Berliner Architekturwelt : Zeitschrift für Baukunst, Malerei, Plastik und
Transkrypt
Berliner Architekturwelt : Zeitschrift für Baukunst, Malerei, Plastik und
JOHANNES OTZEN f. Mit Johannes Otzen, der am 8. Juni in seiner schönen Villa am Wannsee an Arterien« Verkalkung starb, haben wir eine der hervorragendsten und eigenartigsten Persönlichkeiten Berlins begraben, vielleicht den hervorragendsten, sicherlich den Überzeugungstreuesten und zielbewußtesten Künstler der älteren Generation. Einen Mann, der uns Vorbild und Trost sein kann; denn sein Leben zeigt uns, daß auch ein immerdar Aufrechter, der seinen Weg vor sich sieht und ihn mit äußerster Beharrlichkeit, aber auch äußerster Strenge gegen sich selbst verfolgt, noch in unserer Zeit der Kapitalsvorherrschaft und der Streberei zum Ziele gelangt. Keine Ehre hat ihm gefehlt, die die Öffentlichkeit einem großen Künstler zu verleihen hat. Aber, was mehr ist: keines seiner Werke verleugnet den Meister, ein jedes wird seinen Namen ehrenvoll auf späte Geschlechter tragen, wird von einem großen und schönen Leben in Schaffen und Sinnen reden, — Am 8. Oktober 1839 in Siesebye (Kreis Eckernförde) geboren, ein echter Holsteiner, äußerlich wie innerlich, blond, hochgewachsen, schlank, zäh, durchhaltend und voll verschwiegenen Sinnens, hat Johannes Otzen wie Karl von Groszheim, sein Nachfolger im Präsidium der Akademie der Künste, als ein „studierter" Zimmergesell seine Laufbahn begonnen. Früh kam er an die Hochschule in Hannover und unter den bezwingenden Einfluß des „alten Hase", dem er die entscheidenden Anregungen für seine küntlerische Richtung verdankte; die Backsteingotik ward ihm sozusagen Glaubensbekenntnis. Aber schon die ersten Werke zeigten Otzen als eigene Wege Wandelnden, Nachdem ihn Herr von Carstenn 1869 nach Lichterfelde gezogen, wo er das Aufblühen dieses Vorortes mit mehrfachen Ausführungen einleitete, wurde er schnell durch den Entwurf zur Charlottenburger Flora bekannt, noch volkstümlicher aber durch die Wein- und Bierstuben unter den Stadtbahnbögen der ersten Berliner Gewerbeausstellung, die schon durchaus die eigenartige Durchbildung der Backsteingotik zeigten, die Otzen nun bald in zahlreichen Kirchenbauten noch reicher und glänzender entfalten sollte. Denn fast sein ganzes weiteres Schaffen galt dem Bau von Gotteshäusern, und zwar evangelischen. Auf diesem Sondergebiet war er durchaus Neuschöpfer. Denn bewußt nahm er von der Gotik nur die Grundgedanken; was er daraus machte, war immer wieder — otzensch. Haben ihm das die Sitlgerechten öfters verdacht, so konnten das alle diejenigen nur freudig begrüßen, die für moderne Anschauungen auch modernen Ausdruck und ein persönliches Kunstbekenntnis forderten. Suchen wir dies Bekenntnis zu formulieren, so treffen wir zunächst auf das A und O aller wirklichen und rechten Baukunst, auf das Bauen von innen nach außen. Von der Bekleidungskunst mit Renaissancemotiven hat Otzen nie etwas wissen wollen. Das Raumprogramm der Predigtkirche in immer modernerer, immer neuer Fassung auszugestalten, galt ihm als erste Aufgabe. Die Tradition hatte für ihn dabei immer nur so viel Geltung, als es die Anschauungen der Gemeinde und die Würde des Gotteshauses bedingten. So hat er denn namentlich das durch die kirchlichen Anschauungen so verzwickt gewordene Problem der Kanzel- und Orgelstellung immer wieder neu zu lösen versucht, bis ihm der reformierte Kultus die Möglichkeit gab, in der Wiesbadener Ringkirche zu zeigen, welch unvergleichliches architektonisches Bild die Anordnung von Altar, Kanzel und Orgel übereinander ergeben kann. Ebenso frei und bewußt modern schaltete er mit der Raumbildung der Gotik. Ob Langhaus oder Zentralraum: bewußt wandte er sich von den mittelalterlichen, auf den katholischen Ritus zugeschnittenen Schematen ab und schuf immer wieder einheitliche Räume ohne schwere, die Aussicht auf Kanzel und Altar verbauende Stützen, Sein Raumgefühl war unvergleichlich. Was August Orth, sein großer Vorfahr im Erdenken neuer Lösungen für die Predigtkirche, immer wieder gewollt, doch nie erreicht hat: die schönheitsvolle Bildung neuartiger Kirchenräume: ihm gelang es wie von Natur. Ein hoheitsvolles Singen und Klingen, ein natürliches, harmonisches Wachsen eines