Mangel und Überfluss - Freiraumplanung und ihre Mittel

Transkrypt

Mangel und Überfluss - Freiraumplanung und ihre Mittel
Mangel und Überfluss - Freiraumplanung und ihre Mittel
2
Teilnehmer
Impressum
Marc Appelles
Ines Dehmel
Steffen Eißer
Sebastian Exner
Thomas Felmeden
Emma Furphy
Peter Gäbelein
Ulrike Gawlik
Mario Gessler
Stefan Göde
Dana Göpffahrt
Annette Jablanowsky
Ulrike Janke
Björn Kalinowski
Kerstin Karweina
Christina Kimmel
Jennifer Kopp
Steffen Kramer
Florian Mänz
Michael Menger
Karin Moser
Martina Oeser
Felicitas Petter
Maria Pfeiffer
Christina Röske
Gerko Schröder
Daniel Stimberg
Laura Vahl
Katarzyna Weiss
Karen Wilhelm
Die vorliegende Broschüre stellt eine Zusammenfassung der Arbeitsergebnisse der Wahlpflichtveranstaltung Freiraumplanung II/III
„Mangel und Überfluss - Freiraumplanung und ihre Mittel“ im Studienjahr 2003 dar.
Ort
Technische Universität Berlin
Fachbereich Landschaftsplanung
Institut für Landschaftsarchitektur
Verfasser
Seminarteilnehmer der Wahlpflichtveranstaltung „Mangel und Überfluss - Freiraumplanung und ihre Mittel“
Seminarleitung
Julia Lösse, Landschaftsarchitektin
Redaktion und Layout
Sebastian Exner
Christina Kimmel
Jennifer Kopp
Daniel Stimberg
Vorwort .............................................................................................................................................................................................................7
julia lösse
Finanzierung von Freiraum gestern. Zum Beispiel Berlin. ..........................................................................................................................11
steffen kramer florian mänz gerko schröder
Freiraumplanung bis 1920 ....................................................................................................................................................................... 12
Freiraumpolitik von 1918 bis 1933 ........................................................................................................................................................... 16
Vom Wiederaufbau 1945 bis zum Mauerbau 1961 ................................................................................................................................. 19
Quellennachweis...................................................................................................................................................................................... 28
Finanzierung von Freiraum heute. Zum Beispiel Berlin. .............................................................................................................................31
stefan göde kerstin karweina michael menger
Einleitung ................................................................................................................................................................................................ 32
Finanzlage Berlin...................................................................................................................................................................................... 32
Finanzierung von Freiräumen durch öffentliche Mittel ............................................................................................................................. 34
Finanzierung durch Public Private Partnership ......................................................................................................................................... 35
Fazit ......................................................................................................................................................................................................... 45
Quellennachweis ..................................................................................................................................................................................... 46
Was kostet der Ort? ......................................................................................................................................................................................49
karin moser christina röske katarzyna weiss
Einleitung ................................................................................................................................................................................................. 50
Theoretischer Teil .................................................................................................................................................................................... 50
Praktischer Teil ......................................................................................................................................................................................... 64
Quellenverzeichnis .................................................................................................................................................................................. 74
EU-Finanzierung von Freiraum. ....................................................................................................................................................................77
steffen eißer peter gäbelein annette jablanowsky
Einleitung ................................................................................................................................................................................................ 78
Regionalpolitik der Europoäischen Union ................................................................................................................................................ 78
Die europäische Gemeinschaftsbildung .................................................................................................................................................. 81
Die transnationale Zusammenarbeit ....................................................................................................................................................... 83
Stadtviertel und benachteiligte Regionen ................................................................................................................................................ 86
Das Bund-Länder-Programm „Soziale Stadt“ ......................................................................................................................................... 91
Quellenverzeichnis .................................................................................................................................................................................. 98
Der Wert der Landschaft. ............................................................................................................................................................................101
björn kalinowski maria pfeiffer laura vahl
Der Wert der Landschaft ....................................................................................................................................................................... 102
Wert durch Image?... ............................................................................................................................................................................ 105
Brandscapes ......................................................................................................................................................................................... 107
Quellenverzeichnis ................................................................................................................................................................................ 112
Geld verdienen! Aufgabenfelder für Landschaftsarchitekten. ..................................................................................................................115
ulrike gawlik dana göpffahrt martina oeser
Einleitung .............................................................................................................................................................................................. 116
Der Stand der Dinge in Europa ............................................................................................................................................................. 116
Deutschland .......................................................................................................................................................................................... 121
Martin Wagner ...................................................................................................................................................................................... 127
Der Wandel der Arbeit .......................................................................................................................................................................... 129
Fazit ....................................................................................................................................................................................................... 133
Quellenverzeichnis ................................................................................................................................................................................ 134
Exkursion Neustrelitz. .................................................................................................................................................................................139
thomas felmeden emma furphy mario gessler felicitas petter
Die Geschichte der Stadt ...................................................................................................................................................................... 140
Die Sanierung der Altstadt ..................................................................................................................................................................... 140
Die Neugestaltung des Marktplatzes ..................................................................................................................................................... 141
Der neue Hafen am Zierker See ........................................................................................................................................................... 143
Die Strelitzer Kleinseenplatte ................................................................................................................................................................. 145
Der Neustrelitzer Schlossgarten ............................................................................................................................................................ 147
Die Kiefernheide - Stadtumbau Ost ....................................................................................................................................................... 148
Quellennachweis ................................................................................................................................................................................... 152
Resümee und Evaluation. ...........................................................................................................................................................................155
marc appelles ines dehmel ulrike janke karen wilhelm
Zusammenfassung und Resümee ........................................................................................................................................................ 156
Fazit und Diskussion ............................................................................................................................................................................. 159
Inhalt
julia lösse
Vorwort
Wissen für die Unabhängigkeit. Ein Vorwort.
Wie weite Bereiche unserer Gesellschaft wird auch die Landschaftsarchitektur
von zwei Gegensätzen in die Zange genommen: Auf der einen Seite werden
die aktuellen Diskussionen von der Angst ums Geld bestimmt, auf der anderen
Seite steht die wachsende Abkehr von materiellen Werten und die Bereitschaft,
neue Wege zu gehen. In großen wie kleinen Strukturen stellen sich Fragen
nach wirtschaftlicher Situation, Lebensunterhalt und Mittelverteilung, nach
Gestaltung in neuen Finanzierungsmodellen und Prioritätensetzung. Die
Freiraumplanung ist auf der Suche nach Möglichkeiten, trotz Mittelknappheit
Qualitäten zu entwickeln. Um dies zu erreichen jedoch bedarf es der Kenntnis
über die Hintergründe der finanziellen Situation.
Eine diffuse Angst vor der materiellen Entbehrung macht sich breit. Zwar ist
Armut in Deutschland bisher kein Massenphänomen, aber es wächst die
Erkenntnis, dass die Grenzen des Wachstums erreicht sind. Was uns bedrohlich
erscheint, ist keine gefühlte Armut, sondern der unübersichtlich abwärts
führende Weg, an dessen Ende die Armut plötzlich Gestalt annehmen könnte.
Das Gefühl, sich materiell einschränken zu müssen – ob begründet oder nicht
-, zieht sich mittlerweile durch fast alle Bevölkerungsgruppen. Als Folge scheint
es erstaunlicherweise jedoch keine Verstärkung der Ellenbogenmentalität zu
geben. Im Gegenteil: Langsam wächst die Erkenntnis, dass eine Beschränkung
auf das Wesentliche eine Chance für das menschliche Wohlbefinden bedeuten
kann. Werte wie Bindung, Authentizität, Gemeinschaftsgefühl und Freundschaft
gewinnen an Bedeutung. In ihrem Artikel `Das Gregor-Prinzip´ (Der Spiegel
45/2002) schreibt Juli Zeh: „Ich rufe Freunde an und deren Freunde, Bekannte
und deren Bekannte und stelle ihnen eine Frage: `Braucht ihr Geld?´ Die
Ähnlichkeit der Antworten ist verblüffend: Nö. Ein bisschen. (...) Nur für die
Unabhängigkeit, Freiheit und Selbstbestimmtheit. Alles Wichtige ist unkäuflich.
(...) Verzicht schafft Freiraum.“
Das wahre Problem der Freiraumplanung und Stadtentwicklung der letzten
8
Jahre war die Verteilung des
Geldes. Die vorhandenen Mittel
wurden in starre Großprojekte
gepumpt, die oft noch dazu
bereits bei Fertigstellung als
Planungsdinosaurier
ihre
Funktion einbüßten, weil sie
die herrschende Konstante der
Unvorhersehbarkeit notorisch
übersehen haben. Auf der
Strecke
blieben
weniger
spektakuläre
Vorhaben,
die über ihre Flexibilität die
Möglichkeit der kontinuierlichen
Entwicklung geboten hätten.
Wie für alle Disziplinen
mit gesellschaftlicher und kultureller Verantwortung wächst auch für die
Landschaftsarchitektur die Notwendigkeit, sich von den tradierten Ansätzen der
Problemlösung unabhängig zu machen, den Streß der rückwärtsgewandten
Sehnsüchte abzulegen und veränderte Rahmenbedingungen als Chance der
Entwicklung und des aktiven Mitgestaltens an einer gerechteren Mittelverteilung
zu begreifen.
Eine diffuse Angst zu lösen, ist nur durch Wissen und Bewußtsein zu erreichen.
Landschaftsarchitekten müssen Fragen stellen. Wo stagniert die Entwicklung,
wo brauchen wir Experimente? Welche Prozesse brauchen den Impuls?
Woher kommen die Finanzierungen für den Freiraum? Welche Bedürfnisse
liegen brach? Wie bringen wir Mittelknappheit und Gestaltung in Einklang?
Und schließlich: Geht es der Landschaftsarchitektur tatsächlich so schlecht?
Immer wieder ist festzustellen, dass die Reaktionen auf materielle Knappheit
auf Unwissenheit, Trotz, Opportunismus und Angst basieren. Angst jedoch
tötet experimentelles Potential, denn sie führt zum Festhalten an der
Routine und zur Stagnation. Türen zu öffnen für die Eigenständigkeit und
den Erfindungsreichtum des einzelnen Freiraumplaners sollte ein Ziel der
Ausbildung sein.
Zaghaft finden Modelle Beachtung, die die
Notwendigkeit des
Loslassens bestehender Konzepte thematisieren. Die Flexibilisierung der
Freiraumfinanzierung und das Etablieren der zeitlichen Dimension, z.B. in Form
von Akzeptanz gegenüber temporären Projekten, werden endlich öffentlich
diskutiert. Die Erkenntnis, dass das Abhandenkommen materieller Sicherheit
auch Freiheit und Entwicklung bedeuten kann, bedarf des Vertrauens in die
Tatsache, dass minimale und prozessorientierte Eingriffe der Freiraumplanung
durchaus Charakter zu zeigen haben, gestalterisch differenziert sein und im
Dialog mit ihrem Kontext spannende, wertvolle Räume bilden können.
Die Mutigen sind gefragt. Mit dem Wissen um die Verhältnisse und der
daraus resultierenden angstfreien Unabhängigkeit sollten sie die Chance zur
Veränderung nutzen.
Vorwort
9
steffen kramer
florian mänz
gerko schröder
Finanzierung von Freiraum gestern. Zum Beispiel Berlin.
1
Freiraumplanung bis 1920
freiraumplanerischen Belangen lag jedoch weiterhin beim preußischen König.
1.1
Freiraumplanung bis 1870
1.3 Planung des Victoriaparks
Städtebauliche und freiraumplanerische Belange wurden in Berlin vor 1870
durch den preußischen Staat koordiniert und geregelt. Dies geschah durch
königliche Erlasse und polizeiliche sowie fiskalische Maßnahmen.
Aufgrund der stark wachsenden Stadtbevölkerung wurden Überlegungen zu
stadtweiten Planungen für Erholungsflächen angestrengt. Peter Joseph Lenné
wurde 1832 mit dem Ausbau des Großen Tiergartens zu einer Erholungsfläche
für die Stadtbevölkerung beauftragt. 1840 war der Ausbau abgeschlossen und
der Tiergarten wurde der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Lenné wurde des Weiteren beauftragt, eine das ganze Stadtgebiet umfassende
Grünflächenplanung durchzuführen. Daraus entstand der
„Plan für die projektierten Grenzzüge von Berlin und nächster Umgebung“
(1840)
- Errichtung eines Denkmals auf kaiserlichen Wunsch (Friedrich Wilhelm
III.) an der höchsten geografischen Stelle Berlins
- Erinnerung an die Befreiungskriege 1813-1815
- Nach Entwürfen von Karl Friedrich Schinkel Erbauung des Denkmals
1818-1821
1.2 Freiraumplanung ab 1870
1870 beschloss die Berliner Stadtverordnetenversammlung die Einrichtung
einer Parkdeputation unter Leitung eines städtischen Gartendirektors.
Aufgabenbereiche waren die technische Leitung des städtischen Gartenwesens,
Planung und Realisierung neuer Parkprojekte sowie die Pflege und der
Unterhalt aller städtischer Grünanlagen und der städtischen Baumschule.
Als erster Berliner Gartendirektor wurde Gustav Meyer ernannt.
Die Ausgaben für das Stadtgrün betrugen 1870 16800 RM. Sie wurden jedoch
bis 1876 durch eine staatliche Bezuschussung auf 550000 RM aufgestockt.
Im selben Jahr bekam Berlin auch das Recht übertragen, Verkehrs- und
Grünflächenplanung für das Stadtgebiet alleinig durchzuführen. Hiervon
ausgenommen waren jedoch die königlichen Besitztümer und das königliche
Jagdrevier. Die letzte Entscheidungsinstanz in stadtplanerischen und
12
Abb.1 Anhebung des Denkmalsockels 1879
- 1827 Anlage eines Akazienhains als Schmuckgrün um das Denkmal
herum
- 1857 baut die Brauerei Tivoli in unmittelbarer Nähe zum Denkmal ihr
Werksgelände
- 1879 Anhebung des Denkmalsockels um 8 m auf Wunsch Kaiser
Wilhelms I.
- Polizeiverordnung zum Schutz des auf dem Kreuzberg errichteten
Nationaldenkmals, um zukünftige Bebauungen in unmittelbarer Nähe
des Denkmals zu verhindern (März 1879)
- 1879-80 erste Planungen für einen Park im englischen Landschaftsstil
- Erfolgreiche Klagen von Bauinteressenten am Oberverwaltungsgericht;
Rücknahme der Polizeiverordnung im Dezember 1882
Abb.2 Zustand 1882
Es bestand Interesse von Seiten
des preußischen Staates an der
Anlage eines Parks in unmittelbarer
Umgebung des Denkmals. Daraufhin
wurden Überlegungen angestrengt,
unter bestimmten Bedingungen das
Gelände mit einer Größe von 5,8 ha
an die Stadt Berlin zu übertragen.
- ein zweckgebundener Zuschuss von 134000 RM wurde in Aussicht
gestellt. Bedingungen: Anlage eines großzügigen Parks mit
Heraushebung des Denkmals, Anlage eines Zufahrtsweges sowie
Enteignung von vier angrenzenden Grundstücken zur Flächenergänzung.
(Sonderenteignungsrecht für die Stadt)
- März 1886 beschloss die Stadtverordnetenversammlung die Anlage
eines Parks, jedoch bestand Unklarheit über die Randbebauung und
somit über die Finanzierung des Parks.
- Im östlichen Bereich sollten 13 Bauparzellen für gehobene Villenbebauung
veräußert werden
- Geplante Baukosten für die Parkanlage sowie Bestückung der
angrenzenden Strassen mit Alleebäumen, exklusive der Sichtachse,
insgesamt 300000 RM, davon 166000 RM als Aufwendungen der Stadt
- Mai 1886 Genehmigung der Bebauung des Villenquartiers sowie des
Erschließungswegs (mit Querung der Sichtachse Großbeerenstrasse)
- Dezember 1887 Gelände geht in den Besitz der Stadt über
- Juni 1888 Genehmigung der Vorlage eines detaillierten Projekts für die
Parkanlage; zwei Jahre Vorsprung für die Baudeputation gegenüber der
Parkdeputation, die für die Parkanlage zuständig war
- Beginn der Baumaßnahmen im August 1888
Abb.3 Realisierungsplan Victoriapark 1888
1.3.1 Anlage des Wassersturzes 1891–1894
- Heftige
Diskussionen
der
Stadtverordneten über Gestaltung der
Sichtachse auf das Denkmal; endgültige
Entscheidung erst 1891
- Erster
Vorschlag
Mächtigs
mit
geometrischen Wasserkaskaden wird
abgelehnt
- Zustimmung findet ein naturnaher,
sich harmonischer in das Gesamtbild
einfügender Wassersturz mit einer Gesamthöhe von 24 m
- Gesamtkosten inkl. Technischer Anlagen 172000 RM
- Immense Kosten für den Unterhalt, 32000 RM jährlich
Finanzierung von Freiraum gestern. Zum Beispiel Berlin.
13
Abb.4 Anlage des Wasserfalls 1891-1894
1.3.2 Ergänzungen bis 1898
- Beleuchtungsanlage für den Wassersturz
(Kosten spielten keine Rolle)
- Marmordenkmäler
der
Sänger
der
Befreiungskriege (Gesamtkosten 37500
RM)
1.4.1 Erste Planungen 1880
- als Standort für Ausstellungsgebäude einer internationalen
Weltausstellung
- ungeklärte Besitzverhältnisse des Aufmarschgeländes wurden hierbei
übergangen
- vom Kaiser genehmigter Bebauungsplan sah die Bebauung des kleinen
Exerzierplatzes vor
Der Plan fand keine Realisierung, da die Weltausstellung nicht stattfand und
für zukünftige kleinere Ausstellungen ein anderer Standort gefunden wurde.
1.4.2 Planungen von Hermann Mächtig 1891
14
Abb.5 Erweiterungsplan von H. Mächtig
1891
Städtebaulicher Wert der Erweiterung
- Vollendung und Ausbau des
Victoriaparks
- Potentieller Baugrund für eine
neue Garnisonskirche
- Nationale
Beweggründe;
Heraushebung des Denkmals
auch in westlicher Richtung
- Behebung der wüsten Umgebung
in Nachbarschaft zum Denkmal
1.4 Planung für eine Erweiterung des Victoriaparks
- trostloser Zustand des Aufmarschgeländes sollte behoben werden
- Erosion bei Regenfällen: Versandung der Wasserbecken
Victoriapark
- einer Beeinträchtigung der unmittelbaren Umgebung durch aufgewirbelte
Sande und Stäube sollte durch Rasenansaat entgegengewirkt werden
- Planung einer einfach zu pflegenden, hauptsächlich aus Baumpflanzungen
bestehenden Anlage
- Militärische Auflagen waren zu berücksichtigen
im
Das Konzept wurde jedoch durch das preußische Kriegsministerium
abgelehnt.
Ungelöste hygienische Zustände führten ab 1900 zum Wiederaufleben
des Bürgerverbands „Grundbesitzerverein Südwest und Süd“ und zur
Wiederaufnahme der Verhandlungen zwischen Kriegsministerium und der
Stadt Berlin
Es folgte eine erneute Ablehnung durch das Kriegsministerium Ende 1900 für
die Erweiterungspläne, jedoch wurde einer Raseneinsaat zur Befestigung des
Geländes stattgegeben. 1906 wurde eine Petition mehrerer Bürgerverbände
den Stadtverordneten vorgelegt, mit dem Ziel einer Wohnumfeldsverbesserung
durch Parkerweiterung. Auch dies geschah als Reaktion auf den extrem hohen
Nutzerdruck der bisherigen Parkanlage.
Durch Anwachsen der Truppengröße des preußischen Militärs verlagerte
sich das militärische Interesse hin zu anderen Aufmarschflächen, z.B. dem
Tempelhofer Feld. Das Aufmarschgelände verlor somit langfristig seine
ursprüngliche Funktion und sollte als Bauland veräußert werden. Daraufhin
entbrannte ein neuer Interessenkonflikt zwischen Stadt und Militär während
der Verhandlungen bis 1909
1.4.3 Planungen von Hermann Jansen 1910
- Geplanter Grüngürtel vom Victoriapark bis zur Ringbahn nach
Tempelhof
- Teil eines Bebauungsplans für den westlichen Bereich des Tempelhofer
Felds im Rahmen des städtebaulichen Wettbewerbs für ein Groß-Berlin
Abb.6 Grüngürtelmodell von Jansen 1910
Kaufpreis für 8,2 ha sollten in etwa 8 Mio.
RM sein. Die Städtische Wertschätzung des
Geländes belief sich auf 6 Mio. RM.
Der städtische Nutzungsplan sah eine
gehobene, luxuriöse Randbebauung vor. Der
Verkauf der Grundstücke sollte ca. 2,8 Mio.
RM einbringen, dadurch verringerte sich der
städtische Kaufanteil auf ca. 3,2 Mio. RM.
- Im April 1910 Ankauf des Geländes
durch die Stadt für 6,3 Mio. RM.
- Geplante
Refinanzierung
durch
Baulandverkauf 4,54 Mio. RM
- Geschätzte städtische Kosten 1,76 Mio.
RM
- Entwürfe 1910–1913 verdeutlichen die Unentschlossenheit der Behörden
bezüglich der zukünftigen Bebauung
1.4.4 Planungen von Gartendirektor Brodersen 1910-1913
-
Anlage neuer Stein- und Treppenpartien in westlicher Ausrichtung
Anlage von Spiel- und Sportflächen
Randbebauung des westlichen Anschlusses in gehobenem Stil
Verzicht auf eine in Nord-Süd-Ausrichtung querende Strasse
Abb.7 Realisierungsplan von Brodersen
1911
Die Zustimmung durch Magistrat
für Brodersens Erweiterungspläne
erfolgte im März 1912; die endgültige
Zustimmung
nach
geringfügiger
Überarbeitung im März 1913.
- Kostenschätzung in der genehmigten Vorlage März 1913: 303000 RM
- 200000 RM für gärtnerische Arbeiten und
- 103000 RM für technische Anlagen und die Erstellung von Mauerwerk
Die Ausführungsarbeiten begannen bereits im September 1912, der endgültige
Beschluss der Stadtverordnetenversammlung erfolgte im Mai 1913, die
Baugenehmigung im Juni 1913. Die Bebauung wurde wegen finanzieller
Schwierigkeiten nach Ausbruch des Kriegs 1914 nie realisiert. Die Fläche wird
in die Spielflächen integriert.
Finanzierung von Freiraum gestern. Zum Beispiel Berlin.
15
2
Freiraumpolitik von 1918 bis 1933
2.1 Gründe für Entwicklungen
Der verlorene erste Weltkrieg sowie die revolutionären Ereignisse des Jahres
1918 beendeten die Monarchie und führten 1919 zur Entstehung der Weimarer
Republik. Damit war auch die Zeit der obrigkeitlichen und rein baupolizeilichen
Reglementierungen des städtischen Baugeschehens vorbei.
2.2 1920 Gründung der Stadtgemeinde Groß-Berlin mit 3,8 Mio.
Einwohnern
Im Sinne einer Dezentralisierung der Verwaltungen wurden in den 20 Bezirken
Bezirksgartenämter mit weitreichenden Kompetenzen eingerichtet, die in den
jeweiligen Bezirken Neuanlagen entwarfen und für die Pflege und Unterhaltung
der bestehenden Anlagen zuständig waren. Als oberste Instanz hatte der
Stadtgartendirektor, bis 1925 Albert Brodersen, als Leiter der Abteilung
„Parkanlagen und Bestattungswesen“ die Entwürfe, Haushaltspläne und
Kostenvoranschläge zu prüfen.
Für die rapide wachsende Bedeutung von Grünflächen in den 20er Jahren,
die zum Bau von diversen Volksparks, Plätzen und der Umsetzung neuer
städtebaulicher Modelle führte, gab es mehrere Gründe:
entscheidend für einen gesellschaftlichen Umbruch. Die Arbeitslosigkeit stieg
immer weiter an, 1923 war mehr als die Hälfte aller Industriearbeiter arbeitslos.
Durch die Industrialisierung, immense Verdichtung und Ausweitung der Städte
entwickelte sich im Laufe des 19. Jahrhunderts bei einer breiten Schicht der
städtischen Bevölkerung ein neues Bedürfnis nach Erholung, nach frischer
Luft und Grün, nach Spiel und Sport im Freien. Vorhandene öffentliche
Grünflächen waren von den Arbeitervierteln kaum zu erreichen, so dass es für
die Kommunen aber auch die Gartengestalter darum ging, den neuen sozialen
Bedürfnissen Rechnung zu tragen. Es mussten neue Formen und Inhalte für
Parks entwickelt werden.
Abb.8, Plakat aus der Zeit von Käthe
Kollwitz
In dieser Zeit gründeten sich auch die
gemeinnützigen Wohnungsunternehmen
wie die GSW oder GEWOBAG, die
durch den Bau von für die damalige
Zeit vorbildlichen Großsiedlungen wie
die Siemensstadt 1930 oder Britz 1925
für neue städtebauliche Impulse mit
wohnungsnahem Grün sorgten.
Martin Wagner (1869-1957)
Wichtige Impulse der städtischen Freiraumpolitik gingen von der englischen und
amerikanischen „Parkpolitik“ aus. Projekte wie der Central Park von Frederick
Law Holmsted als riesiger innerstädtischer Park in New York, der schon 1852
entstand, waren für die Entwicklung in Deutschland richtungsweisend.
Die miserable finanzielle, wohn- und freiräumliche und hygienische Situation
der Arbeiterschicht und somit des größten Teils der Bevölkerung, waren jedoch
16
Eine der bedeutendsten Persönlichkeiten
für den Bereich des Stadtgrüns war
Martin Wagner. Er arbeitete zuerst im
Zweckverband Groß-Berlin und war
von 1926-1933 Stadtbaurat von Berlin.
Bahnbrechend war seine Dissertation
mit dem Titel „Das sanitäre Grün der
Abb.9, Martin Wagner
Städte, ein Beitrag zur Freiflächentheorie“ wobei er
unter sanitärem Grün alle Grünflächen und Anlagen, die
für die „Gesundheit der Menschen fördernden Einfluss
haben“, verstand. (MILCHERT, 1980, S.703) Öffentliche
Grünflächen sollten sich weniger durch einen Zierwert,
sondern eher durch einen Nutzwert auszeichnen, was
vor allem der Idee der Volksparke zugrunde lag. Mit
dieser Arbeit entwickelte Wagner erstmals Richtwerte
für Größe, Entfernung und Verteilung von Grünanlagen
in Großstädten. Damit war eine wissenschaftlichtheoretische Grundlage für eine städtische Freiflächenpolitik geschaffen, die
teilweise auch heute noch von Bedeutung ist. Sie war die Grundlage für die in
dieser Zeit entstehende Grünflächenplanung, die ab sofort großen Einfluss auf
die Freiflächenordnung in Berlin hatte. Die Ergebnisse der Dissertation waren
auch die Berechnungsgrundlage für den von Wagner und Koeppen 1929
aufgestellten Generalfreiflächenplan, der als Streusystem Grünflächen wie
Spiel- und Sportplätze, Parkanlagen und Grünverbindungen über die ganze
Stadt verteilt, wo nötig, vorsah.
Grundsätzlich war Wagner immer als Organisator und Koordinator zwischen
einzelnen Fachplanern tätig, besonders mit Lebrecht Migge und Erwin
Barth - auf den später noch näher eingegangen wird - arbeitete er intensiv
zusammen. Selber war er als Planer weniger tätig. Auf jeden Fall war er einer
der theoretischen Wegbereiter der „sozial“-orientierten Freiflächenplanungen
und Urheber weitreichender Veränderungen in der städtischen
Grünordnungsplanung. Er wurde 1933 von den Nationalsozialisten entlassen
und emigrierte daraufhin in die USA.
2.3 Auswirkungen der Freiraumpolitik
Neue Maßstäbe für die Freiflächenpolitik in der Weimarer Republik setzte auch
das „Gesetz zur Erhaltung des Baumbestandes und Freigabe von Uferwegen
im Interesse der Volksgesundheit“ von 1922, mit dem auch Parkanlagen
rechtlich geschützt werden konnten.
Die Besonderheit der 20er Jahre war nun, dass es trotz leerer öffentlicher
Kassen zu einem regelrechten Boom beim Bau von Grünanlagen kam.
Dies lag vor allem am Notprogramm, das nach Auflösung des Militärs zur
Beschäftigung der vielen Arbeitslosen und Flüchtlinge angesichts der sich
abzeichnenden Weltwirtschaftskrise vom damaligen Oberbürgermeister Gustav
Böß eingerichtet wurde, um mögliche politische Unruhen zu verhindern.
Abb.10, Erdarbeiten
Rehberge
im
Volkspark
„Das System war einfach, jedem
Arbeitslosen einen Spaten in die Hand,
wenig Material, viel Lohnarbeit und
die Leute waren von dem drückenden
Gefühl der Arbeitslosigkeit befreit!“
45 Millionen Reichsmark, die von der Stadt, dem Reich und dem preußischen
Staat bereitgestellt wurden, sollten zum Bau von 43 großen Projekten von
Spiel- und Tummelplätzen bis zur Parkanlage verwendet werden. Bis 1924
wurden die zwölf größten fertiggestellt. Darunter die Volksparke Jungfernheide,
Wuhlheide und der Lietzenseepark.
1924 wurden weitere 35 Mio. Reichsmark zur Fortsetzung des Programms
bereitgestellt, wobei zeitweise bis zu 8000 Arbeitslose für den Bau von
Parkanlagen beschäftigt wurden.
Großen Anteil am Volksparkboom in der Weimarer Republik hatte die im
Dezember 1921 ebenfalls von Gustav Böß gegründete Stiftung „Park, Spiel
und Sport“. Die Gelder für diese Stiftung kamen aus Industrie-, Handel- und
Finanzierung von Freiraum gestern. Zum Beispiel Berlin.
17
Finanzkreisen sowie von Gewerkschaften und Privatpersonen. Mit den Spenden
und den Erlösen aus kulturellen Veranstaltungen und Sportereignissen wurde
die Finanzierung vieler Volksparke gesichert, da die Notstandsprogramme
aufgrund der Inflation eingestellt werden sollten. Die Stadt Berlin hatte lediglich
den Grund und Boden zu Verfügung zu stellen.
1921 gab es ungefähr 1339 ha Grünanlagen. 1945 waren schon 2250 ha als
Grünfläche verzeichnet. Der Grünflächenzuwachs kam aber nur den äußeren
Stadtgebieten zugute. Die dichtbesiedelte Innenstadt blieb benachteiligt.
Bei der Planung und Umsetzung der oben genannten Entwicklungen war
vor allem der Gartenarchitekt Erwin Barth in Berlin von großer Bedeutung.
Anhand einiger Projekte und seines Werdegangs lassen sich einerseits die
geschichtlichen Entwicklungen gut ablesen, andererseits die Umsetzung der
Theorien, zum Beispiel Wagners, zeigen.
Erwin Barth (1880 – 1933)
Abb.11, Erwin Barth
Geboren in Lübeck 1880
Gärtnerische Lehre und Studium 18971902
Tätigkeit in Hannover, Bremen, Düsseldorf,
Köln und Lübeck...
Von 1912–1925 Bezirksgartendirektor von
Charlottenburg
Realisierung einer Vielzahl von Plätzen
in Charlottenburg, wie zum Beispiel dem
Wittenbergplatz oder dem Sachsenplatz.
Grundlage der Gestaltung war die Umsetzung
18
der Forderung, öffentliche Plätze nicht mehr als reines „Schmuckgrün“ zu
sehen, sondern spezielle Nutzungsmöglichkeiten wie zum Beispiel Spielplätze
anzubieten, sozusagen sanitäres Grün zu bauen.
Erwin Barth sagte zur Gestaltung von Volksparken:
„Die Gute Gartenkunst kann sich besonders bei der Anlage von Volksparken
nicht an irgendeinen Kunststil klammern, sie muss sich in erster Linie den
praktischen Erfordernissen anpassen.“ (STÜRMER, 1980, S.7)
1920 Entwurf für den Volkspark Jungfernheide.
Die ursprünglich von Bezirk Charlottenburg veranschlagten 10 Mio. RM
konnten wegen des Sperrgesetzes nicht komplett verbaut werden, so dass
nur durch weitere Finanzierung durch die Stiftung Park, Spiel und Sport eine
Fertigstellung möglich war. Mit einer Fläche von 160 ha hatte der Park für
damalige Verhältnisse große Ausmaße.
Zum Erholungsgrün des Parks gehören
ausgedehnte Spiel- und Liegewiesen, Sportund Wasseranlagen mit Schwimmbad und
Planschbecken sowie ein Bootsverleih.
Abb.12+ Abb.13 Volkspark Jungfernheide
1926 folgte Erwin Barth in das Amt des Stadtgartendirektors.
Er wurde somit der vierte Gartendirektor nach Meyer, Mächtig und Brodersen.
Abb.14 + Abb.15 Volkspark Rehberge
1926 Entwurf für den Volkspark Rehberge.
Das 118 ha große Gelände liegt im Bezirk
Wedding. In einem strengen Winter 1919 wurde
nahezu der gesamte Baumbestand abgeholzt.
1922 kam der Gedanke, das Gelände zu einem
Volkspark zu entwickeln, und Brodersen erstellte
die ersten Vorentwürfe.
Erst 1925 kam dann aufgrund des immer weiter
steigenden Drucks der hohen Arbeitslosigkeit
ein Kaufvertrag für das Gelände zustande, da
der Park mit Mitteln der Notstandsprogramme,
mit denen die Arbeitslosigkeit bekämpft wurde,
entstehen sollte. 1926 wurde mit den Erdarbeiten
begonnen. Teilweise arbeiteten über 1000
Erwerbslose gleichzeitig im Park. Die Baukosten
beliefen sich auf ca. 2,7 Mio. RM.
Ein besonderer Bestandteil des Parks ist
neben der für einen Volkspark typischen
Nutzungsmöglichkeiten ein nordöstlich gelegenes
Kleingartengebiet, dass als erste Dauerkolonie
Deutschlands ausgewiesen wurde.
Die Parzellengröße der 460 Gärten lag zwischen
250 und 300 m2. Die Stadt legte lediglich die
Wege an, pflanzte Hecken und Obstbäume und
verlegte eine Wasserleitung. Die Lauben wurden
dann von den Kleingärtnern selber errichtet. Sie
konnten zwischen drei Laubentypen wählen, die zwischen 800 und 1000 RM
kosteten. Der Pachtzins Betrug lediglich 2,6 RPf pro Jahr, also ca. 8 RM. Da
die Anlage aber als Prestige-Projekt dienen sollte, wurden die Pächter durch
ein Auswahlverfahren ermittelt.
Am 1. Oktober 1929 folgte Barth dem Ruf der Technischen Hochschule Berlin
und konnte als erster Ordinarius seines Faches in Deutschland den Lehrstuhl
für Gartenkunst besetzen.
2.4 Entwicklungen nach 1933
Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933, unter anderem als
Folge der katastrophalen wirtschaftlichen Lage, wurden viele Amtsinhaber wie
z.B Wagner abgesetzt. Der Schwerpunkt lag auf einer Reichshauptstadtplanung
und später auf der Errichtung von Hochbunkern in den Parks. Detailliert soll
aber hier nicht auf die genauen Ereignisse eingegangen werden.
3 Vom Wiederaufbau 1945 bis zum Mauerbau 1961
3.1 Einleitung
Als 1945 in Berlin der Krieg beendet wurde, bot sich dem Betrachter ein
Trümmerfeld vor Augen. Die Zerstörung der Stadt und engeren Landschaft war
ohnegleichen. Die Straßen glichen einer Ruinenlandschaft. 80 Mio. Kubikmeter
Schutt mussten von den 2,8 Mio. übriggebliebenen Einwohnern (4,4 Mio. vor
Kriegsbeginn) beseitigt werden. Etwa ein Drittel des Gesamtbestandes an
Wohnungen war völlig zerstört, Hunderttausende erheblich beschädigt. Was
von den Parks und Wäldern nicht schon durch Bunker und Schützengräben,
Barrikaden und Kampfhandlungen vernichtet war, fiel anschließend fast völlig
der Axt zum Opfer. Brennstofflieferungen in Form von Holz und Gemüseanbau
zur Linderung der Hungersnot waren nunmehr wesentliche Funktionen des
Finanzierung von Freiraum gestern. Zum Beispiel Berlin.
19
öffentlichen Berliner Grüns geworden (R. Stürmer, S. 566). Allein in Westberlin
fielen 110000 Straßenbäume den frierenden Menschen zum Opfer, die
restlichen waren meist in einem durch die Kampfhandlungen gezeichneten,
desolaten Zustand. 2000 ha Waldflächen wurden gänzlich kahlgeschlagen,
weitere 1300 ha stark zerstört. Von den einst über 2200 ha öffentlichen
Grünflächen blieben nur Reste übrig (ca. 80% zerstört). Ungeheure Sorgen
um die tägliche Nahrung, ein Dach über dem Kopf und die Befriedigung der
elementaren Lebensbedürfnisse standen zunächst im Vordergrund allen
Denkens und Handelns (N. Schindler (1), S.288).
Abb.16, Bild der Zerstörung
3.2 Die Berliner Grünplanung
Doch schon 1946 wurden die
ersten Pläne für eine neue,
zukunftsweisende
Umwelt
vorgestellt. Man wollte die
Chance für einen Neuanfang
nutzen und die Fehler der
Vergangenheit nicht noch einmal
wiederholen. Grundsätze für
fast alle Planungen dieser Zeit
waren die Leitsätze der Charta
von Athen: Sonne, Licht und Luft
durch Auflockerung der Bebauung und die Trennung der Funktionen (nach: N.
Schindler (1), S. 290).
20
3.2.1 Der Sharounplan
Einer der wichtigsten, einflussreichsten Vorschläge dieser Zeit war der Grünplan
des Kollektivs Sharoun - um den damaligen Baustadtrat Hans Sharoun - 1946. Er
ging davon aus, dass durch die vorausgegangene Zerstörung der Stadtstruktur
die Möglichkeit entstanden ist, eine Stadtlandschaft entstehen zu lassen, in der
Architektur und Landschaft zusammen wirken und sie in überschaubare Teile
gliedern. Die Gliederung selbst sollte durch ein Straßenraster (Schnellstraßen
bis Sackgassen) erfolgen. Konkret sollte eine Bandstadt entlang des Urstromtals
der Spree mit einem Verkehrsraster im Rechtecksystem und einem Mittelband
mit zentralen Funktionen entstehen. Geflochtene Wohn- und Erholungsgebiete
sollten in organischem Zusammenhang stehen. Die Wohngebiete sollten
in Großzellen für 65-80000 Bewohner angelegt werden: Hauptsächlich
Einfamilienwohnhäuser für Familien und Geschosswohnungsbau für kinderlose
Ehepaare, Ledige und Alte.
„Die Spannung zwischen Natur und Bauwerk schafft das beglückende Erlebnis
der Stadt“ (R. Lingner, Zit. nach N. Schindler S.290).
Ausgeführt wurde jedoch keine der 1945-46 entstandenen Planungen. „Zu
unwirtschaftlich, Schematismus und zu wenig Rücksicht auf die Gegebenheiten
nehmend“ (K. Bonatz, Zit. nach Bez. Wedding S. 67) waren einige der
Gegenargumente. Und dennoch ist in dieser Planung sehr viel Beispielhaftes
enthalten.
Abb.17, Sharounplan
3.2.2 Der Neue Plan für Berlin
1947 entstand dann als eine Art Synthese
aus allen vorausgegangenen Planungen
der „Neue Plan für Berlin“ von Karl
Bonatz, der gleichzeitig Nachfolger von
Hans Sharoun als Baustadtrat wurde.
Die Leitidee war, „dass wir es nicht mit
der Neuanlage einer Stadt, sondern
nur mit der sehr begrenzten Umbildung einer teilweise zerstörten, historisch
gewachsenen Stadt zu tun haben“ (K. Bonatz, Zit. nach N. Schindler (1) S.
290-91). Er übernimmt somit das gewachsene Sternsystem und im Bereich
der Freiflächen die keil- oder ringförmigen Grünflächenanlagen, die wieder
herausgearbeitet werden sollen. Ausgehend von einem verkürzt verstandenen
Begriff „Stadtlandschaft“ plant Bonatz neue Grünflächen im Inneren der Stadt,
die dazu dienen sollen, „die endlose Steinwüste (...) aufzureißen und neu zu
gliedern“. Dabei spielt die Begrünung der Blockinnenbereiche eine wichtige
Rolle: „... in den entkernten Baublöcken alten Stils werden große, begrünte
Innenhöfe anzulegen sein, die in Verbindung mit allen anderen Grünanlagen
eine wesentliche Verbesserung des Stadtbildes bringen sollen“ (K. Bonatz, Zit.
nach N. Schindler (1) S. 292). Geprägt ist diese Planung von dem Wunsch nach
einer völligen Neuordnung Berlins. Diese Möglichkeit entfiel aber aufgrund der
raschen Wiederinstandsetzung von beschädigter Bausubstanz.
„Ein ideales Stadtgefüge werden wir also bei bestehenden Städten nie
erzielen können und keinesfalls wird es uns gelingen, die architektonischen
Scheußlichkeiten des Aufbaus aus dem Ende des vergangenen Jahrhunderts
nun rasch und vollständig zu beseitigen. Leider ist hier vom rein ästhetischen
Standpunkt gesehen noch allzu viel übriggeblieben. Der Zwang, einstweilen
nur instand zu setzen, trägt weiter dazu bei, die Hässlichkeit zu verewigen...“
(K. Bonatz, Zit. nach H. Bodenschatz, S. 147).
3.2.3 Das Notstandsprogramm
Bis zum Zeitpunkt der Spaltung der Stadt im November 1948 war das 1945
eingerichtete Hauptamt der Grünplanung, später Hauptamt für Grünplanung
und Gartenbau, für die Belange der zentralen Grünverwaltung zuständig.
Unter der Leitung von Reinhold Lingner (1902-1968) konzentrierte sich die
Tätigkeit des Amtes auf die Beseitigung der unmittelbaren Kriegsschäden.
Da das Gartenbauamt zu Kriegszeiten dem Tiefbauamt unterstellt war, war
dessen Einfluss jedoch mehr als gering (nach J. Milchert, S. 713). Praktische
Aufgabe waren u.a. die Planungen zum Verbleib der durch die Kriegszerstörung
angefallenen Schuttmassen. Entsprechende Trümmerberge wurden neben
dem Teufelsberg (117 m) unter anderem im Humboldthain, im Friedrichshain
im Volkspark Prenzlauer Berg, sowie in der Hasenheide geplant. Nach 1948
übernahm in Berlin-West Fritz Witte (1906-1972), der bereits in den 20ern
Mitarbeiter von Erwin Barth gewesen war, die Leitung der neu geschaffenen
Hauptverwaltung für das öffentliche Grün bis zu seiner Pensionierung im Jahre
1965. Schwerpunkte seiner Arbeit waren unter anderem ein umfangreiches
„Grünes Notstandsprogramm“, in dessen Rahmen beispielsweise der große
Tiergarten und der Humboldthain wieder instand gesetzt wurden (nach N.
Schindler, S. 569). Durchgeführt werden konnte dies nur mit geförderter
Wiederaufbauhilfe, speziell aus den USA und einem enormen personellen
Einsatz. Wegen des politischen Restrisikos kam privates westdeutsches
Kapital hierfür nicht in Frage. Ab 1950 wurde der Wiederaufbau der Stadt mit
Mitteln der „Marshallplanhilfe“ (insgesamt fast 1 Mrd. DM bis Ende 1960, ERP
(European Recovery Program – Europäisches Wiederaufbauprogramm) und
die Stadt Berlin, 1961), welche die Einbindung West-Berlins in den von den USA
dominierten „freien Westen“ auch ökonomisch absicherte, später mit Mitteln
der Bundesrepublik unterstützt (H. Bodenschatz, S. 151). (Der Stundenlohn
eines Zimmermanns betrug 1953 ca. 1,50 DM – Anm. des Verf.) Hierfür wurden
u.a. Notstandsarbeiten für Arbeitslose eingeführt. „Bis Ende 1955 wurden in
Westberlin auf 1200 gärtnerischen
Baustellen rund 7 Mio. Tageswerke
im Notstandsprogramm mit einem
Gesamtaufwand von rund 92 Mio. DM
geleistet“ (Siebert, 1958, Zit. nach J.
Milchert, S. 714). Ein umfangreiches
Uferbegrünungsprogramm
und
die
Erarbeitung
eines
„Hauptgrünflächenplanes“
(1960)
waren weitere wichtige Bestandteile
Abb.18, Hauptflächengrünplan
Finanzierung von Freiraum gestern. Zum Beispiel Berlin.
21
der Planung von Fritz Witte (R. Stürmer, S. 567).
3.2.4 Der Flächennutzungsplan
Dieses Planwerk war Bestandteil eines neuen Instrumentariums für die
Stadtplanung, einschließlich Grünplanung. Der Flächennutzungsplan hatte
zum Ziel, „durch Auflockerung und Begrünung des gesamten Baugebietes
gesunde Lebensbedingungen für die Bewohner zu erreichen. Teilbereiche
erfuhren besondere Aufmerksamkeit, wie 1958 der Gesamtverkehrsplan (nach
Bez. Wedding, S. 69). Der Flächennutzungsplan wurde jedoch erst 1970 vom
Abgeordnetenhaus bestätigt. Dieser Plan sichert die großen Freiflächen der
West-Berliner Wälder, öffnet die Ufer der Seen, Flüsse und Kanäle weitgehend
der Begrünung, bestätigt die vorhandenen Parks, Grünzüge und Plätze,
Sportgebiete, Friedhöfe sowie einen wesentlichen Teil der Kleingärten. Er
weist viele neue Grünbereiche aus, Verbindungsglieder, Inseln und ganze
Teilabschnitte des Grünnetzes. Die Planung geht davon aus, die Verdichtung
im Innern abzubauen und dafür in den Außengebieten höhere Dichten
zuzulassen als bisher. Zu nennen sind hier besonders die Großsiedlungen,
welche neben der Realisierung von bezirksbedeutenden Grünanlagen und
der Neugestaltung von Stadtplätzen einer der Schwerpunkte der Berliner
Grünflächenpolitik waren (nach N. Schindler (1), S.294-298). Bekanntestes
Beispiel für einen großflächigen Wiederaufbau ist das südliche Hansaviertel.
Dieses Demonstrationsbauvorhaben des sozialen Wohnungsbaus der Stadt
Berlin, Schwerpunkt der Internationalen Bauausstellung 1957 (Interbau) und
späteres Konkurrenzunternehmen zum Bau der Stalinallee in Ostberlin, markiert
hinsichtlich der Gebietsfläche und Wohnungszahl einen neuen Größenmaßstab
des innerstädtischen Siedlungsbaus (103 ha Nettowohnbauland und 1300
Wohnungen) (H. Bodenschatz). Mit dem Mauerbau 1961 verschlechterte sich
in West-Berlin die Versorgung mit Erholungseinrichtungen. In der Stadt selbst
gingen zahlreiche Erholungsflächen durch Nutzungsansprüche von Verkehr,
Wohnen und Industrie verloren. Landwirtschaftsflächen am Stadtrand und
Kleingärten fielen dem knapp gewordenen Bauland zum Opfer (Bez. Wedding,
S. 69).
22
3.2.5 Grünplanung in Berlin - Ost
Im Gegensatz zu der notwendig gewordenen Neugründung einer „grünen
Zentralverwaltung“ für Westberlin konnte das „Hauptamt Grün“ seine
Tätigkeit für die acht östlichen Stadtbezirke nahtlos fortsetzten. Leiter des
Amtes blieb Reinhold Lingner, der die Behörde bis 1951 leitete. In den
50er Jahren lagen die Arbeitsschwerpunkte des öffentlichen Grüns, analog
zur Grünverwaltung im Westteil der Stadt, unter anderem in der weiteren
Wiederherstellung kriegszerstörter Anlagen sowie im Bau von Parkanlagen mit
bezirklicher Bedeutung. Wesentliche Neuanlagen bzw. Erweiterungsbauten
waren die Volksparks Prenzlauer Berg und Am Weinbergsweg, sowie die
Wiederherstellung des Friedrichhains unter Einbeziehung der dort angelegten
Trümmerberge sowie die Anlagen im Tierpark Friedrichsfelde (R. Stürmer, S.
567).
3.3
Das Neue Hansaviertel
Das neue Hansaviertel ist das berühmteste Beispiel für das neue West-Berlin
der 50er Jahre, das auf dem Boden der Stadt des 19. Jahrhunderts errichtet
worden ist. Es galt als Alternative zur verhassten Mietskasernenstadt und als
„freiheitliches“ Pendant zur Stalinallee Ost-Berlins.
Abb.19, Das alte Hansaviertel um 1930
Als die Stadt Berlin 1953 einen
Ideenwettbewerb für die Bebauung
des neuen Hansaviertels ausschreibt,
wird als städtebauliches Programm
der radikale Bruch mit der Stadtstruktur
des 19. Jahrhunderts gefordert. Ende
1953 entscheidet sich das Preisgericht
für den Wettbewerbsbeitrag von Willi
Kreuer/Gerhard Jobst, der als eine
Abb.20,Entwurf Kreuer/Jobstbesonders
Abb.21,
Alte Bausubstanz im Hansaviertel
hervorragende Leistung sowohl in den
großen Beziehungen wie in den Einzelheiten
und als eine durchaus neuartige große
Komposition gelobt wird.
Um die Radikalität dieses Vorschlages
richtig einschätzen zu können, muss man
sich klarmachen, dass das alte Hansaviertel
nicht (wie oft berichtet) völlig zerstört war
und das Neubaugebiet erst recht keiner
völlig neuen Erschließung bedurfte. Im
Teil südlich der S-Bahn, auf den sich die
Planung mehr und mehr begrenzt, sind noch
20 Gebäude (von 160) mit 283 Wohnungen
(741 Personen) und 22 Gewerbebetrieben
erhalten.
Bei den zerstörten Gebäuden sind die
Kellerfundamente noch vorhanden. Wenig
zerstört sind die Straßen und vor allem
die Leitungssysteme unter den Straßen.
Das private kleinteilige Grundeigentum
ist noch weitgehend unangetastet. Von
164 Grundstücken befinden sich 146 in
Privatbesitz. All diese Merkmale, die einer
neuen Bebauung à la Kreuer im Wege stehen
und bei der Umsetzung immense Kosten
verursachen, spielen bei der Ausschreibung
und Entscheidung des Wettbewerbs eine
untergeordnete Rolle. Dem Erfolg des
risikobeladenen Prestigeobjekts wird somit
alles untergeordnet. Das „Schaufenster
des Westens“ darf sich nicht blamieren.
Zunächst wird der Entwurf von Kreuer aus
unterschiedlichen Gründen zu Fall gebracht und der favorisierte Städtebau
zugunsten einer Präsentation von Einzelgebäuden mit erhöhter Baudichte
weiter verändert. Trotzdem sollte das Grün des Tiergartens weiterhin die
Bebauung im Stil einer Gartenstadt umfließen. Der Tiergarten sollte durch die
Bebauung in das Gebiet hineingezogen werden. Um die unterschiedlichen
Besitzverhältnisse zu ordnen wird eine Trägergesellschaft, bestehend aus
drei Teilhabern mit einem Stammkapital von 3 Mio. und zwei prominenten
Anwohnern des Hansaviertels mit je 1000 DM gegründet. Mit Hilfe der Hansa
AG werden Grundstücke erworben, enteignet. Bei vier Gebäuden misslingt
jeglicher Versuch der Aneignung. Nach der Bodenneuordnung sollen 20 Großund 60 Kleinparzellen gebildet werden.
Abb.22, Neustrukturierung
Stadterneuerung
heißt
auch immer Umschichtung
der
Sozialstruktur
der
Eigentümer (Rennert, 1957,
nach H. Bodenschatz).
Für die Entfernung der
Kellerfundamente werden
1954 1,4 Mio. DM veranschlagt, für Straßenbaukosten sind 1955-57 3,4 Mio.
DM angefordert, für Leitungsverlegungen werden Kosten in Höhe von 4,9 Mio.
DM geschätzt. Die Risiken, welche bei der Bodenreform entstehen, werden
voll und ganz von der öffentlichen Hand übernommen. Die Vision eines neuen
Berlins kann somit nur noch durch einen ungeheuren Einsatz von öffentlichen
Mitteln realisiert werden. Um die Diskussion über das teure und risikoreiche
Geschäft zu vermeiden, darf die Wertlosigkeit und Rückständigkeit der alten
Bausubstanz nicht in Frage gestellt werden.
Finanzierung von Freiraum gestern. Zum Beispiel Berlin.
23
Abb.23, Aufräumarbeiten 1954
Auch für den Hochbau fallen
höhere Baukosten an als
geplant und weitere Förd
ermittel
werden
vom Bund bereitgestellt. Als
Gesamtwohnungsbaukosten
werden angegeben: 5,5 Mio.
DM für den Grunderwerb, 2,8
Mio. DM für vorbereitende
Maßnahmen, 5,2 Mio. DM
für Abriss und Enttrümmerung, sowie 33,8 Mio. DM für die eigentlichen
Neubauten.
