gehört die Ausarbeitung der weiteren städtebaulichen und landschaftsplanerischen Entwürfe, sowie die Kosten- und Finanzierun gsübersichten. Die in Frage kommenden Rückbau- und Abrissmaßnahmen müssen mit den Wohnungsgesellschaften und weiteren Planungsbetroffenen abgestimmt werden. Die Planung muss durch Abschluss städtebaulicher oder öffentlich-rechtlicher Verträge mit den Eigentümern abgesichert werden. Geschätztes Finanzvolumen für die Maßnahmen (Grobe Schätzung, aufgestellt von der Planungsgruppe 4) Es wird geschätzt, dass für die geplanten Maßnahmen bis zum Jahre 2015 rund 6,7 Millionen Euro benötigt werden. Dieses Finanzvolumen teilt sich wie folgt auf: Städtebauliche Planung: 100.000 Euro Beratungs- und Dienstleistungen: 530.000 Euro Rückbau- und Aufwertungsmaßnahmen: 6.000.000 Euro Im Gespräch mit Frau Daedelow vom Stadtplanungsamt Neustrelitz stellte sich heraus, dass seit 2002 rund 570.000 Euro für Aufwertungsmaßnahmen aufgewendet worden sind, wobei die Stadt, das Land und der Bund je ein Drittel des Betrages übernehmen. Es wurden zusätzlich 1.150.000 Euro beantragt und auch bewilligt. Für den geplanten Rückbau in Kiefernheide sind noch keine Mittel beantragt. Exkursion Neustrelitz 151 Quellenverzeichnis Gespräch mit Frau Gabriele Daedelow, Stadtplanungsamt Neustrelitz Juni 2003 Gespräch mit Frau Philine Weeck, Stadtplanungsamt Neustrelitz Juni 2003 Telefonat mit Herrn Fechner, Stadt Neustrelitz Juni 2003 Stadt Neustrelitz – Informationsbroschüre mit mehrfarbigem Stadtplan, Hrsg.: NovoPrint VerlagsGmbH in Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung Neustrelitz Stadt Neustrelitz (Hrsg.) Informationsbroschüre: Der neue Hafen am Zierker See Stadt Neustrelitz (Hrsg.), Heft zur Ausstellung der Ergebnisse des Architektenwettbewerbes zum Marktplatz Stadt Neustrelitz Schlossgarten (Hrsg.), Informationsbroschüre: Der Neustrelitzer Stadtentwicklungskonzept Neustrelitz, Stand: Juni 2002, Planungsgruppe 4 (Gespräch) Strelitzer Zeitung, Verlagsbeilage: Freizeitmagazin NEUSTRELITZ, 24. Mai 2003, Kurierverlag Neubrandenburg www.meck-pomnet.de/see/neustrelitz.htm, Stand: Juni 2003 www.morce.de/Nationalpark.html, Stand: Juni 2003 www.müritz-nationalpark.de, Stand: Juni 2003 www.neustrelitz.de, Stand: Juni 2003 www.neustrelitz-guide.de, Stand: Juni 2003 152 www.neuwo.de, Stand: Juni 2003 www.stadtumbauost.de, Stand: Juni 2003 www.vol-1.com/p4/ref.php, Stand: Juni 2003 Exkursion Neustrelitz 153 marc appelles ines dehmel ulrike janke karen wilhelm Resümee und Evaluation 1 Zusammenfassung und Resümee In der Veranstaltung „Mangel und Überfluss – Freiraumplanung und ihre Mittel“ wurden die unterschiedlichsten Möglichkeiten und die Entwicklung der Finanzierung von Freiräumen aufgezeigt. Im Folgenden eine kurze Zusammenfassung der besprochenen Referatsthemen. Bei „Finanzierung von Freiraum gestern“ wurden die Themen Freiraumplanung und – finanzierung vor 1870, Berliner Selbstverwaltung anhand des praktischen Beispiels Victoriapark in Kreuzberg, Ende der Kaiserzeit und Entstehung GroßBerlins 1920, Martin Wagner 1929 „Das sanitäre Grün der Städte - ein Beitrag zur Freiflächentheorie“, Erwin Barth Gartendirektor Groß-Berlins, Übergang vom Städtischen zum Bürgerlichen, städtebauliche Verträge, Stunde Null nach dem Krieg, Selbstversorgergärten, städtebauliche Großprojekte, Internationale Bauausstellung und Übergang zur autogerechten Stadt behandelt. Ein kurzer Abriss der Entwicklung der Landschaftsarchitektur bzw. Freiraumplanung mit der Finanzierung bis heute wurde unter den Aspekten der Verschuldung der Hauptstadt Berlin, der Finanzierung von Freiräumen durch öffentliche Mittel am Beispiel Erholungspark Marzahn, der Finanzierung von Freiraum durch privat-öffentliche Kooperationen (PPP und Marketing) und der ausschließlich privaten