Als die Interbau mit einem Jahr Verzögerung 1957 eröffnet wird, gilt sie schon
als voller Erfolg. Insgesamt werden fast 1 Mio. Besucher gezählt. Der Bau des
neuen Hansaviertels hat gezeigt, wie die Alternative zur Mietskasernenstadt
produziert werden kann: 1.Durch eine Trägergesellschaft, in der die
gemeinnützige Wohnungswirtschaft eine zentrale Rolle spielt. 2.Durch eine
im einzelnen nicht begründete
und
nachgewiesene
Abqualifizierung des alten Bauund
Städtebaubestands.
3.Durch eine Bodenordnung,
die den Typus des alten
Kleineigentums
abschafft.
4.Durch eine Tilgung möglichst
aller historischen Spuren der
alten Stadt, wobei nicht nur
die noch stehenden Gebäude,
Abb.24, Das neue Hansaviertel
24
alle Kellerfundamente und der Stadtgrundriss beseitigt, sondern auch noch
vorhandene Bewohner und Gewerbebetriebe verdrängt werden. 5. Durch einen
verschwenderischen Einsatz öffentlicher Mittel, der das gesamte Vorhaben
nahezu ohne geschäftliches Risiko für die Trägergesellschaft absichert. (nach
H. Bodenschatz, S. 164-170)
3.4 Die Rekonstruktion des großen Tiergartens
In den Kämpfen um Berlin war der Tiergarten auch Objekt militärischer Planungen.
Die Charlottenburger Chaussee diente als Landebahn für Flugzeuge, die
Munition und anderes Kriegsmaterial herein- oder herausbrachten. Außerdem
waren zahlreiche Flugabwehrstellungen und Flaktürme in den Grünflächen der
Berliner Mitte untergebracht worden.
Abb.25, Militärische Objekte im Tiergarten
Dies und die Nähe zum bis zuletzt
umkämpften
Reichstag,
dem
Brandenburger Tor und der Reichskanzlei
sorgte dafür, dass der Tiergarten sehr
stark der Zerstörung ausgesetzt war.
Nach dem Ende des Krieges diente der
Tiergarten dem Holzeinschlag durch die
frierende Bevölkerung und verlor seinen
Baumbestand fast völlig. Von etwa
200000 Bäumen blieben nur etwa 700
stehen. Man konnte nach dem Kahlschlag
vom Reichstag aus bis zum S-Bahnhof
Tiergarten sehen (F. Wendland, S. 30).
Auf dem freien Gelände wurden Kleingärten angelegt, um die kargen Rationen
durch Gemüse und Kartoffeln aufzubessern. Insgesamt wurden ca. 2550
Parzellen vergeben. Ein Teil des Tiergartens wurde vom Senat feldmäßig
bewirtschaftet.
Abb.26, Baumverlust im Tiergarten
Abb.28, Pflanzarbeiten
Die Gewässer waren komplett
vermüllt
bzw.
verschlammt,
sämtliche Brücken zerstört (OrgelKöhne, S.147).
Vier Jahre nach Beendigung des
Krieges begann man 1949 der
Unordnung zu wehren. Dem Leiter
des West-Berliner Hauptamtes
für Grünflächen Fritz Witte war es
gelungen, die Wiederherstellung des
Den
Ausführungsarbeiten
lag ein Entwurf von Wilhelm
Alverdes
zugrunde,
der
dem Tiergarten ein neues
Gesicht als landschaftlich
geprägte
Erholungsanlage
geben sollte und dabei eine
einheitliche
Gestaltung
des gesamten Areals mit
weiten Wiesenräumen und
waldartigen
Gehölzpartien
verfolgte.
Dabei wurde auf viele barocke Elemente und Strukturen, welche Lenné als
wichtig herausarbeitete bewusst verzichtet. 1951 wurde südlich des Schlosses
Bellevue der Englische Garten angelegt, dessen Namen aufgrund der
großzügigen Spenden Englands und nicht aufgrund der Stilform ausgewählt
wurde. All diese Maßnahmen wurden aus einer Solidaritätsaktion der
Bevölkerung zusammen mit westdeutschen Städten, der Landesregierung
Niedersachsens und der Bundesregierung finanziert.
Abb.27, Kleingärten
Tiergartens im Notstandsprogramm
durchzusetzen und damit die
Voraussetzung für einen raschen
Beginn der Arbeiten zu schaffen.
Am 17. März 1949 pflanzte der
Regierende Bürgermeister Ernst
Reuter die erste Linde an der
Hofjägerallee. Bereits im nächsten
Jahr waren 1000 Notstandsarbeiter
im Tiergarten im Einsatz. Zunächst
reinigte man die Gewässer. Dann
räumte man als ersten Teil die Fläche zwischen S-Bahn und Hofjägerallee auf,
und die ersten 250000 Junggehölze wurden gepflanzt.
Viele Bäume wurden nach dem Vorbild der Stadt Bremen von anderen Städten
gestiftet, andere wurden durch Gelder der alliierten Militärregierung finanziert.
Zur selben Zeit wurde nach einer Umfrage der Berliner Bevölkerung auch die
Brachlandaktion der Kleingärtner offiziell beendet (F. Wendland, S. 30).
Abb.29, Entwurf
Wilhelm Alverdes
von
Die hier zusammenwirkenden
Kräfte
schafften in der großen
Notstandsaktion
zur
Wiederinstandsetzung
Westberliner Grünflächen
auch die Voraussetzung
für den heutigen Zustand
Finanzierung von Freiraum gestern. Zum Beispiel Berlin.
25
Abb.30, Gesamtplan des Tiergartens nach der Umgestaltund von P. J. Lenné
1840
des Tiergartens. Insgesamt wurden Kosten von 3,85 Mio. DM für Wiederbepf
lanzungsarbeiten geschätzt, was umgerechnet auf den Gesamtpark 1,50 DM
pro m² ausmacht. Hierin enthalten sind rund 400000 Heister und Junggehölze
und weitere 800000 Gehölze (Orgel-Köhne, S. 150).
26
Finanzierung von Freiraum gestern. Zum Beispiel Berlin.
27
Quellennachweis
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Literatur
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des 19. Jahrhunderts bis zum zweiten Weltkrieg, in: Das Gartenamt, Heft 6,
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MILCHERT, Jürgen, 200 Jahre städtische Grünflächenpolitik. in:
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STÜRMER, Rainer, Die historische Entwicklung des Victoriaparks, in:
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STÜRMER, Rainer, Erwin Barth (1880-1933) – sein Wirken für Berlins
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STÜRMER, Rainer, Vom Humboldthain zum Britzer Garten - 1870 bis 1990
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Gegenwart, 1985
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Abbildung 9 www.lycos.de
Senator für Bau u. Wohnungswesen, 100 Jahre Berliner Grün, Berlin 7/1970
Abbildung 11,12, Senator für Bau u. Wohnungswesen, 100 Jahre Berliner
Grün, Berlin 7/1970
SCHINDLER, Norbert, (1), Die Berliner Grünplanung von 1945 bis 1970, in: Das
Gartenamt, 6/ 1970
SCHINDLER, Norbert, (2), Das Berliner Grün der Nachkriegszeit, in: Das
28
Abbildung 8, 10, 14, 15, 17, 18 BEZIRKSAMT WEDDING –Gartenbauamt, „...wo
eine freye und gesunde luft athmet...“ zur Entstehung der Volksparke in Berlin,
Berlin 1988
Abbildung 19 – 24 BODENSCHATZ, Harald, Platz frei für das neue Berlin!
Geschichte der Stadterneuerung seit 1871, 1987
Abbildung 16, 25, 26 WENDLAND, Folkwin, Der große Tiergarten in Berlin Seine
Geschichte und Entwicklung in fünf Jahrhunderten, 1986
Abbildung 27 – 30 Senator für Stadtentwicklung und Umweltschutz Berlin, Der
Berliner Tiergarten Vergangenheit und Zukunft, Heft 3, 1986
Finanzierung von Freiraum gestern. Zum Beispiel Berlin.
29
stefan göde
kerstin karweina
michael menger
Finanzierung von Freiraum heute. Zum Beispiel Berlin.
1
Einleitung - Entwicklung der Freiraumplanung
Die kommunale Freiraumplanung entstand in Zusammenhang mit den Emanz
ipationsbestrebungen des 19. Jahrhunderts vor etwa 120 Jahren. Den ersten
Innovationsschub gab es in den 20er Jahren. Die Landschaftsarchitektur und die
Landschaftsplanung wurden auf eine sozialpolitische Zielsetzung verpflichtet.
Ihre Objekte waren die Großgruppen der Arbeitsgesellschaft. Massenerholung,
definiert als Regeneration verausgabter Arbeitsgesellschaft, wurde zu
ihrer wichtigsten Aufgabe. Die „Erholungsplanung“ wurde wissenschaftlich
fundiert und methodisch instrumentiert. Das heißt es wurden Richtlinien
und Verordnungen geschaffen, die auf eine gezielte Lösung von Problemen
hinarbeiteten. Außerdem wurde die Stadt das erste Mal in Zusammenhang
mit der Umgebung gesehen, und es wurden für die weitere Stadtentwicklung
verschiedene Modelle entwickelt (Radial-, Ringmodell).
Einen zweiten Innovationsschub gab es in den 70er Jahren. Umweltprobleme
wurden bewusst wahrgenommen und traten somit in den Vordergrund bei der
Landschaftsplanung. Die Natur war der Gegenstand der beruflichen Sorge,
wodurch sich der „Heimat- und Naturschutzflügel“ des Berufes mehr und
mehr entfalten konnte. Die Erholungsplanung verengte sich und wurde zur
Naturerlebnisvorsorge. In den 90er Jahren schien sich die neue Generation der
Landschaftsplaner stärker an Stadt- und kulturellen Aspekten der Berufsaufgabe
zu interessieren. Viele bezeichneten sich wieder als Landschaftsarchitekt
und nicht als -pfleger, -schützer oder –planer. Es hat den Anschein, dass die
kooperative „weiche“ Landschaftsplanung und die Landschaftsarchitektur auf
dem Weg sind, wieder ein widerspruchfreies, komplementäres und komplexes
Zielsystem zu gewinnen. Auch in der Gesellschaft vollzog sich ein Wandel.
Die Landschaft spielte zwar immer noch eine Rolle, jedoch sollte sie eher der
Erholung gelten, als dass der schützenswerte Aspekt in den Vordergrund tritt.
Da sich aber auch der gesellschaftliche Reichtum immer ungleichmäßiger
verteilte, war und ist es nicht für alle Teile der Bevölkerung möglich,
kommerzielle Freizeitangebote zu nutzen. Der „Slumbildung“ und sozialen
32
Deklassierung versucht die Landschaftsplanung und Landschaftsarchitektur
bisher durch Wohnumfeldverbesserungen (Spiellandschaften/Hofbegrünung)
vorzubeugen. Aber nicht nur die Armut einiger Bevölkerungsteile regt zum
Nachdenken und Handeln an, sondern auch die „öffentliche Armut“ sorgt für
Probleme bei Landschaftsplanern und -architekten. Denn bevorzugt in der
kommunalen Grünverwaltung kommt es, wegen der vermeintlich relativen
Bedeutungslosigkeit von Grün, bei Haushaltsknappheit zu Einsparungen.
(nach: Wenzel, Schöbel, S.28-31)
2
Finanzlage Berlin
Dass die Haushaltslage von Berlin alles andere als rosig ist, zeigt sich nicht nur
in den Grünflächenämtern. Dort werden die Personal- und Sachmittel auf ein
Minimum zurückgeführt, die Kompetenzen werden beschnitten. Auch auf die
Planungsbüros wirkt sich diese Notlage aus. Es fehlen Aufträge, Wettbewerbe
werden nicht realisiert und Grünanlagen verfallen. (nach: Wenzel, Schöbel,
S.28) Die Anämie der öffentlichen Kassen Berlins entzieht den Neubauprojekten
der Garten- und Landschaftsarchitektur quasi die Lebenskraft. Innerhalb von
zehn Jahren gingen die Investitionen der Stadt in „grüne“ Projekte auf etwa
die Hälfte zurück. Aber auch um bereits realisierte Projekte steht es schlecht.
Denn auch hier fehlt das Geld, um diese zu pflegen und zu erhalten. Der
Haushalt der amtlichen Denkmalpfleger der Hauptstadt schrumpfte in den
vergangenen zehn Jahren auf etwa ein Viertel, obwohl der Ostteil der Stadt
noch zum Aufgabenbereich hinzu kam. (nach: Jaeger, S.28,29)
Insgesamt gesehen belaufen sich die Schulden der Stadt Berlin auf etwa 47
Milliarden Euro (siehe Abb.1). Die Pro Kopf Verschuldung im Land Berlin liegt
bei etwa 13172 Euro. Mit 14505 Euro weist einzig das Bundesland Bremen eine
höhere Pro Kopf Verschuldung auf (Focus 24/2003). Eine Tilgung der Schulden
aus eigener Kraft scheint schier unmöglich zu sein, denn die Neuverschuldung
liegt pro Jahr bei etwa 2 Mrd. Euro
(Berliner Zeitung 17.1.03). Deshalb
bleibt für Finanzsenator Thilo
Sarrazin (SPD) nur noch der Weg,
den Bund um eine Finanzspritze zu
bitten. Er geht in diesem Fall von
rund 40 Milliarden Euro aus, um
die Entschuldung voran zu treiben
(Focus 46/2002). Die Zahlungen
müssen
sich
zwangsläufig
in
diesen
Größenordnungen
bewegen, da die Mittel, wenn
überhaupt, frühestens ab 2006
zur Verfügung stehen werden. Bis
dahin, wenn man den Prognosen
Abb.1
Glauben schenken kann, steigen
die Schulden der Hauptstadt bis auf 58 Mrd. an. Die Aussicht auf Hilfe vom Bund
ist gar nicht so schlecht, vorausgesetzt, die Stadt Berlin kann beweisen, dass
die hohe Verschuldung nicht durch eigene Misswirtschaft entstanden ist. Dies
ist jedoch nicht ganz so einfach, denn bereits 1994 warnten Wirtschaftsinstitute
die Stadt vor überdimensionierten Projekten. Sie hielt jedoch meist an ihnen
fest und gab so zum Beispiel für das Projekt „Olympia 2000“ 9 Mrd. Euro im
Voraus aus. (Tagesspiegel 6.12.2002)
Ein weiteres großes Vorhaben des Senats war es, die Stadt als Sportstadt zu
etablieren. Auch dieses Vorhaben scheiterte, denn die Leichtathletik WM 2005
ging nach Helsinki und als Medienzentrum für die Fußball WM 2006 wählte der
DFB München aus. (Berliner Zeitung 17.1.2003)
Weist die Stadt Berlin nun also ein Sanierungsprogramm für ihren Haushalt
auf, kann sie Bundesergänzungszuweisungen beanspruchen. Dies sind
jedoch zweckgebundene Mittel, die keine laufenden Ausgaben decken dürfen!
Außerdem verlöre die Stadt etwas an ihrer Eigenständigkeit, denn Bund und
Länder müssten regelmäßig über die Sanierungsbemühungen unterrichtet
werden. Hält sich die Hauptstadt an diese Anforderungen und der Bund
verweigert dennoch eine finanzielle Unterstützung bleibt im Endeffekt nur noch
der Gang zum Verfassungsgericht. (Tagesspiegel 6.12.2002)
Mit Aussagen wie „Berlin ist eine Stadt wie jede andere in Deutschland.“,
„Berlin leistet sich zu Unrecht eine Luxusausstattung.“ und „Berlin gibt mehr
als andere deutsche Städte für KITAs, Schulen und Universitäten aus!“
(Tagesspiegel 26.3.2003), benennt Sarrazin indirekt die ersten Bereiche, in
denen die Einsparungen stattfinden werden. Der öffentliche Bereich ist mit 7
Mrd. Euro an Personalausgaben der größte Brocken im Berliner Etat. Er nimmt
etwa ein Drittel des gesamten Haushaltes ein. Somit ist die Stadt gezwungen,
Bibliotheken zu schließen, die Anzahl der Jugendclubs und Seniorentreffs
drastisch zu reduzieren, es gibt Einsparungen im Schulbereich und bei den
KITAs. Die ersten Einsparungen des Senats fanden bei den ländereigenen
Bäderbetrieben statt. Durch die Schließung von neun der Badeanstalten wurden
2,4 Mrd. Euro gespart. Auch die Bezirke müssen zu internen Sparmaßnahmen
greifen. Diese zeigen sich in erster Linie bei der Kürzung von Geldern für
Grünanlagen, Straßen und Gebäuden. (Berliner Zeitung 17.1.2003)
Der Bezirk Treptow/Köpenick muss in diesem Frühjahr sieben Sportstätten,
davon sechs Plätze, schließen. Begründet wird die Schließung damit, dass
zu wenig Geld für die Instandhaltung vorhanden ist. Den Vereinen wird die
Möglichkeit gegeben, auf andere Sportstätten auszuweichen. Wenn sie das
nötige Kleingeld besitzen, können sie diese Flächen auch kaufen. (Berliner
Zeitung 9.2.2003)
Eine weitere Maßnahme zur Einsparung von Finanzmitteln vom Bezirk
Friedrichshain/ Kreuzberg liegt darin, die Pflege von Grünanlagen erstmals an
Privatfirmen zu vergeben. Als Pilotprojekt soll die Halbinsel Stralau herhalten.
Der Bezirk erhofft sich dadurch Einsparungen, weil man davon ausgehe,
dass Privatfirmen die Arbeiten preiswerter anbieten als das Grünflächenamt.
(Berliner Zeitung 9.2.2003)
Geld in der Stadtkasse fehlt nicht zuletzt auch durch den steigenden
Bevölkerungsverlust der Stadt. Seit 1994 sinkt die Zahl der Einwohner. Berlin
Finanzierung von Freiraum heute. Zum Beispiel Berlin.
33
sind in den letzten zwölf Jahren, also seit 1991, etwa 164000 Einwohner verloren
gegangen. Da sich einen Umzug ins Umland nur die Besserverdienenden
leisten können, fehlt der Stadt einiges an Steuereinnahmen. Auch große
Konzerne wie Spreequell und Nestlé verlassen die Stadt. Im vergangenen Jahr
lag die Arbeitslosenzahl bei 17,5%. (Berliner Zeitung 28.2.2003)
Man könnte fast sagen, dass die Innenstadtviertel verarmen. Als Maßnahme
zur Aufwertung von Stadtquartieren werden mehr und mehr Quartiersmanager
eingesetzt. Aber die Stadt greift auch zu anderen Mitteln. EU-Gelder werden
angezapft, Einzelobjekte vermarktet, Sponsorgelder als punktuelle Hilfe
eingesetzt. (nach: Lösse, S.44)
3
Finanzierung von Freiräumen durch öffentliche Mittel
Durch die im vorigen Kapitel beschriebene Misere des Berliner Haushaltes
ist es kaum möglich, dass Freiräume komplett von der öffentlichen Hand
finanziert werden. Eine Quelle, um zusätzliche Gelder zu bekommen, ist die
EU. Dem Quartiersmanagement wird zum Beispiel durch die EU Geld für die
Finanzierung von Projekten zur dauerhaften Aufwertung des Stadtraumes und
des Wohnumfeldes bereitgestellt. 2000 – 2006 waren dies Mittel in einer Höhe
von 39 Mio. Euro aus dem „Europäischem Fonds für regionale Entwicklung“
(EFRE). Aber auch der Bund beteiligt sich mit dem Programm „Die Soziale
Stadt“ an der Finanzierung von Projekten. Bis 2002 lag der Zuschuss bei
etwa 13,2 Mio. Euro. Für die gesamten Programme des Bundes und der EU
muss Berlin erforderliche Kofinanzierungsmittel aufbringen, von 1999 bis 2002
betrug dieser Berliner Anteil 39,5 Mio. Euro. Ziel ist es, mit diesen Mitteln
das städtebauliche Umfeld weiter zu verbessern sowie soziale und kulturelle
Angebote für die Bewohner zu schaffen. (www.quartiersmanagementberlin.de)
Die Kofinanzierungsmittel der Stadt bzw. des Bezirkes sind dann zum Beispiel
34
das Einsetzen eines Bauleiters, also einer fachlich kompetenten Kraft, die den
Bau eines Objektes leitet, oder aber es wird der Planer von der Stadt oder dem
Bezirk bezahlt. Mit diesen Maßnahmen ist dann meist schon der Eigenanteil
abgedeckt, der je nach Projekt einen andere Prozentsatz einnimmt. (nach:
Engelhardt)
Erholungspark Marzahn
Finanziert durch Bund, EU und Berlin ist auch der Erholungspark Marzahn
weiter verschönert worden. Als grüne Oase dient er vor allem den Bewohnern
von Marzahn/Hellersdorf als Erholungsfläche. Entstanden ist dieser Park
zur 750-Jahrfeier Berlins 1987 und wurde im Rahmen der Gartenschau am
9.5.1987 eröffnet. (www.berlin.de)
Intensiv gestaltete Bereiche, wie Rhododendronhain, Staudengarten und eine
jahreszeitlich wechselnde Bepflanzung, sowie auch ausgedehnte Spiel- und
Liegewiesen prägen das Bild des Parks. Außerdem gibt es das Projekt „Gärten
der Welt“, welches von der Allianz Umweltstiftung unterstützt wird.
3.1
Chinesischer Garten – „Garten des wiedergewonnenen Mondes“
Dieser Teil des Parks entstand im Rahmen der Städtepartnerschaft BerlinPeking. (www.gruen-berlin.de) Die Pläne des Pekinger Instituts für klassische
Gartenarchitektur sah eine facettenreiche Landschaft mit traditionellen
Bauwerken vor. Es sollten Schlichtheit sowie dezente Farben vorherrschen.
Der Garten ist etwa 2,7 ha groß, und im Mittelpunkt befindet sich ein 4500 m²
großer See in einer reich bepflanzten Hügellandschaft. (www.berlin.de)
Am 1.12.1997 begannen die Bauarbeiten an diesem Garten, und am 15.10.2000
wurde er eröffnet. Die Kosten für den gesamten Garten belaufen sich auf 4,5
Mio. Euro. Er wurde aus Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe zur „Verbesserung
der regionalen Wirtschaftstruktur“ gefördert und von der EU kofinanziert (6080%). Die Stadt Berlin war an der Entstehung dieses Gartens mit etwa 20%
beteiligt. Des Weiteren gab es Spenden von Air China, Deutsche Lufthansa AG
und VW Shanghai. (nach: Reuber)
3.2
Japanischer Garten – „Garten des zusammenfließenden Wassers“
Dieser zweite Garten wurde von Professor Masuno, einem Tempelpriester
und Gartendesigner aus Yokohama, geplant. Er schuf einen Garten mit
Stilelementen der klassischen japanischen Gartenkunst. Die Eröffnung fand
im Mai diesen Jahres statt. (www.gruen-berlin.de)
Auch dieser Garten wurde aus Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe
„Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ gefördert und von der EU
(EFRE) kofinanziert. Im Gesamten beliefen sich die Kosten auf etwa 2 Mio.
Euro. Die Stadt Berlin nahm hier, wie auch schon im Chinesischen Garten, mit
etwa 20% an der Finanzierung teil. (nach: Reuber)
4
Finanzierung durch Public Private Partnership
Eine Folge der Sparpraxis des Berliner Senates ist, dass alles, was im Bereich
des öffentlichen Grüns profitabel zu vermarkten ist, aus der Kommunalwirtschaft
herausgenommen wird. Private Gesellschaften fassen Fuß, sie betreiben in den
Städten profitorientierte Umwelt-Freizeitparks, „Public- Private- Partnerships“
organisieren spezielle Stadtparks und Sponsoren unterhalten historische
Gärten und andere repräsentative Elemente einer Stadt, für die diese kein
Geld mehr aufbringen kann (nach: Lösse,S.43).
Was ist unter PPP zu verstehen?
„Public Private Partnership“ (im Folgenden PPP) wird in der heutigen Zeit
leerer Kassen insbesondere von der öffentlichen Hand als hoffnungsvoller
Weg aus der finanziellen Not gerne beschritten. Ein derartig bezeichnetes
Projekt impliziert Imageveränderung im Sinne von Verwaltungsmodernisierung
und neuem Denken staatlicher Institutionen. Somit avanciert die Verwendung
des Begriffes PPP gleichsam zum Modewort.
Es ist daher notwendig, eine begriffliche Abgrenzung zu anderen Instrumenten
des Marketing zwischen öffentlichen Aufgabenträgern und privaten
Unternehmen vorzunehmen.
Die folgende Übersicht zeigt die Vielfalt an Formen des Marketing und somit,
wie unspezifisch PPP sein kann. Denn nicht jede Form des Zusammenwirkens
von Privatwirtschaft und öffentlichem Sektor ist mit dem Terminus PPP richtig
beschrieben.
Falls die Rahmenbedingungen den Einsatz eines dieser Instrumentarien z.B.
Sponsoring verlangen, ist dieser Bestandteil des PPP-Projektes. Nur darf ein
solches Projekt nicht rein klassisches Sponsoring darstellen, wenn es denn
PPP zugerechnet werden soll.
Es handelt sich bei PPP meist um ein breites Spektrum verschiedener Ansätze
und Formen von Kooperationen in unterschiedlichen Ausprägungen und
Arbeitsfeldern. Dauer, beteiligte Personen und institutionalisierte Formen
sind unterschiedlich. Die Gemeinsamkeit aller Ansätze besteht darin, dass
auf der einen Seite öffentliche Akteure (d.h. öffentliche Körperschaften und
Institutionen) und auf der anderen Seite privates Kapital aus freien Stücken
miteinander kooperieren und entsprechende Partnerschaften eingehen, um
gemeinsam Projekte zu verwirklichen, deren finanzieller oder organisatorischer
Aufwand für einen der beiden Partner allein entweder nicht leistbar oder nicht
profitabel erscheint.
Finanzierung von Freiraum heute. Zum Beispiel Berlin.
35
Art
Spende
Leistung
Geld-, Sach-,
Gegenleistung
Motiv
Interessenlage
Privat zu
Kommune
Spendenquittung Persönliche, emotionale
Dienstleistungen
Betroffenheit,
Dokumentation
gesellschaftlicher
Verantwortung
Leasing
Geld-, Sach-,
Entgeld
Dienstleistungen
Gewinnorientierung
Sponsoring
Geld-, Sach-,
Kommunikation,
Dienstleistungen Forum für
persönliche
Kontakte
Bekanntheitsgradsteigerung,
Imageprofilierung,
Kontaktpflege
Public
Private
Partnership
Geld-, Sach, Dienst-,
Personalleistungen
Dokumentation
gesellschaftlicher
Verantwortung,
Bekanntheitsgradsteigerung,
Kommunikation,
Forum für
persönliche
Kontakte, Knowhow-Transfer
Imageprofilierung,
Kontaktpflege, Knowhow-Transfer
Tab.1 Kooperative Marketing-Instrumente
Die Arbeitsgruppe „Public Private Partnership – Eine Konzeption für die
Schaffung neuer Märkte?“ der FHTW (Fachhochschule für Technik und
Wirtschaft) Berlin erweitert den Terminus der PPP in folgender Definition
dahingehend, dass das Ergebnis dieser freiwilligen Zusammenarbeit dem
Gemeinwohl dienen muss. Das bedeutet, dass die Erfüllung des PPP im
36
öffentlichen Interesse steht und der Allgemeinheit dienlich sein soll.
PUBLIC PRIVATE PARTNERSHIP („PPP“) ist eine freiwillige, projektbezogene
Zusammenarbeit zwischen Akteuren aus dem öffentlichen und privaten
Sektor. PPP erfüllt gemeinwohlorientierte Aufgaben, wobei öffentliche und
privatwirtschaftliche Interessen zum beiderseitigen Nutzen zur Deckung
gebracht werden. Die Projektverantwortung wird unter Berücksichtigung
der jeweils unterschiedlichen Rahmenbedingungen von den Partnern
gemeinschaftlich getragen. (nach: Clemens-Ziegler, S.10)
Warum existieren solche Partnerschaften?
Seit Mitte der 80iger Jahre ist Public Private Partnership aus der Diskussion
über Stadterneuerungen und Stadtentwicklung nicht mehr wegzudenken. Als
Ursachen für die seitdem immer stärker zu beobachtende Kooperation von
öffentlicher Hand und privatem Kapital werden folgende Gründe genannt:
räumliche und infrastrukturelle Umbau- und Erneuerungsnotwendigkeiten
aufgrund allgemeiner wirtschaftlicher Umstrukturierungen,
Intensivierung des interkommunalen und interregionalen Wettbewerbdrucks,
zunehmende Finanzknappheit öffentlicher Haushalte und kommunale
Liquiditätsengpässe,
Kompetenz- und Kapazitätsprobleme auf Seiten der Kommunalverwaltung,
Überwindung von Umsetzungsproblemen,
die Deregulierungspolitik mit dem Ziel ‚mehr Markt und weniger Staat’,
weltweit zu beobachtende Unternehmenskonzentration mit verschärfter
wirtschaftlicher Konkurrenz,
neue Formen der Produktions- und Arbeitsorganisation,
die Notwendigkeit effizienter Leistung in den Verwaltungen,
Einbindung privater Unternehmen in politische Konzepte,
höhere Flexibilität und logistisches Know-how,
Einführung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien. (nach:
Heinz,S.34f)
Neben diesen gesamtgesellschaftlichen Gründen benennt POHL (2001)
primär aus Sicht der Unternehmen zwei weitere Ursachen der Zusammenarbeit
privater Investoren mit der öffentlichen Hand.
Dokumentation gesellschaftlicher Verantwortung in der Öffentlichkeit: Die
Unternehmen erfahren immer stärker ihre Vernetzung mit gesellschaftlichen
Prozessen. Kunden- und Marktorientierung reichen nicht mehr aus. Die Ges
ellschaftsorientierung als zusätzliche strategische Ausrichtung wird mehr und
mehr zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor.
„kostenlose“ Medienpräsenz, PR-Vorteile (vgl.:Pohl,S.9)
So wird die Tendenz zu einer verstärkten Integration privatwirtschaftlicher
Projekte in die Stadtplanung zudem politisch unterstützt. Neue Optionen
der rechtlichen Regelung, insbesondere Vorhaben- und Erschließungsplan
sowie städtebauliche Verträge, ermöglichen es den planenden Gemeinden,
enger mit den privaten Investoren und Bauherrn im Sinne einer der Aufgabe
angemessenen Arbeitsteilung zusammenzuarbeiten.
Welche Chancen / Risiken bergen Partnerschaften?
Vor dem Hintergrund von PPP steht die Frage, wie die Nutzung und Gestaltung
des öffentlichen Raumes durch den Einbezug aller ansässigen Unternehmen
und privaten Haushalte verbessert werden kann. Eine gemeinsame
Identifizierung mit dem Freiraum sollte das Resultat sein.
Die Teilnehmer an der Public Private Partnership sind die öffentliche Hand,
die Unternehmen und die (Privat-) Investoren, die Medien als Kommunikator
der Kooperationsinhalte und –ergebnisse und die (gemeinsamen) Zielgruppen
der Partner. Alle Partner bringen sich auf der Grundlage von Leistungen und
Gegenleistungen, z.B. in Form von Know-how-, Geld-, Personal-, Dienst-,
Media- oder Sachleistungen, in die Partnership ein, schaffen dadurch ein
Aktionsprogramm und Aktionsbudget, partizipieren an allen inhaltlichen und
kommunikativen Maßnahmen und können darüber hinaus durch eigene
unterstützende Maßnahmen den für sie resultierenden Nutzen verstärken.
(nach: Pohl, S.10)
Grundsätzlich werden von den Kommunen folgende wirtschaftliche Vorteile für
die partizipierten Akteure einer PPP aufgeführt:
Eine zeitnahe Realisierung von planerischen Konzepten wird durch eine direkte
Verkoppelung von Planung und Umsetzung erwirkt.
Bevor sich in formalen Abstimmungsverfahren Widerstände formieren können,
besteht die Möglichkeit des Entgegenwirkens im Rahmen einer frühzeitigen
Kooperation.
Öffentliche Hand
Unternehmen=Investoren
Öffentlicher
Meinungsbildung Freiraum Meinungsbildung
z.B. Zufriedenheit
z.B. Sympathie
Wahrnehmung
Nutzung
Bevölkerung
Nutzung
Potentielle Kunden
Tab.1 Teilnehmer der PPP
Finanzierung von Freiraum heute. Zum Beispiel Berlin.
37
Eine weitere Qualifizierung der Planung wird durch die Integration der Ideen
und des Erfahrungshorizontes Privater erreicht.
In konsensorientierten Planungsverfahren können private Finanzierungsbeiträge
für Stadtentwicklungsprojekte und Gebietsplanungen akquiriert werden.
Gegenüber materiellen Privatisierungen, Auslagerungen und Betreibermodellen
hat PPP für staatliche Politik den Vorteil, dass die Transaktionskosten für
die Kontrolle von Verträgen, Leistungserbringung u.a. sehr gering sind, weil
Vertreter der Politik und des Staates unmittelbar an den Gremien beteiligt sind.
Ebenso sind sie ggf. flexibler in der Finanzierung von Vorhaben, da sie nicht der
starren öffentlichen Hauswirtschaft unterworfen sind (nach: Forschungsgruppe
Stadt und Dorf, S.136).
Image profilieren
X
X
Kommunikationsanlässe
schaffen
X
X
Organisationskultur
verdeutlichen
X
X
Gesellschaftliche
Verantwortung
dokumentieren
X
X
Präsentation im exklusiven
Umfeld
X
X
Allerdings sind neben diesen Gesichtspunkten ideelle Faktoren für die
Umsetzung durch PPP, besonders aus Sicht der Privaten Investoren, nicht zu
unterschätzen.
In einer Befragung der FHTW von öffentlichen und privaten Organisationen mit
Erfahrungen in PPP-Projekten ergab, dass 91% der befragten Privaten an eine
Imageverbesserung ihres Unternehmens hohe bis sehr hohe Erwartungen
knüpfen. Dieser erwartete Imagegewinn hat sich bei fast ¾ der Befragten
(83%) erfüllt. Ein möglicher Grund für die hohe Erwartungshaltung könnte in
der momentanen Aktualität von PPP liegen und in der Möglichkeit, sich durch
ein solches Projekt als zeitgemäß und innovativ darzustellen. Als weitere
gewichtige Gründe für die Realisierung von Projekten durch PPP nannten
die Befragten eine Steigerung ihrer gesellschaftlichen Verantwortung und die
Bildung neuer Kontakte (nach: Clemens-Ziegler, S.24).
Werbung
X
X
Ziele
Kommune
Unternehmen
Zielgruppe ansprechen
X
X
Persönliche Kontakte
X
X
38
Kunden gewinnen
X
Geschäfte mit der Stadt
X
Know-how-Transfer
„Marketing“
X
Neue Einnahmequellen
X
X
Tab.2 Synergie- Potential
Eine Reihe neuer Probleme können durch die Kombination öffentlich-privater
Partnerschaften entstehen:
- Verfügt die Kommune nicht über ein gesamtstädtisches Entwicklungskonzept,
kann durch eine Aneinanderreihung von einzelnen Projekten der
Zusammenhang verloren gehen.
- Abhängigkeiten und frühzeitige Allianzen können im Rahmen von
Kooperationsprozessen entstehen, die mit dem Verständnis einer
unabhängigen und durch politische Gremien kontrollierten Stadtentwicklung
nicht übereinstimmen.
Die vor dem Hintergrund der finanziellen Engpässe in den
Gemeindeverwaltungen eingegangenen Koalitionen mit Privaten verbinden
sich mit der Gefahr der Vernachlässigung anderer (sozialer, umweltpolitischer,
kultureller) Aspekte der Stadtentwicklung. (nach: Forschungsgruppe Stadt und
Dorf, S.136) An diese Problematik knüpft die hypothetische Frage an, ob sich
Investoren auch in ärmeren Stadtquartieren engagieren.
Modellhafte Projektbeispiele
Ansätze im Sinne von Public Private Partnership spielen in der kommunalen
Planungspraxis in Berlin heute eine steigende Rolle. Grundlage jeglicher
Tätigkeit der Privatwirtschaft im öffentlichen Dienstleistungsbereich sind stabile,
langfristige Verträge, die die Rahmenbedingungen für ein selbstständiges
Agieren des Unternehmens schaffen.
4.1
Expo Hannover-Projekte (Rummelsburger Bucht)
In Berlin repräsentieren 27 EXPO 2000 Projekte ein Gesamtvolumen von
ca. 7 Mrd. DM (ca.3,5 Mrd. Euro). Mittel der EU, der Bundesländer, sowie
Unternehmen und Kommunen stellen die Finanzquellen dar, die von der
größten Zahl der Projekte in Anspruch genommen werden. (nach: Dr.Ertel,
S.25)
Ein dezentrales Projekt der EXPO 2000 unter dem Motto „Mensch-NaturTechnik“ ist das Entwicklungsgebiet Rummelsburger Bucht.
Unter dem Projektleitspruch „Nachhaltige Stadtentwicklung“ werden 130
Hektar ehemalige Industrie- und Lagerflächen, Militär- und Hafenareale wieder
für Wohnen, Arbeit und Freizeit nutzbar gemacht. Der schonende Umgang mit
Wasser, Luft und Boden und die Integration alter Bausubstanz in moderne
Architektur sind die Hauptziele dieses Bauvorhabens.
Träger der Maßnahme ist das Land Berlin, vertreten durch den Senator für
Stadtentwicklung (Abteilung 4D). Die Zuständigkeit liegt in der Steuerung
und der Mittelbereitstellung sowie der Mittelkontrolle für alle öffentlichen
Maßnahmen. (nach: EXPO 2000 HANNOVER GMBH (Hrsg.), S.36)
Klaus Theo Brenner entwickelte zusammen mit den Landschaftsarchitekten
Duquesnoy und Thomanek 1993 das Leitbild einer „Städtischen Landschaft“.
1994 gründete der Senat von Berlin die „Wasserstadt GmbH“ als
Entwicklungsträger. In einem Entwicklungsträgervertrag zwischen dem Land
Berlin, vertreten durch die Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen,
und der Wasserstadt GmbH sind folgende Aufgaben des treuhänderischen
Entwicklungsträgers genau definiert:
Zu Beginn der Entwicklungsmaßnahme war die Situation vor Ort
durch komplizierte Eigentumsverhältnisse und Restriktionsansprüche
gekennzeichnet. Mehr als 40000 Tonnen verunreinigter Boden wurden entsorgt,
ein naturnahes Sickerwassersystem installiert und über 30 erhaltenswerte und
denkmalgeschützte Gebäude auf der Halbinsel Stralau und am Rummelsburger
Ufer für eine behutsame Sanierung gesichert.
Maßnahmen, wie Vorbereitung des städtebaulichen Planungsrechts und
der Freiraumplanung, Grundstücksankauf sofern erforderlich, Maßnahmen
im Bereich des Bodenmanagements und Werbung von Interessenten
und Investoren für die Realisierung der Entwicklungsmaßnahme sind als
vorbereitende, öffentliche Finanzierung zu bezeichnen.
Die Gestaltung, Entwicklung und Durchführung von Einzelprojekten wird
von der Wasserstadt GmbH und den Investoren nach den Prinzipien
nachhaltiger Stadtentwicklung gemeinsam getragen. Sie sind demzufolge
PPP-Kooperationen und Profit-Projekte des Landes Berlin, das die
Mittelbereitstellung sowie Mittelkontrolle durch die Wasserstadt GmbH steuert.
Die Finanzierung von Freiraum der Rummelsburger Bucht im Sinne von PPP
kann pauschal in zwei Varianten gegliedert werden: a) öffentlich zugänglicher
Freiraum der Stadt Berlin wird privatisiert und der Öffentlichkeit zugänglich
gemacht oder b) nach Grundstücksverkäufen wird der Eigentümer verpflichtet,
den entstehenden Freiraum öffentlich zugänglich zu machen. Als weitere
Kooperationen können gemeinsame Publikationen und Internet-Links, sowie
wechselseitige Beiträge in Fachprogrammen genannt werden (www.rubu.de).
Heute gibt es ca. 350 Grundeigentümer. Sie setzen sich zusammen
aus „Alteigentümern“, vornehmlich das Land Berlin, das ca. 25 % der
Finanzierung von Freiraum heute. Zum Beispiel Berlin.
39
Nettobaufläche besitzt und Investoren (75% der Nettobaufläche), die Eigentum
zur Selbstnutzung, als Kapitalanlage oder zum Weiterverkauf erworben haben
(HELLWEG Wasserstadt GmbH). Die Investoren treten mit ihren Anliegen
ausschließlich an die Wasserstadt GmbH heran, die bei der Planung und
Genehmigung der Entwicklungsmaßnahmen die Aufgabenbereiche und
Interessen von bis zu 40 Ämtern und Behörden zu berücksichtigen hat.
Die große Zahl der Grundeigentümer und damit verbunden die Vielfalt an
Kooperationsverträgen und Finanzierungskonzepten macht es schwierig,
ein einheitliches Finanzierungsmodell zu konzipieren bzw. Höhe und Anteil
der Kosten darzustellen (www.rubu.de). Das Gesamtvolumen des Projektes
beläuft sich auf ca. 1,5 Mrd. Euro. Hierbei finanzierte das Land Berlin ca. 3,4
Mio. Euro (22%) und die privaten Investoren 1,2 Mrd. Euro (78%) (Hellweg:
Wasserstadt GmbH).
Bis 2015 sollen so im Entwicklungsgebiet Rummelsburger Bucht 5900
Wohnungen und 425000 M² Büro- und Gewerbeflächen entstehen.
Was bringt der Titel „EXPO-Projekt“ der Stadtentwicklung?
Rückblickend wird die Implikation der Rummelsburger Bucht an der EXPO von
allen Beteiligten als Erfolg betrachtet. Kurzfristige Impulse für den Standort
belaufen sich auf zahlreiche Besucher verschiedener Veranstaltungen,
wie dem Internationalen Fachkongress URBAN21, einem internationalen
Wasserstadt-Kongress gemeinsam mit der venezianischen Dachorganisation
der Wasserstädte Citta d’aqua und zahlreiche kulturelle Veranstaltungen zum
Thema „Wasser in der Stadt“ bzw. „Stadtentwicklung am Wasser“.
Doch entscheidender im Sinne von „Nachhaltigkeit“ sind langfristige
Auswirkungen für diesen Standort, auch wenn diese schwer durch
Datengrundlagen nachgewiesen werden konnten bzw. abgeschätzt werden
können. Dennoch ist bereits heute spürbar:
ein positives Standortimage für die Rummelsburger Bucht
ein wachsendes Interesse am Thema „Stadtentwicklung am Wasser“ am
Standort der Rummelsburger Bucht durch die Bevölkerung
40
konkrete Investitionsabsichten. (Dr. Ertel, S.53)
4.2
Der Mauerpark Berlin
Auf einem Stück des ehemaligen Mauerstreifens zwischen den Berliner Bezirken
Prenzlauer Berg und Wedding, ergänzt durch die Fläche des stillgelegten
Güterbahnhofs Eberswalder Straße, entsteht ein Stadtteilpark von rund 14 ha.
Anknüpfend an die Idee von Bürgerinitiativen, den ehemaligen Mauerstreifen
quer durch Berlin zu einem Grünzug zu entwickeln, bot die „Allianz Stiftung
zum Schutz der Umwelt“ der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und
Umweltschutz Mitte 1990 an, die Umsetzung der Mauerpark-Idee mit 4,5
Mio. DM (2,3 Mio. Euro) zu fördern. Dazu handelten die Stiftung und die
Senatsverwaltung einen Kofinanzierungsvertrag aus, der für den Mauerpark
eine Mindestgröße von 10 ha, eine Realisierung bis zum Jahr 2010 und die
Errichtung einer projektbegleitenden Arbeitsgruppe zum ersten, von der
Stiftung mitfinanzierten Bauabschnitt vorsieht. Der erste Bauabschnitt (ca. 7,1
ha) konnte bereits im November 1994 eingeweiht werden. Das Gesamtvolumen
des ersten Bauabschnittes belief sich auf 6,9 Mio. DM (ca. 3,5 Mio. Euro).
Hierbei finanzierte das Land Berlin ca. 4,6 Mio. Euro (ca. 67%) und Allianz
Stiftung 2,3 Mio. Euro (33%). (Göhler: Grün GmbH)
Nach der Wettbewerbsphase übertrug das Land Berlin der GRÜN BERLIN
Park & Garten GmbH die Realisierung des Mauerparks und, damit verknüpft,
vermittelnde und akzeptanzfördernde Aufgaben. Eine von der GRÜN BERLIN
eingesetzte Arbeitsgruppe diente dazu, das Rahmenkonzept zu präzisieren
und den Bauprozess zu begleiten. Diese Vorgehensweise ermöglichte es, das
Parkkonzept im Zuge der Umsetzung weiterzuentwickeln und auf geänderte
Rahmenbedingungen zu reagieren.
Die Realisierung des zweiten und dritten Bauabschnitts verzögert sich, da sie
noch über Pachtverträge belegt sind und unterschiedliche Preisvorstellungen
zum Grundstücksverkauf bestehen.
Der vierte Bauabschnitt mit dem von Bürgerinnen und Bürgern geforderten
Kinderbauernhof wurde 1998 begonnen und ist augenblicklich im Bau. Die
Deutsche Bahn übernahm den Grundstückskauf und die Umsetzungskosten.
Damit setzt sie Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen für das Bauvorhaben
„Schnellbahnverbindung Hannover-Berlin“ um, wobei sich diese Maßnahmen
natürlich auf Berliner Flächen beziehen.
Die Pflege und weitere Betreuung der hergerichteten Bereiche des Mauerparks
übernimmt das Naturschutz- und Grünflächenamt Prenzlauer Berg. Der erste
und vierte Bauabschnitt umfassen zusammen knapp 9 ha, so dass das Land
angehalten ist, die Umsetzung der anderen Abschnitte ebenfalls anzugehen,
um den Vereinbarungen mit der Allianz-Stiftung Genüge zu tun.
4.3
Außenwerbung Wall
Seit über 25 Jahren gestaltet die Wall Aktiengesellschaft den öffentlichen Raum
mit Stadtmöbeln und Außenwerbung. Bus- und Tram-Wartehallen, Kioske,
Stadtinformationsanlagen und City-Toiletten stehen den Städten kostenlos zur
Verfügung. Die Refinanzierung erfolgt durch die Vermarktung hinterleuchteter
Plakatflächen. (www.wall.de)
Sicherlich förderte die öffentliche Finanzlage das Unternehmenskonzept,
welches das Gesicht der Stadt derartig prägt. Die Aufgabe der öffentlichen
Hand ist dabei gewaltig. Sie muss Grundlagen und Rahmenbedingungen für
die Ausstattung des öffentlichen Raums mit Stadtmöbeln mindestens für eine
bis zwei Generationen sichern, damit Wall wirtschaftlich agieren kann. So
fertigte Wall eine Grundmodellreihe für Kleinserienfertigung, die variiert werden
kann und über Jahre Anwendung finden soll. Das gestalterische Konzept des
öffentlichen Raumes liegt allerdings einzig bei der öffentlichen Hand. Die
Verrechnung von Leistung und Vergütung im Sinne des Geschäftsverhältnisses
von privater zu öffentlicher Hand kann nicht vorgenommen werden. Allerdings
war zu erfahren, dass die Berliner Verkehrsbetriebe als Mitpartner des
Landes Berlin jährlich 4 Millionen DM (ca. 2 Mio. Euro) aus Werbeeinnahmen
einnehmen. (nach Schöbel, S.135ff)
Abb.3 One Stop Agency
Finanzierung von Freiraum heute. Zum Beispiel Berlin.
41
5
Private Finanzierung von Freiräumen
5.1
Finanzsituation für Grünflächen in Berlin
Die Situation der öffentlichen Grünflächen in Berlin stellt sich so dar, dass ein
Anwachsen der Zahl der durch die Natur- und Grünflächenämter betriebenen
Freiflächen ohne gleichzeitige Erhöhung der finanziellen und personellen Mittel
zu verzeichnen ist.
In Berlin standen 1998 31 Mio. DM für die Unterhaltung und den Neubau von
Freiflächen für Gesamt-Berlin zur Verfügung, zum Vergleich: 1990 standen
60 Mio. DM nur für West-Berlin zur Verfügung. Der Personalbestand ist von
1990 zu 1998 um 30-40% zurückgegangen. Für die bezirkliche Grünpflege
standen den Berliner Grünflächenämtern 1997 lediglich noch ca. 40 % des für
notwendig berechneten Ansatzes zur Verfügung. (nach: Mahler, S. 34,35)
Angesichts dieser Tatsachen sind die Berliner Grünflächenämter nicht mehr in
der Lage, bestehende Freiräume angemessen zu pflegen, geschweige denn
neu zu bauen. In den letzen Jahren kam daher eine Diskussion in Berlin auf,
wie man Freiräume bzw. Grünanlagen qualitativ sichern kann. Das Verhältnis
von privaten und öffentlichen Freiflächen muss daher hinsichtlich ihrer Nutzung
und damit auch hinsichtlich Pflege und Unterhalt neu bewertet werden. Kosten
für Unterhalt und Pflege der Freiflächen sollten bei der Planung von privaten
Freiflächen stärker berücksichtigt werden.
5.2
Private Investoren
Es existieren grundsätzlich drei Quellbereiche für private Finanzierungen von
Freiräumen:
Private Haushalte/ Privatpersonen,
Unternehmen aus der freien Wirtschaft,
Private Organisationen/ Stiftungen.
Des Weiteren unterscheidet man bei privaten Investoren zwischen ProfitUnternehmen (d.h. Gewinn jeglicher Art) und Non-Profit-Unternehmen (z.B.
Stiftungen). (nach: Kotler, S. 64)
42
5.3 Welche Intention verfolgen private Investoren?
Gründe für Bürger, Vereine, Unternehmen, freiwillig Geld für Freiflächen zur
Verfügung zu stellen, sind unterschiedlich.
Freiraumplanung bedeutet heutzutage Kommunikation. Für private Investoren
ist es wichtig, durch repräsentative Flächen potentielle Kunden anzusprechen.
Eigeninteresse und Profit (in Form von Ansehen, Kundenwerbung, Präsentation)
stehen hierbei im Vordergrund. Eine besonders schöne, qualitativ gute,
spektakuläre Gestaltung eines Freiraums ist daher grundsätzlich möglicher
Gegenstand unternehmerischen Engagements. (nach: Heinrich, S. 94-96)
Die Bürokratie und die teilweise langwierigen Verwaltungsakte in Deutschland
schrecken jedoch immer mehr Investoren ab, in Freiräume zu finanzieren.
Da aufgrund der schlechten Haushaltslage auch das öffentliche Geld für
Freianlagen fehlt, bleibt die Situation für Städte und Kommunen zur Finanzierung
von Neuanlagen und der Unterhaltung von Freiflächen unverändert.
5.4
Möglichkeiten der privaten Finanzierung von Freiräumen
Finanzielle Ressourcen sind vor allem Gelder, aber auch die direkte
Bereitstellung von Dienstleistungen oder anderen Einsatzfaktoren. Dabei
wird im Folgenden mehr auf die Geldmittel eingegangen, da z.B. Materialund Personalmittel sehr selten geleistet werden. Berlin will eine neue
Wirtschaftsförderung für Unternehmen schaffen, die One-Stop-Agency
(siehe Abb. 3). Sie dient als Ansprechpartner für Investoren und betreut die
Investoren bei ihren Projekten. Nach dem Prinzip one-face-to-the-costumer
soll den Investoren ein Ansprechpartner zur Verfügung gestellt werden,
der diese betreut und eine Erleichterung im Berliner Verwaltungsdschungel
darstellt. (nach: http://www.berlin.de/Senwiarbfrau/presse/2002/dezember/1012_1.html)
Unterschiede zwischen privat und öffentlich finanzierten Freiräumen
Generell gibt es große Unterschiede zwischen privat finanzierten und öffentlich
finanzierten
Freiflächen.
Private Flächen haben meist
einen höheren Baunettopreis
pro m² zur Verfügung gestellt
bekommen. So wird hohe
Qualität
durch
teurere
Materialien eingebaut.
Das Personal zur Herstellung
der Freiflächen wird vom
Investor selber ausgewählt,
wobei die Überwachung der
Arbeiten er selber oder ein
Projektsteueru
Abb.4 qualifiziertes
ngsunternehmen übernimmt.
Die Ausführung von öffentlich
finanzierten
Freiräumen
wird durch eine öffentliche
Ausschreibung
meist
an
die Firma mit dem billigsten
Angebot abgegeben. Dies
kann zur Folge haben, dass
die Qualität der Arbeiten und
der Ausführung niedrig ist. Des
Abb.5
Weiteren übernimmt bei öffentlich finanzierten Freiräumen ein Sachbearbeiter
des Bezirks die Überwachung der Projekte, wobei er meist mehrere Projekte
gleichzeitig kontrollieren muss. Dies hat meist zur Folge, dass solche Bearbeiter
durch die Anzahl der laufenden Projekte überlastet sind.
Private Flächen sind auch teilweise für die Öffentlichkeit nicht zugänglich.
Dagegen stehen öffentliche Freiflächen jedem zur Nutzung offen. Die
Pflege bei privaten Flächen wird durch den Investor an eine von ihm selbst
ausgewählte Garten- und Landschaftsbaufirma übergeben. Dabei übernimmt
er ebenfalls die Kontrolle der Pflegemaßnahmen. Bei öffentlichen Freiräumen
erfolgt nach der Fertigstellung der Baumaßnahmen die Übergabe der Flächen
an die Grünflächenämter der Bezirke. Die Pflege der Freiflächen übernehmen
Mitarbeiter der Grünflächenämter, die aber aufgrund der schlechten
Haushaltslage und des momentanen Personalbestandes eine qualitätsgerechte
Unterhaltung der Flächen nicht gewährleisten können.
Hohe Qualität erzeugt zwar hohe Akzeptanz, aber sie erfordert auch einen
hohen Pflegeaufwand. Daher sollten beim Entwurf bzw. Neubau von
Freiflächen aufkommende Kosten für Pflege und Wartung im Planungsprozess
eine wichtige Rolle spielen. Die öffentliche Hand ist aufgrund ihrer schlechten
finanziellen Situation nicht in der Lage, die gebaute Qualität der Freiflächen
aufrecht zu erhalten. Durch den entstehenden Qualitätsverlust vollzieht sich im
Endeffekt eine Verdrossenheit bei den Investoren und diese ziehen sich für die
Finanzierung von weiteren Neubauprojekten zurück.
5.5 Vor- und Nachteile von privater Finanzierung von Freiräumen
Die Vorteile bei der Finanzierung von privaten Freiräumen für den Investor
liegen darin, dass er die gesamte Entscheidungsgewalt im Planungs- und
Ausführungsprozess besitzt. Er kann selber entscheiden, in welche Objekte
er Geld investiert und was, wie und durch welche Firma gebaut wird. Dem
entgegen steht der hohe Behördenaufwand vor dem Baubeginn, der durch
seine Bürokratie den Baubeginn erschwert bzw. verzögert.
Die Öffentlichkeit erhält qualitativ hohe Freiflächen zur Nutzung. Nachteile
für die Öffentlichkeit sind die teilweise geringen Nutzungsmöglichkeiten der
Flächen, da Verbote seitens des Investors und der öffentlichen Hand zum
Erhalt der Flächen beitragen sollen. Außerdem können private Freiflächen
teilweise für die Öffentlichkeit nicht zugänglich sein. Durch die Übertragung
der Pflege an die öffentliche Hand entstehen des Weiteren ein hoher Aufwand
und hohe Kosten für die Qualitätssicherung der Freiflächen.
Finanzierung von Freiraum heute. Zum Beispiel Berlin.
43
5.6 Private Finanzierung von Freiräumen anhand des Beispiels
Klingelhöfer Dreieck
Das ehemalige Klingelhöfer Dreieck (siehe Abb.4) hat eine wechselvolle
Geschichte hinter sich. Das Gelände liegt im Übergangsbereich zwischen der
geschlossenen Bebauung der City West, einer in der Nachkriegszeit mehrfach
überformten gründerzeitlichen Stadtstruktur südlich des Landwehrkanals,
und dem vormals mit großbürgerlichen Villen und Botschaften bebauten
Tiergartenviertel.
Das 29.000 m2 große Areal selbst wurde in den Nachkriegsjahren lediglich als
Festwiese und Parkplatz genutzt. Dieser Status einer innerstädtischen Brache
änderte sich trotz verschiedener Planungen erst nach der Wiedervereinigung.
Im Flächennutzungsplan 1994 war es nun wieder als Standort für Botschaften
und gehobenes innerstädtisches Wohnen vorgesehen, außerdem hatten die
fünf nordischen Länder beschlossen, ein gemeinsames Botschaftszentrum auf
dem nördlichen Klingelhöfer Dreieck zu errichten. (nach: Stadtwandel-Verlag,
S.6)
1995 lobte das Land Berlin erneut einen beschränkten städtebaulichen
Ideenwettbewerb nun nur noch für den südlichen Teil des Klingelhöfer
Dreiecks aus, mit dem Ziel der Errichtung von Botschafts-, Verbandsbauten
sowie qualitativ hochwertigem Wohnen, einschließlich notwendiger
Wohnfolgeeinrichtungen und ergänzender Dienstleistungsbereiche. (nach:
Stadtwandel-Verlag, S.44)
Im Kreis der sieben eingeladenen Teilnehmer konnten sich das Büro Machleidt
+ Partner und Walther Stepp (beide Berlin) mit ihrem Konzept einer an
gründerzeitliche Blockstrukturen erinnernden Baustruktur um einen kleinen
Park durchsetzen. Im April 1996 wurde nach Überarbeitung und teilweiser
Orthogonalisierung des Wettbewerbsergebnisses das städtebauliche
Konzept endgültig verabschiedet. In einem anschließend im Januar /
Februar 1997 gemeinsam vom Senat und der Groth Gruppe durchgeführten
Realisierungsworkshop prämierte die Jury den Entwurf von Hilmer Sattler +
Albrecht und bestätigte damit das städtebauliche Konzept von Machleit und
44
Stepp. Die Blöcke entlang der Klingelhöfer-, der Cornelius- und der Stülerstraße
wurden zur weiteren Bearbeitung unter alle am Workshop beteiligten aufgeteilt
und mit Ausnahme des Eckgrundstückes Klingelhöfer- / Corneliusstraße,
welches durch die CDU erworben wurde, im Rahmen eines im Mai 1998
geschlossenen städtebaulichen Vertrages an die Groth Gruppe verkauft.
Die verbleibenden vier landeseigenen Grundstücke an der Rauchstraße
wurden bis auf die historische Stadtvilla (1912 von Georg Rathenau und
Friedrich August Hartmann) anderweitig veräußert. Die Blockecke Stüler- /
Rauchstraße ging an die Republik Jemen, die Blockecke Klingelhöfer- /
Rauchstraße an die Vereinigten Staaten von Mexiko, das verbleibende
Grundstück (Teilfläche 12) wurde an die Wirtschaftsprüfkammer veräußert. Für
die beiden letzteren sowie für die CDU-Parteizentrale wurden 1997 und 1998
eigene Realisierungswettbewerbe durchgeführt. Die Investitionskosten für alle
Anlagen und Gebäude, ohne Kosten für die Botschaften, belaufen sich in der
Bauzeit von 1998 bis 2001 auf rund 350 Millionen Mark. (nach: StadtwandelVerlag, S. 8-42)
Der als Hofgarten oder Pocket-Park bezeichnete Blockinnenraum (siehe
Abb. 5) reiht sich nach Auffassung von Machleidt/Stepp und Burger/Tischer
als eigene Identität zwischen die im südlichen Tiergartenviertel vertretenen
Freiräume"Blockpark" (IBA-Projekt Rauchstraße), Schulhof (Caniuskolleg),
Ehrenhof (Bendlerblock) und Piazza (Kulturforum) ein. In den Pocket-Park
mit seinen 6000 m² wurden 900000 Euro investiert. Dies entspricht einem
Quadratmeter-Preis von 150 Euro , der weit übe r den Quadratmeter-Preisen
öffentlich finanzierter Projekte liegt. (nach: Stadtwandel-Verlag, S. 43)
Bei allem angeführten Berlinischen Kontextualismus, bei allem Anspruch auf
Normalität, ist sowohl die städtebauliche Figur als auch die Idee der Schaffung
eines öffentlich zugänglichen privaten Parks, der in seinem Wesen zwischen
der Privatheit eines normalen Blockinnenbereichs und einer repräsentativen
Grünanlage schwankt, in Berlin grundsätzlich neu.
6
Fazit
Es existieren viele unterschiedliche Methoden zur Finanzierung von Freiräumen
durch öffentliche und private Hand. Dabei existieren große Unterschiede in
den Ausführungen, in der Unterhaltung und in der Qualität der Freianlagen.
Kooperationen zwischen privaten und öffentlichen Institutionen sollten stärker
gefördert werden, um das Verständnis untereinander zu verbessern. Des
Weiteren wäre eine Vereinfachung des Verwaltungsaufwandes für die öffentliche
und private Hand hilfreich, da der Zeitfaktor bei solchen Bauprojekten ebenfalls
ein erheblicher Kostenfaktor ist. Eine Förderung und Anwerbung von privaten
Investoren ist aufgrund der knappen Haushaltslage der Stadt Berlin momentan
unabdingbar. Denn, wie in Kapitel 1.2 beschrieben, ist es gerade der „grüne
Bereich“, in dem eine Stadt, im Beispiel hier Berlin, die ersten Einsparungen
vornimmt.
Das Verhältnis von privaten und öffentlichen Freiflächen hinsichtlich ihrer
Nutzung und damit auch hinsichtlich ihrer Pflege und Unterhaltung sollte neu
durchdacht werden. Entstehende Kosten für Erhaltungsmaßnahmen müssten
schon in der Planungsphase seitens des Planers und Investors berücksichtigt
werden. Denn nur so kann es zu einer Planung kommen, die Qualität besitzt.
Diese Qualität setzt sich wiederum fort in der Ausführung, aber vielmehr noch
in der entstehenden Pflege. Schließlich sind es gerade die Freiflächen und
Außenanlagen, mit denen sich eine Stadt schmücken kann. Nicht zuletzt
haben sie auch eine gewisse Repräsentationspflicht zu erfüllen, denn welcher
Bewohner oder Tourist könnte eine Stadt wie Berlin anziehend finden, wenn
diese nicht auch durch Parks, Plätze und grüne Oasen überzeugen würde?!
Finanzierung von Freiraum heute. Zum Beispiel Berlin.
45
Quellenverzeichnis
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für die Schaffung neuer Märkte?, Fachhochschule für Technik und Wirtschaft.
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46
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Tabellen/ Abbildungen
Tab.1 eigene Darstellung
Tab.2 Clemens-Ziegler, B./ Look, F., Public Private Partnership – Eine
Konzeption für die Schaffung neuer Märkte?, Fachhochschule für Technik und
Wirtschaft. Berlin 1998
Abb.1 Tagesspiegel 6.12.2002
Abb.2 Heinrich, Alexander, Sponsoring als Instrument zur Finanzierung
öffentlicher
Freianlagen Diplomarbeit TU Berlin Fachgebiet LA Loidl, 1999
Abb.3 Aufbau der One-Stop-Agency in Berlin
Abb.4 Blick auf das Tiergarten Dreieck/ Klingelhöfer Dreieck
Abb.5 Blick in den Pocket-Park
Kontakte
Grün Berlin Park und Garten GmbH. Ansprechpartner: Herr Göhler
Grün Berlin Park und Garten GmbH – Erholungspark Marzahn
Ansprechpartner: Frau Reuber
Engelhardt, Birgit – Dipl. Ing. Landschaftsarchitektin, Amt Marzahn
Nachhaltige Stadtentwicklung Rummelsburger Bucht: Projektträger:
Wasserstadt GmbH; Ansprechpartner: Uli Hellwig, Geschäftsführer;
www.rubu.de
Finanzierung von Freiraum heute. Zum Beispiel Berlin.
47
karin moser
christina röske
katarzyna weiss
Was kostet der Ort?
1
Einleitung
„Was kostet der Ort“? Das gilt es in diesen Ausführungen zu klären. Wie
entstehen Kosten? Welche Kosten entstehen? Was hat Einfluss auf diese
Kosten? Theoretisches Hintergrundwissen ermöglicht die Anwendung an
praktischen Beispielen. Aus diesem Grund ist das Referat in einen theoretischen
und einen praktischen Teil gegliedert. Normen und Regelwerke, durch die die
Kosten für Freiflächen bestimmt werden, werden beschrieben. Die DIN 276
(Norm zur Errichtung einer Freifläche), das Pflegezumessungsmodell (Modell
zur Pflege und Erhaltung der Freifläche nach Fertigstellung) und die HOAI
(Honorarordnung von Architekten und Ingenieure) werden näher vorgestellt und
im praktischen Teil auf konkrete Beispielparks bezogen. Hier wird eine Übersicht
über die verwendeten Kostengruppen, Materialien, Quadratmeterpreise und
Bauvolumen zusammengestellt. Es werden Fragestellungen wie die Rolle des
Standorts, das Verhältnis Folgekosten zu Herstellungskosten und die Rolle
der Qualität beleuchtet. Den Einstieg bildet aber zunächst das theoretische
Hintergrundwissen.
2
Theoretischer Teil
2.1
DIN 276 : Kosten im Hochbau
2.1.1 Geschichte und Zweck
Zum ersten Mal wurde die DIN 276 im August 1934 mit dem Titel „Kosten von
Hochbauten“ zusammen mit der DIN 277 (Grundflächen und Rauminhalte von
Bauwerken im Hochbau) herausgegeben. Beide Normen wurden danach oft
neu bearbeitet und neu verfasst, unter anderem 1971 und 1981. Im Juni 1993
hat der Deutsche Normenausschuss Bauwesen (NABau) die heute gültige,
neugestaltete DIN 276 „Kosten im Hochbau“ herausgegeben und damit die
50
Norm, Ausgabe April 1981, abgelöst. Der neue Titel weist darauf hin, dass auch
die anderweitig entstehenden Aufwendungen, wie Kosten für Außenanlagen
und Baunebenkosten von ihr abgedeckt werden. Sie ist eine Rechtsverordnung,
mit dem 1. Wohnungsbaugesetz von 1950 als Ermächtigungsgrundlage.
Die DIN 276 dient der Ermittlung der anrechenbaren Kosten im Rahmen der
Honorarermittlung nach der HOAI. Diese Kostenermittlung ist Vorraussetzung
für die Prüffähigkeit eines Honoraranspruches nach HOAI, deswegen sollten
alle Kostenermittlungen für Hochbauten, von der Kostenschätzung bis zur
Kostenfeststellung, nach DIN 276 angefertigt werden.
2.1.2 Gliederung
Die DIN 276 ist in die folgenden vier Bereiche unterteilt:
Anwendungsbereich
Begriffe
Kostenermittlung und
Kostengliederung.
2.1.2.1Anwendungsbereich
Der Anwendungsbereich wird exakt umschrieben. Es werden die
Investitionskosten für Maßnahmen zur Herstellung, zum Umbau und zur
Modernisierung der Bauwerke einschließlich aller dabei entstehenden Kosten
ermittelt.
Die Norm gilt für Kostenermittlungen nach dem Stand der Bauplanung, nicht
aber
für Kostenannahmen, die vor Beginn der Bauplanung als Vorwegangaben für
den
finanziellen Rahmen gebräuchlich sind.
2.1.2.2Begriffe
Es werden die
Kostenermittlung,
Begriffe
Kosten
im
Hochbau,
Kostenplanung,
Kostenschätzung, Kostenberechnung, Kostenanschlag, Kostenfeststellung,
Kostenkontrolle, Kostensteuerung, Kostenkennwert, Kostengliederung,
Kostengruppe und Gesamtkosten definiert.
2.1.2.3Kostenermittlung
Die Kostenermittlung ist in zwei Abschnitte gegliedert.
Der erste Abschnitt umfasst die Grundsätze der Kostenermittlung. Sie
behandeln Zweck, Darstellung, Art, Vollständigkeit, Kostenermittlung bei
Bauabschnitten, Kostenstand, Grundlagen, Erläuterungen, besondere Kosten,
wiederverwendete Teile, Eigenleistungen sowie die Umsatzsteuer. Sie wurden
in erweiterter Form dargestellt, um eine verbesserte Wirtschaftlichkeit und
Kostensicherheit zu erreichen.
Im zweiten Abschnitt werden die vier Arten der Kostenermittlung dargestellt.
Dazu gehören die Kostenschätzung, die Kostenberechnung, der
Kostenanschlag und die Kostenfeststellung, zu denen Folgendes anzumerken
ist.
Kostenschätzung
Die Kostenschätzung ist die überschlägige Ermittlung der Gesamtkosten,
bereits zu einem Zeitpunkt, in dem die Planung erst in groben Umrissen
erkennbar ist. Sie ist, im Gegensatz zu den anderen Kostenermittlungsarten,
noch unverbindlich und erfordert einen geringeren Zeitaufwand. In ihr
sollen die Gesamtkosten nach Kostengruppen mindestens bis zur ersten
Ebene der Kostengliederung ermittelt werden, es werden aber noch keine
Einzelleistungen erfasst. Sie dient als Grundlage für die Entscheidung über
die Vorplanung und findet dementsprechend in der Vorplanungsphase
(Leistungsphase 2 der HOAI) statt, in der nur wenige grobe Planungsund Kostendaten vorliegen. Dabei werden die Flächen- und Rauminhalte
möglichst genau ermittelt und mit Erfahrungswerten multipliziert.
Abb.1: Beispiel für eine Kostenschätzung
Was kostet der Ort?
51
Kostenberechnung
Die Kostenberechnung ist eine verbindliche Unterlage und stellt eine
angenäherte Ermittlung der Kosten dar (die Genauigkeit liegt bei 10 - 15
%). In ihr sollen die Gesamtkosten nach Kostengruppen mindestens bis zur
zweiten Ebene der Kostengliederung ermittelt werden.
Sie dient als Grundlage für die Entscheidung über die Entwurfsplanung und
findet in der entsprechenden Phase (Leistungsphase 3 der HOAI) statt. Ihre
Grundlagen sind Vorentwurfs-/Entwurfspläne, gegebenenfalls Detailpläne,
die Massenberechnung sowie ausführliche Erläuterungen. Es findet eine
Feingliederung der Kostendaten und der Planungsdaten nach Bauteilen,
Bauelementen, etc. statt. Die Kosten für ein Bauvorhaben können anhand
von Listen zu Garten- und Landschaftsbauarbeiten kalkuliert werden.
52
Kostenanschlag und Kostenfeststellung
Der Kostenanschlag ist ebenfalls eine verbindliche Unterlage. Er hat einen
sehr hohen Genauigkeitsgrad, d.h. es geht um die möglichst genaue
Ermittlung der Kosten mit nur geringfügigen Abweichungen, was einen
verhältnismäßig hohen Arbeits- und Zeitaufwand erfordert. Er stützt sich
unter anderem auf vollständige Planungsunterlagen, Berechnungen der
Mengen von Bezugseinheiten der Kostengruppen sowie Erläuterungen zur
Bauausführung, wie Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnis.
Er dient zur Kostenkontrolle, weil die Kosten mit denen in der
Kostenberechnung entstandenen verglichen und geprüft werden können.
Der Kostenanschlag dient als eine Grundlage für die Entscheidung über die
Ausführungsplanung (Leistungsphase 5 der HOAI) und die Vorbereitung der
Vergabe (Leistungsphase 6 der HOAI).
Bei der Kostenfeststellung geht es um die Ermittlung der tatsächlich
entstandenen Kosten (die Genauigkeit liegt bei 100%). Sie dient zum
Nachweis der Kosten, ist dokumentarisch und zum Kostenvergleich
geeignet. Es sollten alle durch Listen oder Bücher nachgewiesenen und
durch Abrechnungsunterlagen belegten Kosten in der Systematik der
Kostengliederung geordnet und zusammengefasst werden. Sie stützt sich
auf Nachweise, zeichnerische Unterlagen und Erläuterungen. Es sollen die
Gesamtkosten nach Kostengruppen bis zur 2. Ebene der Kostengliederung
unterteilt werden und bei Baumaßnahmen, die für Vergleiche und
Kostenkennwerte ausgewertet und dokumentiert werden, sollte die
Gliederung bis zur 3. Ebene erfolgen.
Abb. 2 : Beispiel für eine Kostenberechnung
Was kostet der Ort?
53
Abb.3 : Beispiel für das Inhaltsverzeichnis Ausschreibung
54
Abb.4 : Beispiel für ein Blatt des Leistungsverzeichnisses gem. DIN 276
Im Leistungsverzeichnis wird eine Beschreibung der einzelnen Bauleistungen
aufgestellt. Die durchzuführenden Arbeiten und deren Umfang sind in
Positionen festgelegt, und zu jeder Position gehört die Mengenangabe und
die Einheit, in der geliefert, geleistet und abgerechnet wird. Es wird an die
Bewerber/Bieter (z.B. Garten- und Landschaftsbaufirmen) vergeben bzw.
ausgeschrieben und diese setzen ihre Preise in die entsprechenden Spalten
des Leistungsverzeichnisses ein und machen damit ihr Angebot, das zu einem
bestimmten Termin abgegeben werden muss.
2.1.2.1Kostengliederung
Bei der Ausführungsorientierten Gliederung der Kosten werden die Kosten
je nach Umständen oder Erfordernis des Einzelfalls so gegliedert, wie es
die Ausführung erfordert. Dabei werden die Kostengruppen der 1. Ebene
nach dem Herstellungsablauf unterteilt. In dem Fall kann die Gliederung
in Leistungsbereiche entsprechend dem Standardleistungsbuch für das
Bauwesen (StLB Abschnitt 4.4), dem Standardleistungskatalog (StLK) oder
der Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB Teil C) verwendet werden,
was der 2. Ebene der Kostengliederung entspricht. Das weitere erforderliche
Aufschlüsseln z.B. in Teilleistungen (nach Inhalt, Eigenschaften und Menge) ist
der 3. Ebene gleichzusetzen. Für die Ausschreibung landschaftsgärtnerischer
Arbeiten ist die DIN 18320 „Landschaftsbauarbeiten“ in VOB Teil C „Allgemeine
technische Vorschriften für Bauleistungen“ bindend, die Gliederung des
Leistungsverzeichnisses erfolgt nach der neuen DIN 276.
2.1.3 Fazit
Die DIN 276 bildet sozusagen einen Rahmen für die Kostenermittlung von
Bauwerken und Freiräumen. Sie hilft dabei, genaue Kosten zu ermitteln, die
Einhaltung der Kosten zu kontrollieren und die Entwicklung der Kosten zu
steuern.
Anhand der beiden nachfolgend dargestellten Projekte wird die praktische
Anwendung dieses theoretischen Überblicks der DIN 276 nochmals
verdeutlicht und dabei die erforderlichen Kostengruppen für Herstellung und
Pflege aufgeführt und konkretisiert.
2.2
Pflegezumessung
Nach der Errichtung der Grünanlage folgt die Pflege. Es gibt
Pflegezumessungsmodelle, die bestimmen, welche Kosten für die Pflege
einer Freifläche veranschlagt werden. Es gibt öffentliche und nicht-öffentliche
Freiflächen. Die als öffentlich gewidmeten Grünanlagen werden in Berlin vom
jeweiligen Bezirksamt erhalten und gepflegt. Die Pflege bei nicht öffentlichen
Flächen übernimmt ein nicht-staatlicher Träger (wird in diesem Teil nicht
bearbeitet).
2.2.1 Pflegezumessungsmodelle für öffentliche Grünanlagen
Die staatliche Pflege von Freiräumen ist in Berlin durch ein Gesetz geregelt.
Das Gesetz, zum Schutz , zur Pflege und zur Entwicklung der öffentlichen
Grün- und Erholungsanlagen vom 24. November 1997 besagt im § 4 Schutz,
Pflege und Entwicklung: „Für Schutz-, Pflege-, und Entwicklungsmaßnahmen
öffentlicher Grün- und Erholungsanlagen sollen die Bezirke der Größe und der
Bedeutung der Anlage angemessene Parkpflegewerke oder Pflegerichtlinien
aufstellen.“
Ziel ist eine Umsetzung von Pflege- und Entwicklungskonzepten für die
Fläche. Gepflegt wird nach gärtnerischen und ökologischen Grundsätzen zur
Erhaltung und Entwicklung der Grünflächen. ( SENATSVERWALTUNG FÜR FINANZEN,
2003, S. 76)
Das Zumessungsmodell für die Pflege von öffentlichen Grünanlagen
wird derzeit reformiert. In dieser Übergangsphase gelten zwei Modelle.
Das alte, demnächst abgeschaffte A04-Modell und das neue Modell der
„Outputorientierung“ (Arbeitstitel), das sich an einer Kosten-Leistungsrechnung
orientiert. Der Unterschied der beiden Modelle wird im Folgenden dargestellt.
Das alte Modell wird, obwohl es demnächst nicht mehr gilt, noch beschrieben,
um die Entwicklung nachvollziehen zu können.
Was kostet der Ort?
55
2.2.1.1A04–Modell (veraltet)
Das A04-Modell bestimmt die Höhe der Gelder für die Pflege einer Grünanlage
über zwei Bestimmungsgrößen, die Anlageart und die Pflegeklasse. Die
Anlageart ist eine Aufteilung der zu unterhaltenden Grünanlagen nach
funktionalen Gesichtspunkten. Solche Anlagearten sind:
011 Parkanlagen über 50 ha,
012 Parkanlagen 10-50 ha,
013 Wohnungsnahe Grünanlagen,
014 Naherholungsanlagen,
020 Kinderspielplätze,
030 Straßengrün,
040 Sportanlagen,
110 Kleingärten (Rahmengrün),
120 Landeseigene Friedhöfe,
050 Grünflächen an Schulen,
060 Grünflächen an Kindertagesstätten,
073 Grünflächen an öffentlichen Gebäuden und Straßenbäume.
Auf Grund von Erfahrungswerten werden für die einzelnen Anlagearten relative
Anteile von Kostenstellen festgelegt. Ein Beispiel wäre die Prozentualverteilung
einer „Wohnungsnahen Grünanlage“: Spiel– und Liegerasen mit 10,1 %,
Zierrasen mit 40,4 %, Blumenbeete mit 0,1 %, Stauden mit 0,4 %, Rosen
mit 0,3 %, Ziergehölze mit 22 %, Wildgehölze mit 11,4 %, Hecken mit 0,9 %,
Tennenflächen mit 7,2 % und Asphaltflächen mit 7,2 %. Außerdem sind 250 m
Wasserleitungen pro ha, 100 m Umzäunungen pro ha, fünf Bänke pro ha, und
fünf Papierkörbe als Kostenstellen aufgeführt.
An jeder Kostenstelle werden Arbeitsgänge verrichtet. Die Arbeitsgänge
werden in Sachmittel und Personal aufgegliedert. Zu den Sachmitteln zählen
bestimmte Kostenarten, wie z.B. Düngemittel, Wasser sowie die Abnutzung
des Rasenmähers etc. Bei den Personalkosten verzehrt jede Kostenstelle pro
56
Arbeitsgang und Einheit unter normalen Bedingungen eine bestimmte Menge
an Arbeitszeit, den Zeitaufwand, der nach Erfahrungswerten festgelegt ist.
Der Pflegeturnus ist die Häufigkeit der jeweiligen Arbeitgänge in einem Jahr.
Dieser bemisst sich in bis zu vier Pflegeklassen. Pflegeklasse I ist eine intensiv
gepflegte, Pflegeklasse IV eine extensiv gepflegte Grünanlage.
Die Berechnung der Pflegeklassen für die jeweilige Fläche ergibt sich aus der
Berücksichtigung des Nutzungsdrucks. Für „Wohnungsnahe Grünanlagen“ sind
die Pflegeklassen I-III möglich je nach den Kriterien des Versorgungsgrades mit
öffentlichen Anlagen, durchschnittliche Anlagengröße, Anteil der Wohnungen in
Mehrfamilienhäusern und Anteil ausländischer Bevölkerung. Die Berechnung
erfolgt nach statistischen Gebieten innerhalb der Bezirke. Bei „Parkanlagen mit
10-50 ha“ sind die Pflegeklassen II-III möglich. Die Kriterien werden innerhalb
festgelegter Einzugsbereiche (mehrere statistische Gebiete) für die jeweilige
Parkanlage erhoben und sind identisch mit denen der „Wohnungsnahen
Grünanlage“. Für „Naherholungsanlagen“ können alle Pflegeklassen zutreffen
je nach der Intensität der Nutzung. Anlagearten für die Pflegeklasse I sind
verkehrsgünstig gelegene Erschließungsbereiche (z.B. Dampferanlegestellen),
unter II fallen Uferpromenaden und -wanderwege, unter III fallen waldähnliche
Parkanlagen mit Intensivzonen spezieller Nutzung (z.B. Badewiesen),
unter IV sind waldähnliche Parkanlagen ohne Intensivzonen zu finden. Bei
Straßenbäumen erfolgt die Einteilung der Pflegeintensität aufgrund des Alters.
Die möglichen Pflegeklassen werden mit A, B, C beschrieben. Ein bis 15 Jahre
alter Baum fällt unter A, 15-40 Jahre B, über 40 Jahre C.
Der Jahresbedarf für eine Einheit jeder Kostenstelle (m2 bzw. Stück) ist das
Produkt von Pflegeturnus und Bedarf einer Kostenart (für Sachmittel) bzw.
Zeitaufwand (für Personal) pro Arbeitsgang. Bei den Sachmitteln wird der
Jahresbedarf mit den marktüblichen Preisen bewertet.
Entsprechend der Struktur (relative Anteile) der Kostenstellen für die einzelnen
Anlagearten und dem Jahresbedarf einer Einheit der Kostenstellen wurde
der jährliche Bedarf pro m2 bzw. ha jeder Anlageart für die entsprechenden
Pflegeklassen (Pflegeturnus) ermittelt.
Zum Beispiel ergibt das bei den Sachmitteln 2,81 DM für einen m2 der Anlage
„Wohnungsnahe Grünanlage“ (Pflegeklasse I). Die Beträge bilden Richtwerte
für den laufenden Sachaufwand, Beschaffungen und Erneuerungen. Die
Kostenrichtwerte werden jährlich nach dem Preissteigerungsindex für
Wohngebäude fortgeschrieben.
Das Personal hat folgende Richtwerte auf dieses Beispiel: 1456 Stunden je ha
der Anlageart „Wohnungsnahe Grünanlagen“ (Pflegeklasse I). Diese Richtwerte
wurden im Rahmen der Einführung neuer Richtwerte für die Bemessung des
Personalbedarfs im Grünpflegebereich der bezirklichen Gartenbauämter 1987
erstmals angewendet. Die Richtwerte wurden aufgrund von Rationalisierungen
an die jeweilige Zeit angepasst. (SENSTADT I F 312, 2000, o.S.)
Der Nachteil dieses Modells ist die Steuerung der Bemessung über den Input,
also nach den Haushaltsansätzen. Der Haushalt hat eine Summe festgelegt
und diese wurde ausgegeben, egal ob nötig oder nicht. Die festgesetzten
Gelder orientieren sich nicht an den tatsächlichen Ausgaben für die Grünanlage.
Hier wird eine Unwirtschaftlichkeit gesehen, was die Reformierung dieser
Pflegebemessung veranlasst hat.
2.2.1.1Das neue Modell (Outputorientierung)
Die Budgetierung der Bezirksämter baut auf die Daten der Kosten- und
Leistungsrechnung auf und erfordert ein finanzorientiertes Berichtswesen
auf allen Managementebenen. Die Einführung einer ergebnisorientierten
Budgetierung auf Basis von Kostenrechnungsdaten (Berliner Budgetierung)
ist bis zum Juni 2003 noch nicht vollständig abgeschlossen. Das Konzept der
„Outputorientierung“ steht. Die Umsetzung wird schrittweise eingeleitet.
Der Output stellt die Arbeitsergebnisse der Berliner Verwaltung dar, auch
Produkte (z.B. Grünflächen) genannt. Dieser Produktkatalog ist ein wesentliches
Reformelement und Grundlage für die Kosten- und Leistungsrechnung. In ihm
spiegeln sich die Ergebnisse der Leistungen der Berliner Verwaltung wider.
Aufgrund der unterschiedlichen Aufgabenstrukturen in den Bezirken und der
Hauptverwaltung gibt es für diese jeweils einen Produktkatalog. Dieser wurde
erstmalig 1994 entwickelt und seitdem regelmäßig aufgrund neu gewonnener
Ergebnisse angepasst. Produkte sind in Hierarchien eingebunden, um
den unterschiedlichen Informationsbedürfnissen der Verwaltungen gerecht
zu werden. Konkret setzt sich ein Produkt aus verschiedenen Leistungen
zusammen. Bei einer Größenordnung von ca. 10000 Leistungen allein in
den Bezirken wird deutlich, warum die Produkt- und nicht die Leistungsebene
den richtigen Anknüpfungspunkt für eine Steuerung und Budgetierung bildet.
Produkte, die in einem unmittelbaren fachlichen Zusammenhang stehen,
werden zu Produktgruppen zusammengefasst. Mehrere Produktgruppen
werden wiederum einem Produktbereich zugeordnet. Produktbereiche stellen
die höchste Aggregationsebene der Produkthierarchie dar und bilden das
Leistungsspektrum der einzelnen Verwaltungseinheiten ab. Thematisch lassen
sich die Produktbereiche damit den bezirklichen Abteilungen (Fachbereichen)
zuordnen.
Das
angewendete
Verfahren
zur
Outputbewertung
wird
als
Kostenträgerrechnung bezeichnet. Dafür werden zunächst alle Kostendaten
durch die Kosten-Leistungsrechnung erfasst. Diese Kosten werden den
Produkten zugeordnet, die deshalb als Kostenträger bezeichnet werden. Die
Ergebnisse der Kostenträgerrechnung bilden die Grundlage für die Berechnung
von Globalbudgets für einzelne Verwaltungen (zentrale Budgetierung) sowie
deren interne Verteilung auf die beteiligten Stellen (dezentrale Budgetierung).
Das heißt, dass erst anhand der Transparenz der eigenen Arbeitsergebnisse
und des daraus resultierenden Budgets sich für jede Organisationseinheit
Anreize zum wirtschaftlichen Umgang mit den eigenen Mitteln ergeben und
dies zum optimalen Einsatz knapper Ressourcen führt.
Das Steuerungsinstrument für den effizienten Umgang mit knappen Ressourcen
ist das Controlling. Es werden durch ein Berichtswesen Aussagen über IstZustand und über Abweichungen der Daten aus der Kosten-Leistungsrechnung
getroffen. Dieses Berichtswesen des Controllings basiert auf Produktdaten und
unterstützt so eine ergebnisorientierte Steuerung. Durch das Berichtswesen
werden die vielfältigen Kostendaten ergebnisorientiert übersichtlich aufbereitet
Was kostet der Ort?
57
und wesentliche Informationen zusammengefasst. Die Berichte dienen
demnach als Planungs- und Entscheidungsgrundlage für die verantwortlichen
Stellen.
(Abschluss Kostenrechnung 1999, Produktsummenbudget.)
Als Ergebnis wird eine bessere Steuerung der tatsächlichen Arbeitsergebnisse
angestrebt und eine neue Qualität in der Finanzmittelzuweisung erhofft.
„Die Bezirksverwaltungen mit ihrer einheitlichen Produktpalette bieten gute
Voraussetzungen für den Praxiseinsatz dieses in der Bundesrepublik neuen,
wettbewerbsorientierten Finanzmittelzuweisungsverfahren“ (SENATSVERWALTUNG
FÜR FINANZEN II B3, 1998, S. 1).
1999 wurde erstmals auf Grundlage der Jahresdaten aus der Kosten- und
Leistungsrechnung für alle Bezirke ein Jahresabschluss erstellt. Dieser
Jahresabschluss 1999 bildete die Grundlage für den Einstieg in die outputorientierte
Budgetierung der Berliner Bezirke. Im Ergebnis wurde für jeden Bezirk ein
Produktsummenbudget ermittelt, in dem die Budgetanteile aller Produkte
zusammengefasst sind. Um die Ernsthaftigkeit des Budgetierungseinstiegs
zu unterstreichen, wurden diese Produktsummenbudgets bei der Berechnung
der Globalsummen für das Haushaltsjahr anteilig berücksichtigt, bis das neue
System vollständig übernommen wird.
Schema: Outputorientierung
Arbeitsergebnisse
Kosten-Leistungsrechnung
Budgetierung
Controlling
58
2.3
Die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI)
Die Grundlage für die Schaffung der HOAI bildet das Gesetz zur Verbesserung
des Mietrechts und zur Begrenzung des Mietanstiegs sowie zur Regelung
von Ingenieur- und Architektenleistungen (MRVG), welches 1971 in Kraft
getreten war. Der Artikel 10 §§ 1,2 ermächtigte die Bundesregierung durch
eine Rechtsverordnung, eine Honorarordnung zur Regelung von Architektenund Ingenieursleistungen zu erlassen. Das Bundesministerium für Wirtschaft
gab den entscheidenden Anstoß zur Entwicklung der HOAI, indem es die
Gruppe Pfarr/Arlt/Hobusch mit der Vorformulierung der HOAI beauftragte.
Auf dieser Grundlage entstand die im Wesentlichen noch heute geltende
Honorarordnung. Sie trat am 1. Januar 1977 in Kraft. Es folgten eine Reihe
von Änderungsnovellen, die die HOAI erweiterten und vervollständigten.
Im Wesentlichen regelt die HOAI Mindest- und Höchstpreise von Architektenund Ingenieursleistungen. Sie hat lediglich preisrechtlichen Charakter, d.h. sie
greift nicht in die Vorschriften des Vertragsrechts ein. Selbst der § 8, der die
Zahlung des Honorars regelt, gilt trotz seines vertragsrechtlichen Inhalts als
Preisrecht.
2.3.1 Anwendungsbereiche
Nach § 1 gilt die HOAI für die Berechnung der Entgelte für erbrachte
Architekten- und Ingenieursleistungen. Dabei ist es unmaßgeblich, ob es sich
tatsächlich um Architekten und Ingenieure oder um Berufsfremde handelt, denn
ausschlaggebend ist die erbrachte Leistung. Der sachliche Anwendungsbereich
der HOAI umfasst also alle Leistungen, die in den Leistungsbildern der
Honorarordnung erfasst sind. Sie wirkt also tätigkeitsbezogen, nicht
berufsbezogen.
Der räumliche Anwendungsbereich erstreckt sich über das gesamte
Bundesgebiet, sofern von Deutschen Architekten- oder Ingenieursleistungen
im Inland erbracht werden. Diese Regelung gilt auch für Ausländer, die zur Zeit
des Vertragsabschlusses ihren Geschäftssitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in
Deutschland haben.
Übersteigen die anrechenbaren Kosten die Summen, die in den Honorartafeln
erfasst sind, ist die HOAI nicht mehr anwendbar. In solchen Fällen können die
beteiligten Parteien das Honorar frei vereinbaren, ohne sich an die Mindestund Höchstsätze der Honorarordnung halten zu müssen.
2.3.2 Aufbau
Die HOAI ist in 14 Teile eingeteilt. Teil I umfasst die allgemeinen Vorschriften,
die für alle nachfolgenden Vorschriften Gültigkeit haben. In den Teilen II bis XIII
sind in sich abgeschlossene Leistungsbilder dargestellt. Der Teil XIV dagegen
beinhaltet Überleitungs- und Schlussvorschriften, die sich auf den gesamten
Text der HOAI beziehen.
Teil I:
Allgemeine Vorschriften; ist unterteilt in die Paragraphen:
§ 1 Anwendungsbereich
§ 2 Leistungen
§ 3 Begriffsbestimmungen
§ 4 Vereinbarung des Honorars
§ 5 Berechnung des Honorars in besonderen Fällen
§ 6 Zeithonorar
§ 7 Nebenkosten
§ 8 Zahlungen
§ 9 Umsatzsteuer
Teil II: Leistungen bei Gebäuden, Freianlagen und Innenräumen
Teil III: Zusätzliche Leistungen
Teil IV: Gutachten und Wertermittlungen
Teil V: Städtebauliche Leistungen
Teil VI: Landschaftsplanerische Leistungen
Teil VII: Leistungen bei Ingenieursbauwerken und Verkehrsanlagen
Teil VII a:
Verkehrsplanerische Leistungen
Teil VIII: Leistungen bei der Tragwerksplanung
Teil IX: Leistungen bei der Technischen Ausrüstung
Teil X:
Teil XI:
Teil XII:
Teil XIII:
Teil IV:
Leistungen für Thermische Bauphysik
Leistungen für Schallschutz und Raumakustik
Leistungen für Bodenmechanik, Erd- und Grundbau
Vermessungstechnische Leistungen
Schluss- und Überleitungsvorschriften
Für die Profession des Landschaftsarchitekten gilt im Besonderen der Teil II
der HOAI: Leistungen bei Gebäuden, Freianlagen und Innenräumen.
2.3.1 Leistungsbilder
In der HOAI sind die Tätigkeitsbereiche der Architekten und Ingenieure in
Leistungsbildern erfasst. Die in Leistungsbildern erfassten Leistungen gliedern
sich laut § 2 der HOAI in Grundleistungen und Besondere Leistungen.
Grundleistungen umfassen die Leistungen, die zur ordnungsgemäßen Erfüllung
eines Auftrages unbedingt erforderlich sind. Sind besondere Anforderungen an
die Ausführung eines Auftrages gestellt, die über die allgemeinen Leistungen
hinausgehen, spricht man von Besonderen Leistungen. Grund- und Besondere
Leistungen greifen bei der Ausführung eines Auftrages ineinander über. Liegen
nur Teilergebnisse innerhalb einer Leistungsphase vor, wird der gesamte Ablauf
einer Planung empfindlich gestört.
Die einzelnen Leistungsbilder sind unterteilt in Leistungsphasen, die den
chronologischen Ablauf einer Planung skizzieren.
Für die Leistungen im Bereich Landschaftsarchitektur gilt das Leistungsbild
Objektplanung für Gebäude, Freianlagen und raumbildende Ausbauten, das
im § 15 aufgeführt ist. Die Leistungen dieses Leistungsbildes umfassen 9
Leistungsphasen, die in einem detaillierten Leistungskatalog zu finden sind.
Die einzelnen Leistungsphasen sind:
Leistungsphase 1 – Grundlagenermittlung:
Die Grundlagenermittlung umfasst Arbeitsgänge, die im Vorfeld einer Planung
von Bedeutung sind. Voraussetzungen werden geschaffen, die für die
Ausführung eines Auftrages erforderlich sind.
Was kostet der Ort?
59
Grundleistungen
z.B.
Klären
der
Aufgabenstellung,
Beraten
zum
Leistungsbedarf,
Formulieren von Entscheidungshilfen
Besondere Leistungen
Grundleistungen
Besondere Leistungen
z.B. Bestandsaufnahme, Standortanalyse,
z.B. Objektbeschreibung mit Erläuterung
von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen,
zeichnerische
Darstellung
des
Gesamtentwurfs,
Verhandlung
mit
Behörden, Kostenberechnung nach DIN
276
z.B. Wirtschaftlichkeitsberechnung,
Prüfen der Umweltverträglichkeit
Leistungsphase 2 – Vorplanung:
In dieser Phase wird ein Planungskonzept erstellt, das die Vorstellungen des
Auftraggebers berücksichtigt. Das Planungskonzept (Vorentwurf) beinhaltet
auch alternative Lösungsansätze und wird zeichnerisch abgebildet. Um dem
Auftraggeber eine grobe Übersicht über die auf ihn zukommenden Kosten
zu geben, wird in dieser Planungsphase die Kostenschätzung nach DIN 276
vorgenommen.
Leistungsphase 4 – Genehmigungsplanung:
Die Planungsunterlagen müssen nun im genehmigungsreifen Zustand
vorliegen.
Grundleistungen
Besondere Leistungen
Grundleistungen
Besondere Leistungen
z.B.
Vorentwurf,
Integration
der
Leistungen anderer an der Planung
z.B. Aufstellen eines Finanzierungsplanes,
Mitwirken bei der Kreditbeschaffung,
z.B. Erarbeiten der Vorlagen, die
für
Genehmigungen
erforderlich
sind,
Einreichung
der
Vorlagen,
z.B.
Fachliche
und
organisatorische
Unterstützung
des
Bauherrn
im
Widerspruchsverfahren, Klageverfahren o.ä.
Beteiligter,
Vorverhandlungen
mit
Behörden, Kostenschätzung nach DIN
276
Aufstellen
eines
Organisationsplanes
Zeit-
und
Leistungsphase 3 – Entwurfsplanung:
Das Ergebnis dieser Leistungsphase ist ein vollständiger Gesamtentwurf, der
aber noch nicht die Form von eingabereifen Plänen entspricht. Je nach Art und
Größe des Bauvorhabens ist er im Maßstab 1:500 bis 1:100 vorzulegen. Nach
der Kostenschätzung erfolgt in der Leistungsphase 3 die Kostenberechnung.
60
Vervollständigen und Anpassen der
Pläne
Leistungsphase 5 – Ausführungsplanung:
Der
Ausführungsplan
wird
erstellt,
mit
Detailplanung
und
Konstruktionszeichnungen bis zum Maßstab 1:1. Der Ausführungsplan enthält
alle notwendigen Angaben und schriftliche Erläuterungen, die zur Ausführung
der Planung notwendig sind. Änderungen des Plans aufgrund von neuen
Wünschen des Auftragsgebers (z.B. Verwendung anderer Baustoffe) sind als
besondere Leistungen abzurechnen.
Grundleistungen
Besondere Leistungen
Grundleistungen
Besondere Leistungen
z.B. Durcharbeiten der Ergebnisse der
z.B. Erarbeiten von Detailmodellen
z.B. Überwachen der Ausführung des
z.B. Tätigkeit als verantwortlicher Bauleiter
Leistungsphasen 3 und 4, Erstellen des
Ausführungsplans
Leistungsphase 6 – Vorbereitung der Vergabe:
In dieser Phase hat eine Mengenermittlung und -zusammenstellung
als Grundlage zur Aufstellung von Leistungsbeschreibungen mit
Leistungsverzeichnissen zu erfolgen.
Grundleistungen
z.B.
Mengenermittlung
Zusammenstellung, Aufstellen
Leistungsverzeichnissen
Besondere Leistungen
und
von
z.B. Aufstellen von Kostenübersichten unter
Auswertung der Beiträge anderer an der
Planung Beteiligter
Leistungsphase 7 – Mitwirkung bei der Vergabe:
Anhand der in Phase 6 entstandenen Leistungsbeschreibung mit
Leistungsverzeichnissen, sind nun Angebote von Firmen einzuholen und zu
prüfen. Ein Preisspiegel ist anzufertigen und der Kostenanschlag nach DIN
276 ist aufzustellen. Mit den bietenden Firmen ist zu verhandeln. Mit einer
Vollmacht vom Auftraggeber kann der Planer Verträge mit den Unternehmen
abschließen.
Grundleistungen
Besondere Leistungen
z.B. Einholen von Angeboten, Prüfen und
z.B.
Werten der Angebote, Kostenanschlag
nach DIN 276
von
Preisspiegeln
Anforderungen
Aufstellen,
Prüfen
nach
und
Werten
besonderen
Leistungsphase 8 – Objektüberwachung (Bauüberwachung):
Der Planer überwacht die korrekte Ausführung seiner Planungen. Er muss
dabei nicht ständig auf der Baustelle anwesend sein.
Objekts, Aufstellen und Überwachen
eines Zeitplans, Kostenfeststellung
nach DIN 276, Kostenkontrolle
Leistungsphase 9 – Objektbetreuung und Dokumentation:
In dieser Phase erfolgt u.a. eine Objektbegehung zur Feststellung etwaiger
Mängel. Der Planer ist für einen festgelegten Zeitpunkt zur Mängelbeseitigung
verpflichtet. Spätestens nach 5 Jahren endet aber diese Frist.
Grundleistungen
z.B.
Objektbegehung
Mängelfeststellung, Überwachen
Beseitigung von Mängeln
Besondere Leistungen
zur
z.B. Erstellen von Bestandsplänen, Erstellen
der
von Wartungs- und Pflegeverzeichnissen,
Baubegehung nach Übergabe
2.3.2 Honorarberechnung
Das Honorar für die erbrachten Leistungen im objektplanerischen Bereich
errechnet sich laut HOAI nach:
-
den anrechenbaren Kosten (§ 10)
der zulässigen Honorarzone (§§ 13 und 14)
dem Honorarsatz (§ 17)
dem Leistungsumfang (§ 15)
2.3.2.1Anrechenbare Kosten
Im § 10 wird der Planer verpflichtet, seine erbrachten Leistungen in drei
Phasen abzurechnen und die ermittelten Summen als anrechenbare Kosten
vorzulegen.
Die anrechenbaren Kosten für die Leistungsphasen 1 bis 4 errechnen sich
Was kostet der Ort?
61
auf der Grundlage der Kostenberechnung nach DIN 276. Liegt diese nicht vor
dient die Kostenschätzung als Grundlage.
Der Kostenanschlag bildet die Basis für die Ermittlung der anrechenbaren
Kosten für die Leistungsphasen 5 bis 7. Liegt kein Kostenanschlag vor, wird
die Kostenberechnung zur Hilfe gezogen.
Für die Leistungsphasen 8 bis 9 bildet die Kostenfeststellung die Grundlage
zur Ermittlung der anrechenbaren Kosten. Im Falle des Fehlens einer
Kostenfeststellung dient der Kostenanschlag als Basis zur Errechnung.
Zone IV:
Zone V:
Freianlagen mit 23 bis 29 Punkten
Freianlagen mit 30 bis 35 Punkten
2.3.2.2Honorarzone
Um das Honorar ermitteln zu können, sieht die HOAI die Beurteilung von Plan
ungsschwierigkeitsgraden mit Hilfe von Honorarzonen vor. Für die Leistungen
bei Freianlagen gibt es fünf Honorarzonen, in die der Planer seine Leistung
einzuordnen hat:
Zone I: sehr geringe Planungsanforderungen
Zone II: geringe Planungsanforderungen
Zone III:
durchschnittliche Planungsanforderungen
Zone IV:
überdurchschnittliche Planungsanforderungen
Zone V:
sehr hohe Planungsanforderungen
Im einfachsten Fall ist die Einordnung in eine Honorarzone eindeutig, aber oft sind
Einzelleistungen erbracht worden, die unterschiedliche Schwierigkeitsstufen
aufweisen und somit in verschiedene Honorarzonen einzuordnen sind. In
solch einem Fall werden Einzelkriterien, die im Absatz 3 des § 13 aufgeführt
sind, isoliert mit bis zu acht Bewertungspunkten versehen. Aus der Summe
der Bewertungspunkte ergibt sich, laut § 13 Absatz 2, die Einordnung in die
zutreffende Honorarzone:
Zone I: Freianlagen mit bis zu 8 Punkten
Zone II: Freianlagen mit 9 bis 15 Punkten
Zone III:
Freianlagen mit 16 bis 22 Punkten
62
Abb. 5 Honorartafel für Grundleistungen bei Freianlagen
2.3.2.1Honorarsatz
Der § 17 enthält die für Landschaftsarchitekten interessante Honorartafel für
Grundleistungen bei Freianlagen. Zu den jeweiligen anrechenbaren Kosten
sind, für jede Honorarzone einzeln, Mindest- und Höchstsätze der Honorare
festgesetzt. Innerhalb dieser Spanne bewegt sich das zu zahlende Honorar an
den Planer, das verhandelt werden kann. Wenn nicht anders vereinbart gilt der
Mindestsatz.
In der Regel liegen die anrechenbaren Kosten zwischen den in der Honorartafel
angeführten Werten. In diesem Fall ist nach § 5 a HOAI linear zu interpolieren.
Dafür wird folgende Formel (FRANKEN) angewandt:
a + (S – A) (b – A)
B–A
x = gesuchtes Honorar
S = anrechenbare Kosten des Objekts
A = nächst niedrigere anrechenbare Kosten gemäß Honorartafel
B = nächst höhere anrechenbare Kosten gemäß Honorartafel
a = Honorar bei A gemäß Honorartafel
b = Honorar bei B gemäß Honorartafel
x=
2.3.2.2Leistungsumfang
Die erbrachten Leistungsphasen nach § 15 werden in Vonhundertsätzen der
Honorare des § 17 wie folgt bewertet:
Leistungsphasen
Bewertung der Grundleistungen für Freianlagen
in Vonhundertsätzen der Honorare
1. Grundlagenermittlung
2. Vorplanung
3. Entwurfsplanung
4. Genehmigungsplanung
5. Ausführungsplanung
6.Vorbereitung der Vergabe
7. Mitwirkung bei der Vergabe
8. Objektüberwachung
9. Objektbetreuung und Dokumentation
3
10
15
6
24
7
3
29
3
1 bis 9
100 %
Gesamt:
2.3.2.3 Zeithonorar
Des Weiteren besteht laut § 6 der HOAI die Möglichkeit das Honorar für
erbrachte Leistungen des Auftragnehmers oder seiner Mitarbeiter, nach
Stundensätzen zu berechnen. Der Auftragnehmer schätzt im Voraus seinen
Zeitbedarf ein und gibt ihn als Fest- oder Höchstbetrag an. Ist es vorab nicht
möglich, den Zeitaufwand zu schätzen, erfolgt die Honorarberechnung auf der
Grundlage des nachgewiesenen Zeitbedarfs. Für jede Stunde können folgende
Beträge berechnet werden:
für den Auftragnehmer
82,00 €
für Mitarbeiter, die technische oder wirtschaftliche
Aufgaben erfüllen
für Technische Zeichner und sonstige Mitarbeiter
mit vergleichbarer Qualifikation, die technische oder
wirtschaftliche Aufgaben erfüllen.