Finanzierung von Freiräumen aufzeigt. Anhand der Kosten und der Qualität von Freiräumen sind die Berliner Beispiele Priester-Pape-Park (1.789521,58 € mit 25,56 €/m²) und Spreefenster (97.657 € mit 21,10 €/m²) verglichen worden. Des Weiteren ging es um die allgemeinen und konkreten Normen zu den Kostenaufstellungen (DIN 276, HOAI). Mit der Exkursion nach Neustrelitz wurde vor Ort die Qualität der dortigen Freiräume mit den derzeitigen Pflegekosten vorgestellt und angeschaut. Ebenso berichtete man über abgeschlossene sowie laufende Projekte der Stadt. Zum Thema EU-Finanzierung erfolgte die Darlegung der verschiedenen 156 Strukturfonds (EFRE, ESF, EAGFL, FIAF) und der Bezug zur Landschaftsarchitektur auf den Ebenen Transnationale Zusammenarbeit, Stadtentwicklung und Handlungsinitiativen des Landes. Mit der Vorstellung einer monetären Bewertung von öffentlichen Grünanlagen als Standortfaktor Freiraum mit den Szenarien „Freiraum total privat“ und „Freiraum als Produkt eines Betriebes“ sollte der „Wert der Landschaft“ transparenter auftreten. Über die Vermarktung der Natur am Beispiel der Initiative zur Standortförderung der Region Köln/Düsseldorf und der Autostadt Wolfsburg als Visitenkarte Freiraum wurde gezeigt, dass Freiraum eine Marke sein kann und einen ökonomischen Wert hat. Die Aufgabenfelder des Landschaftsarchitekten haben sich im Laufe der Zeit verändert. Heute ist die Rede von monetärer Arbeit, nicht-monetärer Arbeit, Dienstleistung und Eigenproduktion. Es finden Paradigmenwechsel in der Landschaftsarchitektur statt. Die Landschaftsarchitektur bedient viele Aufgabenfelder, die sowohl auf diese einwirken als auch durch sie geprägt werden. Es handelt sich hierbei um Aufgabenfelder wie Architektur, Städtebau, Kunst, Kultur, Gesellschaft, Politik EU-Finanzierung Finanzierung gestern/heute Landschaft als Produkt Kosten und Qualität des Freiraumes Perspektiven/Aufgabenfelder der Landschaftsarchitektur Auswirkungen auf die Lehre der Landschaftsarchitektur oder Theorie. Die EU–Finanzierung umfasst viele verschiedene Programme, d.h. für den Landschaftsarchitekten ein umfassendes Einarbeiten in die Thematik. Da die einzelnen Programme meist zeitlich befristet sind, muss er sich auf diesem Gebiet ständig fortbilden. Dieses führt zu einem extrem hohen Zeit- und Kostenaufwand, welcher sich nicht direkt auszahlt. Allein die Chancen, einen Auftrag bekommen zu können, steigen, obwohl die Finanzierbarkeit eines Bauvorhabens eigentlich beim Bauherrn liegen sollte. Dazu kommt, dass der frühere Hauptauftraggeber, die öffentliche Hand, in finanziellen Problemen steckt und somit die Vergabe von Aufträgen rückgängig ist. Diese Lücke können auch private Auftraggeber nicht schließen. Private Investitionen sind meist mit Botschaften verbunden. Dabei ist es egal, ob es sich um eigenen Besitz handelt oder Finanzierung von öffentlichen Flächen. Beim brandscape, wie in der Autostadt Wolfburg, sind der Auftraggeber und seine Botschaft für die Nutzer klar erkennbar. Doch bei Stiftungen und Sponsoring von Freiräumen mit öffentlichem Charakter sind Auftraggeber und eventuelle Botschaft nicht immer so leicht herauslesbar, welches auch Gefahren in sich bergen kann. Die hohen Kosten für öffentliche Grünflächen (gerade im Unterhalt) lassen den Kommunen kaum eine andere Möglichkeit, als die Angebote privater Finanziers anzunehmen. Dabei stellt sich die Frage, ob mit der Erhöhung von finanziellen Mitteln auch die Qualität eines Objektes steigt, bzw. ob mit sinkenden Kosten auch die Qualität eines Raumes sinken muss? Bei der Verneinung dieser Frage wird ein weitere Problematik deutlich. So errechnet sich das Honorar des Architekten aus der Höhe der Bausumme, d.h. hohe Baukosten ziehen ein hohes Honorar nach sich. Andererseits steigen auch die Ansprüche