43,00 €
38,00
bis
36,00 bis 59,00 €
31,00
bis
2.3.1 Die Bedeutung der HOAI
Seit dem Frühjahr 2001 arbeiten Architekten und Ingenieure zusammen mit
dem Bundeswirtschaftsministerium auf eine grundlegende Novellierung der
HOAI hin. Gleichzeitig schlägt der Bundeswirtschaftsminister Clement die
Abschaffung der HOAI vor und stößt damit auf allgemeinen Protest bei den
betroffenen Professionen, denn diese Einstellung zeugt in den Augen der
Betroffenen von einem hohen Grad an Missachtung oder unverzeihlicher
Unkenntnis gegenüber dem Berufsstand der Architekten und Ingenieure. Die
Abschaffung der HOAI entzieht allen Beteiligten eine einheitliche, gerechte
Verhandlungsgrundlage und verdammt Architekten und Ingenieure zum
Arbeiten zu Dumpingpreisen, was für viele, vor allem kleine Planungsbüros,
das Aus bedeutet. Aber der Wegfall der HOAI birgt noch andere Gefahren, die
Was kostet der Ort?
63
auch den Auftraggeber und nicht nur die Auftragnehmer betreffen.
Die HOAI erzwingt eine ständige Rückkopplung zwischen Auftragnehmer und
Auftraggeber, dessen Vorgaben und Wünsche umgesetzt werden müssen.
Die HOAI beschreibt den Planungsablauf und macht entstehende Kosten und
Entgelte kalkulierbar. Leistungen und Kosten werden transparent. Planung ist
gegenüber anderen Leistungen ein Prozess, bei dem ein Preiswettbewerb
nicht sinnvoll ist, denn der Auftraggeber kann die angebotenen Leistungen
nicht wie eine Ware vergleichen. Vergleichbar sind nur die entstehenden
Kosten, die aber nichts über den Entwurf an sich aussagen. Also bietet die
HOAI den Architekten und Ingenieuren eine auskömmliche wirtschaftliche
Grundlage für die Auftragserfüllung. Sie gibt dem Bauherrn die Sicherheit,
zu einem angemessenen Preis eine Leistung erbracht zu bekommen, die der
erwarteten Qualität entspricht.
Es ist nicht sinnvoll für Architekten und Ingenieure, über Preiswettbewerbe
Aufträge zu erhalten, sondern sie sollten über Leistungswettbewerbe
miteinander in Konkurrenz treten. Ohne die HOAI würde ein gnadenloser
Preiswettbewerb, verbunden mit erheblichen Qualitätsverlusten, losbrechen.
Eine solche Politik würde nur den finanziell Starken das Überleben sichern und
viele mittelständige Büros in die Insolvenz treiben. Die Honorarordnung leistet
also ihren Beitrag zur Durchsetzung der von der Bundesregierung geforderten
Mittelstandspolitik.
Außerdem ermöglicht die HOAI bundesweit einheitliche Vergütungsregeln.
So ist in ganz Deutschland derselbe Standard zu erwarten. Qualität ist ein
wichtiges Gut, das ein wesentliches Element einer Planung bedeutet.
2.3.2 Fazit
Es gibt eigentlich zu viele Argumente für die HOAI. Die HOAI aus Gründen des
Bürokratieabbaus abzuschaffen, ist also keine Problemlösung.
Aber die betroffenen Berufsstände kämpfen um die HOAI und haben auch den
Bundesbauminister Manfred Stolpe auf ihrer Seite. Er hat den Architekten und
Ingenieuren am Deutschen Baumeistertag 2003 zugesichert, sie nicht auf den
freien Markt zu werfen. Es bleibt Hoffnung für die HOAI.
64
3
Praktischer Teil
Im praktischen Teil der Ausarbeitung gilt es nun, die theoretischen Grundlagen
auf konkrete Beispiele zu übertragen. „Was kostet der Ort?“ wird nun
anhand von zwei Beispielen verdeutlicht. Vorgestellt werden eine öffentliche
Grünfläche, der Priester-Pape-Park, und eine Fläche an einer Wohnsiedlung
mit halböffentlichen Charakter, das Low-Budget-Projekt Park „Spreefenster“.
Die Beispiele wurden nach ihrem Charakter und ihren Trägern gewählt, um
unterschiedliche Dimensionen von Freiflächen aufzuzeigen. Es kann daher
schwer ein direkter Vergleich angestrebt werden. Bei den beiden Flächen
werden Kosten zur Herstellung und Pflege beschrieben. Bei der Beschaffung
von Angaben zu konkreten Kosten waren wir auf die Auskünfte von Ämtern
und Planungsbüros angewiesen. Aufgrund von unterschiedlicher Auskunfts
bereitwilligkeit ist die Quantität der zu treffenden Aussagen unterschiedlich
ausgefallen.
3.1
Priester-Pape-Park
Der Priester-Pape-Park liegt in Berlin Tempelhof-Schöneberg westlich der
S-Bahnlinie zwischen den S-Bahnhöfen Priesterweg und Papestraße. Der
ehemals ungenutzte Geländestreifen wurde 1999-2002 zu einer öffentlichen
Freifläche umgestaltet. Zweck der Neugestaltung war die Erschließung für
einen übergeordneten Fuß- und Radweg im Stadtbereich. Es gibt zahlreiche
Querverbindungen (z.B. eine Fußgängerbrücke) zum in unmittelbarer
Nähe liegenden Naturpark Schöneberger Südgelände im Osten und zur
Kleingartensiedlung im Westen.
Die übrigen Flächen weisen einen zurückhaltenden und extensiven Charakter auf.
Abgesteckte Streifen können auch nach und nach von den Kleingartenparzellen
eingenommen werden. Daneben gibt es Birkenpflanzungen, die in Anlehnung
an ein spontan entstehendes Birkenwäldchen im Süden angelegt wurden,
sowie eine Streuobstwiese, eine Sportwiese und Freizeitwiesen.
Die vorhandene Aufschüttung des Geländes ist ergänzt worden und dient
sowohl als Aussichtsmöglichkeit über die Stadt als auch als Lärmpuffer zur SBahnlinie.
Abb. 6 Plan Priester-Pape-Park
3.1.1 Gestaltung
An die neue Wegeachse lagern sich unterschiedliche Freiräume an, die
die Nutzer zum Verweilen einladen und die Kleingärtner der benachbarten
Kolonien zu gemeinschaftlichen Aktivitäten anregen.
Neben den beiden Eingängen des Parks an den S-Bahnhöfen im Norden
und im Süden befinden sich vier analog gestaltete Aussichtsflächen in
regelmäßigen Abständen entlang des Weges mit erhöhtem Niveau. Das
erhöhte Geländeniveau der Aussichtsflächen bietet Fernblicke zu städtischen
Wahrzeichen der benachbarten Bezirke, um das räumliche Bewusstsein des
Besuchers zu schärfen.
Sie bestehen aus jeweils zwei gegeneinander verkippten Flächen mit
Rasenböschung, die durch den Hauptweg wiederum in zwei Bereiche
gegliedert sind. Die Platzflächen werden durch Sitzmauern eingerahmt, und
Säulenpappeln markieren sie von Ferne in der Stadtlandschaft. Alle Plätze
sind mit einem wieder erkennbaren Merkzeichen (z.B. Kiefernpflanzung)
ausgestattet, das den Park ins Bewusstsein der vorüberfahrenden S-BahnGäste rückt.
Neben diesen gleichen Elementen sind die Plätze in vier verschiedene
Themenbereiche aufgegliedert und dementsprechend unterschiedlich
ausgestattet. Es gibt den Aussichtsplatz des Sports, den Aussichtsplatz
des Sonnens, den Aussichtsplatz des Picknicks und den Aussichtsplatz des
Spiels.
3.1.2 Nutzung
Die Fläche hat einen stark sportlichen Charakter. Die Nutzung ist entsprechend
gemischt durch Inline-Skater, Radfahrer und Fußgänger. Hundebesitzer
nutzen die Fläche als Auslaufmöglichkeit, da im nahegelegenen Südgelände
Hundeverbot herrscht.
Abb.7 Prieser-Pape-Park
3.1.3 Entstehungsgeschichte
1998
wurde
die
Grün
Berlin Park und Garten
GmbH mit der Planung und
Umsetzung der Maßnahme
von der Senatsverwaltung
für Stadtentwicklung, Umwelt
und Technologie beauftragt.
Die Planung des Parks
hat das Büro Kiefer, Berlin
übernommen,
nachdem
es 1. Preisträger im 1995
durchgeführten Wettbewerb zur Vorbereitung der Bundesgartenschau 1995
war. Die Ausführungsplanung wurde vom Büro Klapka übernommen.
1998 wurde begonnen, den bisher ungenutzten Geländestreifen als attraktiven
Was kostet der Ort?
65
Park zu gestalten. Die Ausweisung des Geländestreifens als Ausgleichsfläche
hat die neue Planung ermöglicht.
Im Planfeststellungsbeschluss zur Bundesautobahn 100 Sachsendamm VB1/92 der Senatsverwaltung für Verkehr und Betriebe vom 7.10.1992 ist als
wesentliche Ersatzmaßnahme für den Eingriff in Natur und Landschaft ein
Grünzug mit Fuß– und Radweg einschließlich Überquerung des Sachsendamms
und der Bundesautobahn sowie des Prellerwegs von der Naumannstraße bis
zur Sembritzkistraße vorgesehen.
Bei dem Fuß- und Radweg handelt es sich um einen 5 m breiten Verbindungsweg
zwischen der „Schöneberger Insel“ im Norden und dem „Südende“ im Süden.
In diesem Gebiet ergeben sich daher zwei Erholungsräume mit unterschiedlichem
Charakter, die eine besondere Bereicherung der Erlebnisvielfalt darstellen.
Der Priester-Pape-Park ist eine gestaltete Parklandschaft, geprägt durch
locker gestreuten Gehölzbestand, vereinzelte Sportmöglichkeiten und
Aussichtsbereiche, wogegen das Südgelände, parallel auf der anderen
Seite der Bahngleise, eine dicht bewachsene Bahnbrache mit geschützten
Naturflächen aufweist.
3.1.4 Finanzierung
Durch die Ausweisung der Fläche als Ausgleichs- und Ersatzfläche wurde eine
Gesamtmittelsumme von 1.789.521,58 Euro (Nettobausumme) veranschlagt.
Die Finanzierung war daher gesichert.
3.1.5 Bauvolumen
3.1.6 Kostenaufstellung
Der Park wurde 2002 fertig gestellt und hat Folgendes gekostet. Die
Angaben der Kosten wurden anhand der Kostengruppen der DIN 276
aufgelistet. Die erste Abbildung zeigt die Gesamtkosten der jeweiligen
Kostengruppen. Die nachfolgenden Tabellen zeigen die einzelnen Positionen
mit Quadratmeterpreisen und jeweiligen Gesamtkosten.
200 Herrichten
130 126 €
500 Außenanlagen
520 Geländearbeiten
348 400 €
530 Baukonstruktionen
46 251 €
540 Wirtschaftsgegenstände
32 416 €
560 Anlagen für Sonderzwecke 45 506 €
570 Verkehrsanlagen
594 928 €
580 Grünflächen
409 474 €
590 Sonstige Außenanlagen
147 766 €
Verwendete Kostengruppen des Parks
Im Folgenden werden ausgewählte Positionen aus den Kostengruppen
herausgenommen und genauer dargestellt, da eine vollständige Aufzählung
den Rahmen sprengen würde.
200
Herrichten
Gesamtmittel: 1 789 521 €
Material
Abriss, Abfuhr Betonflächen
Einheit
200 m2
Gesamtkosten brutto (Stand 2002): 1 757 593,67 € für die Freianlage
(Restmittel 31 927 €)
Roden von Bewuchs
40 St
Flächengröße: 7 ha
66
Einzelpreis Gesamtpreis
m2 30 €
6000 €
24 000 €
Stück 300 €
520
560
Geländearbeiten
Material
Einheit
Sichtbeton für Stützmauer
der
Rampe,
Schalung,
Niveauunterschied 50-400 cm
im Bereich
Bewehrung, 70 lfm
Einzelpreis Gesamtpreis
lfm 443 €
lfm 138 €
41 415 €
Böschungsmodellierung
m2 1,50 €
1 800 €
540
Material
Einheit
Einzelpreis Gesamtpreis
Streetballständer
1 St
1278 €
Rutsche
1 St
1534 €
Schaukel
1 St
1022 €
Rutschberg
1 St
17384 €
31 024 €
Granitblöcke für Sitzmauer 45x50x250 cm
dunkelgrau, anthrazit, Oberflächen bruchrauh, 300 lfm
Stirnseiten gesägt
1200 m2
Anlagen für Sonderzwecke
Wirtschaftsgegenstände
570
Verkehrsanlagen
Material
Wegebelag 571
Einheit
Einzelpreis Gesamtpreis
Material
Einheit
Einzelpreis Gesamtpreis
Abfallkörbe aus feuerverzinktem Stahl
25 St
Stück 230 € 5752 €
Fahrradständer (Bügelparker) aus Stahlrohr,
20 St
OK 80 cm, je 2 Fahrräder
Asphalt zweilagig 3+7 cm, Fuß- und Radweg, 3800 m
300 cm breit
m2 47,80 €
81 818 €
Stück 143 € 2863 €
Sonnenliege aus Stahlgeflecht
4 St
Stück 511 € 2045 €
Granitplatten 100x100x10 cm, als Plattenweg 650 m2
m2 110 €
71 454 €
Picknicktisch aus Holz (800x100 cm)
1 St
2556 €
m2 26,60 €
151 549 €
Picknickbänke
2 St
Stück 1022 2044 €
€
Granitschotter für Aussichtsplätze 8/16 , 5700 m2
kantiges Material, zweilagig, 10 cm stark
lfm 33 €
39 881 €
lfm 23 €
16 106 €
Bänke
aus Metall
12 St
Stück 920 € 11043 €
Nistkästen für Höhlenbrüter
30 St
Stück 31 €
Wegweiser aus Hartaluminium
1 St
Wegeeinfassungen 572
920 €
Cortenstahlwinkel
abgerundet,
seitliche 1200 lfm
Einfassung des Weges, als Aufkantung
2556 €
150x150x4 mm
Cortenstahlband Randeinfassung 4x10 mm
700 lfm
Was kostet der Ort?
67
Cortenstahlblech für Böschungen,
großformatigen
Platten
200x300
zugeschnitten
580
aus 1200 m2
cm
m2 49 €
58 288 €
Gesamtpreis
Grünflächen
Material
Einheit
Einzelpreis
Säulenpappel
40 St
Stück 332 € 13 294 €
Weißbirken
190 St
Stück 215 € 40 802 €
Schwarzkiefern
35 St
Stück 435 € 15 211 €
Frühjahrsblüher
9000 St
Stück 0,50 4 601 €
€
Bodendecker
1000 m2
m2 9,70 €
9 715 €
Baumpflanzung
345 St
Stück 46 €
15 875 €
Baumgruben
345 St
Stück 54 €
18 521 €
Fertigstellungspflege
500 m2
m2 8 €
4 000 €
Material
Einheit
Einzelpreis
Gesamtpreis
Sportrasen Säulenpappel
4050 m2
m2 4 €
16 200 €
Trittrasen
100 m2
m2 1,50 €
150 €
Blumenwiesenmischung
46000 m2 m2 1,50 €
69 000 €
Fertigstellungspflege für Rasen
58150 m
116 300 €
583
Rasen
Baustelleneinrichtung
68
2
m 2€
2
8180 €
Der Quadratmeterpreis für die Außenanlagen der Nettobausumme beläuft sich
auf 21,60 €.
Die Ingenieurkosten wurden nach §17 der HOAI berechnet. Dem Büro
Kiefer wurden die Leistungsphasen 2 (10 %) und 3 (15 %) bezahlt. Für die
Leistungsphase 2 erhielten sie 39.520 € und für die Leistungsphase 3 59.280
€. Insgesamt lagen die Kosten für die Ingenieure zzgl. der Nebenkosten bei
93.300.00 €.
Da der Park eine enorme Größe besitzt, wurden teure Elemente nur auf
bestimmten Plätzen verwendet, wie an den vier Aussichtsplätzen und an den
Eingangsbereichen. Bei den Materialien kommen teilweise nur auf Grund der
großen Fläche und nicht des besonderen Materials hohe Kosten vor. Dies gilt
es hier zu berücksichtigen.
3.1.7 Pflege
Das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg hat nach Fertigstellung die Pflege
und Erhaltung des Parks übernommen. Der Park wurde in die Pflegeklasse
IV des neuen Pflegezumessungsmodells eingeordnet. Das bedeutet, dass
keine regelmäßige Pflege durchgeführt wird, die Verkehrssicherheit jedoch
gewährleistet wird (Ziel).
Für eine Fläche der Pflegeklasse IV gilt nach der Produktdefinition folgende
Bemessung von Leistungen. „Aufgrund eigener Erfahrungen und im
Vergleich mit anderen Großstädten liegt der Pflegeaufwand der Regiekräfte
in der Aufwandsklasse IV pro m2 zwischen größer 0 und kleiner als 2,4
Nettoarbeitsminuten im Jahr. Die Sachkosten bei Vergabe dieser Leistungen
betragen zwischen 0,60 und 1,30 € pro Jahr /pro m2.“ (Produktkatalog für Berlin,
2003). Letzteres trifft für die Fläche nicht zu, da die Pflege des Priester-PapeParks nicht an externe Firmen vergeben wird, so dass keine Sachkosten im
Sinne des Produktkatalogs entstehen. Die Pflege übernehmen die Mitarbeiter
des Grünflächenamts Tempelhof-Schöneberg. Qualitätsindikatoren der
Pflegeklasse IV sind die Einhaltung fachlicher Standards, die Zufriedenheit der
Nutzer und der Erfüllungsgrad des angestrebten Entwicklungsziels.
Nach einer Statistik in einer Ausarbeitung der Senatsverwaltung für Finanzen
mit dem Titel „Was kostet wo wie viel ?“ wird unter dem Bereich Stadt-/
Landschaftsplanung, Natur und Grünflächen „die Pflege eines m2 Grünfläche
pro Jahr?“ angegeben. Für Tempelhof-Schöneberg wird der Wert 2,27 €
angeführt. Daraus ergibt sich für den Park ein Schätzpreis von 158 900 € im
Jahr auf 7 ha.
3.2
Park „Spreefenster“
Direkt am Spreeufer, auf einer verwilderten Industriebrache in der
Schnellerstraße 99 – 102, entstand eine Wohnanlage mit 105 Wohneinheiten
mit der Auflage, die Ruderalvegetation und den alten Baumbestand auf der
Mitte des Grundstücks zu erhalten und zu einem Stadtteilpark zu gestalten.
Im Anschluss an den Bau der Wohneinheiten und die Fertigstellung der
Außenanlagen der Privatgrundstücke wurde der „Spreefenster“-Park über
Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen für den Wohnungsbau verwirklicht. Von
Abb. 8 Entwurf Park
„Spreefenster“
Anfang an war klar, dass es sich dabei um ein Low-Budget-Projekt handeln
würde. Unter dieser Prämisse wurde das Planungsbüro Atelier Loidl mit einer
möglichst kostengünstigen Gestaltung des Grundstücks beauftragt. Das
gesamte Grundstück wurde dabei in drei Lose aufgeteilt, wobei das Los 3 den
eigentlichen Park „Spreefenster“, mit einer Fläche von 3565 m², bildet.
3.2.1 Gestaltung
Die grundlegende Gestaltungsidee
für den „Spreefenster“-Park ist es,
die herausragenden Qualitäten,
die der Ort in sich birgt, deutlich
herauszuarbeiten. Dabei galt es,
die direkte Lage am Ufer der Spree
und den alten Baumbestand zu
inszenieren.
Zunächst wurde der Bezug
zwischen dem Spreeraum und
dem Quartier mit klar gefassten,
direkt geführten Wegen hergestellt. Abb.9 Uferweg an der Spree
Die Wege bilden auf diese Weise eine Pforte zum Fluss und der Park selbst
wird zum Fenster zur Spree.
Entlang dem Ufer der Spree gibt es einen tiefer gelegenen, vom eigentlichen
Spreepark deutlich abgesetzten Uferweg, der so als eigenständiger Teilbereich
wahrnehmbar wird. Die vorhandene Ruderalvegetation fungiert als Raumgrenze
und als Sicht- und Lärmschutz, sowohl zur Straße, als auch zum Uferweg. Ein
Holzdeck mit Blick auf die Spree, zwischen dem z-förmigen Gebäude und dem
Fluss, erinnert an das früher auf der Fläche befindliche „Wirtshaus Loreley“
und soll als Kaffeeterrasse und gebäudebezogener Aufenthaltsort dienen. Zur
Straße und zum Wasser hin wurde der alte Baumbestand inszeniert. Während
an anderen Stellen der von der ehemaligen Industrienutzung kontaminierte
Boden ausgetauscht wurde, sind dort Steinwälle unter den Bäumen aufgetürmt
Was kostet der Ort?
69
Abb. 10 Blick durch den Park
worden, die verhindern, dass man mit dem
giftigen Untergrund in Berührung kommt.
Der extensive Wiesenraum zwischen den
Ruderalflächen ist für Erholung und freies
Kinderspiel vorgesehen.
3.2.2 Finanzierung
Der
Park
„Spreefenster“
ist
ausschließlich über Ausgleichs- und
Ersatzmaßnahmen zum angrenzenden
Wohnungsbauvorhaben
finanziert
worden. Der Bauherr „Stadt und Land
Wohnbautengesellschaft mbH“ hat also
den Park finanziert. Die Gesamtkosten
betrugen 97 657 Euro netto bei einem
Quadratmeterpreis von 21,10 Euro. Der Park „Spreefenster“ ist der Öffentlichkeit
zugänglich und gehört dem Bezirk Treptow.
3.2.3 Kosten
Die Angaben der Kosten wurden anhand der Kostengruppen der DIN 276
aufgelistet. Die erste Abbildung zeigt die Gesamtkosten der jeweiligen
Kostengruppen. Die nachfolgenden Tabellen zeigen die einzelnen Positionen
mit Quadratmeterpreisen und jeweiligen Gesamtkosten.
200
500
510
520
530
70
Herrichten
Außenanlagen
Geländeflächen
Geländearbeiten
Baukonstruktionen
4 550 €
30 210 €
34 791 €
4 446 €
540 Wirtschaftsgegenstände
0€
590 Sonstige Außenanlagen
3 820 €
Verwendete Kostengruppen des Parks „Spreefenster“
200
Herrichten
Posten
Einheit Einzelpreis Gesamtpreis
Gesamtfläche von Schutt und Unrat säubern
3 5 6 5 m2 0,45 €
m2
820,24 €
510
Geländeflächen
Material
511 Geländebearbeitung
524 Randeinfassungen
Einheit Einzelpreis Gesamtpreis
Bodenabtrag
47 m³
Baumlöcher in Rasenflächen
49 Stck Stck 56,40 2763,38 €
€
Baumlöcher in befestigten Flächen
1 Stck
Staudenbeet mit einem Gemisch aus 25 m²
vorhandenem Oberboden mit Kompost, im
Verhältnis 3:1, herstellen
m³ 6,54 €
307,59 €
Stck 56,40 56,40 €
€
m² 7,21 €
180,23 €
514 Pflanzen und Fertigstellungspflege
Betula pendula
50 Stck Stck 34,77€ 1738,39 €
Ulmus X hollandica “Dodoens”
20 Stck Stck 14,11 282,23 €
€
Ligustrum vulgare
30 Stck Stck 1,50 € 46,00 €
Scilla sibirica
1 0 0 0 Stck 0,28 € 281,21 €
Stck
520
Material
Geländearbeiten
Einheit Einzelpreis Gesamtpreis
Granit-Mosaikpflasterflächen 4-6 cm, aus 170 m²
gebrauchtem Material
m² 46,27 €
7866,23 €
Grauwackefläche
in
Handarbeit
aus 220 m²
Schüttstein, Körnung 300-500 mm auf die
Ahornwälle
m² 29,30 €
41 415 €
Grauwacke-Grobschotter Körnung 45/56 mm 5 m³
m³ 75,67 €
378,36 €
Betonkantensteine Form C, 6/25/100 cm
213 lfm lfm 14,24 € 3033,00 €
Einfassung mit Tiergartengitter
90 lfm
lfm 82,32€
Einfassung mit Bandstahl unbehandelt,
25 lfm
lfm 24,39 € 635,28 €
7408,62 €
100 x 4 mm
Der Quadratmeterpreis für die Außenanlagen der Nettobausumme beläuft sich
auf 21,10 € bei einer Fläche von 3565 m².
3.2.4 Pflege
Das Bezirksamt Treptow hat nach Fertigstellung des „Spreefenster“-Parks die
Pflege und Erhaltung des Parks übernommen. Derzeitig erfährt der Park keine
regelmäßige Pflege und sieht dementsprechend ungepflegt aus.
Nach einer Statistik in einer Ausarbeitung der Senatsverwaltung für Finanzen
mit dem Titel „Was kostet wo wie viel?“ wird unter dem Bereich Stadt-/
Landschaftsplanung, Natur und Grünflächen „die Pflege eines m2 Grünfläche
pro Jahr?“ angegeben. Für Treptow wird der Wert 1,25 € angeführt. Daraus
ergibt sich für den Park „Spreefenster“ ein Schätzpreis von 4456,25 € im Jahr
auf eine Fläche von 3565 m².
3.2.5 Prinzipien zur kostengünstigen Planung
Bei der Gestaltung des Parks „Spreefenster“ wurden sechs Prinzipien zur
kostengünstigen Planung berücksichtigt, die sich auch auf andere Planungen
anwenden lassen. Die Prinzipien helfen, Kosten gering zu halten, aber trotzdem
qualitative Arbeit abzuliefern.
Inszenierung des Vorhandenen:
Jeder Ort hat seine besondere Ausstrahlung. Die Geschichte des Ortes,
Standortfaktoren und vorhandene Elemente, gilt es in den Mittelpunkt der
Planung zu rücken. Besonderheiten werden hervorgehoben und in Szene
Was kostet der Ort?
71
gesetzt. Das Vorhandene wird lediglich um weitere Elemente erweitert.
„Das Vokabular wird erweitert, die Sprache bleibt erhalten.“ (nach Reimann,
1999, S. 18)
Weniger ist mehr:
Die Beschränkung auf das Wesentliche fördert Klarheit und Übersichtlichkeit
des Entwurfes und regt den Benutzer zu Selbstinitiative an.
Punktuelle Intervention:
Die Neugestaltung eines Ortes muss nicht immer gleichgesetzt werden
mit dem kompletten Ersetzen der vorhandenen Strukturen. Neue Räume
entstehen auch durch punktuelle Eingriffe.
Phasenmodell:
Phasenmodelle planen die Fertigstellung einer Planung in sinnvollen
Arbeitsschritten über einen längeren Zeitraum hinweg. Der „Spreefenster“Park-Entwurf wurde in 2 Phasen umgesetzt. Die Erd-, Erschließungs- und
Vegetationsarbeiten wurden in der ersten Bauphase verwirklicht. Die
Möblierung und Beleuchtung kamen erst in der zweiten Bauphase dazu.
Translokation und temporäre Besetzung:
Translokation meint den Ortswechsel, der das Begehen einer Fläche
spannend macht. Das Schaffen von unterschiedlichen Teilräumen schafft
Abwechslung und ermöglicht eine veränderte Wahrnehmung des Raumes,
was ihn interessanter macht. Die temporäre Besetzung spielt mit der
Vergänglichkeit von Materialien.
Less standard:
Man muss sich bei einer Planung nicht immer an den gewohnten Elementen
orientieren. Auch der Einsatz von einfachen, rohen, recycelten oder
zweckentfremdeten Materialien macht einen Ort besonders und hilft Kosten
72
zu reduzieren. Das komplette Möblieren ist für viele Orte überflüssig.
„Eines muss der Anspruch, qualitativ hochwertige Entwürfe mit minimalem
Budget umzusetzen, einkalkulieren: einen erhöhten Planungsaufwand.
Die Honorarordnung für Architekten (HOAI) mit ihrer noch immer starken
Kopplung von Planungshonorar und Bausumme wird dieser Folge nicht
gerecht. Zwar eröffnet Punkt 4a des Paragraphen 5 HOAI die Möglichkeit
eines „Erfolgshonorars für besondere Leistungen, die unter Ausschöpfung
der technisch-wirtschaftlichen Lösungsmöglichkeiten zu einer wesentlichen
Kostensenkung ohne Verminderung des Standards führen…“. Im Streitfall
jedoch ist dies äußerst schwer nachweisbar und dürfte eher Anwaltskosten
produzieren als Baukosten senken.“ (nach Reimann, 1999, S. 21)
Was kostet der Ort?
73
Quellenverzeichnis
EICH, Rainer, Honorarordnung für Architekten und Ingenieure Textausgabe
1996 in Euro, Köln 2001
GRÜN BERLIN PARK UND GARTEN GMBH, sämtliche Unterlagen zum Priester-PapePark (außer Informationen zur Pflege) (Kopien)
GESETZ, ZUM SCHUTZ, ZUR PFLEGE UND ZUR ENTWICKLUNG DER ÖFFENTLICHEN GRÜN- UND
ERHOLUNGSANLAGEN, 24.11. 1997: Abruf im Internet: Mai 2003: http://www.stadte
ntwicklung.berlin.de/umwelt/stadtgruen/gruenanlagen/de/gesetze/index.shtml
MORLOCK, Alfred, Die HOAI in der Praxis Praktische Hinweise, Empfehlungen
und Auslegungsgrundsätze, Düsseldorf 1985
PFARR, Dr. K. H.; ARLT, J.; HOBUSCH, R., Das Planungsbüro und sein Honorar,
Wuppertal 1975
REIMANN, Stefan, Low-budget-Park an der Spree, in: Garten und Landschaft
1/1999, München
SENATSVERWALTUNG FÜR FINANZEN, 1996,1997: Produktblatt; Produktkatalog
für Berlin, Version 7.0, Bearbeitungsstand: 1. Januar 2003 ( Kopie vom
Grünflächenamt Tempelhof-Schöneberg)
SENATSVERWALTUNG FÜR FINANZEN II B3, 1998: Einführung der ergebnisorientierten
Budgetierung in den Berliner Bezirksverwaltungen, Abruf im Internet: Mai 2003:
http://www.Berlin.de/Verwaltungsmodernisierung/budgetierung.html
SENATSVERWALTUNG FÜR FINANZEN REFERAT II G, 2003: Was kostet wo wie viel?
Berliner Bezirke im Kostenvergleich; Haushaltsjahr 2001, Abruf im Internet:
Mai 2003: http://www.berlin.de/senfin/Presse/Alt/130303.html
SENSTADT I F 312: Kurze Erläuterung des A04-Modells (Kopie von der
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung), Berlin 2000
HALLMANN,
BORNHOLDT,
Technisch-konstruktive
Landschaftsarchitektur II, Skript zur VL
Grundlagen
der
WINKLER, Walter, Hochbaukosten Flächen Rauminhalte, Braunschweig/
Wiesbaden 1994
74
Was kostet der Ort?
75
steffen eißer
peter gäbelein
annette jablanowsky
EU-Finanzierung von Freiraum
1
Einleitung
In der folgenden Abhandlung soll die Finanzierung von Freiraum durch die
Europäische Union erläutert werden. Einleitend werden dazu die vorhandenen
Instrumente der „EU-Regionalpolitik“, deren Anwendungsmöglichkeiten sowie
deren Umsetzung dargestellt. Des Weiteren werden die relevanten EUStrukturfonds für die Landschaftsarchitektur und deren Anwendungsbereiche
und Inhalte herausgearbeitet. Zum Schluss sollen spezielle „Projekte“ der
Freiraumplanung aus der Region „Berlin-Brandenburg“, die mit Hilfe von EU
Entwicklungs- und Förderprogrammen finanziert wurden, vorgestellt werden.
2
„Regionalpolitik der Europäischen Union“
2.1
Einführung
Im internationalen Vergleich erscheint die Europäische Union als eine Insel
des Wohlstands und des Reichtums. Dennoch gibt es innerhalb der Union
bedeutende regionale Unterschiede in der wirtschaftlichen und sozialen
Entwicklung. „So ist beispielsweise das Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf von
Luxemburg doppelt so hoch wie dasjenige von Griechenland. Und Hamburg
ist die wohlhabendste Region Europas mit einem viermal so hohen Pro-KopfEinkommen wie dasjenige im Alentejo (Europa.eu 2003). Diese Disparitäten
zwischen den Regionen schaden dem Zusammenhalt der Union und um diesem
entgegenzuwirken wurden schon in Artikel 2 des EU- und des EG-Vertrags
der soziale Fortschritt und die wirtschaftliche Konvergenz zwischen den
Mitgliedstaaten als verbindliche Ziele genannt. Die Regionalpolitik soll durch
eine Verringerung der „Unterschiede im Entwicklungsstand der verschiedenen
Regionen“ sowie des Rückstands „der am stärksten benachteiligten Gebiete“
helfen, diese Ziele zu erreichen (Titel XVII des EG-Vertrags). Einfach
ausgedrückt bedeutet dies: Gleiche Lebensbedingungen und Wohlstand
78
für alle EU-Bürger! (Europa-Digital 2003, a) Um diese Herkulesaufgabe zu
stemmen, stehen der „Regionalpolitik der EU“ für den Zeitraum von 2000 bis
2006 insgesamt 213 Mrd. Euro zur Verfügung - rund ein Drittel des gesamten
EU-Haushalts. Einzig die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) darf noch mehr
Geld ausgeben. Verantwortlich für die Durchführung aller regionalpolitischen
Maßnahmen ist die Generaldirektion Regionalpolitik.
Der inhaltliche Rahmen der Regionalpolitik wird in den drei so genannten
„Zielen 1-3“ und fünf Gemeinschaftsinitiativen festgelegt. Unterstützt wird ein
breites Geflecht an Aufgaben, sie reichen von Investitionen in die Infrastruktur
- etwa Häfen, Straßen, Telefonleitungen - bis hin zur Stadtentwicklung oder
der Arbeits- und Bildungspolitik. Die wichtigsten Finanzinstrumente der
Regionalpolitik sind vier Strukturfonds und ein Kohäsionsfonds. Alle fünf
Fonds haben im Prinzip die Funktion eines Girokontos und sind jeweils für ein
spezifisches Themengebiet vorgesehen.
Die Erweiterung der Europäischen Union stellt auch die Regionalpolitik vor neue
Herausforderungen. Speziell die mittel- und osteuropäischen Länder haben
noch einen enormen Nachholbedarf in nahezu allen Feldern der Regionalpolitik
(Industrie, Regierungsinstitutionen, Infrastruktur etc.). Um diesen Prozess zu
beschleunigen, wurden drei Fonds gebildet: PHARE, SAPARD und ISPA, die
hier aber nur kurz Erwähnung finden sollen und somit nicht weiter betrachtet
werden.
2.2
Rechtliche Grundlagen
Die rechtlichen Grundlagen der heutigen Regionalpolitik wurden bereits 1957
im EWG-Vertrag mit der Forderung, den Rückstand weniger begünstigter
Gebiete zu verringern, gelegt. Bis zum heutigen Tage hat sich an diesem
Grundsatz nichts geändert.
In der aktuellen Fassung des EG-Vertrags werden in Artikel 2 und 3 unter
anderem der wirtschaftliche und soziale Zusammenhalt, die Solidarität
zwischen den Mitgliedstaaten und ein hohes Beschäftigungsniveau als
Aufgaben der Europäischen Gemeinschaft genannt. Ziele, die in Artikel 2 des
Vertrages zur Gründung der Europäischen Union (EU-Vertrag) formuliert sind,
werden noch einmal bekräftigt. (Europa-Digital 2003, b)
Diese allgemeinen Grundsätze werden in Titel XVII „Wirtschaftlicher und
Sozialer Zusammenhalt“ des EG-Vertrages (Artikel 158-162) ergänzt. Artikel
158 fordert explizit, „die Unterschiede im Entwicklungsstand der verschiedenen
Regionen [...] zu verringern“. In den Artikeln 159 und 160 wird darauf verwiesen,
dass die Strukturfonds zur Unterstützung dieser Ziele zu verwenden seien.
Die Kommission wird verpflichtet, gegenüber dem Europäischen Parlament,
dem Rat, dem Wirtschafts- und Sozialausschuss und dem Ausschuss der
Regionen alle drei Jahre Rechenschaft über die Ergebnisse der Regionalpolitik
abzulegen.
Eine wesentliche Grundlage der Regionalpolitik stellen natürlich die
Strukturfonds dar. Ihre Organisation (Aufgaben und Ziele) wird von der
Kommission erarbeitet und muss dem Europäischen Parlament zur Annahme
vorgelegt werden. Abschließend muss der Rat diesen Vorschlag einstimmig
akzeptieren. Der Ausschuss der Regionen sowie der Wirtschafts- und
Sozialausschuss müssen hingegen nur angehört werden (Art. 161).
2.3
Inhaltliche Ziele
Die Regionalpolitik der Europäischen Union dient im Wesentlichen der Stärkung
des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts. Grundlage ihrer Aktion ist die
finanzielle Solidarität, die es ermöglicht, mehr als 35% der EU-Haushaltsmittel
(213 Mrd. für den Zeitraum 2000-2006) in die am stärksten benachteiligten
Regionen zu transferieren. Auf diese Weise wird es den Regionen der Union
mit Entwicklungsrückstand, den Umstellungsregionen und den Regionen mit
besonderen geografischen, wirtschaftlichen und sozialen Problemen besser
gelingen, mit ihren Schwierigkeiten fertig zu werden und die Möglichkeiten des
Binnenmarktes in vollem Umfang zu nutzen.
„Die Unterstützung der Europäischen Union im Rahmen der Regionalpolitik
hängt ab vom Entwicklungsstand der Regionen sowie von der Art der Probleme,
mit denen diese konfrontiert sind. Die Strukturfondsverordnungen für den
Zeitraum 2000-2006 sehen insbesondere die Aufstellung von drei vorrangigen
Zielen vor:“ (Europa-Digital 2003, c)
− Ziel 1: Erfasst werden Regionen, deren Bruttoinlandsprodukt (BIP) weniger
als 75 Prozent des EU-Durchschnitts beträgt. Die Bestimmung des Pro-KopfBIPs erfolgt auf der NUTS-II Ebene, diese entspricht den Regierungsbezirken
in Deutschland. Gegenwärtig fallen alle fünf ostdeutschen Bundesländer
mit Ausnahme von Ostberlin unter diese Kategorie. Außerdem werden
sehr dünn besiedelte Gebiete im Norden Finnlands und Schwedens sowie
Gebiete in extremer Randlage der EU (Azoren, Kanarische Inseln, Madeira,
französische Überseedepartments) berücksichtigt.
„Ziel 1“-Gebiete weisen einen enormen Nachholbedarf in nahezu allen
Bereichen auf. Gefördert werden Investitionen in die Infrastruktur (Telefon,
Straßen, Energie, Telekommunikation usw.), in das Erziehungs- und
Gesundheitswesen und in die öffentliche Verwaltung. Ebenso sollen Besch
äftigungsinitiativen und die Ansiedlung neuer Betriebe unterstützt werden.
− Ziel 2: Gefördert werden Gebiete mit Strukturproblemen, die sich außerhalb
der „Ziel 1“-Regionen befinden. Dabei kann es sich um Industrieregionen,
ländliche Gebiete, von der Fischerei abhängige Krisengebiete und städtische
Problemgebiete handeln.
Die Unterstützungsmaßnahmen entsprechen im Wesentlichen den Projekten
der „Ziel-1“-Gebiete.
− Ziel 3: Das Ziel 3 ist im Gegensatz zu den Zielen 1 und 2 thematisch
definiert. Gefördert werden alle Maßnahmen im Bereich der Bildungs- und
Ausbildungssysteme sowie die Beschäftigungspolitik. Das „Ziel-3“-Gebiet
umfasst die gesamte EU mit Ausnahme der „Ziel 1“-Regionen, dort sind
diese Projekte schon Bestandteil der „Ziel 1“-Programme.
EU-Finanzierung von Freiraum
79
2.4
Instrumente der Regionalpolitik
Die wichtigsten Instrumente bilden die vier
Strukturfonds:
− Der Europäische Fonds für regionale
Entwicklung (EFRE),
− der Europäische Sozialfonds (ESF),
− der Europäische Ausrichtungs- und
Garantiefonds für die Landwirtschaft
(EAGFL),
− das Finanzinstrument für die Ausrichtung
der Fischerei (FIAF)
sowie der so genannte Kohäsionsfonds.
Sie bilden auch gleichzeitig das finanzielle
Rückgrat der Europäischen Regionalpolitik.
Zusätzlich wurde festgelegt, welche Ziele
oder Gemeinschaftsinitiativen durch einen
bestimmten Fonds finanziert werden dürfen. Rund 94 Prozent der Mittel der
vier Strukturfonds werden für die drei vorrangigen Ziele (Ziel 1-3) eingesetzt.
(Europa-Digital 2003, b) Für die zehn mittel- und osteuropäischen Beitrittsländer
wurden zusätzlich Strukturfonds angelegt (PHARE, ISAP, SAPARD).
Der
für
die
Freiraumplanung
entscheidende
und
somit
als
Finanzierungsinstrument mögliche Strukturfonds bildet der EFRE. Zum Teil
erfolgen Finanzierungen auch über den ESF, da bestimmte Aufgabenbereiche
die Gemeinschaftsinitiativen überlagern.
2.4.1 EFRE
Ziel des Fonds ist der Ausgleich der wichtigsten regionalen Ungleichgewichte,
die Beteiligung an der Entwicklung, die Umstellung der Regionen und die
Förderung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts. Gleichzeitig
sind Synergieeffekte in Verbindung mit den Interventionen der anderen
80
Strukturfonds sicherzustellen. Die allgemeinen Rahmen und Aufgaben bilden
hierbei:
− Der EFRE wird im Rahmen der neuen Ziele „1 und 2“ (Siehe 1.2.3),
der Gemeinschaftsinitiativen zur grenzübergreifenden, transnationalen
und interregionalen Zusammenarbeit, der wirtschaftlichen und sozialen
Erneuerung von städtischen Problemgebieten (URBAN II) sowie der
innovativen Maßnahmen und Maßnahmen der technischen Hilfe aufgrund
der allgemeinen Verordnung tätig. (Die Verordnung (EG) Nr. 1783/1999)
− Um die Unterschiede im Entwicklungsstand der Regionen und den
Rückstand der am stärksten benachteiligten Gebiete oder Inseln,
einschließlich der ländlichen Gebiete, zu verringern, trägt der EFRE
zur harmonischen, ausgewogenen und nachhaltigen Entwicklung des
Wirtschaftslebens, zu einem hohen Grad an Wettbewerbsfähigkeit, zu einem
hohen Beschäftigungsniveau, zu einem hohen Maß an Umweltschutz und
zur Gleichstellung von Männern und Frauen bei. (Europa.eu 2003, b)
Im Rahmen der ihm übertragenen Aufgaben zur regionalen Entwicklung
beteiligt sich der EFRE an der Finanzierung von:
− „produktiven Investitionen zur Schaffung oder Erhaltung dauerhafter
Arbeitsplätze;
− Infrastrukturinvestitionen, die in den unter Ziel 1 fallenden Regionen
zur Entwicklung, zur Strukturanpassung und zur Schaffung oder
Erhaltung von Arbeitsplätzen und in allen förderfähigen Regionen zur
Diversifizierung, Revitalisierung, Verkehrsanbindung und Erneuerung
von Wirtschaftsstandorten und von Industriegebieten mit rückläufiger
Entwicklung, von städtischen Problemgebieten sowie von ländlichen
Gebieten und der von der Fischerei abhängigen Gebiete beitragen. Diese
Investitionen können auch die Entwicklung der transeuropäischen Netze für
den Verkehr, die Telekommunikation und die Energie in den Ziel-1-Regionen
betreffen;
− Aktionen zur Erschließung des endogenen Potentials durch Maßnahmen
zur Anregung und Unterstützung lokaler Entwicklungs- und Beschäftigungs
initiativen sowie der Aktivitäten kleiner und mittlerer Unternehmen, die u.a.
Beihilfen für Unternehmensdienste, Technologietransfer, die Entwicklung
von Finanzinstrumenten, direkte Investitionsbeihilfen, die Errichtung von
kleinen Infrastrukturen und Beihilfen für lokale Dienstleistungseinrichtungen
umfassen;
− Investitionen im Bildungs- und Gesundheitswesen in den unter Ziel 1
fallenden Regionen.“ (Europa.eu 2003, b)
2.4.2 ESF
Der Europäische Sozialfonds (ESF): Gefördert werden die Programme der „Ziel
1“-, „Ziel 2“- und „Ziel 3“-Regionen sowie die Gemeinschaftsinitiative EQUAL.
Es soll die Eingliederung von Arbeitslosen und benachteiligten Gruppen
durch Bildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen unterstützt werden. Analog
zum EFRE werden Mittel zur Finanzierung der „innovativen Maßnahmen“
bereitgestellt.
2.4.3 FIAF
Das Finanzinstrument für die Ausrichtung der Fischerei (FIAF): Finanziert
wird die Neuordnung des Fischereisektors. Dazu zählen Investitionen in die
Aquakultur, die Modernisierung der Fangflotte, die Vermarktung der Produkte
und in den Schutz der Fischbestände in „Ziel 1“-Gebieten. Bei Bedarf ist
auch eine Förderung von Projekten außerhalb der „Ziel 1“-Regionen möglich.
Zusätzlich wird Geld für die „innovativen Maßnahmen“ bereitgestellt.
2.4.4 EAGFL
Der Europäische Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft
(EAGFL): Durch die Abteilung Ausrichtung des EAGFL werden Reformen
in der Land- und Forstwirtschaft innerhalb der „Ziel 1“-Regionen sowie die
Gemeinschaftsinitiative LEADER+ unterstützt.
2.4.5 Der Kohäsionsfonds
Der Kohäsionsfonds: Der Kohäsionsfonds wurde speziell zur Unterstützung
besonders stark benachteiligter EU-Staaten ins Leben gerufen. Anspruch auf
eine Förderung haben Länder, deren Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt weniger
als 90 Prozent des EU-Durchschnitts beträgt. Gegenwärtig gehören Spanien,
Portugal, Griechenland und Irland dazu. Unterstützt werden Projekte in
Bereichen Umwelt und Verkehrsinfrastruktur (Art. 161 des EG-Vertrags).
2.4.6 Der Solidaritätsfonds
Der Solidaritätsfonds: Erst 2001 gegründet, dient dieser Fonds zur Unterstützung
der Opfer besonders schwerer Naturkatastrophen.
3
Die europäischen Gemeinschaftsinitiativen
Die Gemeinschaftsinitiativen sind besondere Maßnahmen, die die Kommission
den Mitgliedstaaten auf eigene Initiative vorschlägt. Sie können im gesamten
Gemeinschaftsgebiet umgesetzt werden und werden aus den Strukturfonds
unterstützt, um spezifische Probleme zu beheben.
Gemeinschaftsinitiativen sind durch folgende Faktoren gekennzeichnet:
− Förderung der transnationalen, grenzübergreifenden und interregionalen
Zusammenarbeit,
− Einbeziehung der Akteure vor Ort,
− Unterstützung einer echten Partnerschaft aller Beteiligten durch die
Gemeinschaftsinitiative,
Anzahl der Gemeinschaftsinitiativen wurde in
Strukturfondsperiode (2000–2006) von 13 auf 4 verringert.
− Die
der
neuen
Jedes der vier Programme (Interreg III, Leader+, Urban II und Equal) wird mit
EU-Finanzierung von Freiraum
81
den Mitteln eines bestimmten Strukurfonds finanziert. (ESDP 2001, S. 12)
− INTERREG III: Durch diese Initiative soll die grenzübergreifende und
transnationale Zusammenarbeit zwischen den Regionen der Europäischen
Union unterstützt werden, d.h. die Bildung von Partnerschaften über
die Grenzen hinweg zur Förderung einer ausgewogenen Raumordnung
überregionaler Gebiete. (Finanzierung: EFRE)
− URBAN II: Gefördert werden Städte oder Stadtteile mit erheblichen
wirtschaftlichen und/oder sozialen Problemen. Berücksichtigt werden
Probleme wie eine überdurchschnittlich hohe Kriminalitätsrate, eine hohe
Quote an Langzeitarbeitslosen oder eine Vielzahl von Umweltschäden. Der
Erfahrungsaustausch zwischen den geförderten Städten ist ein wesentlicher
Bestandteil dieser Initiative. (Finanzierung: EFRE)
− LEADER+: Mit dieser Gemeinschaftsinitiative soll besonders der ländliche
Raum gefördert werden. Gefördert werden Projekte, die Probleme wie
Landflucht und Arbeitslosigkeit bekämpfen. (Finanzierung: EAGFL)
− EQUAL: Gefördert werden Projekte, die Diskriminierungen auf dem
Arbeitsmarkt bekämpfen. (Finanzierung: ESF)
Die Gemeinschaftsinitiativen Leader+ und Equal werden nicht weiter
dargestellt, da sie nicht zur EU-Finanzierung von Freiräumen herangezogen
werden können.
Die für diese Arbeit wichtigen Gemeinschaftsinitiativen Interreg III und Urban II
werden im Folgenden an konkreten Projektbeispielen speziell erläutert.
3.1
Die Lokale Verwaltung
Wie unter Punkt 1.2.2 schon dargestellt, wird der Etat der Strukturfonds und
die grundsätzlichen Förderziele durch den Europäischen Rat festgelegt.
Die Kommission beschließt gemeinsam mit den Nationalstaaten, welche
Gebiete durch die einzelnen Strukturfonds gefördert werden können. Außerdem
82
gibt die Kommission eine thematische Ausrichtung für die Förderung der
einzelnen Regionen vor.
Die direkte Programmplanung und die Auswahl der einzelnen Projekte in
der Region wird von den nationalen Regierungen und regionalen Behörden
vorgenommen. Je nach finanziellem Aufwand erfolgt die Programmplanung
in einem oder zwei Schritten. Für die Förderung von „Ziel 1“-Regionen wird
zuerst ein nationales Programm (Gemeinschaftliches Förderkonzept, GFK)
erstellt, in Deutschland z.B. für alle ostdeutschen Länder, und mit der EUKommission abgestimmt. Anschließend erfolgt die „Feinabstimmung“ mit
einem operationellen Programm für jede „Ziel 1“-Region. Ab diesem Zeitpunkt
nimmt die EU-Kommission keinerlei Einfluss mehr auf die Projektauswahl und
die Verwaltung der Fördergelder. Für jedes Förderprogramm müssen von
der nationalen Regierung drei „Institutionen“ eingerichtet werden, welche die
Verantwortung für die Durchführung der Programme tragen:
− Verwaltungsbehörde: Sie wickelt die gesamte Verwaltung der Programme
ab - etwa die Projektauswahl oder die Überwachung der Projektdurchführung.
Sie muss jedes Jahr einen Durchführungsbericht erstellen und den Erfolg der
einzelnen Projekte beurteilen. Sie ist gegenüber der Kommission und dem
Begleitausschuss für die ordnungsgemäße Durchführung der Programme
verantwortlich.
− Zahlstelle: Die Zahlstelle wickelt die Auszahlung der Fördergelder ab. Sie
muss unabhängig von der Verwaltungsbehörde arbeiten.
− Begleitausschuss: Überwacht die Arbeit der Verwaltungsbehörde und
berichtet der Kommission.
Sobald ein Programm läuft, sind also nur noch die einzelnen Projekte und die
regionalen Verwaltungseinrichtungen an der Durchführung der Regionalpolitik
beteiligt. Obwohl die EU-Kommission für alle Haushaltsmittel der EU
verantwortlich ist, somit auch für die Fördergelder der Strukturfonds, beschränkt
sie sich darauf zu kontrollieren, ob die lokalen Behörden kompetent genug
sind, diese Aufgabe zu übernehmen. Ein wichtiger Hebel der Kommission zur
Effizienzkontrolle der Programme ist der Halbzeitbericht. Nach der Hälfte der
Programmlaufzeit (Ende 2003) wird jedes Programm hinsichtlich der geplanten
und erreichten Ziele sowie der Mittelverwendung überprüft.
Damit ist Deutschland nach Spanien zweitgrößter Empfänger von Mitteln aus
den Strukturfonds. Da die Bundesrepublik etwa ein Viertel des EU-Haushalts
finanziert, leistet sie für die europäische Strukturpolitik einen wesentlich
größeren Betrag als sie aus den Fonds erhält.
3.2
4
Die transnationale Zusammenarbeit anhand des Beispiels
INTERREG
Exkurs Europäische Strukturfonds in Berlin
Berlin ist die einzige Stadt und Region in der Europäischen Union, in der alle
drei Förderziele umgesetzt werden:
− Der ehemalige Ostteil der Stadt erhält in der Förderperiode 2000-2006 eine
Übergangsunterstützung aus dem Ziel 1.
− Wesentliche Teile der westlichen Bezirke fallen unter das Ziel 2, ein
geringerer Teil erhält aus dem Ziel 2 eine Übergangsunterstützung.
− Überall im Westen der Stadt leistet der ESF im Rahmen des Ziel 3 seinen
Beitrag zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.
„Um das Zusammenwachsen der ehemaligen Stadthälften optimal zu
unterstützen und Wettbewerbsverzerrungen innerhalb Berlins zu vermeiden,
wurde jedoch eine aufeinander abgestimmte und weitgehend einheitliche
Förderstrategie für den Einsatz der Strukturfonds im Rahmen aller drei Ziele
entwickelt.“ (Berlin.de 2003, a)
Berlin erhält im Zeitraum 2000-2006 fast 1,3 Mrd. € Förderleistungen aus allen
vier Strukturfonds. Hiervon entfallen 762 Mio. € auf den EFRE. Zusätzlich
profitiert Berlin von den Gemeinschaftsinitiativen. Aus URBAN II stehen 15
Mio. € für die Förderung eines Gebietes rund um den Bahnhof Ostkreuz zur
Verfügung. (nach Berlin.de 2003, b)
Eines der wichtigsten Beispiele der transnationalen Zusammenarbeit ist das
Programm INTERREG. Es ist ein Programm zur Förderung des wirtschaftlichen,
sozialen und territorialen Zusammenhalts auf der Basis des EUREK.
4.1
Das EUREK (Europäisches Raumentwicklungskonzept) wurde von den 15 Mitgliedstaaten
der EU und der Europäischen Kommission im Jahre 1993 erarbeitet. Die Initiation kam aus
Deutschland, die föderal strukturierte deutsche Raumordnungspolitik ist die Basis dieses
Konzeptes. Ziele des EUREK sind u.a., die wirtschaftliche und soziale Zusammenhalt und die
Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Raumes zu stärken. Es ist auch eines der wichtigsten
Ziele, die natürlichen Lebensgrundlagen und das kulturelle Erbe zu erhalten.
Um diese Ziele zu verwirklichen, hat das EUREK mehrere Leitbilder entwickelt. Eine der
Hauptideen ist die Entwicklung eines ausgewogenen und polyzentrischen Städtesystems mit
einer neuen Stadt-Land-Beziehung. Ein weiterer Schwerpunkt ist es, einen gleichwertigen
Zugang zu Infrastruktur und Wissen zu schaffen. Die letzte der drei Hauptideen ist die
Sicherung einer nachhaltigen Entwicklung mit einem intelligenten Management und der Schutz
von Kulturerbe und Natur. (nach Interreg.de 2003)
4.2
Für Deutschland stehen in den Jahren 2000-2006 ca. 30 Mrd. € zur Verfügung,
davon gehen ca. 20 Mrd. € in die „neuen“ und etwa 10 Mrd. € in die „alten“
Bundesländer.
Das EUREK (Europäisches Raumentwicklungskonzept)
INTERREG
Die Förderung der transnationalen Zusammenarbeit erfolgte in verschiedenen
Stufen mit unterschiedlichen Laufzeiten und Fördermittelsummen. Diese sind:
EU-Finanzierung von Freiraum
83
4.2.1 INTERREG Kooperationsräume:
INTERREG II C
Pilotaktion Artikel
EFRE
INTERREG III B
10
Laufzeit
EFRE-Fördermittel
1996-1999
420 Mio. €
1996-1999
20 Mio. €
2000-2006
1.300 Mio. €
Gegenwärtig läuft INTERREG III auf drei Ebenen:
INTERREG III A ist das Programm für grenzübergreifende
Zusammenarbeit.
INTERREG III B ist das Programm für transnationale Zusammenarbeit.
INTERREG III C ist das Programm für interregionale Zusammenarbeit.
Was die transnationale Zusammenarbeit betrifft ist INTERREG III B von diesen das wichtigste
Programm. Die Arbeit erfolgt auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene, erforderlich ist dabei
die möglichst reibungslose Zusammenarbeit der jeweiligen Behörden.
Die Ziele dieses Programms sind:
− Der Erfahrungsaustausch und die Erarbeitung gemeinsamer Strategien,
− Die Förderung einer polyzentrischen, nachhaltigen, harmonischen und
ausgewogenen Entwicklung in der Gemeinschaft mit besserer räumlicher
Integration der Beitrittskandidaten und anderer Nachbarländer,
− Die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit, der Effizienz und des Wachstums
der beteiligten Regionen,
− Die Verbesserung des transnationalen Wissens durch angewandte
Forschung über Schlüsselfragen,
− Die Ausarbeitung effizienter und umweltverträglicher Verkehrsnetze und ein
besserer Zugang zur Informationsgesellschaft,
− Die Förderung der nachhaltigen Bewirtschaftung des Natur- und
Kulturerbes.
(nach Interreg.de 2003)
84
Am Programm INTERREG III B werden alle Mitgliedstaaten der EU beteiligt.
Außerdem sind Nicht-EU-Länder, vor allem in Mittel- und Osteuropa und
andere Gebiete in äußerster Randlage der Gemeinschaft (Kanarische Inseln,
französische Überseedepartments, Azoren, Madeira), daran angeschlossen.
Das Programm wurde in zehn Kooperationsräume aufgeteilt: die nördliche
Peripherie, der Ostseeraum, der Nordseeraum, Nordwesteuropa, der
atlantische Raum, Südwesteuropa, der westliche Mittelmeerraum, CADSES
(Mitteleuropäischer, Adriatischer, Donau- und Südosteuropäischer Raum), der
Alpenraum und Archimed.
Deutschland ist an fünf dieser Kooperationsräume beteiligt (Ostseeraum,
CADSES, Nordseeraum, Nordwesteuropa, Alpenraum). Vier von diesen haben
bereits am Programm INTERREG II C teilgenommen, der Alpenraum kam erst
im INTERREG III B dazu.
4.2.2 Finanzierung von INTERREG:
INTERREG wird überwiegend durch
den EFRE (Europäischer Fonds für
regionale Entwicklung) finanziert.
Von den insgesamt 4,9 Mrd. €
EFRE–Fördermitteln für INTERREG
III werden dem INTERREG III B
27% zugeteilt (INTERREG III A 67%,
INTERREG III C 6%). Außerdem
wird INTERREG durch andere EU
Programme
(PHARE,
CARDS,
TACIS) finanziert. Die Unterstützung
wird auf lokale und regionale Ebenen
aufgeteilt.
Die
Gesamtmittel
für
den
Kooperationsraum CADSES belaufen sich auf 240 Mio. €, von denen 130 Mio.
€ aus dem EFRE stammen.
EU-Strukturfondsmittel müssen grundsätzlich kofinanziert werden, das heißt,
dass der Antragsteller einen bestimmten Anteil an den gesamten Projektkosten
durch nationale Mittel beitragen muss. Bei strukturschwachen Regionen liegt
dieser Prozentsatz bei 25, in allen anderen Gebieten bei 50. Halböffentliche und
private Mittel werden dabei auch eingesetzt. Nicht-EU-Länder akquirieren, da
sie keine direkte Förderung aus INTERREG-Mitteln erhalten, Mittel aus anderen
EU-Programmen und erbringen zusätzlich nationale Finanzierungsmittel.
(nach Bbr.bund.de 2003)
4.2.3 Beispielprojekte im Rahmen von INTERREG:
− SuPortNet: Ausbau von Häfen für den Bootstourismus im Ostseeraum
− Radwanderwegsystem im Nordseeraum
− NWMA – Nordeuropäische Handelsachse
− IRMA – Vorbeugender Hochwasserschutz, dezentrale Regenwasserbewirts
chaftung
− Umweltfreundliche Reiselogistik im Alpenraum
− REKULA
Beispielprojekt REKULA:
Das Ziel dieses Programms ist die Entwicklung eines Instrumentariums für die
Restrukturierung von Kulturlandschaften, die durch industrielle Prozesse (zum
Beispiel Bergbau) innerhalb kurzer Zeit stark verändert und zerstört wurden.
Dieses Programm läuft im Rahmen des INTERREG III B-Programms innerhalb
des Kooperationsraums CADSES. Der Projektleiter ist die IBA „Fürst-PücklerLand“ in Deutschland, die die Gesamtkoordination des Projektes übernimmt.
Andere Projektpartner sind die Region Venetien und die Fondazione Benetton
Studi Richerche (FBSR) aus Italien, sowie die Stadt Zabrze und die Schlesische
Technische Universität in Gliwice, aus Polen.
Für die Laufzeit von 2003 bis 2006 steht eine Gesamtsumme von 3,7 Mio. €
zur Verfügung.
Die IBA ist Teil des
Beispielprojektes REKULA.
Es findet in den Jahren
von 2000 bis 2010 in
der Region Lausitz statt.
Diese Region war das
Energiezentrum der DDR,
die Braunkohlegewinnung
hat die Landschaft komplett
umgewandelt. Die IBA hat
die Aufgabe der Sanierung
dieses Gebietes, sie verknüpft gestalterische und technische Innovationen,
konfrontiert Wissenschaft und Kunst mit dieser Aufgabe.
Die Teilnehmer an diesem Projekt sind die Landkreise Elbe-Elster, DahmeSpreewald, Oberspreewald-Lautsitz, Spree-Neiße sowie die Stadt Cottbus.
EU-Finanzierung von Freiraum
85
Weiterhin wird es durch das
Land Brandenburg gefördert.
Im Zentrum der IBA-Arbeit
stehen 22 Einzelprojekte, die
in acht Landschaftsinseln
eingebettet
sind.
Diese
Inseln sind nachhaltig durch
den Tagebau geprägt. Alle
diese Inseln stehen unter
einem anderen Teilthema, als
modellhafte Projekte.
Einige Beispiele:
Großräschen-Senftenberg
mit dem IBA-Zentrum als
Informationszentrum
Gräberdorf-Greifenhain
mit
Thema
„Landschaftskunst“
Welzow zum Thema „Wüste/Oase“ mit
der Idee, bei der Rekultivierung des
Tagebaus eine Teilfläche als besonderes
Wüstenerlebnis auszubilden
Die Lausitzer Seenkette als einzigartige
„Wasserwelt“
86
5
Stadtvierteln und benachteiligten Regionen
Beispiel Brandenburg-Bahnhofsvorstadt
5.1
Einleitung
URBAN ist eine Gemeinschaftsinitiative
der EU. Ihr Ziel ist es, die Lebensqualität in
benachteiligten Stadtteilen zu verbessern.
Der Förderzeitraum für URBAN I lief von
1995 bis 2001 (Urban II läuft von 2000 bis
2006). Es wurden in dieser Zeit 33 Projekte
mit Fördermittel in Höhe von rund 9 Mio.
Euro verwirklicht.
URBAN wurde als Anschub für die
Entwicklung der Bahnhofsvorstadt gesehen,
der dazu führen sollte,
− die Attraktivität der Bahnhofsvorstadt zu
erhöhen,
− die Lebensbedingungen zu verbessern,
− die Wirtschaftskraft zu erhöhen und somit
neue Arbeitsplätze zu schaffen.
Zentrale
Rolle
dieser
Initiative
in
Brandenburg an der Havel spielte die Bürgerbeteiligung (Information über den
Fortgang der Maßnahmen, Möglichkeit, über die Veränderungen im Stadtteil
mitzubestimmen).
In erster Linie sollten akzeptabler Wohnraum und Arbeitsplätze geschaffen
werden. Ebenso wichtig war und ist es jedoch, dass die Bürger der
Bahnhofsvorstadt wieder Verantwortung für ihren Stadtteil übernehmen und
seine Entwicklung unterstützten. (nach Stadt-brb.de 2003)
5.1.1 Leitbild der Stadt Brandenburg an der Havel
Dieses Leitbild wurde von Oktober 2001 bis April 2002 in insgesamt 23
Workshops erarbeitet, an denen rund 350 Brandenburger Bürgerinnen und
Bürger teilnahmen.
− Drei „Lebensadern“ prägen die Stadt und stellen die zentralen
Ausgangspunkte für ihre zukünftige Entwicklung dar.
Wasserstadt Brandenburg – die Lage am Wasser
Kulturstadt Brandenburg – hoher Stellenwert der Kultur
Bildungsstadt Brandenburg – vielfältiges Bildungsangebot
− Technologie- und Dienstleistungsstandort Brandenburg
Wasserstadt Brandenburg
Brandenburg wird geprägt von der Havel, die mit ihren Nebenarmen, Kanälen
und Gräben das Stadtbild bestimmt und das historische Zentrum in drei Inseln
teilt. Das Wasser ist überall in der Stadt präsent. Im westlichen Stadtgebiet
erweitert es sich zu einer 15 km² großen Seenplatte (Plauer-, Möserscher,
Quenz-, Breitling- und Wendsee). Die Wasserflächen nehmen knapp 20% des
Stadtgebietes ein. Brandenburg verfügt über eine Regattastrecke auf dem
Beetzsee, auf der Deutsche-, Europa- und Weltmeisterschaften ausgetragen
werden. Ziele waren unter anderem: die Ergänzung der bestehenden
Promenaden, das Anlegen neuer Strände sowie die Erhöhung der Anzahl der
Anlegestellen für Boote.
Kulturstadt Brandenburg
Brandenburg verfügt sowohl über ein historisch gewachsenes und
gut erhaltenes Stadtgefüge als auch über ein hochwertiges kulturelles
Veranstaltungsangebot. Die Stadt blickt auf eine über 1000jährige Geschichte
zurück, rund 400 Baudenkmäler sind erhalten. Die Ziele der Stadtentwicklung
im Rahmen des URBAN-Programmes waren: Bestandsentwicklung und
Konzentration auf den Stadtkern sowie auf die Ortskerne mit bauhistorischem
Wert (z.B. Umbau des St.-Pauli-Klosters zum Landesmuseum für Ur- und
Frühgeschichte, Sanierung der Mühlengebäude auf der Dominsel), Schaffung
eines breiten und hochwertigen kulturellen Angebots (historische Bausubstanz
zu kulturellen Zwecken umfunktionieren, Regelmäßigkeit der etablierten
Veranstaltungen gewährleisten und ihre Qualität erhöhen).
Bildungsstadt Brandenburg
Am 25.10.2001 wurde Brandenburg an der Havel vom Minister für Bildung,
Jugend und Sport des Landes Brandenburg als einzige Stadt im Land
Brandenburg der Titel „Bildungsstadt“ verliehen. Die Stadt verfügt u.a. über fünf
Gesamtschulen, zwei Realschulen, drei Gymnasien, zwei Oberstufenzentren
und eine Fachhochschule (Fachbereiche Informatik, Medien, Wirtschaft,
Technik). Darüber hinaus steht ihnen mit der Kinder- und Jugend-Kunstgalerie
Sonnensegel, der Wredowschen Zeichenschule, der Station junger
Techniker und Naturforscher, der Jugendkulturfabrik, vier Musikschulen
und 74 Sportvereinen ein breit gefächertes Angebot an freizeitorientierten
Bildungsinstitutionen zur Verfügung. Als Motto wurde gewählt: „Brandenburg
als Lern- und Lebensort entwickeln“.
Technologie- und Dienstleistungsstandort Brandenburg
Seit 1990 hat sich ein tief greifender Wandel in der Wirtschaftsstruktur
vollzogen, der dazu führte, dass sich Brandenburg zu einem modernen
technologieorientierten Standort mit einem leistungsfähigen Mittelstand
entwickelt hat. Die Stadt unternimmt intensive Anstrengungen, den
Standort neben der Produktion vor allem in den Bereichen Forschung und
Entwicklung, unternehmensbezogene Dienstleistungen sowie Tourismus
zu stärken. Brandenburg verfügt über eine hervorragende Lage im Raum
und entsprechend gute Verkehrsanbindungen. Die Stadt liegt auf dem
europäischen Entwicklungskorridor Paris-Moskau nur 70 km von Berlin
entfernt. Sie ist angebunden an die Bundesautobahn A2 und verfügt über
einen ICE-Bahnhof, einen modernen Hafen sowie einen Flugplatz. Es ist ein
Brachflächenmanagement vorhanden, um Firmen, die sich erweitern oder neu
EU-Finanzierung von Freiraum
87
ansiedeln wollen, auch zentrumsnah Gewerbeflächen anbieten zu können.
Die Stadt stellt sicher, dass Gewerbeflächen in allen Größenordnungen und
verschiedenen Qualitäten angeboten werden. (nach Stadt-brb.de 2003)
5.1.2 Ziele der Stadtentwicklung
− Innenstadt entwickeln
− Kernstadt entwickeln
− Stadtteile fördern
− Stadteingänge und Zentrumsring aufwerten
− Verkehr verbessern
− Umwelt und Freizeit stärken
5.1.3 Geschichte
der
Bahnhofsvorstadt
Die
Eröffnung
der
Eisenbahnstrecke Berlin
- Potsdam - Magdeburg
1846 gab den Anstoß
für
die
Entwicklung
der
Bahnhofsvorstadt.
Bis
1866
entstanden
196
Wohngebäude.
Bis zum Ende des 19.
Jahrhunderts entwickelte
sich das Viertel zum
wichtigsten Industriegebiet der Stadt. Wenige Jahre nach der Wende hatte die
Bahnhofsvorstadt einen sehr schlechten Ruf, da das Gründerzeitviertel zu DDRZeiten stark vernachlässigt worden war. Die meisten Häuser wurden noch mit
Kohle beheizt und viele hatten eine nur unvollkommene sanitäre Ausstattung,
fast alle Straßen konnten auf Grund ihres Zustandes nur im Schritttempo
befahren werden, auf den Fußwegen senkten sich die Gehwegplatten ab,
vorhandenen Freiflächen befanden sich in einem ungepflegten Zustand, es gab
88
kaum Angebote zur Freizeitgestaltung und keine Spielmöglichkeiten für Kinder.
Nur wenige Jugendliche zogen nach der Wende in die Bahnhofsvorstadt,
und der Altersdurchschnitt der Bevölkerung stieg erheblich an. Als 1991
schließlich die Brennaborwerke schließen mussten, kam es zu einer erhöhten
Arbeitslosigkeit. Dies hatte zur Folge, dass die Kaufkraft immer weiter absank,
so dass viele Geschäfte schließen mussten. Der Niedergang des Viertels war
nahezu besiegelt.
Gleichzeitig
verfügte
die
Bahnhofsvorstadt aber unbestreitbar
über Potentiale, die eine positive
Entwicklung
unterstützen
konnten.
Einerseits grenzt sie unmittelbar an die
Innenstadt, andererseits liegt sie direkt
am Bahnhof. Dazu kam, dass fast die
gesamte Bausubstanz noch in einem
so guten Zustand war, dass sie saniert
werden konnte.
5.1.4 Verwendung der zur Verfügung stehenden Gelder
Die für die Bahnhofsvorstadt zur Verfügung stehenden Gelder wurden für
folgende Schwerpunkte verwendet:
− Einleiten neuer wirtschaftlicher Tätigkeiten durch die teilweise Sanierung
der ehemaligen Brennaborwerke und ihre Entwicklung zum „Kultur- und
Gewerbehof Brennabor“
− Verbesserung der sozialen und kulturellen Infrastruktur sowie Aufwertung
der Freizeitmöglichkeiten im Stadtteil z.B. durch die Errichtung eines
Bürgerzentrums mit Stadtteilbüro, die Sanierung der Wredow´schen
Zeichenschule
− Verbesserung des Wohnumfeldes durch die Rekonstruktion von Straßen,
die Neugestaltung von Plätzen und die Anlage von Wegen an Gewässern
− Maßnahmen zur Beschäftigung und Weiterbildung
Die zentrale Rolle des URBAN-Stadtteilbüros (Stadt-brb.de 2003)
Das URBAN-Stadtteilbüro spielte eine zentrale Rolle bei der Umsetzung
des URBAN-Programmes. Es wurde am 1. April 1997 eröffnet und wird
seitdem von acht ABM-Kräften der BAS gGmbH (Brandenburg an der Havel
Arbeitsförderungs- und Strukturentwicklungsgesellschaft mbH) und vom
Projektmanager der Brandenburger Dienstleistungen GmbH betrieben.
Das Büro hat die Aufgabe
− die Öffentlichkeit über den Fortgang des URBAN-Programmes zu
informieren,
− Treffpunkt im Stadtteil und Anlaufpunkt für die Anliegen der Bürger zu sein,
− die Bewohner zu animieren, sich an der Entwicklung der Bahnhofsvorstadt
und der URBAN-Projekte zu beteiligen,
− die Bürgerbeteiligung organisieren.
5.1.5 Projekte
Trauerberg (siehe Abb. URBAN-Projekte in Brandenburg an der Havel Projektnummer 4)
Der Trauerberg ist der einzige größere öffentliche Platz in der Bahnhofsvorstadt
und wurde als Busbahnhof genutzt. Seine Umgestaltung zu einem Platz mit
hoher Aufenthaltsqualität war ein wesentlicher Schritt zur Aufwertung der
Bahnhofsvorstadt. Ziel war es, eine Mischung von verschiedenen Nutzungen
auf dem Platz anzusiedeln,
die sowohl junge als auch alte
Menschen dazu anregen, sich
dort aufzuhalten.
Um Ideen zu sammeln, wurde im
Herbst 1997 ein bundesweiter
Ideenwettbewerb für Studenten
ausgeschrieben. Im April 1998
wurden
die
Siegerarbeiten
den Bürgern und, im Rahmen
einer Tagung, den Mitgliedern
des
URBAN-Netzwerkes
EU-Finanzierung von Freiraum
89
Deutschland vorgestellt. Die Ideen der Studenten bildeten die Grundlage
für die Planung des beauftragten Planungsbüros. Der endgültige Entwurf
wurde im September 1999 nach intensiven Diskussionen zwischen Planern,
Stadtverwaltung und Bürgern vorgelegt.
Auf dem Areal der bisherigen Bussteige wurde eine Fläche geschaffen, die sich
aus wassergebundener Decke, Beton und Grün zusammensetzt. Es sind ein
Brunnen, Sitzgelegenheiten,
ein Kleinkinderspielplatz und
Fahrradspuren vorhanden.
Aus
der
Verknüpfung
dieser Elemente ergeben
sich
viele
verschiedene
Nutzungsmöglichkeiten.
Projekte zur Weiterbildung
Innerhalb von URBAN wurden 1,2 Mio. Euro aus dem Europäischen
Sozialfonds (ESF) bewilligt. Mit Hilfe dieser Mittel wurden die Teilnehmer von
Qualifizierungs- und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) weitergebildet,
um ihnen den Eintritt in den ersten Arbeitsmarkt zu erleichtern. Die Mittel
wurden bisher in folgenden Maßnahmen eingesetzt:
− 2 AB-Maßnahmen im Stadtteilbüro à 8-10 Teilnehmer, Träger: BAS gGmbH
(Brandenburger Arbeitsförderungs- und Strukturentwicklungsgesellschaft
mbH)
− ABM „Bausicherung, Rückbau“ 26 Teilnehmer, Träger: BAS gGmbH
− Weiterbildungsmaßnahme „Innovative Fortbildung Sanierungstechniker“ 52
Teilnehmer, Träger: Gesellschaft für berufliche Bildung mbH (GBB)
Kultur- und Gewerbehof Brennabor (siehe Abb. URBAN-Projekte in
Brandenburg an der Havel - Projektnummer 1)
90
Die ehemaligen Brennaborwerke
liegen im nordöstlichen Teil der
Bahnhofsvorstadt und sind das besterhaltenste Zeugnis der Industriegeschichte
in der Stadt Brandenburg. Das Denkmal aus der Gründerzeit ist Teil eines
weitläufigen Industriekomplexes. Die ca. 30.000 m² Nutzfläche gehören
verschiedenen Eigentümern, wovon sich ca. 7.500 m² im Besitz der Stadt
Brandenburg befinden.
Im rückwärtigen Teil der Immobilie wurde ein Kultur- und Gewerbehof geschaffen,
der mit 4,2 Millionen DM gefördert wurde und damit das größte Projekt innerhalb
des URBAN-Programmes darstellte. Die Grundidee des Projektes stellte die
Verknüpfung von Kultur und Gewerbe dar. Es sollen gemeinsame Produkte
und Projekte entstehen, die wirtschaftliche und gestalterische Zielsetzungen
miteinander verbinden und somit auch zu einer Belebung des Stadtbezirkes
führen. Künstler, Gewerbetreibende und interessierte Bürger können den Hof,
den Veranstaltungssaal, das gesamte Areal für gemeinsame Aktionen nutzen
und finden so Raum zur Entfaltung. Um diese verschiedenen Ideen zu bündeln
und miteinander zu vernetzen, gründete sich der „Brennabor e.V.“.
Bemerkenswert bei der Entwicklung des Projektes ist, dass es gelang, private
und öffentliche Interessen und Gelder zu bündeln. Dies geschah durch den
Einstieg eines privaten Investors, der das inhaltliche Konzept mittrug und in die
Sanierung der vorderen Gebäudeteile ca. weitere 5 Mio. Euro investierte.
5.1.6 Die wichtigsten Akteure
Bei der Umsetzung des URBANProgrammes wirkte eine Vielzahl von
Akteuren mit. Die Aufzählung gibt einen
groben Überblick:
− Stadt Brandenburg an der Havel
− Conceptfabrik
− BBJ GmbH
− Ministerium
für
Stadtentwicklung,
Wohnen und Verkehr
− Ministerium
für
Arbeit,
Soziales,
Gesundheit und Frauen
− Europäische Union
− Arbeitsamt Potsdam
− Gesellschaft für berufliche Bildung mbH (GBB)
− Brandenburger Arbeitsförderungs- und Strukturentwicklungsgesellschaft
mbH (BAS gGmbH)
− Gesellschaft für Arbeitsförderung, Beschäftigung und Strukturentwicklung
mbH (GABS)
− Stadtteilbüro
− Bürgerzentrum
5.1.7 Ausblick
Der Bestand an akzeptablem Wohnraum hat sich in den letzten Jahren
kontinuierlich erhöht. Waren im September 1996 erst 84 der insgesamt 448
Gebäude (19%) saniert, so waren es im März 1999 bereits 195 (44%). Insgesamt
wurden seit 1996 nach vorsichtigen Schätzungen etwa 20,5 Mio. Euro von
privater Seite in die Schaffung von Wohnraum investiert. Die Sanierung und
der Neubau von Häusern tragen gleichzeitig natürlich auch wesentlich zu
einem positiven Erscheinungsbild des Stadtteils bei. Seit 1996 hat rund jedes
vierte Grundstück in der Bahnhofsvorstadt den Besitzer gewechselt. Dies ist
ein Beweis dafür, dass die Bahnhofsvorstadt immer stärker als attraktiver
Wohnstandort erkannt wird.
Arbeitsplätze sind in den letzten Jahren durch die Ansiedlung von Büros und
Praxen und die Eröffnung mehrerer neuer Geschäfte geschaffen worden.
Gleichzeitig haben jedoch einige Gewerbetreibende die Bahnhofsvorstadt
verlassen. Insgesamt muss der Ansatz, durch die Anschubwirkung des
URBAN-Programms privates Kapital in die Bahnhofsvorstadt zu ziehen, als
gelungen betrachtet werden. Gleichzeitig ist zu beobachten, dass das Interesse
an den Veranstaltungen des Stadtteilbüros stetig zugenommen hat. Das deutet
darauf hin, dass sich nicht nur die Lebensqualität in der Bahnhofsvorstadt
spürbar verbessert hat, sondern auch die Bewohner wieder Interesse und
Verantwortung für ihren Stadtteil entwickeln.
6
Das Bund-Länder-Programm
„Soziale Stadt“
Das Quartiersmanagement (QM) ist im Rahmen des Bund-Länder-Programms
„Soziale Stadt“ entstanden. „Soziale Stadt“ ist eines von drei Stadtentwicklung
sprogrammen in Berlin neben
− der
„Sozialen Stadterneuerung“ in 30 förmlich festgelegten
Sanierungsgebieten und
− der Strategie zur Weiterentwicklung der 32 Großsiedlungen des sozialen
und 17 Großsiedlungen des komplexen Wohnungsbaus.
Es unterstützt seit Frühjahr 1999 zunächst 15 und seit Herbst 2001 zwei
weitere durch Senatsbeschluss festgelegte Quartiersmanagementgebiete
sowie das Gebiet des Pilotprogramms URBAN II der Europäischen Union.
Das Gebiet rund um das Ostkreuz wird innerhalb der Gemeinschaftsinitiative
dabei mit knapp 20 Millionen € gefördert. 75% dieser Gelder werden von
der Europäischen Union zur Verfügung gestellt; der übrige Anteil muss von
EU-Finanzierung von Freiraum
91
Landes- oder Bundesinstitutionen getragen werden. (nach Senatsverwaltung
für Stadtentwicklung - Wohnen - URBAN II)
Seit 1999 bedeutet das Programm „Soziale Stadt“ eine Fortführung der Stadte
rneuerungsprogrammatik mit den Schwerpunkten
− einer integrierten Vorgehensweise,
− der Bündelung von städtebaulichen, wohnungspolitischen, sozialen und
wirtschaftspolitischen Instrumenten und
− der Vernetzung von öffentlichen, wirtschaftlichen und privaten Akteuren.
Das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) übernimmt für das Programm „Soziale
Stadt“ im Auftrag des Bundes und der Länder die Programmbegleitung. Es erfüllt
die Aufgabe einer Vermittlungs-, Informations-, und Beratungsagentur. Das
Difu ist damit Ansprechpartner für alle im Rahmen des Programms beteiligten
Personen, Initiativen und Institutionen (nach Sozialestadt.de 2003).
6.1
Die Ermittlung von Quartiersmanagementgebieten
Aufgrund der sich schnell entwickelten Veränderungen nach dem Mauerfall
und den damit verbundenen extrem gestiegenen Umzugsbewegungen
haben sich in Teilen der Stadt sozial selektive Tendenzen ausmachen lassen.
Beispielhaft sei hier der Wegzug wohlhabender Familien in die Randbereiche
der Stadt oder ins Umland zu nennen. Vielfach war eine Entmischung der
unterschiedlichen Bevölkerungsschichten die Folge, so dass einige Gebiete
einer negativen Entwicklung entgegensahen. Es zeichnet sich insgesamt ein
stärkerer Sortierungsprozess nach Einkommen, Nationalität und Familienstand
ab. Der Wegzug der einheimischen Bevölkerung hat aber auch zur Folge, dass
die Identifizierung der zugezogenen Bevölkerung mit dem Kiez nicht so stark
ausgeprägt ist.
Abhilfe soll hierbei das Quartiersmanagement schaffen, indem es integrativ
auf die Bevölkerung wirkt und v.a. die Außendarstellung des Kiezes attraktiver
gestaltet. Häufig wurde bereits beobachtet, dass es „… zu einem neuen
Miteinander von Anwohnern kam. Ein interessanter wie wichtiger Aspekt ist,
dass zugewanderte Jugendliche über den Kontakt mit älteren Deutschen
92
Einblicke in die Geschichte ihrer Wohngegend bekamen und damit einen
inneren Zugang erhielten, der sie anders mit ihrem unmittelbaren Lebensumfeld
umgehen lässt.“ (Stadtentwicklung.berlin.de 2003, b)
Auch oder gerade Angebote für Kinder sollen mehr und mehr Beachtung finden,
um das Verantwortungsbewusstsein dieser und der nächsten Generation für
den Kiez zu stärken und die geleistete Arbeit selbstorganistorisch durch die
Bevölkerung weiterzuführen.
QM-Gebiete, sog. „Gebiete mit besonderem Entwicklungsbedarf“, wurden
daraufhin in den Wohngegenden eingerichtet, in denen mehrere der folgenden
Faktoren vorzufinden waren:
− städtebauliche, bauliche und ökologische Defizite,
− infrastrukturelle Defizite,
− wirtschaftliche Stagnation auf niedrigem Niveau,
− Umbruch bzw. sprunghafter Rückgang der wirtschaftlichen Aktivitäten,
unausgewogene Bevölkerungsentwicklung,
− hohe Arbeitslosigkeit,
− hoher Grad der Abhängigkeit von Transfereinkommen,
− hoher Anteil von Ausländern, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen,
− hohe Mobilität (Fortzug insbesondere von Familien, Erwerbstätigen und
einkommensstarken Haushalten),
− zunehmende soziale und kulturelle Segregation und Exklusion,
− Zunahme der Kriminalität im öffentlichen Raum
(nach Stadtentwicklung.berlin.de 2003, b)
Folgende QM-Gebiete sind in Berlin entstanden:
Seit März 1999:
Berlin-FriedrichshainKreuzberg
Boxhagener Platz
Kreuzberg - Kottbusser Tor
Wrangelkiez
Berlin-Marzahn-Hellersdorf Stadtteil 1 (Nord und West)
Berlin-Mitte
Sparrplatz
Magdeburger Platz
Moabit West (Beusselkiez)
Soldiner-/Wollankstraße
Berlin-Neukölln
Rollbergsiedlung
Schillerpromenade
Sonnenallee, High-Deck-Siedlung
Berlin-Pankow
Prenzlauer Berg – Falkplatz
Prenzlauer Berg – Helmholtzplatz
B e r l i n - T e m p e l h o f - Schöneberger Norden
Schöneberg
(Sozialpalast/Bülowstraße)
Berlin-Treptow-Köpenick
Oberschöneweide
Seit Oktober 2001:
Berlin-Mitte
Reinickendorfer/Pankstraße
Berlin-Neukölln
Reuterplatz
6.2
Förderschwerpunkte des EFRE und die QM-Beteiligung
Einordnung der Fördermittel, die für das Quartiersmanagement vorgesehen
sind, im Kontext der Förderschwerpunkte des EFRE:
1. Förderung der Wettbewerbsfähigkeit der gewerblichen Wirtschaft
bspw. Förderung von Existenzgründer/innen mit dem Existenzgründungsda
rlehen
2. Förderung der Infrastruktur
− wirtschaftsnahe Infrastruktur
− Infrastrukturen im Bereich Wissenschaft, Forschung und Entwicklung
− Infrastrukturen im Bereich Aus-, Fort- und Weiterbildung
− Städtische und lokale Infrastrukturen, Förderung von Problemvierteln
(Quartiersmanagement, Verbesserung des Wohnumfeldes)
− Wirtschaftliche Maßnahmen im Rahmen „Bezirklicher Bündnisse für
Wirtschaft und Arbeit“
− Verkehrsinfrastrukturen
3. Schutz und Verbesserung der Umwelt
Förderung von Ressourcen schonenden Investitionen (Umweltentlastungsp
rogramm)
(nach Berlin.de 2003, c)
6.3
Mittelbündelung und Finanzierung des QMs
Die finanziellen Mittel für die Quartiersmanagementgebiete werden durch
den Bund, die Länder und die EU bereitgestellt, da, wie bereits beim Thema
INTERREG erwähnt, die Bedingung für den Erhalt von EU-Strukturfondsmittel
stets ist, dass diese nur verwandt werden können, wenn sie durch die Region (in
diesem Fall das Land Berlin) und/oder den Staat kofinanziert werden. Dadurch
wird verhindert, dass EU-Mittel dafür verwendet werden, Pflichtaufgaben des
Mitgliedstaates zu finanzieren. (nach Berlin.de 2003, d)
Aufschlüsselung des Mitteleinsatzes in Berlin im Zeitraum 1999 – 2002 (Stadt
entwicklung.berlin.de 2003, b):
EU-Finanzierung von Freiraum
93
Bund:
EU:
Berlin:
Gesamtsumme
13,2 Mio. €
22,3 Mio. €
39,5 Mio. €
75,0 Mio. €
Insgesamt werden im Zeitraum bis 2006 Mittel in Höhe von 39 Mio. € aus
dem EFRE für die Berliner Quartiersmanagementgebiete bereitgestellt. Bisher
wurden im Zeitraum von 2000–2002 352 Projekte mit Beteiligung von EFREMitteln bewilligt.
Zusätzlich wird an der Erschließung von Mitteln aus dem Europäischen
Sozialfonds (ESF) gearbeitet. Bisher läuft ein Modellprojekt mit einer
Laufzeit von 12/2002 bis 11/2004 in den im Ostteil der Stadt liegenden QMGebieten Helmholtzplatz, Falkplatz und Boxhagener Platz, in denen die
Entwicklungsagentur BEST das Programm „lokale Beschäftigungsstrategien
und Innovation“ betreut. Ziel ist es, die Gründung und den Ausbau von sozialen
Unternehmen zu unterstützen und dadurch auf lokaler Ebene Arbeitsplätze
zu schaffen und unversorgte Bedürfnisse abzudecken. (nach BEST 2003)
Der Grund, warum diese Gebiete im Ostteil der Stadt liegen, ist, dass bei
der Förderung durch die EU zumindest noch bis zum Jahre 2005 zwischen
„Ziel-1“- (im Ostteil) und „Ziel-2“-Gebieten (im Westteil) unterschieden wird.
Das heißt, dass „Ziel-2“-Gebiete nur bis zu 50%, „Ziel-1“-Gebiete bis zu 75%
EU-Fördermittel erhalten. Zuweilen rechtfertigt allerdings der tatsächliche
Zustand der Kieze diese Unterscheidung nicht mehr, weil in einigen Gebieten
im Westen Berlins schwerwiegendere Entwicklungstendenzen auszumachen
sind, die Fördersumme jedoch geringer ausfällt. So wären eventuell die Mittel
aus dem ESF in einigen QM-Gebieten im Westteil der Stadt besser angelegt
gewesen, aufgrund dieser Unterscheidung war jedoch der Ostteil Berlins die
„lukrativere“ Alternative.
Neben diesen Mitteln bemühen sich die QM-Teams auch noch um weitere
Fördermöglichkeiten aus Programmen wie der „Weiterentwicklung von
Großsiedlungen“, dem „Schul- und Sportanlagensanierungsprogramm“ oder
94
dem „Umweltentlastungsprogramm“ (UEP). Im UEP können beispielsweise
umweltentlastende Stadtentwicklungsmaßnahmen, die zu einer Verbesserung
der Umweltqualität und zur Integration von Beschäftigungs- und
Umweltinitiativen beitragen, gefördert werden. (UEP-BERLIN.DE 2003)
6.4
Durchführungsstruktur des EFRE
Mittel für größere Projekte, die aufgrund ihres finanziellen Umfangs nicht über
Aktions- oder Quartiersfonds finanziert werden können, müssen von den
Quartiersmanagement- Teams direkt beantragt werden.
Die EFRE-Förderung wird in Berlin dezentral umgesetzt, das heißt die
Bewilligung der geförderten Projekte und die Durchführung der Förderung liegt
bei den fachlich zuständigen Senatsverwaltungen und Bezirksämtern.
Bei einem Großteil der Fördermaßnahmen wurde die Durchführung,
Antragsbearbeitung und Bewilligung auf sogenannte geschäftsbesorgende
Träger übertragen, wie
− die Investitionsbank Berlin (IBB), die einen Großteil der Förderprogramme
umsetzt,
− die BAO Berlin International GmbH, die das Außenwirtschaftsförderprogram
m umsetzt,
− die Beratungs- und Service-Gesellschaft Umwelt mbH (B&S.U) für das
Umweltentlastungsprogramm und
− die
Handwerkskammer, bei der die Antragstellung für die
Meistergründungsprämie erfolgt (nach Berlin.de 2003, e).
Im Fall der Quartiermanagement-Förderung bedeutet dies, dass Anträge für
größere Projekte bei der IBB eingereicht werden, welche die Fördermittel
verwaltet und über die Vergabe zu entscheiden hat. Geprüft wird, ob die
Projekte den Förderrichtlinien entsprechen und zu bewilligen sind, wobei die
IBB sich einen Widerruf vorbehalten kann.
6.5
Aktions- und Quartiersfonds
Jedes QM bekommt jährlich einen Aktionsfonds in Höhe von 15.339.- €
(30.000 DM) zugeteilt. Dadurch können kleinere Projekte und Veranstaltungen
realisiert werden, die auf Antrag von Gremien, meist aus Bewohnern,
Gewerbetreibenden und Fachleuten aus den Quartieren bestehend, angeregt
werden. Die Reichweite von durch den Aktionsfonds finanzierten Projekten
reicht von Veranstaltungen wie Hoffesten über Informationsblätter wie das
„Falkblatt“ bis hin zu Pflanzaktionen und Verschönerung von Spielplätzen.
Über die Vergabe der Mittel aus dem Fonds wird von einem aus Anwohnern
des Quartiers bestehenden Anwohnerbeirat entschieden. Dieser tritt alle sechs
Wochen zusammen und berät über die vorliegenden Anträge. Pro eingereichten
Antrag kann ein Betrag von bis zu 500 € aus dem Fonds bewilligt werden.
Der Quartiersfonds – 1 Million (DM) in Bürgerhand
Der Quartiersfonds ist ein vom Senat für die Jahre 2001 und 2002 eingesetztes
Finanzmittel, das pro QM-Gebiet den Anwohnern 1 Million DM bzw. etwa
510.000 € bereitstellt.
Nach dem Motto „Sie wissen am besten, was in Ihrem Stadtteil gebraucht wird.
Gestalten Sie ihn aktiv mit!“ (S.T.E.R.N. 2001) wurde, wie bereits erwähnt,
in den Überlegungen zu diesem Fonds die Frage diskutiert, wie man das
„angestrebte Empowerment der Anwohner“ (Stadtentwicklung.berlin.de 2003,
b) erreichen könne, um eine dauerhaft selbsttragende Struktur zu schaffen
und um Projekte, die eine reelle Relevanz für das jeweiligen Gebiet haben,
bürgernah umzusetzen.
Man entschied sich schließlich für ein Modell,
in dem mindestens 51% der Jurymitglieder
aus Anwohnern bestehen musste und
nur 49% Vertreter aus existierenden
Interessengruppen. Wie die Praxis zeigte,
wurde dieses Modell mit überwältigendem
Interesse von den Anwohnern angenommen
und damit bei der Vergabe der Mittel
erfolgreich verhindert, dass etablierte
Gruppen die Jurys dominierten und ihre
eigenen Interessen durchsetzten.
Was kann alles finanziert werden?
− Anschaffungen und Sachkosten
− Vergütung für kleine Aufträge
− Entschädigung für entstandene Auslagen
− Honorare
− Anschubfinanzierung für Projekte
− Aufwendungen zur Durchführung von Aktionen
Die Gesamtzahl der aus Mitteln der Quartiersfonds bewilligten Projekte beläuft
sich bereits auf weit über 1.500. (nach S.T.E.R.N. 2001, a)
Beispielhaft sind dabei anzuführen:
Schulhofumgestaltungen, mobile und zeitweilige Betreuung von Spielplätzen,
Stadtteilfeste, Theater- und Musikprojekte, Reparatur von Brunnen und
Schultoiletten, Wiederherstellung von Spiel- und Bolzplätzen, Aufstellen
öffentlicher Sitzbänke, Baumscheibenbepflanzungen und Begrünungsprojekte,
Aufstellung von Fahrradständern, Deutschkurse für Zuwanderer/Zuwanderinnen
unterschiedlicher Altersgruppen, Kiezzeitungen und Branchenführer im „Kiez“,
Wiederherrichtung eines öffentlichen Parks etc.
6.6 Projektbeispiel Kinder & Jugend Museum
Prenzlauer Berg
Das Projekt beinhaltete den Umbau der EliasKirche in der Senefelderstraße im Bezirk
Pankow-Prenzlauer Berg zu einem Kinder- und
Jugendmuseum mit einem überdimensionierten
Regal, einem Familiencafé und der Gestaltung des
Museumshofes.
Das Motto lautete „Bau mit!“: Kinder und Jugendliche
sollen bei der Planung und teilweise auch bei der
Umsetzung mitwirken können.
Da der Denkmalschutz größere Veränderungen am
Gebäude verbot, entwickelte der Architekt Klaus
Block den Plan, ein bespielbares Regal in der Kirche
EU-Finanzierung von Freiraum
95
zu installieren. Beide Regalseiten, die mit einer Brücke verbunden sind, sind
10 Meter hoch und fast 15 Meter lang. Dort können Kinder und Jugendliche
höchst unterschiedliche Gegenstände zum Ausprobieren, Hören, Riechen und
Fühlen erforschen.
Für das Projekt „Ein neues Haus für das
Kinder & JugendMuseum Prenzlauer
Berg“ beliefen sich die Baukosten auf
rund 1,3 Millionen €. Davon wurden
766.937,82 € vom Bund-LänderProgramm „Soziale Stadt“ finanziert,
von denen wiederum 575.203,37 €
durch EFRE-Mittel kofinanziert wurden.
(nach Berlin.de 2003, f)
96
EU-Finanzierung von Freiraum
97
Quellenverzeichnis:
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index.html, 7.06.2003
BERLIN.DE 2003, B: Strukturfonds in Berlin, http://www.berlin.de/strukturfonds/
html/efre_allg.html, 7.06.2003
BERLIN.DE 2003, C: Strukturfonds in Berlin, http://www.berlin.de/strukturfonds/
html/efre_for.html, 7.06.2003
BERLIN.DE 2003, D: Strukturfonds in Berlin, http://www.berlin.de/strukturfonds/
html/efre_fobe.html, 7.06.2003
BERLIN.DE 2003, E: Strukturfonds in Berlin, http://www.berlin.de/strukturfonds/
html/efre_ums.html, 7.06.2003
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html/efre_proj.html, 7.06.2003
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//europa.eu.int/scadplus/printversion/de/lvb/g24203.htm, 6.06.2003
EUROPA.EU 2003, A: Allgemeine Bestimmungen zu den Strukturfonds, http:
//europa.eu.int/scadplus/leg/de/lvb/l60014.htm, 6.06.2003
EUROPA.EU 2003, B: EFRE: Europäischer Fonds für regionale Entwicklung,
http://europa.eu.int/scadplus/leg/de/lvb/efre.htm, 6.06.2003
KINDERMUSEUMBERLIN.DE 2003, A: Umbaupläne, http://www.kindermuseumberlin.
de/dasneue_umbau.htm, 8.06.2003
KINDERMUSEUMBERLIN.DE 2003, B: Bau Mit!, http://www.kindermuseumberlin.de/
baumit.htm, 8.06.2003
IBA-FUERST-PUECKLER-LAND.DE 2003: Newsletter,
http://www.iba-fuerst-pueckler-land.de/newsletter/newsletter_39.htm,
4.06.2003
BEST BERLINER ENTWICKLUNGSAGENTUR FÜR SOZIALE UNTERNEHMEN UND
STADTTEILÖKONOMIE: Faltblatt Gründung Sozialer Unternehmen im Stadtteil,
Berlin 2003
IBA-SEE.DE
2003, A: Themeninseln, http://www.iba-see.de, 4.06.2003
IBA-SEE.DE
2003, B: IBA-Team, http://www.iba-see.de, 4.06.2003
ESDP, European Special Development Perspective, Im Dienst der Regionen,
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EUROPA-DIGITAL 2003, B: Die rechtlichen Grundlagen der Regionalpolitik,
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98
2003, C: Organigramm,
http://www.iba-see.de/inc/aktuell-home/rekula/organigramm.pdf, 4.06.2003
INTERREG.DE 2003: Kooperationsräume, http://www.bbr.bund.de/raumordnung/
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http://www.stadtentwicklung.berlin.de/wohnen/quartiersmanagement/de/
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S.T.E.R.N. GESELLSCHAFT DER BEHUTSAMEN STADTERNEUERUNG MBH: Faltblatt `Der
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UEP-BERLIN.DE 2003: Konzentrierte Förderung von Umweltschutzinvestitionen,
http://uep-berlin.de/index.html, 9.06.2003
EU-Finanzierung von Freiraum
99
100
björn kalinowski
maria pfeiffer
laura vahl
Der Wert der Landschaft
1
Der Wert der Landschaft
Der Wert der Landschaft ist ein hochaktuelles Thema, das grundlegend die
Erscheinungsformen und Besitzverhältnisse unserer Grünflächen in der
Zukunft bestimmen wird!
1.1
Monetäre Bewertung von öffentlichen Grünflächen
„Öffentliches Grün wird ein privates Produkt“
1.2 Problemstellung
Öffentliche Grünflächen sind vorhanden und erscheinen wichtig, wobei ihr Wert
häufig nicht bewusst ist. Wie viel sind Dir die öffentlichen Grünflächen wert?
Der Nutzen konnte bis jetzt nur verbal beschrieben werden und blieb damit ein
weicher, nicht messbarer Standortfaktor. Grün ist ein öffentliches Gut und wird
deshalb als für Free Rider, also als ohne Gegenleistung zu erbringen, nutzbare
Fläche wahrgenommen. Dies gilt für direkte Nutzer wie den Fußballspieler
im Park, sowie den indirekten Nutzen wie die Wertsteigerung umliegender
Immobilien. Trotzdem gibt es hohe Kosten, Bau-, Unterhalts- und Pflegekosten,
für die keiner aufkommen will oder kann. Der hohe Preis ist auch der Grund,
weshalb in Abwägungsprozessen oft andere Nutzungen der Grünfläche
vorgezogen werden. Wie viel Grün brauchst Du? Der Einsatz der vorhandenen
Finanzmittel zur Pflege und Neuinvestitionen geschieht oft willkürlich und nicht
nachvollziehbar. Gerade durch das in heutiger Zeit sehr stark begrenzte Budget
der Verwaltung kommt die Forderung nach einem messbaren Wert auf, um
sinnvolle Entscheidungen und damit eine Präferenzordnung der Grünflächen
erreichen zu können. Welches Grün ist Dir wie viel wert?
102
1.3 Szenario A „total privat“
Nehmen wir einmal an, das öffentliche Grün sei ein handelbares Produkt und
unterläge somit nur den Gesetzen der freien Marktwirtschaft. ‚Die Grünflächen
bieten sich auf dem Markt an’ würde bedeuten, dass der Verwendungszweck
und die Nutzung alleine durch den Preis bestimmt werden. Angebot und
Nachfrage bestimmen die Preisentwicklung. Durch die Preisbestimmung
des Marktes entsteht so ein absoluter Wert der Fläche. Die Kosten für die
Investition werden unter Berücksichtigung der Rendite vom Investor direkt auf
die Nutzer umgelegt. Der Investor, der sich für eine Grünfläche entscheidet,
vermarktet diese nur unter den Gesichtspunkten der Gewinnmaximierung.
Grün ist damit ein privates Gut, für das der Markt als Transaktionsrahmen
den Ort des Güteraustausches bildet. Güteraustausch bedeutet die freie
Güterübertragung und deren Verfügungsrechte. Wenn sich eine Grünfläche
nicht mehr rentiert, wird diese gegen eine ertragreichere Nutzung ausgetauscht.
Private Güter zeichnen sich durch rivalisierenden Konsum, dass sie nur für
eine vorgesehene Nachfragerschicht zugänglich sind und die Anwendbarkeit
des Ausschlussprinzips aus.
Eine Form der neuen Grünflächen wären Freizeit- oder Themenparks. Die
nachfrage- angepasste Gestaltung à la Disneyworld zielt auf ein bestimmtes
Besucherklientel. Die Eintrittsgebühren sichern die nachgefragte hohe
Qualität der Grünflächen, sie müssen aber so hoch bemessen sein, dass sie
dem Unternehmen einen Gewinn ermöglichen. Eine Einzäunung schafft die
räumliche Begrenzung und regelt den begehrten Zutritt. Feste Öffnungszeiten
stellen einen weiteren Zutrittsregulator dar.
1.4 Szenario B „Grün - ein Betriebsprodukt“
Öffentliche Grünflächen bleiben in einer Hand der Verwaltung/des Betriebes,
der monetäre Wert der einzelnen Grünflächen wird ermittelt, um diese einander
gegenüberzustellen und eine Präferenzordnung zu erreichen. Erst wenn der
Wert messbar ist und im Vergleich zu anderen Grünflächen steht, kann auch
effizientes Wirtschaften erreicht werden. Gesetze von Angebot und Nachfrage
sind tätig, Grünflächen werden einander in der Bewertung durch eine KostenNutzen-Analyse gegenübergestellt, andere Nutzungen bleiben aber außen
vor.
Für die Grünflächen würde das im praktischen Fall bedeuten, dass eine
Entscheidung über die Vergabe von Finanzmitteln zur Pflege eines
Repräsentativgrüns im Innenstadtbereich oder zur Pflege eines Stadtteilparks
durch die Abwägung des Kostennutzwertes der beiden Flächen erreicht
werden könnte.
Der Informationstransfer zwischen Anbieter und dem Kunden/Nutzer ist wichtig,
um das Produkt „Grün“ zu verkaufen. Bekanntmachung des Angebotes, Aufbau
eines positiven Images und Schaffung der Identität mit der Grünfläche sind
Ziele der Kommunikationspolitik.
Für die konkrete monetäre Bewertung der einzelnen Grünflächen sind
die Ermittlung der aufgebrachten Kosten sowie die Nachfrage/Nutzung
notwendig.
1.4.1 Der Betrieb (Verwaltung) und sein Produkt (Grün mit Pflege)
Die Kosten für öffentliche Grünflächen setzen sich aus drei Komponenten
zusammen:
Den Betriebskosten: das sind die jährlich anfallenden klar bezifferbaren
Unterhaltungskosten.
Dem Inventar: das sind die Anschaffungskosten mit entsprechender
Refinanzierung nach Abnutzungsgraden.