an den Landschaftsarchitekten, wie die intensive Einarbeitung in die EU-Finanzierungsthematik oder der immer aufwendigere Umfang an neuester technischer Ausrüstung in den Büros. Da kommt schon der Gedanke auf, wie viel Qualität ein Planer unter diesen Umständen noch leisten kann oder leisten will. Ein Durchkommen kann künftig nur gewährt werden, wenn die Landschaftsarchitekten in ihren Aufgabenfeldern flexibler werden, also auch fachübergreifend arbeiten. Konkurrenz aus anderen Fachgebieten, die in das klassische Aufgabenfeld der Landschaftsarchitektur drängen, erhöhen diesen Druck. Der Blickfelderweiterung steht das Suchen von Nischen gegenüber. Eine Spezialisierung/ Vertiefung in eine Thematik kann neue Chancen eröffnen. Für das Studium der Landschaftsarchitektur bedeutet dies, dass das fachübergreifende Arbeiten bereits an der Universität gefördert werden muss. Ein flexibleres Modulsystem könnte hier Abhilfe schaffen. Dazu sollte die universitäre Ausbildung Grundlagen bilden und gleichzeitig den Blick in andere Fachgebiete und Ausrichtungen öffnen. Die Vermarktung der eigenen Entwürfe sollte stärker ins Bewusstsein rücken, denn letztendlich muss jedes Produkt auch verkauft werden. 1.1 Reflektion anhand von Befragungen Die auftretenden Fragen und Diskussionspunkte sollten abschließend durch Interviews mit unterschiedlichen Gruppen (Bürgern, Senatsverwaltung, freier Landschaftsarchitekt) reflektiert werden und als Diskussionsgrundlage für die Abschlussveranstaltung dienen. 1.1.1 Bürgerbefragung im Treptower Park Im Treptower Park wurden die Besucher befragt, ob sie die Vermarktung des Namens durch Verkauf an einen Werbeträger befürworten würden, wenn dieses Geld dann für die Erhaltung und Pflege verwendet würde. Die Reaktionen waren sehr unterschiedlich. Einige Bürger waren strikt dagegen, da sie sich mit dem Park und dadurch auch mit dem traditionellen Namen identifizieren und sie zudem nicht möchten, dass weiterhin alles privatisiert werden solle. Ein großer Teil konnte sich dieses Szenario vorstellen, solange die Werbung nur dezent aufträte und es keine weiteren Nutzungsauflagen Resümee und Evaluation 157 gäbe. In Bezug auf die Einnahme von Eintrittsgeldern und einer daraus folgenden Umzäunung der öffentlichen Grünanlagen bestand grundsätzlich ein Konsens darin, dass man allein durch Eintrittsgelder die Vermüllung und den Vandalismus nicht stoppen könne. Die Befürchtungen gingen eher dahin, dass, wenn man Eintrittsgeld bezahlen müsse, auch der Müll liegen bleiben dürfe. Als Eintrittsgelder wurden 20 Cent für 30 Min. Joggen im Park bis hin zu 1,50 € genannt. Man könne sich aber vorstellen, eventuell Plätze zu vermieten. Dazu würden z.B. Grill- oder Fußballplätze zählen. Gegen den Vandalismus wurde von vielen vorgeschlagen, dass Wachpersonal verstärkt auf die Einhaltung der Regeln achten solle. Wie aber auch nicht anders zu erwarten war, sagten alle Befragten, dass sich die Einstellung der Nutzer ändern, jeder seinen eigenen Müll wegräumen müsse und nicht alles auf die öffentliche Hand geschoben werden dürfe. 1.1.2 Interview mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung sollte nun geklärt werden, inwiefern eine Vermarktung des Namens möglich wäre und wie die öffentliche Hand selber mit der Finanzknappheit umgeht und ob sie Modelle entwickelt, wie man die öffentlichen Grünflächen in einem akzeptablen Zustand halten kann. Hierfür fand eine Befragung mit Frau Beate Profé statt, Referatsleiterin des Referats „Freiraumplanung und Stadtgrün“. Frau Profé erklärte, dass es grundsätzlich für die Bezirke möglich sei, die Namen der Grünflächen zu vermarkten, solange diese öffentlich zugänglich blieben. Die Gesetze würden weiterhin für die Parks gelten. Eintrittsgelder könne sie sich auch nicht für alle öffentlichen