Dem Grund und Boden.
Betriebwirtschaftliches Handeln ist der neue Slogan der Verwaltung.
Verantwortlich dafür sind die heutige Finanzsituation und die Einsicht, dass
private Betriebe mehr Leistung erbringen können. Es ist eine Reform von
der Obrigkeitsverwaltung hin zum Dienstleistungsbetrieb, die Entstehung
des Unternehmens Verwaltung Berlin ist verwirklicht. Leistungen werden zu
Produkten, die zu Produktgruppen und Produktbereichen zusammengefasst
werden. Die Berliner Bezirke haben somit 600 Produkte und die
Senatsverwaltung 2000 Produkte in ihrem Produktkatalog. Die Kosten der
Produkte sind messbar, Produkte können wie die Waren in einem Supermarkt
miteinander verglichen werden. Das Produkt Grünfläche soll durch eine
Marketing-Konzeption, welche Marktforschung, Produktpolitik, Preispolitik und
Kommunikationspolitik beinhaltet, angeboten werden.
Grundannahme des betriebwirtschaftlichen Marketings:
Gründliche Analyse des Angebotes an Parks und Grünflächen
Identifizierung/Definition der Zielgruppe, Schaffung der Nachfrage
Die Marketing-Konzeption umfasst die bedarfsgerechte Gestaltung des
Angebotes. Handlungsfelder für die Grünflächensituation wären z.B.:
Flächengröße und -zuschnitt
Technische und verkehrliche Erschließung
Städtebauliche Qualität
Landschaftsbauliche Qualität
1.4.2 Die Kosten
Die Betriebs- und Inventarkosten sind im Gegensatz zu den Kosten des Grund
und Bodens relativ einfach mess- und erfassbar. Die Kostenermittlung des
Grund und Bodens kann auf zwei unterschiedlichen Wegen erfolgen:
Festlegung durch den geltenden Bodenwertsatz.
Berechnung mit Kosten-Leistungs-Rechnung. Sie ist ein Versuch,
mit marktanalogen Kriterien den Grund und Boden der Grünflächen
sowie das daraus erwirtschaftete Vermögen zu berechnen. Bei der
Vermögensrechnung ist es wichtig, den Stand des Vermögens zu Beginn,
die Veränderung während und den Stand am Ende der Rechnungsperiode
nachzuweisen. Außerdem ist die Ermittlung der Abschreibung und
Verzinsung des aufgewendeten Kapitals notwendig. Für die öffentlichen
Grünflächen sind die Erfassung, Bewertung und Fortschreibung des
Vermögens bis jetzt nicht vorgesehen. Es würde deshalb für bereits
existierende Grünflächen mit geschätzten Anschaffungs- bzw.
Der Wert der Landschaft
103
Wiederherstellungskosten zum Bewertungszeitpunkt zu arbeiten sein.
1.4.3 Die Nutzung/Nachfrage
Für die Ermittlung der Nachfrage kommen drei verschiedene Verfahren in
Betracht:
- Messung der Nutzungsintensität.
Wie viele Besucher kommen am Tag in den Park?
- Umfragen zur Zahlungsbereitschaft.
Laut einer Passantenbefragung im Auftrag des Verbands Garten, Landschafts- und Sportplatzbau Bayern e.V. zur Bedeutung des
Grüns in München wären 82% bereit, aus ihren eigenen Mitteln Geld
zur Verfügung zu stellen, das für die zweckgebundene Pflege und
Neuanlage von Grünflächen verwendet wird (24% wären bereit, 10 DM
pro Jahr zusätzlich auszugeben, 35% bis zu 25 DM und 23% sogar über
25 DM).
Untersuchung der Wert-igkeit.
Umfragen, wie wichtig einzelne Grünflächen für die Nutzer sind.
104
1.4.4 Kosten-Nutzen-Analyse
Um Nutzen- und Kostenkomponenten miteinander vergleichbar zu machen,
erfolgt die Bewertung in einer einheitlichen Dimension, in monetären Einheiten.
Die Nutzwerte, die Nachfrage, wird so einem bestimmten Geldbetrag
zugeordnet. Der Kostennutzwert wird nun wie folgt ermittelt:
Kosten-Nutzwert = Summe Nutzen – Summe Kosten
Mit diesem Kostennutzwert können die Produkte der Grünflächenverwaltung,
die unterschiedlichen Grünflächen, miteinander verglichen werden. Es gibt nun
den Kostennutzwert xy für das Repräsentativgrün sowie den Kostennutzwert
xy für den Stadtteilpark. Diese können im Sinne der Wohlfahrtsmaximierung
gegeneinander abgewogen werden.
1.5 Kritische Analyse
Das öffentliche Grün begibt sich auf einen privaten Weg und doch zeigen beide
Szenarien deutlich die unterschiedlichen Mängel bei dessen Bewertung und
sollten deshalb auf ihre Anwendung kritisch hinterfragt werden.
Szenario A:
Das Bewerten der Grünflächen schafft Begehrlichkeiten. Man würde öffentliche
Grünflächen total in den Markt eingliedern, womit sie austauschfähig wären
und dann ein Beleihen, Verkaufen und Leasen stattfinden könnte. Die sozialen
Eigenschaften von öffentlichen Gütern wie Nicht-Ausschließbarkeit, NichtRivalität (Nicht-Aufteilbarkeit), jederzeitige Verfügbarkeit für Jedermann, also
auch für denjenigen, der keinen Beitrag leistet, wären verloren. Öffentliche
Güter können nicht einfach nach Marktgesetzen privaten Gütern gleichgesetzt
werden. Dies ist für mich unakzeptabel, weil diese Orte der „Freizone“ der immer
stärkeren Privatisierung von unbezahlbarem Wert sind. 97% der Antworten
aus einer Umfrage benennen Parks und Grünflächen als unbezahlbar
und unverkäuflich. Als positiver Effekt wäre die Ermittlung des absoluten
Preises zu sehen, der Rückschlüsse über die Nachfrage geben wird, Grün
stünde jedoch immer in Konkurrenz zu anderen Nutzungen. Würde es sich
herauskristallisieren, dass in manchen Stadtbereichen gar keine Grünflächen
konkurrenzfähig wären, dagegen andere Viertel von Grün dominiert würden?
Szenario B
Kritik an der Kostenermittlung von Grünflächen:
- Eine Bewertung nach der Kosten-Leistungs-Rechnung ist fragwürdig,
insofern gar kein Markt für öffentliche Grünflächen existiert, der Wert also
geschätzt werden muss.
- Die Bewertung nach der Bodenwertsteuer ist unzureichend, weil
die herausragenden Eigenschaften öffentlicher Güter nicht beachtet
werden.
Kritik an der finanziellen Nutzungsermittlung:
- Erfassung aller Nutzungen, also auch indirekter Nutzungen.
- Die Transformation in einen monetären Wert.
Ich denke, dass eine monetäre Bewertung sinnvoll sein kann, die momentane,
latent vorhandene Nachfrage (Nutzung) aufzudecken, um den Umfang des
bereitzustellenden Grüns zu ermitteln.
Weiterhin stellt sich die Frage, ob „Minderheitsnutzungen“, welche in einer
Nutzwertanalyse schlechter abschneiden würden, nicht auch ihre Berechtigung
oder gar einen bereichernden Wert in der Stadtlandschaft besitzen. Vielleicht
könnte das Bewusstsein für öffentliche Grünflächen auch auf andere Weise
(zum Beispiel Bildung) gestärkt werden. Oder könnte es sogar sein, dass eine
monetäre Bewertung, das Wissen darum, wie viel Euro die Grünfläche wert ist,
den ästhetischen Wert der Freifläche verdirbt?
Durch die beiden unterschiedlichen Szenarien kann gezeigt werden, dass die
Erscheinungsform oder der Bestand von Grünflächen überhaupt durch die
kommende Entwicklung geprägt wird. Eine kritische Diskussion bei der Suche
nach einer funktionierenden Bewertung von öffentlichen Grünflächen ist damit
unabdingbar.
2 Wert durch Image? ...
2.1 Thematik
Im folgenden Absatz geht es darum aufzuzeigen, wie viel das IMAGE für den
Wert der Landschaft (bzw. in diesem Fall einer Region) bedeuten kann.
Am Beispiel von Rhein Central zeigt sich das Bestreben einer Region, über
das eigene Kleinstadtdenken hinweg, zu einer gemeinsamen Identität zu
finden und diese als Image nach außen zu verankern, mit dem Ziel, auf dem
internationalen Markt ein wiedererkennbares, attraktives Gesicht zu erhalten
und sich auf diese Art und Weise marktwirtschaftlich zu etablieren.
2.2
...am Beispiel der Rhein-Ruhr-Metropole
BBDO Moskau: RC – ein neues
Produkt, das viel verspricht
und alles hält. Ganz klar: nur
zusammen!
München stellt sich in der
Welt seit Jahrzehnten als
„Weltstadt mit Herz in idyllischer
Landschaft“ dar. Auf diese Art und Weise zahlt der Starnberger See auf das
Imagekonto der Stadt ein und das Umland profitiert von der Leuchtturmfunktion
der Metropole München.
Die Region Nordrhein-Westfalen zeigt sich dagegen ganz anders: Köln und
Düsseldorf verhalten sich oftmals als wären sie auf zwei verschiedenen
Planeten angesiedelt und nicht nur 38 km voneinander entfernt, und statt auf
einen Kristallisationspunkt der Profilierung zu setzen, beschäftigt man sich in
Der Wert der Landschaft
105
der Region lieber mit der Binnendifferenzierung. Diese ist jedoch schon im
Nachbarland schwer vermittelbar. Als Folge werden beide Städte somit nicht
als Metropolen wahrgenommen, vor allem nicht im Ausland. Da spielen BayerLeverkusen im Fußball international Respekt und Sympathien ein, der Kölner
Dom ist weltbekannt und bedeutende Künstler wie Joseph Beuys und Gerhard
Richter stammen aus Düsseldorf – doch kaum jemand weiß, nicht im Ausland
und auch in Deutschland kaum, dass die Herkunftsorte all dieser Dinge ganz
nah beieinander liegen.
BBDO Singapore:
In Rhein
Central findet man immer ein
Stück Vertrautes…
Da jede Weltklasseleistung einem
anderen Konto zugeordnet wird,
bleibt die geballte Attraktivität der
faktischen Metropole, die entlang
der
Rheinschiene
zwischen
Köln und Duisburg existiert,
unsichtbar. Dabei ist diese
Region die zweitgrößte Metropole Deutschlands! Sie zählt zu den stärksten
Wirtschaftsräumen der Welt, besitzt die größte Museumsdichte weltweit und
belegt im internationalen Vergleich der Wirtschaftskraft und dem Anteil von
Hightech-Arbeitsplätzen mit New York, London, Chicago, Shanghai den dritten
Platz.
Als struktur- und imageschwächend wirkt sich jedoch nicht nur diese
individualistische Selbstdarstellung der Städte aus, sondern auch eine
verwaltungsmäßige Zersplitterung, welche die Kommunen kontraproduktiv
um dieselben Neuansiedlungen, Forschungseinrichtungen und Fördergelder
buhlen lässt.
Dabei ist in der Wirtschaft schon seit langem bekannt: Wer international sichtbar
und wettbewerbsfähig sein möchte, muss seine Kräfte bündeln. Unternehmen
106
haben daraus längst ihre Konsequenzen gezogen, z.B. im Branding: Es ist
einfach besser, eine bekannte Marke zu haben und zu vermarkten, als 27
kleine. D.h. solange Leverkusen, Köln, Düsseldorf, Duisburg weiterhin einzeln
auftreten, werden sie nicht in einem Atemzug mit Barcelona, München, Mailand
genannt werden. Dabei könnten sie gemeinsam fast noch größer und schöner
sein, denn das Potential ist da. Was fehlt ist eine gemeinsam getragene
Zielvorstellung, eine Identität: Ein Image.
Um der unentdeckten Metropole im Ausland ein Gesicht zu geben, startete die
BBDO Group Germany eine Initiative zur Standortförderung der Region Köln/
Düsseldorf. Unter dem Namen Rhein Central erfand sie eine exemplarische
Metropole aus Köln, Leverkusen, Düsseldorf und Duisburg – eine Metropole,
die sich mit 2,8 Mio. Einwohnern, zwei Flughäfen, dutzenden Universitäten
und einer Wirtschaftskraft vor Brüssel, Stockholm, und London brüsten kann.
Betrachtet man dazu noch Dortmund und Essen innerhalb der Grenzen Rhein
Centrals, so entstünde eine Metropole mit 6,5 Millionen Einwohnern!
Hintergrund des Projektes ist das Wissen darum, dass unter dem Markendach
eines gemeinsamen Metropolen-Namens alle Stärken des Standortes
gesammelt und gebündelt werden können.
Um die Diskussion über ein geeignetes Standortmarketing für die Region
und die Idee Rhein Central anzustoßen, hat die BBDO Group Germany
sieben BBDO-Agenturen aus allen Teilen der Welt beauftragt, jeweils eine
Werbekampagne aus ihrer Ländersicht für Rhein Central zu entwickeln. Ziel
dabei war es zu zeigen, wie faszinierend und vielseitig Rhein Central ist
und wie aus der globalen Perspektive Stadtgrenzen und Kirchturmdenken
verschwinden. Die Kampagnen-Ansätze richten sich in erster Linie an Reisende
und Geschäftsleute der jeweiligen Länder. Aus der Ferne betrachtet werden
die Unterschiede in der Region, die vielen Einwohnern an Rhein und Ruhr so
bedeutsam erscheinen, irrelevant und enthüllen auch für die Einheimischen
neue Perspektiven und Einsichten in die Metropole am Rhein.
BBDO Chicago: RC ermöglicht die
perfekte Balance zwischen Privatund Berufsleben…
BBDO Melbourne: RC ermöglicht die
Befriedigung aller Interessen, weil die
Metropole alles bietet…
Das Beispiel dieser Kampagne der
Rhein-Ruhr-Metropole soll zeigen,
wie sehr eine gemeinsame Identität
und ein starkes Image zur Stärkung
einer Region beitragen könnten und
wie wichtig es sein kann, Namen zu
finden, um Werte zu benennen und
zu verdeutlichen.
Offen bleibt, ob mögliche Werte
tatsächlich allein dadurch entstehen
können, dass man ihnen einen Namen
gibt, denn eine Metropole lässt sich
ganz sicher nicht herbeireden. WENN
es sie aber schon gibt – dann heißt
es (nach der BBDO) nur noch, sie
„wachzuküssen und als Marke zu
verankern“!
BBDO Düsseldorf: Es muss neu
kartografiert werden. Rhein Central
ist da. Dabei ändern sich Landkarten
nicht nur auf dem Papier, sondern
auch im Kopf.
3 Brandscapes
3.1 Thematik
Im März 2001 untersuchten Studenten des
Bauhaus Dessau und der UDK Berlin eine
gesellschaftspolitische
Entwicklung
der
neuesten Zeit. Ihre Ergebnisse wurden in
der Ausstellung: „Brandscapes – EventCity“ vorgestellt. Der Ausgangspunkt für
die Thematik war die Annahme, dass in der
Kultur der Gegenwart die Sphären von Kultur,
Politik, Gesellschaft und Politik miteinander
verschmelzen und eine neue Art von Freiraum
im Begriff ist, sich zu konstituieren: die
Brandscapes.
Brandscapes in diesem Zusammenhang sind Markenlandschaften, von
Marken annektierte, ehemals öffentliche Stadträume, in denen die Marke und
ihre Identität erlebbar wird.
Die sich wandelnde und immer präsenter werdende Besetzung durch
Marken soll im Folgenden aufgeklärt werden. Die Ausführungen über das
Brandscaping sollen die wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen
Faktoren vor Augen führen, die zu diesen Entwicklungen geführt haben.
Aus dem Gewahrwerden jener Entwicklungen stellt sich uns als zukünftigen
Landschaftsarchitekten die Frage, welche Möglichkeiten der Architektur
offen stehen, um auf die zunehmende Markenpräsenz im Stadtraum zu
reagieren. Denn im Strom kultureller Waren kann sich Landschaftsarchitektur
als Kunstprodukt kaum noch halten. Als Vermittler zwischen kulturellen und
ökonomischen Interessen können wir uns wahrscheinlich nicht mehr den
Zwängen der Markenkultur entziehen (nach: Eröffnungstext, Brandscapes
- Event-City, www.brandscapes.org). Wie können wir mit einer Entwicklung
umgehen, in der die Landschaft zum Bestandteil der Schaufenster der
Großkonzerne wird?
Der Wert der Landschaft
107
3.2 Brandscaping
Brandscape (engl. “Brand” = Marke und “Landscape” = Landschaft) bezeichnet
einen Landstrich, in dem eine Marke “inszeniert” werden soll. Es ist eine Art
“Erlebniswelt”.
(www.phil.uni-erlangen.de/economics/bwl/wi_news/absatz.html)
3.2.1 Raum ist Geld
Es ist eine Entwicklung der letzten 15 Jahre, dass eine Marke nicht mehr wie
früher der Garant für die Qualität eines Produktes ist, sondern vielmehr eine
Lebenseinstellung. Nike produziert zum Beispiel keine Schuhe, sondern Sport,
Microsoft macht Kommunikation, nicht Software und Starbucks kocht keinen
Kaffee, Starbucks kreiert Gemeinschaften.
Um diese Lebenseinstellungen zu vermitteln, denkt sich die Werbebranche
immer neue Konzepte und Kampagnen aus, um potentielle Konsumenten
zu erreichen. In der letzten Zeit sind die herkömmlichen Werbeformate
wie Fernsehen, Print etc. ausgereizt worden, und so schmiegen sich neue
Werbeformen in die Atmosphären der Zielgruppen. Wenn die herkömmlichen
Werbeformate also nicht mehr reichen, muss ein Konzern neue abstrakte und
reale Räume finden, um sein Image auszubreiten. Daraus folgt, dass Konzerne
ein unmittelbares Interesse am realen Raum haben und dem öffentlichen Raum
und der Landschaft somit ein neuer Wert zugewiesen wird.
Neue Werbeformen sind überall, auch da, wo man sie nur subjektiv wahrnimmt.
Das Vitra Design Museum ist nichts anderes als eine Undercover-Werbung.
Eine Institution, die das Image der Marke Vitra bei den Zielgruppen der Werber,
Designer und Architekten durch Ausstellungen über Kunst, Architektur, Design,
Mode und Ästhetik einprägen soll, damit beim nächsten Bürostuhl ein Vitra
gekauft wird.
3.2.2 Reale Räume werden zu 3D-Manifestationen von Markenidentitäten
Naomi Klein beschreibt in ihrem Buch „No Logo“ unter anderem den Widerstand,
108
der gegen die Macht der Großkonzerne wächst und ist mit diesem Bestseller
zur Ikone der Globalisierungsgegner geworden.
„Klassischerweise bestand Marketing aus Assoziationen: schönes Mädchen
trinkt Soda, benutzt Shampoo, fährt Auto. Soda/Shampoo/Auto werden mit
unserem Streben assoziiert, so hübsch zu sein wie sie. Assoziationen reichen
nicht mehr, der Markenwahn hat all das verändert. Die Marken von heute
wollen ihre Markenidentitäten zum Leben erwecken, sie sollen Teil der realen
Welt werden, lebende Manifestationen ihrer Mythen.“
Diese wirtschaftliche Entwicklung beschreibt Klein mit einer Metapher: Das
markengesteuerte Unternehmen ist ein sich ausbreitender Ballon. Öffentlicher
Raum, neue politische Ideen und avantgardistisches Image, das Gas, mit dem
sich der Ballon füllt. Die Marke muss also kulturellen Raum konsumieren, um
zu verhindern, dass sie schrumpft.
Fast jedem Produkt liegt heute die selbe Strategie zugrunde: „Schnell weg mit
diesen Gewerkschaftsfabriken im Westen – kaufe Deine Produkte lieber bei
asiatischen oder südamerikanischen Vertragspartnern oder Zwischenhändlern.
Dann nimm das Geld, das Du gespart hast, und gib es für Deine Marke aus
– für Werbung, Markensuperstores und Sponsoring.“
3.2.3 Sponsoring
Um die Präsenz der Großkonzerne in unserem alltäglichen Leben zu
identifizieren, sollen Beispiele für den Sponsoring-Boom der letzten Jahre
angeführt werden. Wir müssen davon ausgehen, dass die staatlichen
Kassen leer sind, und dieser Zustand bietet Marken neue Möglichkeiten, in
vorher unbesetzte Nischen vor zu dringen. Konzerne lösen den Staat in der
Finanzierung ehemals staatlich organisierter Einrichtungen ab.
Beispiel New York. Seit dem 11. September klafft ein 4,6 Milliarden großes Loch
in den Kassen New Yorks. Bürgermeister Bloomberg will nun die öffentlichen
Parks zum Sponsoring für Konzerne freigeben. Die Süddeutsche Zeitung titelte
einen Artikel über dieses Thema: „Coca-Cola Park statt Central Park?“.
9,8 Millionen Euro hat eine Fluggesellschaft gezahlt, damit das Selwyn
– Theatre auf dem Broadway für die nächsten 10 Jahre „American – Airlines
– Theatre“ heißt.
Auch in Deutschland finden sich äquivalente Beispiele, so heißt das Stadion
des Hamburger SV nun AOL – Arena und München bekommt seine Allianz
– Arena.
Doch Konzerne sind keine Wohlfahrtsunternehmen, sie wollen ihren Nutzen aus
ihren Sponsoring-Aktivitäten ziehen. Die Geldgabe ist gekoppelt mit Auflagen,
die unterschiedliche Gravitätsstufen in der Einschränkung des ehemals relativ
auflagenfreien Raumes mit sich bringt.
Die unlängst größte Geldwelle rollt gerade in die Schulen und Kindergärten.
Es wird gesponsert, was zu sponsern geht, es werden Markenwerte vermittelt,
wo immer man sein Sendebewusstsein meint, reinstopfen zu können. In
Amerika haben viele Klassenzimmer gesponserte Fernseher, bei denen in den
Werbeblöcken Umschaltsperren aktiv werden. Es gibt eine Schule, von CocaCola gesponsert, die einen offiziellen Coca-Cola-Feiertag feiert. Ein Schüler
trug an jenem Tag ein Pepsi-T-Shirt: er flog von der Schule.
Im Mathe-Unterricht lernen amerikanische Kinder nicht Kreisumfänge zu
berechnen, sondern die Cookieumfänge einer berühmten rundkeksigen
amerikanischen Marke zu ermitteln.
Viele bisher unangetastete Lebensbereiche scheinen nun abhängig von der
Geldgütigkeit der Wirtschaftsmächte zu werden. Es ist eine Art Diktatur der
Marken.
Während Sponsoring das Finanzieren von Dingen ist, die ins Image passen,
die den Stil der Marke repräsentieren könnten, ist das Brandscaping das
Stilisieren einer Marke zu einem Charakter, die Neu-Kreation von Räumen.
Ein Marketingkonzept wird in die Dritte Dimension gezogen, das Erleben
des Raumes wird gleichzeitig zum Erleben der Marke. Immer schon in der
Geschichte des Raumes war er Repräsentationsfläche und ein Ort der
Signalisierung von Macht, neu beim Brandscaping ist jedoch die Partizipation,
die Interaktivität und Verschmelzung von Marke und Mensch.
3.2.4 Image
Der gute Name einer Marke ist ein enormer Wert.
Diese drei Wagen wurden in einer EU-finanzierten Fabrik in Portugal gefertigt
und sind
mehr oder weniger gleich, bis auf ihre Markenembleme auf den Kühlern.
Es sind der VW Sharan, der Ford Galaxy und der Seat Alhambra. Das
interessanteste aber bei diesem Beispiel ist, dass der VW 23.000 Euro, der
Ford 22.000 und der Seat 21.000 Euro kostet. Noch interessanter ist, dass
sich der Alhambra mäßig und der Galaxy auch eher schleppend verkaufen, der
Sharan jedoch ein Verkaufsschlager ist.
3.3 Autostadt Wolfsburg
Die Autostadt Wolfsburg ist eine Brandscape der Reinform. Das Projekt, auf
einem 25 Hektar großen Gelände ein
„Center of excellence“ zu entwickeln, basiert
auf einem ausgefeilten Marketingkonzept.
Auf dem Grundstück, das „vorher als
Kohlelagerplatz genutzt wurde, entstand
ein 850 Millionen Mark teures “Weltforum
der Automobilität“. 3500 Besucher werden
täglich erwartet, darunter viele, die ihr
Auto abholen, ihren Volkswagen natürlich.
Ein Luxushotel, erlesene Gastronomie,
Der Wert der Landschaft
109
Geschäfte, Ausstellungen und Kinos stehen den erwartungsfrohen Kunden
bereit.“ (Schäfer 2000).
Die Hauptattraktion ist jedoch der Showroom, der aus einer Hügel- und
Wasserlandschaft besteht, in die einzelne Markenpavillons integriert sind.
Die Freiflächen des Hamburger Landschaftsarchitekturbüros WES & Partner
haben eine Bausumme von 16 Millionen Mark und schlucken jährlich eine
Pflegesumme von 2,5 bis 3 Millionen Euro.
Auf den Park in seinen Ausführungen soll im weiteren jedoch nicht eingegangen
werden, viel interessanter im Zusammenhang der Brandscapes ist die
Selbstdarstellung der PR-Abteilung der Autostadt und die Aussageabsicht der
Architekten. Hierzu dienen Passagen aus dem offiziellen Werbekatalog von
Volkswagen:
Jeder Markenpavillon ist mit einem Hausbaum gekennzeichnet:
„Volkswagen durch die Birke, ein ebenso widerstandsfähiges wie
heiteres Pioniergehölz, Audi durch den früh blühenden, im Herbst
farbenprächtigen Spitzahorn, Bentley durch eine englische Eiche.
Lamborghini wählte mit der Esskastanie den mediterransten Baum, der
dem Klima Wolfsburgs noch standhält, Seat die Silberweide, Skoda eine
zweistämmige böhmische Linde.“
DieAutostadt ist „eine ökologisch begrünte Stadt, deren Bewegungsbahnen
immer auf das Ankommen zielen, nicht auf die Flucht vor einer allzu
trostlosen Umgebung.“
„WES & Partner schaffen (...) zwischen den acht bis zehn Meter hohen
Hügeln dichte, inhaltsreiche und tiefsinnige kleine Welten, die intensiv
zu lesen sind, wie die Markenpavillons oder die darin manifestierten
Grundsätze und Werte.“
Nach dem Verlassen des Konzernforums scheint alles in sein Gegenteil
110
verkehrt: „Straßen mutieren zu Wasserläufen, die Autos bevölkern die
Häuser, (...) und nicht zuletzt besetzen bewegte Grashügel (...), blühende
Solitäre und plätschernde Wasserspiele den nirgends mehr sichtbaren
schwarzen Asphalt der Stadt. Einer Stadt, in der sich zwar alles um das Auto
dreht, die aber gelernt hat, dem Menschen zu dienen.“
„Die notwendige ökologische Zielsetzung symbolisiert rund um die
Markenpavillons eine erstarkte, ausgelassene bewegte Landschaft,
die sich unabhängig von den Zwängen einer vorgegebenen Bau- oder
Erschließungsstruktur frei entfalten kann.“
„Eine raffiniert inszenierte Ferienstimmung wird unterstrichen durch
strandartig ins Wasser abfallende Stufenfolgen, die zwar nicht dazu
animieren sollen, den Mittellandkanal mit einem Baderevier zu verwechseln,
die aber zum Ausruhen und Verweilen einladen. Vor dem Besucher liegt eine
märchenhaft merkwürdige, aber umso anziehendere Lagunenstadt, in der
Natur und Technik, Landschaft und Stadt gleichgewichtige Rollen spielen.“
Die Autostadt ist etwas anderes als zum Beispiel Disneyworld. In Disneyworld
wird dir eine Traumwelt vorgesetzt und du bezahlst dafür, dass du diese Welt
- aus welchen Gründen auch immer - zeitweilig erleben darfst, außerdem
zielt Disneyworld auf den
unmittelbaren Profit ab. Was
aber in Wolfsburg entstanden
ist, ist durchaus mit der neuen
Axe-Werbung zu vergleichen.
In Werbersprache ist das eine
Wants-Strategie. Im Gegenteil
zu den Needs sind die Wants
das, was man nicht kaufen kann,
aber gerne hätte. Nimmst du Axe,
ist nicht nur für deine körperliche
Pflege gesorgt, Du bekommst
sogar noch ne Frau oder zwei,
nein besser noch, sie fallen in Heerscharen über Dich her. In Wolfsburg wird
dieses Konzept in die 3. Dimension gezogen. So wie es eine Lüge ist, dass
Axe das absolute Aphrodisiakum ist, so ist die Vorstellung eines Umgangs und
einer Wertigkeit von Freiflächen, wie sie auf dem Grundstück von Volkswagen
präsentiert und vermarktet wird, völlig utopisch. Wenn das beschriebene
Freiflächenkonzept überall so funktionieren würde wie in der Autostadt, würden
die Golfs und Sharans und Bentleys wahrscheinlich ziemlich viel Zeit in der
Garage verbringen, und das Nachfolgemodell von Volkswagen würde nicht so
schnell, wenn überhaupt, gekauft.
Peter Lau / brandeins:
„Eine bestimmte Art zu denken, fördert eine bestimmte Art des Handelns, eine
Architektur, auch die Idee des Brandscapes, viele neue öffentliche Räume. Ein
Denken, in dem der Mensch zwar als Modell vorkommt, doch als ein Modell,
das mit uns, den echten Menschen, nur zum Teil identisch ist.“
3.4 Fazit - Chance oder Untergang des öffentlichen Freiraums
Wie weit geht die Beherrschung des als öffentlicher Raum getarnten Parks des
Volkswagen-Konzerns?
Wenn wir in Wolfsburg im Park sitzen und unsere Stulle essen und ein MercedesBenz T-Shirt tragen, werden wir dann von tapferen Security-Menschen dezent
vom Gelände verwiesen?
Dass sich bestimmte soziale Gesellschaftsschichten am Potsdamer Platz
nicht aufhalten dürfen, ist jedem bekannt und ganz schrecklich, was könnte
aber in der Zukunft passieren, wenn Konzerne beschließen, ihre „öffentlichen
Freiräume“ nur noch ihren Zielgruppen zu öffnen?
Wenn Brandscapes noch in ihren Kinderschuhen stecken, wie werden wir
Freiraum erst erleben dürfen, wenn sie erwachsen sind? Zutritt nur für Leute
mit Fußpilz auf dem Canesten-Platz?
Was bedeutet die neue Wertigkeit des Freiraums, die durch die Inszenierung
eines Markenkonzerns produziert wird?
Und was bedeutet diese Entwicklung für uns als Planer? Wie können und
wollen wir uns überhaupt anpassen?
Werden wir zu Werbemachern? Liegt unsere Zukunft in der Vermarktung von
Images, indem wir lernen, unsere Materie als Werbeformat zu benutzen?
Der Wert der Landschaft
111
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unbekannte Metropole, Presse-Information vom 20.11.2002, Düsseldorf
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TAUNITZ, Hartmut; NIGGEMANN, Christian, Strukturwandel der Grünflächenämter,
in: Stadt und Grün 6/1999
www.autostadt.de
Der Wert der Landschaft
113
ulrike gawlik
dana göpffahrt
martina oeser
Geld verdienen! Aufgabenfelder für Landschaftsarchitekten.
1 Einleitung
Als Einstimmung in das Thema „NeueAufgabenfelder für Landschaftsarchitekten.
Geld verdienen!“ stellten wir bei unserer Präsentation zwei Landschaftsvideos
aus der CADRAGE Reihe „Der bewegte Blick“ der Eidgenössischen Technischen
Hochschule (ETH) Zürich vor. Dieser seit drei Jahren an der ETH existierende
Kurs thematisiert die kritische Auseinandersetzung mit der städtischen Natur
und der Beziehung, die der Mensch zu ihr hat. Das Landschaftsvideo ist Mittel
der Reflexion und Positionierung, mit dem Ziel, die äußere Welt so darzustellen,
wie man sie erlebt. Landschaftsvideos sind demzufolge eine Form, Landschaft
auf eine eigenständige, neue Art und Weise zu betrachten, gleichzeitig aber
auch neues Ausdrucksmedium für den Landschaftsarchitekten und innovatives
neues Aufgabenfeld. Diese Ausarbeitung ermöglicht es leider nicht, ein Video
abzuspielen, von daher an dieser Stelle der Verweis auf dieses Arbeitsfeld.
Im folgenden Text betrachten wir zunächst die Aufgabenfelder der
Landschaftsarchitekten anhand exemplarisch ausgewählter europäischer
Länder. Im Anschluss daran werden mit Hilfe zahlreicher Bilder die heutigen
Arbeitsfelder der deutschen Landschaftsarchitekten im Spannungsfeld
vieler Professionen verdeutlicht. Um einen umfangreichen Überblick zu
gewährleisten, schauen wir mit einem historischen Rückblick auf die Anfänge
der Freiraumplanung. Aus diesem Zusammenhang leiten wir über zu neuen
Perspektiven, ermöglicht durch den Wandel der Arbeit.
116
2 Der Stand der Dinge in Europa
2.1 Schweiz – Die Profession wird urban
In der Schweiz bewirkten
gesetzliche
Änderungen
1996 die Öffnung für den
freien Wettbewerb, da die
Verpflichtung, sich an Honorarund Wettbewerbsordnungen
zu halten, entfiel. Seitdem hat
sich der Konkurrenzkampf
verschärft, denn es drängen
immer mehr berufsverwandte
Sparten, zu nicht mehr kostendeckenden Preisen, in den Aufgabenbereich
der Landschaftsarchitekten. Der öffentliche Raum und der Garten sind
Betätigungsfelder für eine Reihe von Spezialisten geworden. „Geographen,
Architekten, Planer, Biologen, Hydrologen, Archäologen, Agronomen,
Forstingenieure, Künstler, Historiker, Kunsthistoriker, Soziologen, Pädagogen
und Landschaftsarchitekten melden Mitspracherecht und Kompetenz an.“
(Klötzli, 1999, S. 81)
Landschaftsarchitekten fehlt es in der Schweiz nach wie vor an einer eigenen
Hochschulausbildung. Einheitliche Forschung und die Neuinterpretation der
schweizerischen Landschaft fehlen bisher. Die Schaffung eines eigenen
Studiengangs wäre eine zukunftsorientierte Aufgabe.
Durch eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit und die Zusammenarbeit mit
berufsverwandten Organisationen haben die Schweizer Landschaftsarchitektur
in das Blickfeld der Politik, Wirtschaft und der Öffentlichkeit eingeführt.
Schweizer Landschaftsarchitekten setzen immer mehr auf interdisziplinär
zusammengesetzte Arbeitsgruppen, die sich untereinander ergänzen. Ein
Beispiel dafür ist die Zusammenarbeit von Denkmalschützern und Naturschützern
und der zunehmenden Wertschätzung der Gartendenkmalpflege.
Längerfristig sehen die Landschaftsarchitekten ihr Arbeitsfeld im urbanen,
Fällen der Außenraum miteinbezogen. Auch vorhandene Freiflächen werden
aufgrund fehlender Mittel und fehlender Wertschätzung schlecht instand
gehalten. (nach: Anderson, 1999, S. 95f)
Heute gibt es einen veränderten Anspruch an das Wohnumfeld. Das
Starre wird abgelehnt und dem Dynamischen der Vorzug gegeben.
bereits besetzten Umfeld. Umnutzungen und Neuinterpretationen von
Vorhandenem werden die neuen Aufgaben sein. (nach: Klötzli, 1999, S. 81)
Satellitenstädte sollen, als Inbegriff des Unbeweglichen und Eintönigen,
dynamisch aufgewertet werden. Eine Planung, die sich nur auf die Architektur
2.2 Dänemark - Wohnumfeldverbesserungen
In Dänemark entstanden in
den 1960er und 70er Jahren
zahlreiche
Satellitenstädte.
Mit Städtebau glaubte man
in den vergangenen 50
Jahren
kulturelle,
soziale
und
architektonische
Probleme lösen zu können.
Trabantenstädte,
völlig
losgelöste Einheiten in der
Peripherie, zu errichten, war
eine Ausdrucksform dieser Zeit. Sie besitzen einen sehr hohen Grad an
Eigenständigkeit und weisen keinen Zusammenhang zu ihrem Umland auf.
„Den Trabantenstädten mangelt es an räumlicher Identität, Individualität,
Geschichte und angemessener Bautechnik.“ (Anderson, 1999, S. 96) Den
Bewohnern fehlt der Bezug zu ihrem Umfeld und zur Architektur. In Dänemark
wurden in den letzten Jahren Milliardensummen darauf verwendet, die
Baufehler dieser Städte zu sanieren. Dabei wurde jedoch in den seltensten
konzentriert, ist überholt. Dänische Landschaftsarchitekten sollen über die
Neugestaltung des Wohnumfeldes zum einen den Wohnraum aufwerten,
jedoch sollen sie gleichzeitig den Bogen spannen zwischen der beim Bau
der Satellitenstädte vernachlässigten Betrachtung der Geschichte des Ortes,
dem lokalen Kultur- und Landschaftsmuster sowie der Zusammensetzung
der Bewohner. Eine dynamische, in Beziehung stehende Landschaft soll
entstehen. Freiräume sollen umgestaltet und weiträumig mit ihrem Umfeld
verknüpft werden. Die Gestaltung des Landschaftsarchitekten als Initialisierung
eines Wachstumsprozesses, dessen Ausgang nicht absehbar ist. Der
Landschaftsarchitekt soll Planungsmodelle entwickeln, die das Bedürfnis nach
Veränderung, Dynamik und Naturerleben als Ganzes im Einklang vereinen.
Diese Erkenntnis beruht auf der Einsicht, dass die landschaftlichen und die
gebauten Ressourcen gleichwertig sind. Dies ist gleichzusetzen mit einer
Funktionsmischung, die durch die Charakteristik des Freiraums gesteuert
wird. Statt dem Bestreben, Widersprüche zu negieren, sollen gerade diese nun
wichtiges Planungselement werden. (nach: Anderson, 1999, S. 95ff)
Geld verdienen! Aufgabenfelder für Landschaftsarchitekten
117
2.3 Schweden – Topmanager für den Freiraum
In
Schweden
ist
die
Landschaftsarchitektur dabei,
sich als Konzept wie auch als
Berufsstand zu etablieren,
und genießt große öffentliche
Aufmerksamkeit. Es gab viele
medienwirksame Beiträge und
zahlreiche Zusammenarbeiten
mit Künstlern. Dies weckt
teilweise die Nachfrage nach
der Schaffung einer eigenen
Kunstform „Landschaftsarchitektur“.
Das Ausbildungskonzept der schwedischen Landschaftsarchitekten setzt
sich aus einer konkurrenzfähigen Kombination aus Leistungstraining und
designorientierter Wissensvermittlung zu Inhalten wie Projektsteuerung,
Konstruktion, Umweltschutz und Ressourcennutzung zusammen. Mit diesem
Konzept erschließt sich den Absolventen ein umfangreicher Arbeitsmarkt.
Neben der Ausbildung sind die schwedischen Landschaftsarchitekten aber
auch gut in der Forschung vertreten.
Heute finden sich in Schweden zahllose Landschaftsarchitekten in
Führungspositionen in Ministerien, Kommunalverwaltung, technischen
Abteilungen, Straßenbauämtern etc. Auch hier als Folge einer veränderten
Wertschätzung zugunsten des Freiraums. Große Firmen betrachten
Landschaftsarchitektur als Imagefrage. „Gestiegenes Umweltbewusstsein
sowie eine höhere Wertschätzung der Qualität des alltäglichen Arbeitsumfeldes
haben dazu geführt, dass Landschaftsarchitekten immer früher in planerische
118
Entscheidungen einbezogen werden.“ (Suneson, 1999, S.55) Man überträgt
ihnen die Koordination neuartiger planerischer Aufgaben mit gesellschaftlichem
Bezug. (nach: Suneson, 1999, S. 50ff)
2.4 Niederlande – Landschaftsarchitektur als Prozess
Aufgrund ihrer besonderen
Naturgegebenheiten bedeutet
Natur in den Niederlanden
auch immer Kulturlandschaft
und
Wassermanagement.
Neuerdings
wird
Naturentwicklung, Wasserhaushalt
und Landschaftsarchitektur als
eine Einheit betrachtet. Projekte
sind zunehmend prozesshaft
angelegt, tragen den Charakter
einer Naturentwicklung und beinhalten das verbindende Element Wasser.
Die Tendenz ist ganz klar: weg vom konservierenden Naturschutz, hin zur
Naturentwicklung, was unter anderem auch zu vermehrter Zusammenarbeit
zwischen Landschaftsarchitekten und Städtebauern führt.
Die Naturentwicklung als prozesshafter Planungsansatz schließt ein
Endstadium aus. „Die Planung gibt vor allem die Rahmenparameter vor,
innerhalb derer sich die Naturgebiete auf Grundlage der natürlichen und
anthropomorphen Gegebenheiten entwickeln können.“ (Den Ruijter, 1999, S.
36) Der Landschaftsarchitekt wird zum Initiator von Prozessen. Die ökologische
Planung arbeitet mit klassischer Landschaftsarchitektur. Der Prozess der
Naturentwicklung stützt sich auf die verbindende Rolle des Wassers und
auf die plastische Modellierung des Geländes. „(…) [D]er Boden wird zum
Gegenstand landschaftsarchitektonischer Komposition.“ (Den Ruijter, 1999, S.
37) Visuelle Akzente, die Einheit des Systems sowie gestalterische Integration
spielen beim Entwurf eine wesentliche Rolle. (nach: Den Ruijter, 1999, S. 32)
2.5 Spanien – Modell Barcelona
In
Spanien
gibt
es
keine
geschützte
Berufsbezeichnung
des
Landschaftsarchitekten. Die Freiraumplanung – insbesondere die städtische – ist
Aufgabenfeld diverser Berufe, wie der des Architekten oder des Bauingenieurs.
Seit vor 25 Jahren neue öffentliche Parks in Barcelona entstanden, besitzt die
Stadt Vorbildwirkung innerhalb Spaniens und Europas. Aktuelle spanische
Freiraumgestaltung orientiert sich an der zeitgenössischen Architektursprache
und demonstriert damit die Schwerpunktsetzung auf dem ästhetischen
Ausdruck des Entwurfs. Als neue Tendenz wäre der Bedeutungsgewinn von
Kriterien der Gestaltung im Umgang mit Projekten zur Verbesserung der Umwelt
zu nennen. Die geweckte öffentliche Sensibilisierung für Natur und öffentlichen
Raum schuf die Voraussetzung zur sukzessiven Etablierung einer landschaftsarchitektonischen Fachausbildung
an
den
Hochschulen.
Das
Lehrspektrum der Studenten bewegt
sich im Spannungsfeld ästhetischer,
biologischer,
ökonomischer,
sozialer und anthropologischer
Komponenten. (nach: Pla, 1999, S.
41ff)
2.6 Frankreich – Zur Stadt beitragen
Französische Landschaftsarchitekturbüros entwickeln konzeptionelle Ideen
zum Städtebau. „Zu den besonderen Fähigkeiten der [französischen]
Landschaftsarchitekten gehört vor allem das `Entwerfen´, verstanden als eine
umfassende Arbeit, die sämtliche Etappen und Maßstäbe eines Projektes
behandelt.“ (Arnold, 1999, S. 6) Dass
auch in Frankreich die ästhetische
Komponente des Entwurfes eine
außerordentliche Rolle spielt, spiegelt
die Anerkennung des Berufes als
künstlerische Disziplin (beispielsweise
im Namen der führenden Schule:
Ecole Supérieure des Arts du Jardin
(ESAJ) de Paris) und das Bedürfnis,
sich gegen die technisch orientierte, angelsächsische Ausbildungsausrichtung
abzusetzen, wider. Der Schwerpunkt der Arbeit des französischen
Landschaftsarchitekten liegt im Bereich des Städtebaus und hier vorrangig auf
dem Feld der Verbesserung der städtischen Peripherie. Interessanterweise
scheint sich hier der Wechsel der Definition des Gegenstandes der Stadtplanung
von der Organisation der Gebäude im Raum hin zur Organisation/Gestaltung
der Freiräume abzuzeichnen. Eine zunehmende und als positiv bewertete
Theoriebildung äußert sich vorrangig in einer verstärkten Publikationstätigkeit.
Der französische Landschaftsarchitekt ist involviert als Vermittler und
Berater in der Auseinandersetzung mit Freiraumbedürfnissen und
Problemen des städtischen Raums. Sein Aufgabenspektrum umfasst auch
Infrastrukturaufgaben, die Gestaltung von Straßen und Wegenetzen. Er hat
Einzug gehalten in öffentliche Bauverwaltungen. (nach: Arnold, 1999, S. 6ff)
Geld verdienen! Aufgabenfelder für Landschaftsarchitekten
119
2.7 Griechenland – Lebendige Geschichte
Griechenland verwaltet das
Erbe der Grundtypen der
Freiraumgestaltung, wie das
Lyceum und die Akademie.
Aktuell
formulieren
Landschaftsarchitekten
den ebenfalls historischen
Begriff des genius loci
(das
Charakteristische
eines Ortes) weiter aus
und definieren ihn als
eine
allumfassende
Ordnung für einen spezifischen Ort im Sinne der anachronistischen
Haltung der Architekturmoderne der CIAM-Architekten. Formale Tendenzen
zeitgenössischer griechischer Landschaftsgestaltung zeigen sich sowohl
in der Verwendung der Formensprache der Moderne, wie Geometrie und
Plastizität, als auch in der Sprache des Dekonstruktivismus. (nach: Ananiadou
– Tzimopoulou, 1999, S. 88ff)
2.8
die Schaffung einer modernen Landwirtschaft, vor allem die Definierung des
gegenseitigen Leistungsverhältnisses zwischen der Landwirtschaft und einer
verstärkt städtisch geprägten Gesellschaft. Ist vielleicht urbane Landwirtschaft
die Lösung? (nach: Schäfer, 1999, S. 101ff)
Die deutschen Landschafts-architekten sind in der Bundesrepublik eine
verhältnismäßig kleine Berufsgruppe.
Ein Wandel in der Gesellschaft
wird den Berufsstand verändern.
„Eine
neue
Aufgabenverteilung
zwischen staatlichen, institutionellen
und privaten Akteuren wird zu
neuen Partnern führen: Stiftungen,
Projektmanagern,
intermediären
Organisationen.“ (Schäfer, 1999, S.
106)
Deutschland – Gartenschauen und mehr
Landschaftsarchitektur in Zeiten magerer Jahre auf der Basis eines gedrosselten
Marktes. „Das erfordert Kreativität, Selbstbewusstsein und Energie.“ (Schäfer,
1999, S. 101) In Zeiten der leeren Kassen hat sich das Instrument der Gartenschau
etabliert. Gartenschauen sollen nicht länger „Blümchenschauen“ sein, sondern
Stadtentwicklung betreiben und neue Grünanlagen schaffen. Ereignisplanung,
Events, Gartenschauen, Expo, IBA sowie Wettbewerbe sind alternative
120
Planungsverfahren, deren „(…) Investitionsströme rechtzeitig kanalisiert
werden (…)“ (Schäfer, 1999, S. 102) müssen. Die aufgezählten Elemente
haben in Deutschland Hochkonjunktur. Neben Wettbewerben und Ähnlichem
liegt in Deutschland ein großes Augenmerk auf der Landschaftsplanung, dem
Naturschutz und dem Planungsrecht. Ein zukunftsorientiertes Feld ist zudem
Die an diesen Abschnitt anschließende, intensivere Betrachtung
von Aufgabenfeldern in Deutschland lässt den Schluss zu, dass
Landschaftsarchitekten heute in vielen Bereichen zu finden sind, so
beispielsweise in der Wirtschaft, der Politik, den Sozialwissenschaften, der
Philosophie, der Kunst, dem Städtebau etc.
3 Deutschland
… wir beschäftigen uns immer
noch mit
dem, was sich so
Stadt nennt.
... er sagt: „Unser Interesse gilt der Stadt und ihren
Bewohnern.“
... wir hören eine Frage aus dem Off...
(Walter Gropius, Marcel Breuer, László Moholy-Nagy, Wassily Kandinsky,
Lyonel Feiniger, Oskar Schlemmer)
... die Frage lautet: Und, wo befindet Ihr Euch heute?
... wir antworten: Nun, wir sind immer noch in
Bewegung ...
... und formuliert zehn Thesen zur Landschaftsarchitektur ...
1 „Unsere Arbeit ist die Suche nach einer Natur der Stadt, deren Farbe
nicht nur grün, sondern auch grau ist. (...).“
2 „Unser Interesse gilt der Stadt und ihren Bewohnern. Die Stadt ist kein
monolithisches Gebilde mehr, sondern tausendfach zergliedert und
fraktioniert. (...) [Die] Heterogenität [der Bewohner] verlangt nach zeitgemäßer
Aktion und Reaktion im Außenraum (...).“
3 „Das alte Gegensatzpaar Stadt und Land hat sich aufgelöst, die Grenzen
sind verwischt. Wir gehen davon aus, dass weder der Rückbau der Stadt noch
derjenige der Landschaft möglich ist. Die Lesbarkeit, die Erlebbarkeit der
Welt beruht aber auf dem Prinzip der Ungleichheit. Zukünftige Aufgabe
in dieser Gleichzeitigkeit von Stadt und Land ist deshalb, das weitere
Verschleifen der inneren Grenzen und Brüche zu verhindern. (...).“
Geld verdienen! Aufgabenfelder für Landschaftsarchitekten
121
4 „Die Stadt mit ihren Außenräumen ist als Ganzes nicht planbar. Wir
vertrauen auf die mosaikartigen Eingriffe (...).“
5 „Unsere besondere Aufmerksamkeit gilt den zahllosen Unorten (...).
Städtebauliche und damit auch landschaftsarchitektonische Interventionen
erscheinen uns gerade an der Peripherie (...) von wesentlicher Bedeutung.“
6 „Wir sehen Gartenarchitektur als Ausdruck des Zeitgeistes. Ihre
Grundlagen sind die aktuellen sozialen, kulturellen und ökologischen Ereignisse,
die wiederum nur in ihrem geschichtlichen Kontext verstanden werden können.
(...) Die Zusammenarbeit mit unseren Schwesterdisziplinen Architektur,
Ingenieurwesen und bildender Kunst ist uns weniger Notwendigkeit
denn Selbstverständlichkeit. (...) Die Auseinandersetzung mit den aktuellen
Zeitereignissen erfordert den Einbezug des weiteren kulturellen Umfeldes,
die Beschäftigung mit Film und Video, Philosophie und Literatur, Musik und
Werbung. (...).“
7 „Eine weitere Grundlage unserer Landschaftsarchitektur ist die
Bezugnahme zum Ort. Dieser reichlich strapazierte Begriff ist für unsere
Arbeit unverzichtbar (...). Aus der Lektüre und Analyse des Ortes, seines
kulturellen, ökologischen und sozialen Zustandes entwickeln wir ein Konzept,
das den Bestand auf seine Tragfähigkeit überprüft, ihn vorbehaltlos übernimmt,
umformt, neu interpretiert oder auch vernachlässigt. (...) Gärten, Parkanlagen
und Plätze (...) sind poetische Orte (...).“
8 „(...) Das Prinzip der Transparenz erscheint uns hervorragend geeignet,
122
städtische Außenräume zu entwickeln. Sie bejaht die Verschiedenheit, die
Heterogenität der Stadt und ihrer Bewohner, kann Altes und Neues aufnehmen,
provoziert Bildhaftigkeit – dialektische Orte, in denen sich die Gesellschaft,
aber auch der Einzelne wiederfinden kann.“
9 „(...) Das Naturangebot der Stadt ist wie (...) das Kulturangebot zum
wesentlichen Standortfaktor geworden. Wir meinen, dass es bei einer
noch nie da gewesenen gesellschaftlichen Akzeptanz dringend geboten ist,
Konzeptionen für städtische Natur zu entwickeln. (...).“
10 „(...) Städtische Vegetation lebt mit und von ihrer Gegensätzlichkeit, sie
ist geschnitten und wildwachsend, vielfarbig und einheitlich grün, üppig
und karg, einheimisch und fremd. Pflanzen sind nützlich. Sie verbessern
das Klima und sind Habitat für Tiere und Menschen. Pflanzen stehen aber
auch für das Naturversprechen der Stadt (...) Bertold Brecht hat das
so formuliert: Befragt über sein Verhältnis zur Natur, sagt Herr K.: „
Ich würde gern mitunter aus dem Haus treten und ein paar Bäume
sehen. (...) Bäume [haben] für mich, der ich kein Schreiner bin, etwas
beruhugend Selbstständiges, von mir Absehendes, (...).“ (Professur für
Landschaftsarchitektur der ETH Zürich (Hrsg.), 2002, S. 207-210)
Der Südraum Leipzig, eine
„künstliche
Landschaft
[eine
Bergbaufolgelandschaft]
als
Landart-Skulptur
gigantischen
Ausmaßes. (...) Vis-à-vis der
Julia Martin, als Landschaftsarchitek
Stadt Leipzig ergibt sich hier (...)
die Möglichkeit, ein Labor für neue
richtet sich an Tänzer, Schauspieler,
Lebensformen und städtebauliche
Experimente einzurichten. (...) Die
und andere Interessierte.
Vision einer nomadischen Stadt
Im Blickpunkt der vorjährigen
Veranstaltung standen urbane
Leer- und Zwischenräume, die mit Hilfe des Butoh-Tanzes und den Mitteln des
Filmes hinterfragt wurden.
könnte hier Wirklichkeit werden, einer Stadt der endlosen Experimente, einer
Stadt als Labor für die Lebensentwürfe entwurzelter Existenzen. Hier kann
der moderne Geist seine Glückverheißung einlösen.“ (Uhlig, 1994, S. 18)
„Et in arcadia ego“ - Garten des Ehepaares E. am Üetliberg in Zürich,
1989. Der Brückenschriftzug wird zum erzählenden Element. Assoziationen
werden geweckt: Zur
Landschaftsmalerei,
zur Poesie ... (nach:
Kienast, 1997, S.92)
turstudentin und Tänzerin nimmt sie
an der 4. BauhausBühnenWerkstatt
vom 29. Juli – 24. August 2002 teil.
Die jährlich stattfindende Werkstatt
Bühnenbildner, Filmemacher, Musiker
Zitat: „Die Bühnenwerkstatt erforscht und erprobt, wie die Arbeit mit und in
diesen Räumen außerhalb etablierter Orte der Kunstproduktion dazu beitragen
kann, festgefahrene Wahrnehmungs- und Arbeitsweisen des Theater- und
Kunstbetriebes aufzubrechen, um kreativ zu neuen, zeitgemäßen Formen zu
finden. Zwischen den zeitgenössischen Mitteln, mit denen die Bühnenwerkstatt
arbeitet, und der Tradition der Bauhausbühne unter Oskar Schlemmer
bestehen enge Verbindungen: Tanz, Theater, Improvisation und Einflüsse
außereuropäischer Darstellungsformen gehen eine Synthese ein, die jeweils
neuesten Medien werden zur Abbildung und Reflektion der Arbeitsprozesse
genutzt.“
(http://server.kibla.org/pipermail/peco1/2002-May/000227.html,
22.6.03)
Geld verdienen! Aufgabenfelder für Landschaftsarchitekten
123
Das Projekt Urban Drift – das
Spiel mit der Grenze.
Das
Projekt
Urban
Drift
definiert sich als übergreifendes
Medium, das neue Strömungen
in Architektur und Städtebau
sowie im Bereich des Design
untereinander in Verbindung zu
bringen versucht. Ausgangspunkt
der Überlegungen ist die Aufweichung der bisherigen Grenzen der Fächer
Architektur und Städtebau. (nach: http://www.urbandrift.org/, 22.6.03)
Urban Drift sieht sein Engagement auf unterschiedlichen Ebenen turnushaft
stattfindender Veranstaltungen angesiedelt. So ist die Koordinierungsarbeit
sowohl der konzeptionell-ideellen Ebene als auch der experimentell-praktischen
Ebene Vorarbeit zur anschließenden vertikalen Gesamtschau aller Neuerungen
der unterschiedlichen künstlerischen Disziplinen. Als Untersuchungsgrundlage
dient ein Themenkatalog mit einem Schlagwortspektrum zwischen „mobile
Kulturen“, „neue urbane Strategien“, „prozesshaftes Design und prozesshafte
Planung“ sowie „periphere urbane Zonen“. Den ausführenden, international
arbeitenden Architekten, Planern, Designern und Künstlern wird die
Gelegenheit zur Positionierung innerhalb der benannten Fächer gegeben.
(nach: http://www.urbandrift.org/, 22.6.03)
Das Aufgabenfeld des Architekten und Stadtplaners, so spekuliert
man, beginnt sich in Richtung Prozessmanagement und –steuerung zu
124
verschieben. Damit entfernt man sich bewusst von der professionellen Suche
nach formalen Ausdrucksmitteln. Auf diesen Veränderungsprozess will das
Projekt Urban Drift aufmerksam machen. (nach: http://www.urbandrift.org/,
22.6.03)
(Die Arbeitsweise – Management der Protagonisten: Neben der Organisation
von turnushaften Veranstaltungen, Diskussionen und Präsentationen und
der Einrichtung einer Internetplattform, sieht sich das Projekt Urban Drift vor
die Aufgabe gestellt, die angestoßene, letztendlich textliche Diskussion zu
redigieren und zu publizieren. Seit der Initiierung des Projektes 1996 knüpft
sich ein Netz aus den Teilnehmern der bisherigen Veranstaltungen.)
Neue Impulse für zukünftige
Planung – die Projektidee
der Urban Catalyst:
Die URBAN CATALYST
sind
Mitglieder
des
gleichnamigen zweijährigen
Forschungsprojektes
(bis
März 2003) der Technischen
Universität
Berlin.
Das
Projekt wurde durch Mittel
der EU kofinanziert. 11 Partner aus sechs europäischen Ländern arbeiteten
zusammen. (Zum Projektteam zählte u. a.: Philipp Oswalt. Projektdirektor war
Kees Christiaanse) Gegenstand der Forschungsarbeit waren angewandte
Strategien temporärer Nutzung auf urbanen Brachflächen sowie in leer
stehenden Gebäuden der europäischen Großstädte Amsterdam, Berlin,
Helsinki, Neapel und Wien. Das nach Abschluss des Projektes aus den
beobachteten Strategien abstrahierte Handlungsinstrumentarium soll in die
Stadtplanung einfließen und den zukünftigen planerischen Schwerpunkt
im Sinne von Zwischennutzungslösungen
verschieben. (nach: http://
www.urbancatalyst.de/)
Das Haus der Illusion ist ein
innerer, dunkler Glaskubus
mit einer Außenmembran aus
transparentem Stoff für das
Spiel
aus
Schattenbildern.
(nach: Louafi, 2000, o.S.)
Das Sandhaus im Sandgarten, acht
ineinandergeschachtelte Wände, vier
innen, vier außen, Blickbeziehungen
zwischen Innen und Außen sind
aufeinander
abgestimmt.
(nach:
Louafi, 2000, o. S.)
„Wo autistische Elemente im Raum
aneinander stoßen ist es wichtig,
Übergänge
vielfältiger
Art
zu
kultivieren.“ (Sieverts, 2002, S.41)
Geld verdienen! Aufgabenfelder für Landschaftsarchitekten
125
Friedrich Kuhlmann schreibt,
Zitat: „das ist keine Architektur
– das ist 70er Jahre“ Ausruf in
Brno/ Juni 2001
„Die Beach Boys veröffentlichten 1965 Pet Sounds. Als Popalbum steht es
erstmals für dezentriertes Wahrnehmen und Erkennen von Welt, indem die
scheinbare Ganzheit des umgebenden Alltags demaskiert, zerstört und neu
aufgebaut wird. Pet Sounds übermittelt Trennung und Fragmentierung statt
Komposition und Synthese. Die Ganzheit des versprochenen Bildes wird
zugleich unterminiert, weil Klänge einander gegenüber stehen, so dass die
Wahrnehmung sich beim wiederholten Hören nicht abschleift, sondern vertieft.
Das bekannte Bild aus Sonne, Mädchen, Strand und Autos wurde zugunsten
einer diffusen Stimmung fallen gelassen, die sich nur noch in neuen Sounds
äußern konnte und ihre eigenen Referenzen herstellte. Damit war auch keine
eindeutige Interpretation der Kritik mehr möglich, und das Album verkaufte sich
schlecht – dreißig Jahre später gilt es als Meilenstein.“ (Kuhlmann, o. J., S.
14)
Der
eher
dekonstruktivistischen
Reflexion
über
Landschaft
und
Landschaftsarchitektur ...
... geht der konstruktivistische Versuch der Kunstgeschichte parallel. Am
Dumbarton Oaks Institute, gehörig zur Harvard University, finden seit
den 1970er Jahren Symposien zu spezifischen Themen der Garten- und
Landschaftsgeschichte statt.
Zitat: „LAY RITUAL PRACTICES IN GARDENS AND LANDSCAPES
This symposium will aim at better understanding the reception of gardens and
landscapes by focusing on a limited number of lay ritual practices in garden
126
and landscapes in a large variety of cultural contexts. It will rise to discussions
of the formative functions of gardens and landscapes for cultural and social
life.“ (http://www.doaks.org/GLS2003Sym.html)
4 Martin Wagner
4.1 Das sanitäre Grün der Städte
Der Architekt Martin Wagner verfasste 1915 eine Dissertation mit dem Titel
Um „Laienrituale“ ging es auch im
letztens veranstalteten Park-Test der
Zitty. Die dort dargestellte Rankinglist für
den Treptower Park, den Humboldthain,
den Volkspark Friedrichshain und
„Das sanitäre Grün der Städte. Ein Beitrag zur Freiflächentheorie“. Die
Abhandlung beschäftigt sich mit Grundsätzen und Richtlinien zur Verteilung
von Grün innerhalb Berlins. (nach: Oeser, 2000, S. 67)
andere errechnete sich aus der
Punkteverteilung zu den Kriterien:
Hipnessquotient,
Einsamkeitsfaktor,
Sauberkeitsfaktor,
Flirtfaktor,
Hundhaufenquotient,
Ruheskala,
Grill- und Chillfaktor, Sporteignung,
Kinderfreundlichkeit, Grünfaktor sowie
Anbindung an Café und Kiosk. (nach:
Zitty 13/2003, S. 16 – 22)
Die Unterscheidung der Grünflächen in „dekoratives“ und „sanitäres“ Grün
wurde vor Wagner bereits von Camillo Sitte in seinem 1901 erschienenen Buch
„Der Städtebau nach seinen künstlerischen Gesetzen“ erwähnt. Sitte schreibt
den Gärten und Alleen der Stadt einen hygienischen Wert zu und vertritt die
Ansicht „Je mehr Grünes, desto besser.“ (In Oeser, 2000, S. 67) Wagner greift
nun diesen Grundgedanken des sanitären Grüns auf und entwickelt ihn weiter.
Als sanitäres Grün bezeichnet er alle Grünflächen und Grünanlagen, die einen
gesundheitsfördernden Einfluss haben. Diese Flächen sind vor allem als
Luftspeicher und Luftverbesserer unentbehrlich. (nach: Oeser, 2000, S. 67)
Die Bewertung von Grünflächen geht
historisch gesehen bis auf Martin
Wagner zurück. Im Folgenden sollen
nun deshalb Martin Wagners Zielsetzungen näher betrachtet werden.
Wagner war der erste, der berechnete, welchen Umfang an Freiflächen
die Bewohner einer Stadt wie Berlin benötigten. Er ermittelte sieben
verschiedene Altersklassen bzw. Bevölkerungsgruppen, davon stellten die
unter Zwanzigjährigen fünf der sieben Gruppen. Martin Wagner begründete
diese Einteilung der Altersklassen mit der Feststellung, dass gerade die nicht
arbeitende, junge Generation die Freiflächen am intensivsten nutzt. (nach:
Oeser, 2000, S. 67)
Geld verdienen! Aufgabenfelder für Landschaftsarchitekten
127
Die verschiedenen Freiflächenarten unterscheidet Wagner wie folgt:
Sandspielplätze
Bankplätze
Schulspielplätze
Spielwiesen
Sportplätze
Promenaden
Parkanlagen
Wälder
(nach: Oeser, 2000, S. 67)
Mit Berücksichtigung der oben genannten Aspekte errechnete er für jede Gruppe
aus ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung, ihrem Freiraumplatzbedürfnis
und ihrem Anspruch an dieses einen prozentualen Bedarf an den einzelnen
Freiflächen. (In Oeser, 2000, S. 67) „Größe, Lage und Ausgestaltung
der Freiflächen muss auf eine verschiedenartige Benutzung durch die
verschiedenen Bevölkerungsschichten zugeschnitten werden. Auf jeden
Bewohner sollen durchschnittlich 2,4 m² Kinderspielplätze, 1,6 m² Sportplätze,
0,5 m² Promenaden, 2 m² Parkanlagen und 13 m² Stadtwald entfallen.“ (Zitat
in Oeser, 2000, S. 67)
Martin Wagner setzte zudem Maßstäbe für die Erreichbarkeit der Anlagen.
„Die Spielplätze dürfen von den Wohnquartieren nicht mehr als 10 bis 15
Minuten, die Parkanlagen nicht mehr als 20 Minuten und die Sportplätze und
Stadtwälder nicht mehr als 30 Minuten entfernt liegen.“ (Zitat in Oeser, 2000,
S. 68)
128
Um Freiflächen in der unmittelbaren Umgebung der Wohnungen zu ermöglichen,
fordert er eine gemeinsame Planung der Gebäude und Freiflächen. Die
Bereitstellung der Flächen ordnet er der extensiven Flächenpolitik zu. Dieser
steht der differenzierte Ausbau der Freiflächen, die intensive Flächenpolitik
gegenüber. (nach: Oeser, 2000, S. 68)
4.2 Wagners Wirken als Stadtbaurat von Berlin
In seinen städtebaulichen Vorstellungen und Ansichten war Wagner seinen
Zeitgenossen weit voraus. Wagner verglich die Stadt mit einem effizient
wirtschaftenden Industriebetrieb. Er war fasziniert von der Idee, die Stadt
einem Unternehmen gleichzusetzen. Dies hätte bedeutet, städtische
Bauvorhaben nach privatwirtschaftlichen Grundsätzen durchzuführen. Die
Stadtverwaltung würde als Unternehmensleitung fungieren und hätte sich als
solche zu bewähren und produktiv zu arbeiten. Er selbst sah sich als Manager
des Ganzen. (nach: Oeser, 2000, S. 68)
Betrachtet man die Stadt also als privates, industrielles Unternehmen, muss
man davon ausgehen, dass es einer ständigen Entwicklung ausgesetzt ist. Um
bestehen zu können, passt es sich den Gesetzen des freien Marktes an. Dieser
„Dynamische Städtebau“ braucht folglich keinen Generalbebauungsplan,
da fortwährend Veränderungen auftreten. Wagner sieht in der andauernden
Anpassung/Entwicklung den Grund dafür, keine langlebige Architektur zu
schaffen. Er vertritt den Standpunkt, jede Generation müsse ihre eigene Stadt
bauen. Zudem schreibt Wagner den Bewohnern einer Stadt einen gewissen
„Verbrauch“ von Architektur zu, denn wie eine Maschine verliert auch diese
nach und nach an Wert. (nach: Oeser, 2000, S. 68)
In Wagners Amtszeit als Stadtbaurat (1926 – 1933) beginnt zunehmend
die verkehrsgerechte Planung der Stadt. Im Zentrum der Planung steht die
Schaffung einer Weltstadt Berlin. Es kommt zu einer Reihe von Veränderungen.
Unter anderem sollen zentrale Plätze wie der Alexanderplatz, der Hermannplatz,
der Platz der Republik und der Potsdamer Platz als Mittelpunkt des neuen
Geschäftszentrums zwischen Zoologischem Garten und Alexanderplatz
umgestaltet werden. (nach: Oeser, 2000, S. 69)
Städtebau findet zu dieser Zeit vorwiegend mit Siedlungen und Wohnblocks
am Rande der City statt. Beispiel hierfür ist die Hufeisensiedlung in Britz,
die Wagner zusammen mit Taut entwarf. Diese Arbeitersiedlung warb mit
hygienischer Weiträumigkeit, den Ansprüchen Licht, Luft und Grün, um auf
diese Weise den veränderten Ansprüchen der Zeit gerecht zu werden. (nach:
Oeser, 2000, S. 69)
Sanitäres Grün, Nutzergruppen, Freiflächenarten, Freiflächenbedarf,
Erreichbarkeit, verkehrsgerechte Planung und Dynamik sind bis heute
ein Thema in der Freiraumplanung. Dennoch ist Martin Wagner heute
Geschichte, da wir eine andere Gesellschaftsform vorfinden. Diese ist
insbesondere durch Flexibilität gekennzeichnet. Zum einen sind wir flexibel
in der Wahl unseres Berufes. Im Gegensatz zu den Fabrikarbeitern der
20er und 30er Jahre des 20. Jahrhunderts stellt die derzeitige Gesellschaft
aufgrund sozialer, gesellschaftlicher und politischer Veränderungen ganz
andere Anforderungen an ihre Freiräume. Ein Freiraum muss heutzutage
andere Dinge leisten. Die Mobilität ermöglicht ohnehin ganz andere
Maßstäbe an die Erreichbarkeit von Freiflächen. Gleichzeitig verändert sich
auch der Anspruch an die Freifläche, wenn ich beispielsweise zwei Jahre in
Paris gelebt habe, morgen in New York und übermorgen in Mailand wohne,
habe ich viele Bilder vor Augen.
Man kann sagen, dass ein Übergang von einer statischen Gesellschaft zu
Wagners Zeiten zu einer heute flexiblen Gesellschaft stattgefunden hat.
Diese Flexibilität zeigt sich auch im Bereich der Arbeit und in den individuellen
Lebensentwürfen.
Die heutige Gesellschaft bzw. das Individuum definiert sich vorrangig über
Arbeit. An dieser Stelle soll nun auf den Wandel der Arbeit eingegangen und
die daraus resultierenden Konsequenzen skizziert werden.
5 Der Wandel der Arbeit
5.1 Situation
Unsere Wirtschaft wird derzeit mit Schlagworten wie Dienstleistungsge
sellschaft, Flexibilität, Liberalisierung, Individualisierung, Globalisierung
und Dezentralisierung beschrieben. Der wichtigste Produktionsfaktor im
Wirtschaftsprozess war und ist das Humankapital – der Mensch. Angesichts
der aktuellen Situation von über 4 Millionen Arbeitslosen - lässt sich diese
Aussage zunehmend in Frage stellen.
Wie kam es zu einer Entwicklung, die einen zunehmenden Teil der
Bevölkerung aus dem Erwerbsprozess ausschließt? Ist dies ein Problem oder
eine Chance für eine neue, „bessere“ Wirtschafts- und Gesellschaftsform?
Wie kam es zu der hohen Arbeitslosigkeit?
Am Anfang der menschlichen Evolution bestand Arbeit im Wesentlichen
Geld verdienen! Aufgabenfelder für Landschaftsarchitekten
129
aus Jagen und Sammeln. Mit dem Eintritt in das Agrarzeitalter wird der
landwirtschaftliche Sektor als weiterer Arbeitsbereich eingeführt. Der Mensch
beginnt seine Umwelt bewusst zu verändern und sichert sich auf diesem Weg
bessere Überlebenschancen.
Nach der Industriellen Revolution wurde der Reichtum einer Gesellschaft
Eine Vollbeschäftigung im Sinne der Versorgung aller mit ausschließlich
bezahlter Arbeit wird es wohl nie wieder geben. Es wird nun nur noch ein
Bruchteil der Arbeitsplätze benötigt, um ein Vielfaches herzustellen. So
wurde berechnet, dass sich die Produktivität je Arbeitsstunde für Deutschland
zwischen 1910 und 1980 um das 1500fache erhöht hat. (Reheis, 1998, S.
über die industrielle Produktion von Gütern bestimmt: je höher die Produktion,
desto größer der Wohlstand. Zur Zeit befinden wir uns im Übergang von
152f) Gleichzeitig mit der Produktivitätssteigerung drängen aber immer mehr
Arbeitswillige auf den Markt. Wohlstand, Ansehen, soziale Sicherheit und
der industriellen Gesellschaft zur Dienstleistungsgesellschaft. Dieser
Wandlungsprozess stellt die Wirtschaft vor neue Aufgaben. (nach: Lösse,
Identität werden daher in Zukunft nicht mehr nur über monetarisierte Arbeit
realisiert werden können.
1999, S. 18)
Der Startschuss für den vollkommenen Übergang zur Dienstleistung
sgesellschaft in den Industrieländern wird mit dem Eintritt weiter Teile
Osteuropas und Asiens in den Weltmarkt gegeben. Die alten Industrieländer
wurden gezwungen, ihre Strukturen an eine neue globalisierte Wirtschaft
anzupassen.
Diese Entwicklung brachte einen sektoralen Strukturwandel hervor:
Die Landwirtschaft verlor in den Industrieländern an Arbeitsplätzen, der
Dienstleistungssektor gewann dagegen an Beschäftigungsmöglichkeiten.
Allerdings kann der Verlust im Landwirtschafts- und Produktionssektor nicht
über Stellen im Dienstleistungsbereich ausgeglichen werden.
Die zunehmende Produktivitätssteigerung aufgrund einer absoluten
Technisierung im Dienstleistungsbereich führt neben weiteren wirtschaftlichen
und politischen Diskrepanzen zu einer stetig steigenden Arbeitslosigkeit.
Forderungen nach einem Entwurf einer neuen Dienstleistungsgesellschaft
werden immer lauter. (nach: Lösse, 1999, S. 16f)
130
5.1.1 Eigenproduktion und Individualität
Die industrielle Revolution verdrängte die Eigenproduktion. Im Zeitalter der
Dienstleistungsgesellschaft wird sich nun auf sie zurück besonnen. Schon jetzt
definiert sich die Wirtschaft der Dienstleistungsgesellschaft zu einem großen
Teil über Eigenproduktion. Deutlich wird dies in der steigenden Zahl von Selbs
tbedienungsrestaurants und Geldautomaten in Banken. Der Mensch löst sich
zunehmend von Gütern und bevorzugt Lösungen für deren Umsetzung. Er ist
bereit, eine Eigenleistung zu erbringen. Dies zeigt sich unter anderem darin,
dass die Vermietung von Produkten anstatt ihrer Anschaffung immer mehr
Zuspruch findet. Es geht nicht mehr nur um funktionelle Leistungen, sondern
der „Kunde will sich individuell bedient wissen, mit einem Produkt seine Identität
inszenieren und sich von anderen Gruppen abgrenzen können“. (Lösse, 1999,
S. 20)
5.1.2 Gemeinnützige Arbeit
Es wird deutlich, dass „zusätzliche unbezahlte, freiwillige oder wohltätige
und eigenproduktive Tätigkeiten ebenfalls zum Funktionieren des
Wirtschaftssystems beitragen“. (Lösse, 1999, S. 20)
Zur Zeit findet in der Gesellschaft fast ausschließlich nur monetäre Arbeit als
ernstzunehmende produktive Tätigkeit Akzeptanz. Nichtmonetäre Arbeiten wie
Hausarbeit und Kindererziehung erfahren dagegen wenig Achtung von der
Gesellschaft. Dennoch ist der Wille zu nichtmonetarisierter Arbeit vorhanden,
wie sich in der Erhebung der Enquete-Kommission „Demographischer Wandel“
zeigt. Laut dieser übernehmen in Deutschland 16,3% der Frauen zwischen 25
und 34, sowie 27,2% der Männer gemeinnützige Arbeit. (nach: Lösse, 1999,
S. 20f)
5.1.3 Derzeitige Maßnahmen zur Verringerung der Arbeitslosigkeit
Regierungen in Ländern mit einer hohen Arbeitslosenrate greifen zu
unterschiedlichen Maßnahmen, um die Beschäftigungslosigkeit zu verringern.
Mobilisierung des Angebots an Arbeitskräften: Programme, die die
Beschäftigungschancen schwer vermittelbarer Personen wie Behinderter,
Jugendlicher und Älterer erhöhen sollen
Die Entwicklung von beschäftigungsorientierten Fähigkeiten: Die
Zuständigkeit liegt bei den Arbeitgebern und den Ausbildungsstätten
Die Förderung der aktiven Suche: Erleichterung der Kontaktaufnahme von
Arbeitgeber und Arbeitnehmer
Die direkte Schaffung von Arbeitsplätzen: zeitlich befristete Arbeit,
Arbeitsplätze im öffentlichen Bereich und in gemeinnützigen Institutionen
(nach: Lösse, 1999, S. 22)
Würde man die drei Millionen Arbeitslosen (Mitte der 90er) in den
Produktionsprozess eingliedern, dann könnten nach Berechnungen des
Deutschen Institutes für Wirtschaftsforschung rechnerisch alle Deutschen drei
Wochen mehr Urlaub machen. (nach: Reheis, 1998, S. 203)
5.1.4 Mehrschichtenmodell der Arbeit
In der Zukunft, wie in den letzten 25 Jahren, ist nicht mehr mit einem
Wirtschaftswachstum von jährlich 6% zu rechnen. Gleichzeitig besteht auch
nicht mehr die Erwartung, dass eine steigende Produktivität in der Schaffung
von mehr Arbeitsplätzen münden wird. Nun gibt es Überlegungen, sämtliche
Facetten von Arbeit - die bezahlte Arbeit, die Eigenarbeit und die gemeinnützige
Arbeit - in den Arbeitsprozess eines Jeden einzubinden. 1997 wurde dem Club
of Rome ein neuer Bericht „The Employment Dilemma and the Future of Work“
vorgelegt. Der Bericht zeigt die Probleme und Tendenzen der derzeitigen
Beschäftigungssituation auf und präsentiert einen Lösungsansatz: Das
Mehrschichtenmodell der Arbeit. (nach: Lösse, 1999, S. 22f)
„In der Dienstleistungsgesellschaft mit ihrer Betonung auf Leistung muss
akzeptiert werden, dass auch eine bestimmte Form von Eigenproduktion
und nicht bezahlter Arbeit enthalten sein muss, um die Funktion des
gesellschaftlichen Systems zu sichern und Wohlstand zu schaffen“. (Lösse,
1999, S. 24)
Das Modell zielt daher darauf ab, die drei Formen der Tätigkeiten parallel zu
fördern.
Monetarisierte Arbeit
Nichtmonetisierte aber monetarisierte Arbeit
Geld verdienen! Aufgabenfelder für Landschaftsarchitekten
131
Jede Arbeit, die bezahlt werden könnte, dies aber aus verschiedenen
Gründen nicht wird. Dazu zählt wohltätige und freiwillige Arbeit wie
Kinderbetreuung durch Großeltern oder Vereinsarbeit
Nichtmonetarisierte Arbeit
Jene Arbeit hat keinen impliziten oder expliziten Tauschwert und umfasst
Tätigkeiten des Eigenkonsums und der Eigenproduktion. Darunter fällt das
Selbststudium, der Umgang mit Computern oder die Eigenbehandlung von
Krankheiten.
(nach: Lösse, 1999, S. 24f und Giarini, 1997, S. 231ff)
Das Mehrschichtenmodell der Arbeit integriert die drei Beschäftigungsformen
wie folgt:
Erste Schicht:
Jedem Menschen soll von Seiten des Staates ein Minimum an bezahlter
Arbeit garantiert werden. Diese Grundbeschäftigung umfasst ca. 20 Stunden
pro Woche.
Wer seine Arbeitskraft als Gegenleistung für ein Grundeinkommen nicht
zur Verfügung stellt, erhält keine staatlichen Leistungen. Traditionell
benachteiligte Gruppen wie Frauen, Jugendliche und Alte werden dadurch
in den Wirtschaftsprozess wieder einbezogen.
Zweite Schicht:
Jede bezahlte Tätigkeit, die über die erste Schicht hinausgeht und über
welche die Definition der Persönlichkeit geschehen soll, da die Arbeit der
ersten Schicht vielleicht nicht in allen Fällen dem Wunschjob entspricht.
Diese unternehmerische Arbeit beeinflusst/ bestimmt die Dynamik der
Wirtschaft. Sie sollte abgesehen von gesetzlichen Rahmenbedingungen
132
von den Eingriffen des Staates frei sein.
Dritte Schicht:
Tätigkeiten in Eigenleistung und nicht bezahlten freiwilligen Leistungen
(nach: Lösse, 1999, S. 26f und Giarini, 1997, S. 231ff)
5.1.5 Organisation der Bürgerarbeit
Der Soziologe Ulrich Beck verfasste für die von Kurt Biedenkopf und
Edmund Stoiber eingesetzte Zukunftskommission, welche 1997 ihre
Arbeiten präsentierte, das Kapitel „Bürgerarbeit“. Bürgerarbeit umfasst nicht
marktgängige, aber gemeinwohlorientierte Tätigkeitsfelder, die in einem
neuen Zentrum gesellschaftlicher Aktivität zu bündeln sind. Hierunter fallen:
theoretische Bildung, die Betreuung von Lernschwachen, Asylbewerbern und
Obdachlosen, Sterbehilfe, Kunst und Kultur. Es geht um das freiwillige soziale
Engagement.
Bürgerarbeit ist als eine selbst organisierte Arbeitsform gedacht. Sie findet
projektgebunden, zeitlich begrenzt und von der Kommune autorisiert unter der
Regie eines Gemeinwohlunternehmers statt. Diese dritte Schicht der Arbeit
wird nicht im herkömmlichen Sinne entlohnt, aber immateriell belohnt durch
den Erwerb von Rentenansprüchen, Sozialzeiten und Qualifikationen, durch
die Weiterbildung bei Arbeitslosigkeit. (nach: Lösse, 1999, S. 29f)
5.1.6 Wertewandel in der Gesellschaft
Heute wird vielfach von einem allgemeinen Wertewandel in unserer Gesellschaft
gesprochen. Freundschaften, Liebe, Unabhängigkeit und Freizeit steht hoch
im Kurs. Das folgende Zitat bringt diesen Wandlungsprozess auf den Punkt:
„Unsere Gesellschaft fällt sukzessive vom Glauben ab. Der Tod Gottes liegt lang
zurück, auch die Trauerzeit ist vorbei. Der so genannten Politikverdrossenheit
sehen wir mit schreckgeweiteten Augen entgegen, während sie längst
eingetreten ist. Nach der Emeritierung von Religion und Politik verlieren nun die
Götzen der Wirtschaft an Sinn stiftender Kraft. Die Abkehr vom Wirtschaftlichen
ist die letzte Stufe eines logischen Dreischritts.“ (Zeh, 2002, S. 186)
6 Fazit
Aufweichung der Grenzen zu Nachbarprofessionen aber auch stilistische
Diskussionen hinsichtlich einer Entwurfssprache ergeben.
Als Planende können wir uns weiterhin am gesellschaftlichen Diskurs
beteiligen aber auch bewusst Experimentalphasen zulassen. Vielleicht kommt
man dann auf die Idee, als Landschaftsarchitekt in Zusammenarbeit mit
einem Logopäden einen Kindertheaterkurs als zusätzliche Veranstaltung an
Grundschulen anzubieten.
Unabhängig von einer vielleicht sehr guten Ausbildung entscheiden sich
zunehmend mehr Menschen gegen eine feste Arbeitsstelle im herkömmlichen
Sinne.
Die Betonung der Erwerbsarbeit zur Absicherung der Mietkosten, zum Kauf
von Nahrungsmitteln, für Kleidung, Urlaub etc. wird zurückgehen. So kann sich
die Definition von Arbeit zukünftig zu Gunsten einer eher ideellen Bestätigung
des Ich verschieben.
Würden wir uns mit dem Konsumstandard unserer Eltern von vor 25 Jahren
begnügen, könnten wir heute bei einer Lebensarbeitszeit von 20.000 Stunden
angelangt sein. Das entspricht 10 Jahren Vollzeitarbeit oder 20 Jahren
Teilzeitarbeit oder 40 Jahren unregelmäßiges Arbeiten mit Zwischenphasen für
Urlaub oder Eigenarbeit. Folgt man dieser Argumentation tritt nun an die Stelle
von materiellen Gütern der Wohlstand an Zeit. (Reheis, 1998, S. 203)
Was kann ein höheres Maß an Individualität und mehr frei verfügbare Zeit bei
Stadt- und Freiraum planenden Professionen an Diskussionen forcieren? Ein
mögliches Themenspektrum könnte sich zwischen der kritischen Hinterfragung
der weiteren Relevanz tradierter, fachbezogener Planungsthemen, der
Geld verdienen! Aufgabenfelder für Landschaftsarchitekten
133
Quellenverzeichnis
o. A.; Der Park-Test, in: Zitty 13/ 2003, Berlin 2003
Bücher und Artikel
OESER, Martina; Martin Wagners „Sanitäres Grün der Städte“ 1915, in: Stadt
- Landschaft einer besonderen Art, Berlin 2000
ANANIADOU - TZIMOPOULOU, Maria; Griechenland: Landschaftsgestaltung als Erbe,
in: Topos 27/ 1999, München 1999
PLA, Miquel Vidal; Spanien: Weiterarbeiten am Modell Barcelona, in: Topos 27/
1999, München 1999
ANDERSSON, Stig L.; Dänemark: Strategie zur Verbesserung der Wohnumwelt,
in: Topos 27/ 1999, München 1999
Professur für Landschaftsarchitektur der ETH Zürich (Hrsg.); Dieter Kienast –
Die Poetik des Gartens: Über Chaos und Ordnung in der Landschaftsarchitektur,
Basel, Berlin, Boston, Birkhäuser, 2002
ARNOLD, Françoise; Frankreich: Zur Stadt beitragen, in: Topos 27/ 1999,
München, 1999
GIARINI, ORIO; LIEDKE, PATRICK; Wie wir arbeiten werden – der neue Bericht an
den Club of Rome. München 1997
KIENAST, Dieter; Kienast: Gärten: Gardens, Basel, Boston, Berlin, Birkhäuser,
1997
KLÖTZLI, Beatrice Friedli; Schweiz: Die Profession wird urban,. in: Topos 27/
1999, München 1999
KUHLMANN, Friedrich; Landschaft als Produkt zum Preis ihres Sensationsgehaltes,
in: Zone 7: Stadt.Architektur.Landschaft: Notforsale?, o. J.
LÖSSE, Julia; Der Wandel der Arbeit, in: Die Vierte Dimension - Prozessorientierte
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Abbildungsverzeichnis
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München
Bild 2: Ladegårdsparken. Topos 27/ 1999, S. 99, München 1999
Bild 3: Höga Kusten Projekt. Topos 27/ 1999, S. 53, München 1999
Bild 4: Europan 4: Wohnkuben und Gärten. „Housing Terminals“. Topos 30/
2000, S. 81, München
Bild 5: Nordplatz des Bellaterra Campus der FU Barcelona. Topos 27/ 1999, S.
44, München 1999
Bild 6: Luftbild von Saint Denis bei Paris. Topos 34/ 2001, S. 86, München
Bild 7: Pascha Gardens in Thessaloniki. Topos 27/ 1999, S. 90, München
1999
Bild 8: 22 Dachgärten der Victoria Versicherung in Düsseldorf. Topos 37/ 2001,
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In: Mariano Pallottini, Alla origini della città europaea, Quasar, Rom, 1985, In:
Careri Francesco: Walkscapes: El andar como pràtica estética: Walking as an
aesthetic practice, Barcelona, Editorial Gustavo Gili, SA, 2002, Cover
Bild 12: Dieter Kienast, Vicenza 1996, In: Professur für Landschaftsarchitektur
ETH Zürich (Hrsg.), Dieter Kienast – Die Poetik des Gartens: Über Chaos
und Ordnung in der Landschaftsarchitektur, Basel, Berlin, Boston, Birkhäuser,
2002, S. 200
Bild 13: Südraum Leipzig: Eine Region im Wandel: Ergebnisse der 3.
Regionalkonferenz und des Teamwettbewerbs 1994, Gutachten Gruppe A:
Hans Kollhoff, Dieter Kienast, Rob van Gool, Hans Rudolf Güdemann, Ingemar
Vollenweider, Thema: Die andere Stadt, In: Uhlig, Günther (Hrsg.), Südraum
Leipzig: Eine Region im Wandel: Ergebnisse der 3. Regionalkonferenz und
des Teamwettbewerbs 1994, Schäfer Verlag Leipzig, S. 24
Bild 14: Südraum Leipzig: Eine Region im Wandel: Ergebnisse der 3.
Regionalkonferenz und des Teamwettbewerbs 1994, Gutachten Gruppe A:
Hans Kollhoff, Dieter Kienast, Rob van Gool, Hans Rudolf Güdemann, Ingemar
Vollenweider, Thema: Die andere Stadt, In: Uhlig, Günther (Hrsg.), Südraum
Leipzig: Eine Region im Wandel: Ergebnisse der 3. Regionalkonferenz und
des Teamwettbewerbs 1994, Schäfer Verlag Leipzig, S. 25
Geld verdienen! Aufgabenfelder für Landschaftsarchitekten
135
Bild 15: Garten des Ehepaares E, In: Kienast, Dieter, Kienast: Gärten: Gardens,
Basel, Boston, Berlin, Birkhäuser, 1997, S. 93
Bild 16: Werbekarte des Hebbel Theaters Berlin
Bild 17: http://www.urbandrift.org/, 22.6.03
Bild 18: http://www.urbancatalyst.de/
Bild 19: http://www.raw-tempel.de/html/rawframset.htm
Bild 20: Das Haus der Illusion, In: Louafi, Kamel, Die Gärten der Weltausstellung
auf dem Kronsberg: Realisierung als Metamorphose, EXPO 2000 Hannover,
Aedes, Ausstellung Juli – August 2000, o.S
Bild 21: Das Sandhaus im Sandgarten, In: Louafi, Kamel, Die Gärten der
Weltausstellung auf dem Kronsberg: Realisierung als Metamorphose, EXPO
2000 Hannover, Aedes, Ausstellung Juli – August 2000, o.S
Bild 22: Thomas Sieverts, Die Diskussion um die Zwischenstadt, In: 10 Jahre
Topos, Perspektiven europäischer Landschaftsarchitektur, 40 September
2002, S. 41
Bild 23: Kuhlmann, Friedrich, Landschaft als Produkt zum Preis ihres
Sensationsgehaltes, In: Zone 7, Stadt.Architektur.Landschaft: not for sale?,
Berlin 2002, S. 14
Bild 24: http://www.doaks.org/GLS2003Sym.html
Bild 25: Zitty Deckblatt, 13, 2003
136
Geld verdienen! Aufgabenfelder für Landschaftsarchitekten
137
thomas felmeden
emma furphy
mario gessler
felicitas petter
Exkursion Neustrelitz
Exkursion Neustrelitz
Im Rahmen des Seminars fand eine Exkursion nach Neustrelitz statt. Im
Folgenden werden die einzelnen Stationen des Stadtrundgangs aufgeführt
und die dort jeweils wichtigen Aspekte zusammenfassend dargestellt. Zentrale
Gesichtspunkte waren stets die Geschichte und die aktuelle Finanzsituation der
Orte. Die Gliederung des Textes orientiert sich an der Route des Spaziergangs,
den die Seminarteilnehmer am 14. Juni 2003 machten.
1
Die Geschichte der Stadt
Die slawische Siedlung Strelitz wird 1278
zum ersten Mal urkundlich erwähnt und
erhält 1359 das Stadtrecht. Nach der letzten
mecklenburgischen
Landesteilung
1701
wird die Stadt zur Residenz des Herzogs
von Mecklenburg-Strelitz. Nach einem
Brand des Schlosses baut man zwischen
1726 und 1731 ein neues am Zierker See. Die Hofbediensteten bleiben
zunächst noch in Strelitz, was sich zunehmend als hinderlich herausstellt.
Deshalb entschließt man sich 1733, eine neue Stadt am Schloss zu bauen
– Neustrelitz. Der „hochfürstliche Kunstgertner“ Christoph Julius Löwe (die
genauen Lebensdaten sind nicht bekannt) entwirft einen von einem Marktplatz
ausgehenden achtstrahligen Straßenstern. Die Bebauung entlang den in
die Himmelsrichtungen führenden Straßen wird durch strenge Bauauflagen
geregelt. Während der Regentschaft Großherzog Georgs zwischen 1816 und
1860 erlebt Neustrelitz eine Blütezeit. Der Schinkelschüler Friedrich Wilhelm
Buttel (1796-1869) prägt mit einer großen Anzahl von Bauten des Stadtbild,
darunter die neugotische Schlosskirche und das klassizistische Rathaus. Durch
die engen Beziehungen zum preußischen Hof – Königin Louise von Preußen
war eine Schwester Georgs – sind die führenden Baumeister, Künstler und
Gartenarchitekten Preußens beratend oder aktiv auch an der Verschönerung
140
von Neustrelitz beteiligt. Die Stadt bleibt bis 1918 Residenz. Von 1919 bis
1933 fungiert sie als Landeshauptstadt des Freistaates Mecklenburg-Strelitz.
1945 brennen Schloss und Theater ab. Während die Schlossruine später aus
politischen Gründen gesprengt und abgetragen wird, eröffnet man das Theater
1954 wieder. Im selben Jahr muss Neustrelitz bei der Bezirksgründung hinter
Neubrandenburg zurückstehen und verliert somit an politischem Gewicht. Seit
1991 steht die Innenstadt unter Denkmalschutz und wird umfassend saniert.
(Stadt Neustrelitz – Informationsbroschüre mit mehrfarbigem Stadtplan)
2
Die Sanierung der Altstadt
Das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern
fordert seine Städte auf, „Integrierte Stadtentw
icklungskonzepte“ (ISEK) zu erstellen. Hierfür
können bei Planung und Umsetzung Mittel aus
dem Programm „Soziale Stadt“ in Anspruch
genommen werden. Um diese Mittel jedoch
zu akquirieren, muss die Stadt Neustrelitz
ein Drittel selbst aufbringen, was sie aufgrund ihrer vergleichsweise guten
finanziellen Lage kann. Was ist ein Integriertes Stadtentwicklungskonzept?
Das vom Stadtplanungsamt Neustrelitz zusammen mit der BIG-Städtebau
Mecklenburg-Vorpommern GmbH und der Planungsgruppe 4 erarbeitete
Planwerk erklärt sich selbst so: „Das ISEK ist integrierter Bestandteil eines
sich aus formellen und informellen Planungen zu gestaltenden Stadtentw
icklungsprozesses, unter Beteiligung aller daran mitwirkenden Akteure.“
(www.vol-1.com). Aufbauend auf einer umfassenden Analyse und Prognosen
zu Entwicklungsmöglichkeiten der Stadt Neustrelitz und unter besonderer
Beachtung der wohnungswirtschaftlichen Situation werden Strategien zum
Umbau städtischer Teilräume aufgezeigt. In einem dynamischen Prozess
wird das ISEK Neustrelitz als gesamtstädtische Strategie auf seine Aussagen
hin überprüft und gegebenenfalls den veränderten Rahmenbedingungen
angepasst. Für die Entwicklung der Gesamtstadt trifft es folgende Aussage:
„Das aus dem Stadtkern, dem Stadtteil Kiefernheide und Strelitz-Alt gebildete
Siedlungsband bietet die Chance, Zersiedelungstendenzen am Stadtrand
durch die Bestandspflege und Entwicklung innerörtlicher Potenzialflächen, die
in die kompakte Struktur der Stadt integriert sind, zu vermeiden.“ (www.vol1.com). Daher wurden für das Stadtgebiet Schwerpunkte definiert, wozu
auch die barocke Altstadt als „Stadtdenkmal Neustrelitz“ gehört. Man geht
davon aus, dass der Stadtkern aufgrund der historischen Stadtstruktur
und der Sanierungserfordernisse weiterhin einen hohen Handlungsbedarf
aufweisen wird. Als Entwicklungsziele für die Altstadt werden die Stärkung der
Wohnfunktion und die Ausprägung einer lebendigen und urbanen Innenstadt
verfolgt.
Neben dem ISEK hat die Stadtverwaltung noch zwei weitere Möglichkeiten,
die Altstadtsanierung zu forcieren. Als klassisches Mittel hat sie eine
Erhaltungssatzung aufgestellt: hierzu entstand eine fortlaufende Häuserkartei,
die wertvolle Bausubstanz beschreibt und bewertet. Durch zinsgünstige
Darlehen werden Fassadensanierungen und Modernisierungen pro
Wohneinheiten durch die Stadt mit finanziert. Bis zum 19.06.2002 wurden
dafür 41.947 Mio. € an Förderung bewilligt (Gespräch mit Frau Philine Weeck,
Stadtplanungsamt Neustrelitz Juni 2002).
Mit der ihr gehörenden NeuWo GmbH hat die Stadt Neustrelitz aber auch
die Möglichkeit, selbst als Bauherr in die Stadtentwicklung einzugreifen. Die
NeuWo GmbH - Neustrelitzer Wohnungsbaugesellschaft - wurde im April
1991 gegründet und entstand aus dem Gebäudewirtschaftsbetrieb der Stadt.
Sie bewirtschaftet ungefähr 3.100 eigene Wohnungen und verwaltet weitere
1.600 Wohnungen für private Hauseigentümer. Auch heute noch ist sie ein
zu 100 % städtisches Unternehmen (www.neuwo.de, Stand: Juni 2003). Als
städtisches Tochterunternehmen muss die Gesellschaft natürlich auch die
Vorgaben der Stadt und somit die Empfehlungen des ISEK berücksichtigen.
So hat sie sich in den letzten drei Jahren verstärkt Objekten in der barocken
Innenstadt zugewandt. Dazu wurden Häuser erworben und in Abstimmung
mit dem Bauamt der Stadt saniert. Eine große Maßnahme im Rahmen
der Sanierung der Strelitzer Altstadt durch die NeuWo GmbH war das
Wohnquartier Elisabethstraße/Augustastraße. „Dort ist ein attraktiver Wohnhof
entstanden, der ein Aushängeschild für das sanierte Innenstadtquartier ist.“
(Falko Herschel, Geschäftsführer der NeuWo GmbH in Strelitzer Zeitung,
Verlagsbeilage: Freizeitmagazin NEUSTRELITZ, 24. Mai 2003, Kurierverlag
Neubrandenburg). Der Wohnhof wurde mit großzügigen Stellflächen für PKW,
Grünflächen, einer Brunnenanlage, einem Spielplatz und kleinen Mietergärten
ausgestattet.
3
Die Neugestaltung des Marktplatzes
Der Marktplatz (120 m x 120 m) ist der von Christoph Julius Löwe geplante
und bis heute erhaltene barocke Gründungsteil der Stadt. Von ihm zweigen
acht Straßen in alle Richtungen ab – eine europaweit einmalige Gestaltung.
1866 wurde der Platz nach Plänen des herzoglichen Oberbaurates Friedrich
Wilhelm Buttel um ein Rondell erweitert und mit zweigeschossigen Häusern
umbaut. Die Bepflanzung erfolgte in den Landesfarben Blau (Flieder),
gelb (Goldregen) und rot (Rotdorn). Springbrunnen und Sitzgelegenheiten
machten das Rondell bürgerfreundlich. Unter dem Denkmal des Großherzogs
befand sich der „0-Punkt“, von dem aus alle Entfernungen gemessen
wurden. Buttel entwarf auch das Rathaus, welches 1841 an der Ostseite
des Platzes fertiggestellt wurde. Die von 1768 bis 1778 gebaute barocke
Stadtkirche gegenüber des Rathauses wurde 1831 von Buttel durch einen
45 m hohen viergeschossigen Turm erweitert. Die sowjetische Armee legte
1945 auf dem Rondell einen Soldatenfriedhof an. Es kamen in der Folge eine
kleine Ehrenhalle und eine Statue hinzu. Im Mai 1995 wurde das Denkmal
zurückgebaut und die sowjetischen Soldaten wurden umgebettet. Das Rondell
wurde begrünt. Der Marktplatz in Neustrelitz hat also nach seiner Entstehung
mehrere Umgestaltungen erfahren. Während der spätbarocke Entwurf in
seiner städtebaulichen Struktur und hinsichtlich der raumbegrenzenden
Bebauung weitgehend erhalten ist, ist die Platzgestaltung den geänderten
Exkursion Neustrelitz
141
gesellschaftlichen Ansprüchen und verkehrstechnischen Notwendigkeiten
kontinuierlich angepasst worden. Dieser Umformungsprozess lässt sich an
den z.T. kleinflächig veränderten Bodenbelägen und an der Durchmischung
von Ausstattungselementen unterschiedlicher Zeitgeschichte ablesen. Der
Platz hat dabei sein ursprüngliches Ordnungsprinzip, seine Funktionalität
als zentraler Platz und seine städtebaulich-räumliche Erlebbarkeit eingebüßt
(www.neustrelitz-guide.de).
Aus diesen Gründen hat die Stadt Neustrelitz 2001 einen Architektenwettbewerb
ausgelobt, der sich auf die Erarbeitung einer denkmalpflegerischen Zielstellung
für den Markt beziehen sollte.
Der architektonisch und städtebaulich wichtigste Platz, der Markt der
Stadt Neustrelitz, sollte unter Berücksichtigung der zeitgeschichtlichen
Veränderungen und Wandlungen neu gestaltet werden und zur neuen Mitte
der Stadt avancieren. Den ersten Platz bei diesem Wettbewerb belegte das
Planungsbüro Irene Lohaus und Peter Carl aus Hannover. Der Entwurf sieht
folgendermaßen aus:
Der Entwurf lässt weitgehend den ursprünglichen alten Marktplatz mit den
umfassenden Häuserfassaden erkennen, wobei das derzeitige Rondell
herausgenommen und durch hochstämmige schmalblättrige Eschen überstellt
wird, so dass die gewünschten Sichtachsen beibehalten werden und die große
offene Platzfläche aus der Entstehungszeit erlebbar wird. Das angedachte
Baumrondell erhält im Kreuzungspunkt der Hauptachsen Wasserspiele mit
verschieden hohen Wasserfontänen, wobei das ablaufende Wasser in einer
umlaufenden Rinne aufgefangen und dem Kreislauf wieder zugeführt wird. Die
Wasserspiele sind überfahrbar, mit Reihenpflaster gepflastert, mit Granitplatten
eingefasst und damit für alle Nutzungen offen. Der Verfasser legt an die nach
Osten, Süden und Westen abgehenden Straßen konsequent Parkplätze,
die mit Parkholmen abgegrenzt werden. Die Holme sind demontierbar und
lassen somit flexible Nutzungen des Marktes zu. Im Rondell werden Leuchten,
Rundbänke und Versorgungspoller integriert, so dass auch auf dieser Fläche
variable Nutzungen möglich sind. Die vorgeschlagene Verkehrsführung ist für
142
die derzeitige und zukünftige Befahrbarkeit variabel und lässt alle denkbaren
Verkehrsführungen zu. Verkehrsanbindungen werden nach außen um das
Rondell herum als nicht geschlossener Kreisverkehr angeboten, wobei das
Baumrondell an der Strelitzer Straße ebenerdig angebunden ist. Die Angebote
für Wochenmarkt und weitere Nutzungen sind realistisch. Der Fahrverkehr
kann getrennt vom Markttreiben und von den Fußgängerbeziehungen an
der Strelitzerstraße zum Markt passieren (Broschüre zur Ausstellung der
Ergebnisse des Architektenwettbewerbs).
Die Grundsteinlegung für den Umbau des Marktplatzes fand am 28.05.03 statt.
Zur Zeit läuft die Ausschreibung mit anschließender Vergabe (Gespräch mit
Frau Weeck Stadtplanungsamt Neustrelitz Juni 2002).
Für das Bauvorhaben des Marktplatzes mussten sehr strenge Auflagen der
Denkmalpflegebehörde Schwerin beachtet werden.
Der Umbau des Marktplatzes wird durch das Ministerium für Arbeit-, Bau- und
Landesentwicklung Mecklenburg-Vorpommern und das Bundesministerium für
Verkehr-, Bau- und Wohnungswesen zu je einem Drittel gefördert. Das letzte
Drittel der gesamten
2 Mio. Euro für den Umbau des Marktplatzes muss die
Stadt Neustrelitz selbst bezahlen.
Der Kanalbau wird durch die Europäischen Fonds für regionale Entwicklung
(EFRE) und das Umweltministerium Mecklenburg-Vorpommern auch zu je
einem Drittel gefördert. Die Gesamtsumme für die Kanalarbeiten beträgt
200.000 Euro, wobei die Stadt Neustrelitz wiederum ein Drittel selbst bezahlen
muss. Die Kanalarbeiten laufen nicht über das Städtebauprogramm (Gespräch
mit Frau Weeck Stadtplanungsamt Neustrelitz Juni 2002).
4
Der neue Hafen am Zierker See
Geschichte
Die Informationen zur Geschichte und Planung des Hafens sowie des Sees
sind aus der Informationsbroschüre „Der neue Hafen am Zierker See“.
Der Großherzog von Mecklenburg-Strelitz wollte den Anschluss an die MüritzHavel-Wasserstraße, so wurde die Stadt Neustrelitz 1843 zu einer Hafenstadt.
Nun bestand die Verbindung einerseits nach Hamburg und andererseits nach
Berlin.
Der erste Speicher wurde 1842 errichtet, weitere folgten.
Ab 1870 nahm der Schiffsverkehr durch den regen Handel mit Holz und
Getreide erheblich zu, was zum Ausbau des Hafens führte. Nun konnten sich
die ersten Industriebetriebe ansiedeln. Jedoch ging mit der Zeit der Handel zu
Wasser zurück, da der Transport mit der Bahn rentabler wurde.
1927 wurde die Hafenbahn als Abzweig der Strecke Neustrelitz-Mirow gebaut.
Dabei wurden große Teile des Hafens zugeschüttet. Nach dem zweiten
Weltkrieg wurde dann ein Teil wieder ausgebaggert und der Beckenrand
befestigt.