Grünflächen vorstellen. Die Kosten für einen Zaunbau, die Eingänge und das Personal würden sich nicht bzw. nur auf lange Zeit hin rentieren. Außerdem können mit Eintrittsgeldern nicht die Kosten für die Pflege gedeckt werden. Es würde aber verstärkt darüber nachgedacht, andere Nutzungsmöglichkeiten zu finden, wie das Vermieten an z.B. gastronomische Einrichtungen. Auf dem Schöneberger Südgelände 158 gäbe es zurzeit ein weiteres Modell. Hier wurde eine Art „Parkscheinautomat“ aufgestellt, in den die Besucher 1 € einwerfen sollen. Ob und wie gut dies funktioniert, werde sich herausstellen. Frau Profé ist außerdem der Ansicht, dass man Geld nur für besonders attraktive Parks bezahlen würde. Das Geld für die Anlage bzw. die Pflege dieser Einrichtungen sei aber nicht vorhanden. Es werde nur noch wenige neue öffentliche Grünflächen geben. Man müsse sich viel mehr mit dem Bestand auseinandersetzen und versuchen, diesen zu sichern. Um der Vermüllung und dem Vandalismus entgegenzuwirken, wird im Abgeordnetenhaus darüber diskutiert, Ordnungsämter einzurichten, die die Befugnis haben, Besucher im Park zu kontrollieren und Bußgelder zu verhängen. Dieses dürfe bis jetzt nur die Polizei. Frau Profé wünscht sich von den Landschaftsarchitekten, dass sie sich mehr auf die kostenextensive Pflege konzentrieren sollten. Dies finge schon damit an, dass sich Landschaftsarchitekten an die finanziellen Rahmenbedingungen halten müssten. Grundsätzlich stellte Frau Profé klar, dass sich die Aufgaben der Verwaltung wandeln sollten. Es müssen Leute eingestellt werden, die mit diesen neuen Aufgaben umgehen können. Bei dem Einstellungsstopp in Berlin ist dies aber nicht möglich. Die jetzigen Mitarbeiter müssen sich demnach den neuen Aufgaben stellen. 1.1.3 Auswirkungen auf das Berufsfeld des Landschaftsarchitekten Um zu erfahren, wie die Landschaftsarchitekten mit den finanziellen Schranken und neuen Aufgaben umgehen, wurde Herr Martin Seebauer, Landschaftsarchitekt und Mitglied des Vorstandes des BDLA BerlinBrandenburg, befragt. Herr Seebauer sagte, dass man den finanziellen Gegebenheiten auf zwei Arten begegnen könne: 2 1. Betriebswirtschaftlich: Man versucht, im Büro an verschiedenen Punkten zu sparen. Dazu zählen leider auch die Mitarbeiter. Von den über 50 Mitarbeitern sind heute nur noch 16 Festangestellte in seinem Büro tätig. 2. Planerisch: Man versucht, neue Aufgabenfelder zu erschließen und mehr Planung für weniger Geld zu leisten. Es sei wichtig, auf mehreren Beinen zu stehen. Dazu gehöre auch die regionale Öffnung. Das bedeute, dass man sich auch Projekte in ganz Deutschland oder europaweit suchen solle. Hinzu kämen die neuen Aufgaben. Verstärkt würde von einem Landschaftsarchitekten die Moderations- und Organisationsfunktion gefordert. Ein weiterer wichtiger Punkt wäre die Finanzierung. Man versuche heute, für den Auftraggeber kostengünstig zu planen, und müsse ihn auch darauf hinweisen, woher er evtl. Fördergelder bekäme. Dies sei natürlich ein Widerspruch, da sich das Honorar des Landschaftsarchitekten noch an den Baukosten orientiere, auch wenn schon lange nicht mehr die geforderten Preise gezahlt würden. Zur Akquisition in Bezug auf die Finanzknappheit führte Herr Seebauer weiter aus, dass Wettbewerbe nur noch in sehr geringem Maße von ihm durchgeführt würden, da der Kosten-Nutzen-Faktor sehr schlecht sei. Es wäre besser, Kunden zu behalten oder von ihnen weiterempfohlen zu werden. Wenn Wettbewerbe durchgeführt werden, sollte man sich auf jeden Fall an die Rahmenbedingungen halten. Es sei durchaus miteinander zu vereinbaren, dass auch ein „billiger“ Park für die Nutzer attraktiv wäre. In Bezug auf das Landschaftsarchitekturstudium sagte Herr Seebauer, dass man natürlich nicht von den Studenten erwarten könne, dass sie völlig auf den