1962 erfolgte erneut ein Ausbau des Hafens, da der Handel mit Holz, Getreide
und Brennstoffen wieder zunahm.
1975 erreichte der letzte Kohlenfrachter den Hafen.
Die Speicher waren bis 1991 in Betrieb, danach lag das ganze Areal brach und
man wusste nicht, wie es weiter gehen sollte.
Das Seeufer
1731/32 ging die Uferlinie bis zum Wall am Hebetempel. Die Uferflächen
wurden jedoch mit der Zeit trocken gelegt, um Land zu gewinnen. Auch der
Ausbau des Torfkanals und der Bau des Kammerkanals führten zum Absinken
des Wasserspiegels. Heute trennt eine stark befahrene Landstraße das
Schlossareal vom See. Es gibt nur eine punktuelle Sichtbeziehung.
Anfang der 90er Jahre erkannte man den Handlungsbedarf, und es wurden für
die gesamte Stadt die ersten städtebaulichen Konzepte mit Entwicklungszielen
aufgestellt.
Die Umsetzung erfolgte aber erst Mitte der 90er, denn die Sanierung der
Wohnhäuser, vor allem die in der Altstadt, sowie die Schaffung neuer
technischer Infrastruktur gingen erst einmal vor.
Planung
Die Leitidee sieht die Stärkung der
vorhandenen Potentiale vor, das heißt
die bessere Einbindung des Gebietes
in die Stadt, den Schlossgarten und die
umgebende Landschaft.
Der Hafen soll ausgebaut und zu einem
Anlaufpunkt für Touristen des Wassersports
werden. Es entsteht eine spannungsreiche
Abfolge
von
Aufenthaltsorten
unterschiedlichen Charakters. Es sollen
Räume der Ruhe und des Verweilens, sowie
Aktionsräume entstehen.
Die Hafenbahn wird erhalten und hat die
Planung des Hafens beeinflusst.
Die gesamte Planung besteht aus vier
Bauabschnitten
(siehe
Bild
rechts;
entnommen aus der Broschüre „Der neue
Hafen am Zierker See“ )
Die Finanzierung wird durch private
Investoren, die Stadt, EU-Fördermittel und
durch Fördermittelgeber des Landes und
des Bundes unterstützt.
Exkursion Neustrelitz
143
BA1 Der neue Hafen (siehe Bild links;
entnommen aus der Broschüre „Der neue
Hafen am Zierker See )
Das Hafenbecken wurde vergrößert und die
Einfassung saniert. Östlich vom Beckenrand
stehen Bänke, die zum Verweilen einladen.
An der Südspitze entstand ein Platz, auf dem
die unterschiedlichsten Veranstaltungen
stattfinden können, hier schließt ein
Spielbereich an.
Die neuen Flächen nördlich und östlich des
Hafens sind einer „maritimen Hafenmeile“
vorbehalten, im Sommer kann so die Nacht
zum Tag gemacht werden.
Zusätzlich entsteht ein neues touristisches Informationszentrum, das eine
Dauerausstellung zum Hafen (Geschichte, Planung etc.) vorsieht.
Der älteste Speicher von 1842 wurde bereits zu einem Wohnspeicher umgebaut.
Hier wurden denkmalpflegerische Aspekte und neue Nutzungsanforderungen
erfolgreich in Einklang gebracht. Der Speicher von 1846 soll demnächst
saniert werden, mit ihm entstehen dann neue Wohnungen, vielleicht auch
Ferienwohnungen und neue Restaurants.
Für die Speicher aus den Jahren 1852 und 1860 stehen noch keine
Nutzungskonzeptionen fest. Die Finanzierung dieser Umbaumaßnahmen wird
ausschließlich von Investoren getragen.
BA2
Der nördlichste Abschnitt des Planungsgebietes soll zu einem Wohnstandort
entwickelt werden. Die Gebäude, die dort standen, wurden bereits abgerissen
und der Boden wurde saniert. Auch hier erfolgt die Finanzierung ausschließlich
durch Investoren.
144
Der Ausbau der Zierker Nebenstraße erfolgt ebenfalls im zweiten
Bauabschnitt.
BA3
Gegenüber des Speichers von 1852 ist ein Platz vorgesehen, auf dem größere
Veranstaltungen stattfinden können oder der als Parkplatz genutzt wird.
BA 4
Dieser Bauabschnitt liegt südlich des Fischereigeländes, es erfolgt nur
eine punktuelle Aufwertung. Der Fuß- und Radweg wird an die Zierker
Straße angebunden und soll am Seeufer entlang führen. Die Verbindung
zum Schlosspark muss durch die gestalterische Verknüpfung und über
Sichtbeziehungen wieder hergestellt werden.
Der Zierker See
Der Zierker See hat eine sehr schlechte Wasserqualität und ist zum Baden
nicht geeignet. Es wurden jahrzehntelang Abwässer der Stadt eingeleitet, und
dies führte zur Eutrophierung des Sees. Seit 1991 werden Untersuchungen
durchgeführt, die als Grundlage für das Sanierungskonzept dienen. Durch die
Sanierung soll sich das ökologische Umfeld verbessern, und die Attraktivität für
die Touristen soll gesteigert werden.
Für die Sanierung werden 1,2 Millionen Kubikmeter Schlamm aus der Mitte
des Sees entnommen und ökologisch sinnvoll verwertet. Der Schlamm wird
zur Entwässerung auf ufernahen Polderflächen abgelagert, damit das Wasser
in den See zurückfließen kann. Der verbleibende Schlamm wird unter anderem
zur Rekultivierung im Kiestagebau verwendet.
1993 wurde die neue Kläranlage in Betrieb genommen, und das
Kanalisationssystem der Stadt wird laufend verbessert.
Es werden auch biologische Maßnahmen durchgeführt, wie zum Beispiel der
Einsatz von Pflanzen und Raubfischen.
Das Projekt wird vorerst eine Laufzeit von vier Jahren haben, und die Chancen
stehen gut, dass sich die Gewässerqualität verbessert.
5 Die Strelitzer Kleinseenplatte
Das Seengebiet erstreckt sich von Fürstenberg über Neustrelitz und die Müritz
bis nach Plau. Die Müritz ist der größte der mecklenburgischen Seen. Am Ostufer
der Müritz beginnt der Müritz-Nationalpark, der bis zur Strelitzer Kleinseenplatte
reicht. Das 32000 Hektar große Areal ist eines der Europareservate entlang
der Vogelzugroute. Sogar der vom Aussterben bedrohte Seeadler ist hier noch
heimisch.
Der 1990 gegründete Müritz-Nationalpark bietet einen Ausschnitt der seen, moor- und waldreichen Landschaft der Mecklenburgischen Seenplatte mit
einer Vielzahl seltener Großvogelarten.
Die Mecklenburgische Seenplatte gilt als das größte zusammenhängende
Seengebiet Europas. Über tausend Seen, umrahmt von ausgedehnten Wäldern
und malerischen Hügelketten, erstrecken sich über das Gebiet. Entstanden in
der letzten Eiszeit hat sich hier dank nur dünner Besiedelung eine einzigartige
Naturlandschaft erhalten.
Im östlichen Teil, der Strelitzer Kleinseenplatte, unweit des Müritz-Nationalparks
liegt Feldberg inmitten des eindrucksvollen Naturparks „Feldberger
Seenlandschaft“.
Von den Ortsteilen Prälank und Fürstensee aus ist Neustrelitz ein ideales Tor
sowohl in den westlichen und östlichen Teil des Müritz-Nationalparkes, als
auch in den Naturpark Feldberger Seenlandschaft.
Die idyllische Naturkulisse lädt ein zum Wandern, Radeln und Bootfahren.
Paddeltouren versprechen besinnliche Stunden und urwüchsige Naturerlebnisse
auf den Seen und Kanälen rund um die Stadt. Von der Weißen Brücke starten
Fahrgastschiffe zu Rundfahrten auf dem Zierker See und in die Seenplatte.
Der Glambecker See als innenstadtnaher Badesee, naturkundliche Lehrpfade
zum Beobachten einzigartiger Fauna und Flora, Wasserwanderstrecken, der
ausgedehnte Tiergarten mit dem Nationalpark-Zentrum und das Slawendorf
am Zierker See sind Angebote für naturverbundene Gäste. Neustrelitz ist über
drei ausgewiesene Radfernwege gut zu erreichen. Auf dem Wasserwege
ist die Stadt über den Zierker See und den Kammerkanal mit dem
Bundeswasserstraßennetz verbunden.
„Der
Landkreis
Mecklenburg/Strelitz
hatte
im
Jahr
2002
1.021.000
Übernachtungen in gewerblichen Unternehmen (mehr als neun Betten) zu
verbuchen.“ (Telefonat mit Herrn Fechner Stadtplanungsamt Neustrelitz).
Der Naturpark Feldberger Seenlandschaft umfasst ein ca. 345 km² großes
Gebiet nördlich der Landesgrenze zu Brandenburg, welches zwischen den
Städten Neustrelitz und Woldegk liegt. Zentrum ist die Stadt Feldberg mit ihren
zahlreichen Seen.
Die Entstehung der Landschaft geht auf Prozesse zurück, die während der
letzten Eiszeit vor ca. 20000 Jahren abliefen. Gewaltige Gletscher schufen die
heute sichtbaren Geländeformen wie schwach gewellte Grundmoränen, steil
aufragende Endmoränenbögen und flache Sandergebiete. Aber auch die Seen
und vielfältige Kleinstrukturen verdanken ihre Entstehung der Eiszeit.
Der Naturpark stellt auf Grund seiner ausgeprägten Geländeformen einen
charakteristischen Ausschnitt der eiszeitlich geformten Kulturlandschaft der
Mecklenburgischen Seenplatte dar. Den größten Flächenanteil im Naturpark
nehmen Wälder mit 38,4 % der Gesamtfläche ein, es folgen Ackerland mit
34,7 %, Grünland mit 10,1 % und die Seen mit 8,8 % der Fläche. Für den
Strukturreichtum spricht, dass auch die Gehölze, Moore und Kleingewässer
mit jeweils 1-2 % beteiligt sind.
Gegenwärtig gibt es im Naturpark Feldberger Seenlandschaft 14
Naturschutzgebiete mit einer Gesamtfläche von mehr als 3000 ha. Je ein
weiteres Naturschutzgebiet ist einstweilig gesichert bzw. geplant. Neben See-,
Exkursion Neustrelitz
145
Schrei- und Fischadler kommen im Gebiet auch noch Schwarzstorch, Kranich,
Fischotter und Biber vor. Anliegen des Naturparks soll die Gestaltung von
Nutzungsformen der Land- und Forstwirtschaft, des Fremdenverkehrs und des
Naturschutzes in einer Art und Weise sein, welche die Funktionsfähigkeit des
Naturhaushaltes nachhaltig sichert und die Eigenart, Vielfalt und Schönheit der
Landschaft bewahrt (www.neustrelitz.de; www.morce.de/nationalpark.html;
www.müritz-nationalpark.de).
„Da Naturschutz in der Bundesrepublik Sache der Länder, Natur aber grenzenlos
ist, bedarf es einer länderübergreifenden Koordinierung. Diese Aufgabe
übernimmt die 1991 gegründete Organisation EUROPARC DEUTSCHLAND“
(www.müritz-nationalpark.de) .
Der Müritz-Nationalpark fällt unter die Kategorie V –Geschützte Landschaft/
geschütztes marines Gebiet laut der IUCN.
Dies bezeichnet ein Gebiet, dessen Management hauptsächlich auf den
Schutz einer Landschaft oder eines marinen Gebietes ausgerichtet ist und der
Erholung dient.
Definition Geschützte Landschaft/geschütztes marines Gebiet:
Landgebiet, gegebenenfalls unter Einbeziehung von Küsten und marinen
Gebieten, in dem das Zusammenwirken von Mensch und Natur im Laufe der
Zeit eine Landschaft von besonderem Charakter geformt hat und diese über
herausragende ästhetische, ökologische und/oder kulturelle Werte und oft
über außergewöhnliche biologische Vielfalt verfügt. Die ungestörte Fortführung
dieses traditionellen Zusammenwirkens ist für den Schutz, Erhalt und die
Weiterentwicklung des Gebietes unerlässlich.
Management-Ziele:
- Aufrechterhaltung des harmonischen Zusammenwirkens von Natur und Kultur
durch den
Schutz von Landschaften und/oder marinen Gebieten sowie
146
die Fortführung der traditionellen Formen der Landnutzung und Bauweisen,
aber auch die Bewahrung sozialer und kultureller Eigenarten
- Förderung von Lebewesen und Wirtschaftsformen, die sich in Einklang
mit der Natur befinden, und Erhalt des sozialen und kulturellen Gefüges der
betroffenen Gemeinden
- Erhalt der Vielfalt von Landschaften und Lebensräumen sowie der darin
vorkommenden Arten und Ökosysteme
- Wo nötig Beendigung und sodann Unterbindung solcher Formen der Nutzung
oder Inanspruchnahme, die ihrer Dimension oder ihrer Art unangemessen
sind
- Schaffung eines Tourismus- und Erholungsangebotes, das nach Art und
Umfang den besonderen Merkmalen des Gebietes gerecht wird
- Förderung von Aktivitäten im Rahmen von Wissenschaft und Bildung, die
nachhaltig Vorteile für die einheimische Bevölkerung mit sich bringen und die
geeignet sind, die öffentliche Unterstützung des Natur- und Umweltschutzes
zu fördern
- Sicherstellung von Vorteilen für die einheimische Bevölkerung und Erhöhung
ihres Wohlstandes durch die Bereitstellung natürlicher Produkte (etwa aus
Forstwirtschaft und Fischerei) und Dienstleistungen (wie z.B. sauberes Wasser
oder Einkünfte aus sanftem Tourismus)
Auswahlkriterien:
- Das Gebiet umschließt eine Landschaft und/oder ein an der Küste und/oder
eine Insel anschließendes marines Gebiet, das sich durch außerordentliche
landschaftliche Schönheit auszeichnet. Es beherbergt verschiedene
Lebensräume, Pflanzen- und Tierarten sowie einzigartige oder traditionelle
Formen der Landnutzung, aber auch soziale Gefüge, die sich in den Siedlungen,
Sitten und Gebräuchen oder religiösen Traditionen manifestieren.
- Das Gebiet bietet Erholungsmöglichkeiten, die jedoch mit der Lebensweise
und den traditionellen Wirtschaftsweisen seiner Bewohner vereinbar sein
müssen (www.müritz-nationalpark.de; www.morce.de/nationalpark.html).
6 Der Neustrelitzer Schlossgarten
Die Geschichte des Schlossgartens ist eng mit jener der Stadtanlage von
Neustrelitz verwoben. Zwischen 1726 und 1731 wird der Garten von Christoph
Julius Löwe, dem Erbauer von Neustrelitz, ganz im barocken Zeitgeschmack
angelegt. Nach einem Besuch Herzogs Adolf Friedrichs IV. in Versailles wird
der Garten am Ende des 18. Jahrhunderts um mächtige Sandsteintreppen,
eine Grotte und einen Irrgarten bereichert. Während der Regentschaft
Großherzog Georgs wird aus dem barocken Schlossgarten in den Jahren
1842 und 1843 ein englischer Landschaftspark. Dies geschieht auf Anregung
des Bildhauers Christian Daniel Rauch. In diese Umgestaltung war auch der
bedeutende Gartenkünstler Peter Joseph Lenné einbezogen, auf den eine
Gedenktafel hinweist. Bis zum Zweiten Weltkrieg bleibt der Garten weitgehend
in dieser Gestalt erhalten. (Stadt Neustrelitz (Hrsg.), Informationsbroschüre:
Der Neustrelitzer Schlossgarten)
Nähert man sich dem Garten von der Stadt her, so sieht man zunächst die
Schlosskirche, Buttels Meisterwerk und eines der schönsten Gebäude in
Neustrelitz. Sie wurde 1854 bis 1859 im neugotischen Stil erbaut. Hierfür
entwarf der Architekt über 300 verschiedene Formsteine. Auf Konsolen und
unter Baldachinen stehen vier Apostel – ebenfalls von Buttel entworfen und
von Albert Wolff ausgeführt. In der Schlosskirche ist heute die Plastikgalerie
untergebracht. Gleich neben der Schlosskirche stand einst die Residenz der
Großherzöge von Mecklenburg-Strelitz. Eine Hinweistafel und eine Installation
geben den Ort an, auf den der ganze Garten ausgerichtet ist. Betritt man die
Mittelachse von der Schlossterrasse aus, so passiert man zunächst zwei mit
Prunkvasen geschmückte Springbrunnen, die 1852 von Buttel gebaut wurden.
Es folgt die Sandsteingruppe von San Ildefonso, deren Original im Prado
in Madrid zu finden ist. Die Prunkvasen und die Skulptur sind Geschenke
des preußischen Königs. Auf halber Strecke findet sich der Zinkabguss der
Victoria von Leuthen von Christian Daniel Rauch, dessen Original auf dem
Schlachtfeld von Leuthen an einen Sieg Friedrichs II. erinnert. Als nächstes
folgt die Drake-Vase, ein Zinkabguss, dessen Original im Berliner Tiergarten
steht. Den Abschluss der Mittelachse bildet der 1825 entstandene Hebetempel,
eine der ersten Arbeiten des Schinkelschülers Buttel. Der Tempel ist ein
offener Rundbau nach dem Vorbild des Erechtheion in Athen. In der Mitte
steht Hebe, die Göttin der ewigen Jugend, den Göttern mit Kelch und Krug
Ambrosia kredenzend. Die Skulptur ist ein Zinkabguss, dessen Original von
Canova in der Berliner Nationalgalerie steht. Das Original des kleinen Apollo
auf dem Dach befindet sich in den Florentiner Uffizien. Kopien aus Zinkguss
wurden übrigens seinerzeit wegen ihrer einfachen und somit kostengünstigen
Herstellungsweise bevorzugt in repräsentativen Anlagen zur Schau gestellt.
Vom Hebetempel führt der Weg auf dem ehemaligen Uferwall des Zierker
Sees zur östlich gelegenen Götterallee. Die Figuren aus Pirnaer Sandstein
sind Kopien von Allegorien und antiken Göttern. Man findet Reste des üblichen
Programms: Herbst und Winter von den Jahreszeiten; Jupiter und Juno, Diana
und Mars aus der römischen Götterwelt; Apollo, Meleager und eine Najade
aus der griechischen Mythologie. Die Götterallee endet an der Orangerie, die
von Buttel gebaut beziehungsweise erweitert wurde. In den Nischen der Säle
befinden sich Gipsabdrücke von Skulpturen - Geschenke des preußischen
Königs. Im Orangeriegarten steht der Kinderbrunnen von Albert Wolff mit
Szenen aus den Märchen Hans Christian Andersens. Im englischen Teil des
Gartens, der sich westlich der Mittelachse erstreckt, ließ Großherzog Georg nach
dem Vorbild des Charlottenburger Mausoleums den Louisentempel errichten.
An der Stirnseite ist eine Tafel mit folgender Inschrift angebracht: „Edle Frau
aus edlem Stamm, Ruhe sanft in ew‘gem Frieden, Nach des Lebens wilden
Stürmen“. In der Mitte des Raumes befindet sich eine Kopie der Grabstatue
von Christian Daniel Rauch. In der Nähe, am Ufer des Zierker Sees, erstrahlt
der chinesische Pavillon. Das ehemalige Wäschespülhaus war 1821 Buttels
erster Bau in Neustrelitz. (Stadt Neustrelitz (Hrsg.), Informationsbroschüre:
Der Neustrelitzer Schlossgarten)
Heutiger Besitzer des Schlossgartens ist das Land Mecklenburg-Vorpommern.
Seit 1919 ist die Stadt Neustrelitz für seine Pflege verantwortlich. Im Jahr 2001
Exkursion Neustrelitz
147
wendete sie hierfür 74.500,- DM auf und 49.000,- € im Jahr 2002. Seit 1920
ist die Orangerie Kulturstätte und Restaurant und bildet somit eine weitere
Einnahmequelle. Außerdem gibt es seit 2001 Festspiele im Schlossgarten,
die der Stadt Einnahmen beim bescheren. (Gespräch mit Frau Philine Weeck,
Stadtplanungsamt Neustrelitz Juni 2002)
7 Die Kiefernheide - Stadtumbau Ost
Wie schon zuvor bei dem Thema Altstadtsanierung angeschnitten handelt es
sich bei
Stadtumbau Ost um ein Programm der Bundesregierung, bei dem Fördermittel
an die Städte vergeben werden. Um die Fördermittel erhalten zu können,
bewirbt sich die jeweilige Stadt im Rahmen eines Wettbewerbs. Der Wettbewerb
wurde eingeführt, um die Vorbereitung von Stadtentwicklungskonzepten in
den Städten der neuen Länder voranzutreiben. Aus dem Merkblatt über die
Finanzhilfen des Bundes (Berlin, im Januar) geht hervor, dass hierfür im Jahre
2002 bereits rund 16 Millionen Euro von der Bundesregierung zur Verfügung
gestellt wurden.
Grundvoraussetzung für den Erhalt der Fördermittel ist das Stadtentwicklungs
konzept. In ihm sind die einzelnen Fördergebiete räumlich abgegrenzt und die
Entwicklungsziele formuliert.
Ziel des Programms ist die Stärkung der Städte in den neuen Ländern
als Wohn- und Wirtschaftsstandorte. Man muss dem drohenden Verfall
entgegenwirken, der aufgrund des steigenden Wohnungsleerstands entsteht.
Laut des Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (BmVBW)
stehen derzeit ungefähr 1 Millionen Wohnungen leer, das heißt 13 % des
Gesamtbestandes.
Das Maßnahmenpaket fördert die städtebauliche Entwicklung, den Rückbau
des Wohnraumüberhanges durch Reduzierung und Aufwertung des Bestandes.
Zudem werden die Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen sowie
die Eigentumsentwicklung gefördert.
Die Wohnungswirtschaft wird zum Beispiel beim Abriss von Leerstand und
148
Aufwertung von Wohnquartieren unterstützt.
(Informationen zum Programm Stadtumbau Ost, BmVBW: Revitalisierung der
Innenstädte in den neuen Ländern: Stadtumbau Ost)
Mittelvolumen und Finanzierung
Laut des BmVBW sollen in den Jahren 2002 bis 2009 insgesamt 2,7 Milliarden
Euro aufgebracht werden. Rund 1 Milliarde stellt die Bundesregierung zur
Verfügung, die Länder stellen in etwa denselben Betrag.
Das Zuschussprogramm für Rückbau und Aufwertungsmaßnahmen sieht die
Bereitstellung von rund 1 Milliarde vor. Der Bund zahlt davon in den Jahren
von 2002 bis 2005 rund 153 Millionen und bis 2009 dann 100 Millionen Euro,
ergänzt durch Landesmittel in gleicher Höhe. Bei Aufwertungsmaßnahmen
muss die Gemeinde den gleichen Betrag wie Bund und Länder beisteuern, die
Einzelheiten regelt eine Verwaltungsvereinbarung mit den Ländern.
(BmVBW: Revitalisierung der Innenstädte in den neuen Ländern: Stadtumbau
Ost)
Für Neustrelitz wurde wie schon erwähnt ein Stadtentwicklungskonzept
aufgestellt. Es wurde zu Anfang auf die Altstadtsanierung eingegangen, nun
wird das Stadtteilkonzept Kiefernheide etwas näher erläutert.
StrukturanalyseDie nun folgenden Informationen sowie die hier abgebildeten
Pläne sind dem Stadtentwicklungskonzept entnommen, das von dem Büro
Planungsgruppe 4 erarbeitet wurde.
Das Untersuchungsgebiet ist ungefähr 42 ha groß, hat ungefähr 5200
Einwohner und ist damit das größte Wohngebiet der Stadt.
Die Bebauung setzt sich vor allem aus traditionell und industriell errichteten
DDR-Bauten zusammen. Der Typ Brandenburg ist ein viergeschossiges
Zeilengebäude der 60er Jahre mit kleinräumigen Innenhöfen und ist
überwiegend saniert. Die industriell errichteten Geschossbauten vom Typ
WBS 70 sind Fünf- bis Sechsgeschosser mit großen internen Freiflächen. Hier
ist die Hälfte des Bestands noch nicht saniert.
Durch die Anbindung an die B 96 weist das Gebiet eine verkehrsgünstige
Lage auf, außerdem schließt der Strelitzer Stadtforst, der ein wichtiges
Naherholungsgebiet ist, an.
Die Wohngebiete westlich und südlich von Kiefernheide sind durch einen
hohen Eigenheim- und Grünanteil geprägt.
Die Stadtanbindung muss noch ausgebaut werden, vor allem die Verbindung
zum Stadtkern im Bahnhofsbereich und zum umgebenden Landschaftsraum.
Die bestehenden Fuß- und Radwege sind ausbaufähig.
Die Wohnnutzung ist durch Versorgungseinrichtungen der sozialen Infrastruktur
und Handelseinrichtungen ergänzt. Es gibt drei Schulen und zwei Kindergärten.
Eine ehemalige Kita wird derzeit zu einem Bürgertreff umgebaut. Für den Schulund Vereinssport stehen zwei Turnhallen zur Verfügung. Die vorhandenen
Einzelhandelseinrichtungen wurden in den letzten Jahren ergänzt, so dass ein
ausreichendes Angebot vorhanden ist.
Die Grün- und Freiflächen weisen in den einzelnen Teilbereichen unterschiedliche
Qualitäten auf. Mit den ersten Sanierungs- und Aufwertungsmaßnahmen wurde
der Prozess der Weiterentwicklung des Stadtgebietes erfolgreich betrieben.
Vor allem Wohnhöfe wurden bereits durch geförderte Wohnumfeldmaßnahmen
neu gestaltet und aufgewertet. Neue Spielplätze bieten Kindern bessere
Freizeitangebote.
Die öffentliche Grünfläche in der Mitte des Gebietes bietet nur geringe
Aufenthaltsqualitäten und stellt mit seiner anschließenden Brachfläche kein
attraktives Freiraumangebot dar. Im Rahmen des Wohnumfeldprogrammes
läuft derzeit eine Baumaßnahme an.
In manchen Teilbereichen besteht keine feste, ablesbare Stadtstruktur und die
darin befindlichen Freiflächen besitzen kaum Aufenthaltsqualität.
Auch die zum Teil vorhandenen Stellplätze in den Wohnhöfen führen zu einer
wenig attraktiven Aufenthaltsatmosphäre in den internen Freiräumen.
Manche Gebäudegruppen weisen einen geringen Quartiersbezug auf, das
heißt sie sind nicht in die vorhandenen Gebietsstrukturen eingebunden und
schwächen so die Wohnqualität.
Die Eingangsbereiche weisen erhebliche Gestaltungsdefizite auf.
Entwicklungsziele
Es muss ein städtebauliches Grundgerüst gebildet werden, indem die
vorhandenen Grundstrukturen erhalten, gestärkt und ausgebaut werden. Die
vorhandenen Gebietsqualitäten müssen heraus gearbeitet werden, um die
Quartiersstrukturen zu stärken. Die Verbesserung der Bebauungssubstanz
und der Freiräume führt zu einer angenehmeren Aufenthaltsatmosphäre und
zu einer stärkeren Identifizierung der Bewohner mit ihrem Gebiet.
Maßnahmenräume
Die Kiefernheide wurde in fünf unterschiedliche Quartiersfelder bzw. in
Maßnahmenräume unterteilt.
Status-quo-Gebiet
Diese Gebiete besitzen einen hohen Grün- und Eigenheimanteil. Es
handelt sich um funktionierende Bestände mit hohem Sanierungs- und
Modernisierungsgrad. Hier sind keine Baumaßnahmen erforderlich.
Konsolidierungsgebiet
Bei diesem Gebiet handelt es sich um potenziell stabile und marktfähige
Bestände. Der Bestand wird beibehalten; nur das Wohnumfeld bedarf einer
Aufwertung, das heißt es besteht ein punktueller Handlungsbedarf. Man geht
davon aus, dass sich die Strukturen des Quartiers von selbst weiterentwickeln
und verfestigen.
Umstrukturierungsgebiet: Schwerpunkt Gebäudetransformation
Hier handelt es sich um mehr oder weniger stabile Bestände mit mittlerem
bis hohem Handlungsbedarf. Der Bestand wird aufgewertet und zum Teil
beibehalten. Der partielle Rückbau einiger Gebäude schafft neue Wohnformen
(z.B. Maisonette, Wohnung mit Dachgarten, Grundrissveränderung).
In Frage kommen zwei Gebäude am Pablo-Neruda-Ring (Siehe Plan 8, Haus
Nr. 37,44). Durch den Rückbau wird der skulpturale Charakter der achteckigen
Exkursion Neustrelitz
149
Bebauungsstruktur verstärkt und ein baulicher Übergang zur Umgebung
geschaffen.
Umstrukturierungsgebiet: Schwerpunkt Abriss/Neubaumaßnahme
Die Gebäude haben einen geringen Quartiersbezug und sind langfristig
nicht mehr marktfähig. Der Abriss einzelner Gebäude stärkt den
Quartierszusammenhang.
Abriss zur Freiflächengewinnung
Die Freiräume werden erweitert, es entstehen neue Blickbeziehungen und
durch umfangreiche Neugestaltung wird die Aufenthaltsqualität verbessert.
Vor allem die drei Gebäude innerhalb der Wohnhöfen bieten sich für diese
Maßnahme an. (Siehe Plan 8, Haus Nr. 48, 47, 26 )
Abriss und Neubaumaßnahmen
Der Neubau bietet alternative Wohnformen wie zum Beispiel Reihen- oder
Stadthäuser an. Dies fördert die Eigentumsbildung und die Identifizierung
der Bewohner mit dem Gebiet, außerdem führt es zu einer sozialen
Durchmischung.
Der Bestand in der Heinrich-Mann Straße weist einen geringen Quartiersbezug
auf und ist langfristig nicht marktfähig. Diese Struktur soll durch eine kleinteiligere
Bebauungstypologie ersetzt werden (Plan 8, Nr. 31, 32, 33, 45, 46).
Grünes Band/Grünzug
Bei der Freiflächenaktivierung werden die vorhandenen und neu entstandenen
Freiräume neu gestaltet. Der verbindende Charakter der Grünfläche ist derzeit
noch nicht erfahrbar.
Das „Grüne Band“ soll sich nach der Neugestaltung als verbindendes
Strukturelement durch das Gebiet ziehen (siehe Plan 9). Durch die
Kombination von Infrastruktureinrichtungen und Landschaftselementen wird
ein dynamischer, lebendiger Funktionsraum geschaffen, der die Funktion als
150
gebietsprägendes und Stadtraum gliederndes Element übernimmt.
Das Entwicklungskonzept ist aufgestellt, nun gilt es die weiteren Planungsschritte
zu konkretisieren. Dazu gehört die Ausarbeitung der weiteren städtebaulichen
und landschaftsplanerischen Entwürfe, sowie die Kosten- und Finanzierun
gsübersichten. Die in Frage kommenden Rückbau- und Abrissmaßnahmen
müssen mit den Wohnungsgesellschaften und weiteren Planungsbetroffenen
abgestimmt werden.
Die Planung muss durch Abschluss städtebaulicher oder öffentlich-rechtlicher
Verträge mit den Eigentümern abgesichert werden.
Geschätztes Finanzvolumen für die Maßnahmen
(Grobe Schätzung, aufgestellt von der Planungsgruppe 4)
Es wird geschätzt, dass für die geplanten Maßnahmen bis zum Jahre 2015
rund 6,7 Millionen Euro benötigt werden.
Dieses Finanzvolumen teilt sich wie folgt auf:
Städtebauliche Planung:
100.000 Euro
Beratungs- und Dienstleistungen:
530.000 Euro
Rückbau- und Aufwertungsmaßnahmen:
6.000.000 Euro
Im Gespräch mit Frau Daedelow vom Stadtplanungsamt Neustrelitz stellte
sich heraus, dass seit 2002 rund 570.000 Euro für Aufwertungsmaßnahmen
aufgewendet worden sind, wobei die Stadt, das Land und der Bund je ein
Drittel des Betrages übernehmen.
Es wurden zusätzlich 1.150.000 Euro beantragt und auch bewilligt. Für den
geplanten Rückbau in Kiefernheide sind noch keine Mittel beantragt.
Exkursion Neustrelitz
151
Quellenverzeichnis
Gespräch mit Frau Gabriele Daedelow, Stadtplanungsamt Neustrelitz Juni
2003
Gespräch mit Frau Philine Weeck, Stadtplanungsamt Neustrelitz
Juni 2003
Telefonat mit Herrn Fechner, Stadt Neustrelitz Juni 2003
Stadt Neustrelitz – Informationsbroschüre mit mehrfarbigem Stadtplan,
Hrsg.: NovoPrint VerlagsGmbH in Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung
Neustrelitz
Stadt Neustrelitz (Hrsg.) Informationsbroschüre: Der neue Hafen am Zierker
See
Stadt Neustrelitz (Hrsg.), Heft zur Ausstellung der Ergebnisse des
Architektenwettbewerbes zum Marktplatz
Stadt Neustrelitz
Schlossgarten
(Hrsg.),
Informationsbroschüre:
Der
Neustrelitzer
Stadtentwicklungskonzept Neustrelitz, Stand: Juni 2002, Planungsgruppe 4
(Gespräch)
Strelitzer Zeitung, Verlagsbeilage: Freizeitmagazin NEUSTRELITZ, 24. Mai
2003, Kurierverlag Neubrandenburg
www.meck-pomnet.de/see/neustrelitz.htm, Stand: Juni 2003
www.morce.de/Nationalpark.html, Stand: Juni 2003
www.müritz-nationalpark.de, Stand: Juni 2003
www.neustrelitz.de, Stand: Juni 2003
www.neustrelitz-guide.de, Stand: Juni 2003
152
www.neuwo.de, Stand: Juni 2003
www.stadtumbauost.de, Stand: Juni 2003
www.vol-1.com/p4/ref.php, Stand: Juni 2003
Exkursion Neustrelitz
153
marc appelles
ines dehmel
ulrike janke
karen wilhelm
Resümee und Evaluation
1
Zusammenfassung und Resümee
In der Veranstaltung „Mangel und Überfluss – Freiraumplanung und ihre
Mittel“ wurden die unterschiedlichsten Möglichkeiten und die Entwicklung
der Finanzierung von Freiräumen aufgezeigt. Im Folgenden eine kurze
Zusammenfassung der besprochenen Referatsthemen.
Bei „Finanzierung von Freiraum gestern“ wurden die Themen Freiraumplanung
und – finanzierung vor 1870, Berliner Selbstverwaltung anhand des praktischen
Beispiels Victoriapark in Kreuzberg, Ende der Kaiserzeit und Entstehung GroßBerlins 1920, Martin Wagner 1929 „Das sanitäre Grün der Städte - ein Beitrag
zur Freiflächentheorie“, Erwin Barth Gartendirektor Groß-Berlins, Übergang
vom Städtischen zum Bürgerlichen, städtebauliche Verträge, Stunde Null nach
dem Krieg, Selbstversorgergärten, städtebauliche Großprojekte, Internationale
Bauausstellung und Übergang zur autogerechten Stadt behandelt.
Ein kurzer Abriss der Entwicklung der Landschaftsarchitektur bzw.
Freiraumplanung mit der Finanzierung bis heute wurde unter den Aspekten der
Verschuldung der Hauptstadt Berlin, der Finanzierung von Freiräumen durch
öffentliche Mittel am Beispiel Erholungspark Marzahn, der Finanzierung von
Freiraum durch privat-öffentliche Kooperationen (PPP und Marketing) und der
ausschließlich privaten Finanzierung von Freiräumen aufzeigt.
Anhand der Kosten und der Qualität von Freiräumen sind die Berliner Beispiele
Priester-Pape-Park (1.789521,58 € mit 25,56 €/m²) und Spreefenster (97.657
€ mit 21,10 €/m²) verglichen worden. Des Weiteren ging es um die allgemeinen
und konkreten Normen zu den Kostenaufstellungen (DIN 276, HOAI).
Mit der Exkursion nach Neustrelitz wurde vor Ort die Qualität der dortigen
Freiräume mit den derzeitigen Pflegekosten vorgestellt und angeschaut.
Ebenso berichtete man über abgeschlossene sowie laufende Projekte der
Stadt.
Zum Thema EU-Finanzierung erfolgte die Darlegung der verschiedenen
156
Strukturfonds (EFRE, ESF, EAGFL, FIAF) und der Bezug zur
Landschaftsarchitektur auf den Ebenen Transnationale Zusammenarbeit,
Stadtentwicklung und Handlungsinitiativen des Landes.
Mit der Vorstellung einer monetären Bewertung von öffentlichen Grünanlagen
als Standortfaktor Freiraum mit den Szenarien „Freiraum total privat“ und
„Freiraum als Produkt eines Betriebes“ sollte der „Wert der Landschaft“
transparenter auftreten. Über die Vermarktung der Natur am Beispiel der
Initiative zur Standortförderung der Region Köln/Düsseldorf und der Autostadt
Wolfsburg als Visitenkarte Freiraum wurde gezeigt, dass Freiraum eine
Marke sein kann und einen ökonomischen Wert hat. Die Aufgabenfelder des
Landschaftsarchitekten haben sich im Laufe der Zeit verändert. Heute ist
die Rede von monetärer Arbeit, nicht-monetärer Arbeit, Dienstleistung und
Eigenproduktion. Es finden Paradigmenwechsel in der Landschaftsarchitektur
statt. Die Landschaftsarchitektur bedient viele Aufgabenfelder, die sowohl auf
diese einwirken als auch durch sie geprägt werden. Es handelt sich hierbei um
Aufgabenfelder wie Architektur, Städtebau, Kunst, Kultur, Gesellschaft, Politik
EU-Finanzierung
Finanzierung
gestern/heute
Landschaft
als Produkt
Kosten und Qualität des Freiraumes
Perspektiven/Aufgabenfelder der Landschaftsarchitektur
Auswirkungen auf die Lehre der Landschaftsarchitektur
oder Theorie.
Die EU–Finanzierung umfasst viele verschiedene Programme, d.h. für den
Landschaftsarchitekten ein umfassendes Einarbeiten in die Thematik. Da die
einzelnen Programme meist zeitlich befristet sind, muss er sich auf diesem
Gebiet ständig fortbilden. Dieses führt zu einem extrem hohen Zeit- und
Kostenaufwand, welcher sich nicht direkt auszahlt. Allein die Chancen, einen
Auftrag bekommen zu können, steigen, obwohl die Finanzierbarkeit eines
Bauvorhabens eigentlich beim Bauherrn liegen sollte.
Dazu kommt, dass der frühere Hauptauftraggeber, die öffentliche Hand, in
finanziellen Problemen steckt und somit die Vergabe von Aufträgen rückgängig
ist. Diese Lücke können auch private Auftraggeber nicht schließen.
Private Investitionen sind meist mit Botschaften verbunden. Dabei ist es egal,
ob es sich um eigenen Besitz handelt oder Finanzierung von öffentlichen
Flächen.
Beim brandscape, wie in der Autostadt Wolfburg, sind der Auftraggeber
und seine Botschaft für die Nutzer klar erkennbar. Doch bei Stiftungen und
Sponsoring von Freiräumen mit öffentlichem Charakter sind Auftraggeber
und eventuelle Botschaft nicht immer so leicht herauslesbar, welches auch
Gefahren in sich bergen kann.
Die hohen Kosten für öffentliche Grünflächen (gerade im Unterhalt) lassen
den Kommunen kaum eine andere Möglichkeit, als die Angebote privater
Finanziers anzunehmen.
Dabei stellt sich die Frage, ob mit der Erhöhung von finanziellen Mitteln auch die
Qualität eines Objektes steigt, bzw. ob mit sinkenden Kosten auch die Qualität
eines Raumes sinken muss? Bei der Verneinung dieser Frage wird ein weitere
Problematik deutlich. So errechnet sich das Honorar des Architekten aus der
Höhe der Bausumme, d.h. hohe Baukosten ziehen ein hohes Honorar nach
sich. Andererseits steigen auch die Ansprüche an den Landschaftsarchitekten,
wie die intensive Einarbeitung in die EU-Finanzierungsthematik oder der immer
aufwendigere Umfang an neuester technischer Ausrüstung in den Büros. Da
kommt schon der Gedanke auf, wie viel Qualität ein Planer unter diesen
Umständen noch leisten kann oder leisten will.
Ein Durchkommen kann künftig nur gewährt werden, wenn die
Landschaftsarchitekten in ihren Aufgabenfeldern flexibler werden, also auch
fachübergreifend arbeiten. Konkurrenz aus anderen Fachgebieten, die in das
klassische Aufgabenfeld der Landschaftsarchitektur drängen, erhöhen diesen
Druck.
Der Blickfelderweiterung steht das Suchen von Nischen gegenüber. Eine
Spezialisierung/ Vertiefung in eine Thematik kann neue Chancen eröffnen.
Für das Studium der Landschaftsarchitektur bedeutet dies, dass das
fachübergreifende Arbeiten bereits an der Universität gefördert werden
muss. Ein flexibleres Modulsystem könnte hier Abhilfe schaffen. Dazu sollte
die universitäre Ausbildung Grundlagen bilden und gleichzeitig den Blick in
andere Fachgebiete und Ausrichtungen öffnen. Die Vermarktung der eigenen
Entwürfe sollte stärker ins Bewusstsein rücken, denn letztendlich muss jedes
Produkt auch verkauft werden.
1.1 Reflektion anhand von Befragungen
Die auftretenden Fragen und Diskussionspunkte sollten abschließend durch
Interviews mit unterschiedlichen Gruppen (Bürgern, Senatsverwaltung, freier
Landschaftsarchitekt) reflektiert werden und als Diskussionsgrundlage für die
Abschlussveranstaltung dienen.
1.1.1 Bürgerbefragung im Treptower Park
Im Treptower Park wurden die Besucher befragt, ob sie die Vermarktung des
Namens durch Verkauf an einen Werbeträger befürworten würden, wenn
dieses Geld dann für die Erhaltung und Pflege verwendet würde.
Die Reaktionen waren sehr unterschiedlich. Einige Bürger waren strikt dagegen,
da sie sich mit dem Park und dadurch auch mit dem traditionellen Namen
identifizieren und sie zudem nicht möchten, dass weiterhin alles privatisiert
werden solle. Ein großer Teil konnte sich dieses Szenario vorstellen, solange
die Werbung nur dezent aufträte und es keine weiteren Nutzungsauflagen
Resümee und Evaluation
157
gäbe.
In Bezug auf die Einnahme von Eintrittsgeldern und einer daraus folgenden
Umzäunung der öffentlichen Grünanlagen bestand grundsätzlich ein
Konsens darin, dass man allein durch Eintrittsgelder die Vermüllung und den
Vandalismus nicht stoppen könne. Die Befürchtungen gingen eher dahin, dass,
wenn man Eintrittsgeld bezahlen müsse, auch der Müll liegen bleiben dürfe.
Als Eintrittsgelder wurden 20 Cent für 30 Min. Joggen im Park bis hin zu 1,50 €
genannt. Man könne sich aber vorstellen, eventuell Plätze zu vermieten. Dazu
würden z.B. Grill- oder Fußballplätze zählen. Gegen den Vandalismus wurde
von vielen vorgeschlagen, dass Wachpersonal verstärkt auf die Einhaltung der
Regeln achten solle. Wie aber auch nicht anders zu erwarten war, sagten alle
Befragten, dass sich die Einstellung der Nutzer ändern, jeder seinen eigenen
Müll wegräumen müsse und nicht alles auf die öffentliche Hand geschoben
werden dürfe.
1.1.2 Interview mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung
Bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung sollte nun geklärt werden,
inwiefern eine Vermarktung des Namens möglich wäre und wie die öffentliche
Hand selber mit der Finanzknappheit umgeht und ob sie Modelle entwickelt,
wie man die öffentlichen Grünflächen in einem akzeptablen Zustand halten
kann. Hierfür fand eine Befragung mit Frau Beate Profé statt, Referatsleiterin
des Referats „Freiraumplanung und Stadtgrün“.
Frau Profé erklärte, dass es grundsätzlich für die Bezirke möglich sei, die
Namen der Grünflächen zu vermarkten, solange diese öffentlich zugänglich
blieben. Die Gesetze würden weiterhin für die Parks gelten. Eintrittsgelder
könne sie sich auch nicht für alle öffentlichen Grünflächen vorstellen. Die
Kosten für einen Zaunbau, die Eingänge und das Personal würden sich nicht
bzw. nur auf lange Zeit hin rentieren. Außerdem können mit Eintrittsgeldern
nicht die Kosten für die Pflege gedeckt werden. Es würde aber verstärkt darüber
nachgedacht, andere Nutzungsmöglichkeiten zu finden, wie das Vermieten
an z.B. gastronomische Einrichtungen. Auf dem Schöneberger Südgelände
158
gäbe es zurzeit ein weiteres Modell. Hier wurde eine Art „Parkscheinautomat“
aufgestellt, in den die Besucher 1 € einwerfen sollen. Ob und wie gut dies
funktioniert, werde sich herausstellen. Frau Profé ist außerdem der Ansicht,
dass man Geld nur für besonders attraktive Parks bezahlen würde. Das Geld
für die Anlage bzw. die Pflege dieser Einrichtungen sei aber nicht vorhanden.
Es werde nur noch wenige neue öffentliche Grünflächen geben. Man müsse
sich viel mehr mit dem Bestand auseinandersetzen und versuchen, diesen zu
sichern.
Um der Vermüllung und dem Vandalismus entgegenzuwirken, wird im
Abgeordnetenhaus darüber diskutiert, Ordnungsämter einzurichten, die
die Befugnis haben, Besucher im Park zu kontrollieren und Bußgelder zu
verhängen. Dieses dürfe bis jetzt nur die Polizei.
Frau Profé wünscht sich von den Landschaftsarchitekten, dass sie sich mehr
auf die kostenextensive Pflege konzentrieren sollten. Dies finge schon damit
an, dass sich Landschaftsarchitekten an die finanziellen Rahmenbedingungen
halten müssten.
Grundsätzlich stellte Frau Profé klar, dass sich die Aufgaben der Verwaltung
wandeln sollten. Es müssen Leute eingestellt werden, die mit diesen neuen
Aufgaben umgehen können. Bei dem Einstellungsstopp in Berlin ist dies
aber nicht möglich. Die jetzigen Mitarbeiter müssen sich demnach den neuen
Aufgaben stellen.
1.1.3 Auswirkungen auf das Berufsfeld des Landschaftsarchitekten
Um zu erfahren, wie die Landschaftsarchitekten mit den finanziellen
Schranken und neuen Aufgaben umgehen, wurde Herr Martin Seebauer,
Landschaftsarchitekt und Mitglied des Vorstandes des BDLA BerlinBrandenburg, befragt.
Herr Seebauer sagte, dass man den finanziellen Gegebenheiten auf zwei
Arten begegnen könne:
2
1. Betriebswirtschaftlich: Man versucht, im Büro an verschiedenen Punkten
zu sparen. Dazu zählen leider auch die Mitarbeiter. Von den über 50
Mitarbeitern sind heute nur noch 16 Festangestellte in seinem Büro
tätig.
2. Planerisch: Man versucht, neue Aufgabenfelder zu erschließen und mehr
Planung für weniger Geld zu leisten.
Es sei wichtig, auf mehreren Beinen zu stehen. Dazu gehöre auch die regionale
Öffnung. Das bedeute, dass man sich auch Projekte in ganz Deutschland oder
europaweit suchen solle. Hinzu kämen die neuen Aufgaben. Verstärkt würde
von einem Landschaftsarchitekten die Moderations- und Organisationsfunktion
gefordert. Ein weiterer wichtiger Punkt wäre die Finanzierung. Man versuche
heute, für den Auftraggeber kostengünstig zu planen, und müsse ihn auch
darauf hinweisen, woher er evtl. Fördergelder bekäme. Dies sei natürlich ein
Widerspruch, da sich das Honorar des Landschaftsarchitekten noch an den
Baukosten orientiere, auch wenn schon lange nicht mehr die geforderten
Preise gezahlt würden.
Zur Akquisition in Bezug auf die Finanzknappheit führte Herr Seebauer weiter
aus, dass Wettbewerbe nur noch in sehr geringem Maße von ihm durchgeführt
würden, da der Kosten-Nutzen-Faktor sehr schlecht sei. Es wäre besser,
Kunden zu behalten oder von ihnen weiterempfohlen zu werden. Wenn
Wettbewerbe durchgeführt werden, sollte man sich auf jeden Fall an die
Rahmenbedingungen halten. Es sei durchaus miteinander zu vereinbaren,
dass auch ein „billiger“ Park für die Nutzer attraktiv wäre.
In Bezug auf das Landschaftsarchitekturstudium sagte Herr Seebauer, dass
man natürlich nicht von den Studenten erwarten könne, dass sie völlig auf
den Beruf vorbereitet sein sollten. Viel wichtiger sei es, dass verstärkt die
Moderationsfunktion und das Präsentieren von den eigenen Entwürfen geübt
werden müsse. Man sollte aber durchaus nicht die Ökonomie außer Acht
lassen.
Fazit und Diskussion
Aus den gezeigten Interviews mit den Besuchern des Parks Treptow, Frau Profé
und Herrn Seebauer sowie im Seminar „Mangel und Überfluß – Freiraumplanung
und ihre Mittel“, entstanden verschiedene Diskussionsansätze zwischen
den Studenten, die im Folgenden mit einer vorangehenden Fragestellung
ausgeführt werden.
Was haltet ihr von den Aussagen der Interviewpartner?
Frau Profé und Herr Seebauer hatten in den geführten Interviews Probleme
angesprochen, die schon länger existieren und im Diskurs stehen. Trotzdem
lieferten ihre Aussagen der Veranstaltung interessante Diskussionsanregungen.
Sie sind wegen der finanziell und auftragsbedingten schlechten Lage an einem
Punkt angekommen, an dem sich etwas ändern muss. Sie bewegen sich in
dieselbe Richtung wie die Studienabgänger der Landschaftsarchitektur. Beide
Seiten sollten aufeinander zugehen und voneinander profitieren. Der Student
kann von den Erfahrungen der „alten Hasen“ lernen und der Landschaftsarchitekt
aus der Praxis wiederum neue Innovationen vom Studenten erfahren.
Sollten Ordnungsämter in Parks eingerichtet werden?
Wenn es Wachpersonal in Parks gäbe, was dürfte man wann, und wo sind
die Grenzen von „angemessenen“ Verhaltensweisen gesetzt? Die Besucher
verlieren das Bewusstsein in Bezug auf den Park, wenn alles eingezäunt ist
und regelmäßig Wachschutz den Park kontrolliert. Ist es nicht ein Berliner
Phänomen, dass alles vermüllt ist? Das Bewusstsein der Menschen bzw. das
Bewusstsein für seinen Ort muss sich ändern, damit es keine Beschädigungen
mehr in öffentlichen Anlagen gibt. Jeder muss selber darauf achten, was er
tut. Da helfen Versuche wie im Bezirk Marzahn nichts, wo der Müll solange
liegen gelassen werden soll, bis es den Leuten zu viel wird. Das sind reine
Trotzreaktionen und hilflose Ausflüchte.
Resümee und Evaluation
159
Sollten in der universitären Ausbildung im Fach Landschaftsarchitektur Seminare
angeboten werden, die sich mit Rhetorik oder Marketing beschäftigen, damit
der Student, wenn er sich beispielsweise nach seinem Studium selbständig
machen will, davon auch Ahnung hat?
Es gibt nach dem Studium unterschiedliche Wege, die gegangen werden können:
Zwischendurch ist man ein X und ein Y. Man wird nicht als Landschaftsarchitekt
geboren und stirbt auch als einer. Hierzu fiel der Vorschlag, dass es Seminare
geben könnte, die Themen, wie z.B. Marketing, ansprechen. Natürlich sind diese
Themen sehr umfangreich, aber gebündelte Informationen, von Referenten
vorgetragen, würden einen guten Überblick verschaffen und Beispiele vor
Augen führen. Die Initialzündung muss letztendlich vom Studenten selber
erfolgen, aber wenn dieser nicht weiß, was alles gebraucht werden kann, ist
dieses vorgeschlagene Angebot eine hilfreiche Sache.
Es sollte also angedacht werden, eine Veranstaltung im Hauptstudium
anzubieten, in der die obengenannten Inhalte von verschiedenen Referenten
angesprochen und vorgestellt werden. Diese sollen einem nicht bis ins kleinste
Detail alles erklären, sondern eher Denkanstöße und Informationen für die
Weiterbildung geben.
Wie sollte sich der Student auf die Zukunft vorbereiten?
Als Schlußdiskussion wurde festgestellt, dass das Studium doch sehr
umfangreich ist. Einerseits werden zwar meistens Experten im Berufsleben
gesucht, aber andererseits sollte man Generalist sein, wenn man in die
Selbständigkeit gehen möchte. Eine Spezialisierung ist wiederum auch nicht
verkehrt, um sich nach der Ausbildung eine Nische zu suchen, dabei sollte
man jedoch nie den Gesamtüberblick verlieren.
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Resümee und Evaluation
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