Beruf vorbereitet sein sollten. Viel wichtiger sei es, dass verstärkt die Moderationsfunktion und das Präsentieren von den eigenen Entwürfen geübt werden müsse. Man sollte aber durchaus nicht die Ökonomie außer Acht lassen. Fazit und Diskussion Aus den gezeigten Interviews mit den Besuchern des Parks Treptow, Frau Profé und Herrn Seebauer sowie im Seminar „Mangel und Überfluß – Freiraumplanung und ihre Mittel“, entstanden verschiedene Diskussionsansätze zwischen den Studenten, die im Folgenden mit einer vorangehenden Fragestellung ausgeführt werden. Was haltet ihr von den Aussagen der Interviewpartner? Frau Profé und Herr Seebauer hatten in den geführten Interviews Probleme angesprochen, die schon länger existieren und im Diskurs stehen. Trotzdem lieferten ihre Aussagen der Veranstaltung interessante Diskussionsanregungen. Sie sind wegen der finanziell und auftragsbedingten schlechten Lage an einem Punkt angekommen, an dem sich etwas ändern muss. Sie bewegen sich in dieselbe Richtung wie die Studienabgänger der Landschaftsarchitektur. Beide Seiten sollten aufeinander zugehen und voneinander profitieren. Der Student kann von den Erfahrungen der „alten Hasen“ lernen und der Landschaftsarchitekt aus der Praxis wiederum neue Innovationen vom Studenten erfahren. Sollten Ordnungsämter in Parks eingerichtet werden? Wenn es Wachpersonal in Parks gäbe, was dürfte man wann, und wo sind die Grenzen von „angemessenen“ Verhaltensweisen gesetzt? Die Besucher verlieren das Bewusstsein in Bezug auf den Park, wenn alles eingezäunt ist und regelmäßig Wachschutz den Park kontrolliert. Ist es nicht ein Berliner Phänomen, dass alles vermüllt ist? Das Bewusstsein der Menschen bzw. das Bewusstsein für seinen Ort muss sich ändern, damit es keine Beschädigungen mehr in öffentlichen Anlagen gibt. Jeder muss selber darauf achten, was er tut. Da helfen Versuche wie im Bezirk Marzahn nichts, wo der Müll solange liegen gelassen werden soll, bis es den Leuten zu viel wird. Das sind reine Trotzreaktionen und hilflose Ausflüchte. Resümee und Evaluation 159 Sollten in der universitären Ausbildung im Fach Landschaftsarchitektur Seminare angeboten werden, die sich mit Rhetorik oder Marketing beschäftigen, damit der Student, wenn er sich beispielsweise nach seinem Studium selbständig machen will, davon auch Ahnung hat? Es gibt nach dem Studium unterschiedliche Wege, die gegangen werden können: Zwischendurch ist man ein X und ein Y. Man wird nicht als Landschaftsarchitekt geboren und stirbt auch als einer. Hierzu fiel der Vorschlag, dass es Seminare geben könnte, die Themen, wie z.B. Marketing, ansprechen. Natürlich sind diese Themen sehr umfangreich, aber gebündelte Informationen, von Referenten vorgetragen, würden einen guten Überblick verschaffen und Beispiele vor Augen führen. Die Initialzündung muss letztendlich vom Studenten selber erfolgen, aber wenn dieser nicht weiß, was alles gebraucht werden kann, ist dieses vorgeschlagene Angebot eine hilfreiche Sache. Es sollte also angedacht werden, eine Veranstaltung im Hauptstudium anzubieten, in der die obengenannten Inhalte von verschiedenen Referenten angesprochen und vorgestellt werden. Diese sollen einem nicht bis ins kleinste Detail alles erklären, sondern eher Denkanstöße und Informationen für die Weiterbildung geben. Wie sollte sich der Student auf die Zukunft vorbereiten? Als Schlußdiskussion wurde festgestellt, dass das Studium doch sehr umfangreich ist. Einerseits werden zwar meistens Experten im Berufsleben gesucht, aber andererseits sollte man Generalist sein, wenn man in die Selbständigkeit gehen möchte. Eine Spezialisierung ist wiederum auch nicht verkehrt, um sich nach der Ausbildung eine Nische zu suchen, dabei sollte man jedoch nie den Gesamtüberblick verlieren. 160 Resümee und Evaluation 161