Gliedes aus dem anderen, von den Pfeilern und Säulen bis zu den stets reichen Wölbungen geht durch diese Räume, in denen wirklich „alles sich zum Ganzen webt, eins in dem andern wirkt und lebt", das zu der Andachtstimmung älterer Gotteshäuser ein neues Element hinzufügt, ein im besten Sinne weibliches, das man fast Eleganz nennen könnte: die spielende Unterjochung aller Konstruktiven unter die Absicht der graziösen Wirkung. Alles Aussprechenwollen wirkt hier schon zu verstandesmäßig; es kann nur zarte Tendenzen andeuten wollen. Daß es aber Otzens Tendenz war, der Gotik bei aller Monumentalität das Liebenswürdige, Weichere zu geben, das modernes duldsames religiöses Empfinden gegenüber dem mittelalterlichen hat, also überhaupt in graziöserer moderner Sprache zu uns zu reden, das verrät auch das Äußere seiner Bauten. Niemals genügen ihm die einfachen großen Motive seiner Komposition, die an sich schon durchweg den Baugedanken des Inneren auf das prägnanteste aussprechen würden: immer wieder überspinnt eine Fülle von zierlichen Motiven noch die großen und wohlabgewogenen Verhältnisse, um sie weicher, traulicher erscheinen zu lassen. Zuweilen ist da vielleicht die Wirkung schon dem Kleinlichen angenähert. Man möchte glauben, daß das für Monumentalbauten zu schwächliche moderne Backsteinformat zu manchem Zuviel des Guten verführte; die Hausteinkirchen Otzens zeigen wenigstens ein größeres Vorwalten der Flächenwirkungen. Aber diese Überfülle müßte man schließlich auch dann respektieren, wenn sie wirklich nur Otzensche Sonderlichkeit wäre, wie Mozart seine Wiederholungen hat. Sie ist aber obenein noch daraus zu erklären, daß der Künstler von innen nach außen gebaut hat. In den stets so reichen Innenräumen sind alle Motive von richtiger Größe; wo sie dann sozusagen nach außen durchschlagen, können sie einmal zu klein wirken. Immer noch aber bilden sie dann einen bezeichnenden Bestandteil der Otzenschen Handschrift; kein besseres Lob aber für einen Künstler, als daß diese Handschrift schon auf den ersten Blick erkannt wird. Und das hat Otzen in herber Ehrlichkeit und starkem Glauben an seine Kunst erreicht. Betrachten wir aber seine Werke außer den Kirchen in Rheydt, Apolda, Elbing, Altona, Elberfeld, Kiel, Eimsbeck, Eilbeck, Dessau besonders die Hamburger Gertrudkirche, die Leipzig-Plagwitzer Protestantische Kirche, die Wiesbadener Berg- und die Ringkirche und vor allem das Dreigestirn seiner Berliner Schöpfungen: Kreuz-, Lutherund Georgenkirche noch einen Augenblick im Zusammenhang ihres Kunstbekenntnisses, so finden wir an allen noch zwei Vorzüge, die gerade in unseren Tagen leider immer seltener werden; eine Zusammenstimmung bis aufs Letzte und einen ungewöhnlichen Farbensinn. So wenig Otzen sich wiederholen mochte, sondern trotz der stets gleichen Tonart seiner Melodie doch immer wieder reiche neue Variationen gab, so wenig litt er, daß ein Bau nur in Einem minderwertigen Gliede in der Durchbildung vernachlässigt wurde. Eine kalte Wirkung, des Inneren namentlich, ließ er sich auch bei geringeren vorhandenen Mitteln nie aufzwingen. Wie er sich selbst kein Pfuschen zuließ, so bestand er darauf, daß für alles zur Wirkung Unerläßliche Mittel vorhanden sein mußten. Namentlich galt dies für den Innenraum» den Hauptteil des Gotteshauses. Wohl vermochte Otzen noch aus dem roten Backstein mitwenigen Glasursteinen und leise getöntem Putz einen edlen Zusammenklang zu erzielen; wo es aber die Mittel irgend erlaubten, hüllte er seine InnenraumschÖpfungen in ein farbiges Gewand von höchster Pracht, ohne doch je ins Bunte zu fallen. Bei allem Reichtum an Marmor, Gold, Mosaiken, Statuen, Ornamenten und Bildern erreicht er doch als Grundstimmung zuletzt feierliche, ans Mystische streifende ernste Erhabenheit, die sich den Seelen bezwingend einprägt. So überwand er die Nüchternheit der protestantischen Predigtkirche, gab ihr weihevolle Festlichkeit und machte sie doch in ihrer ganzen Planung selbständiger, wesensechtcr, als es jemals bisher geschehen war. Neben seinen Bauausführungen hat Otzen auch noch lange eine ersprießliche Lehrtätigkeit entfaltet.*) Wenn trotzdem von einer Otzenschen Schule nicht groß zu reden ist, so ist das bei der ungemein starken persönlichen Note in des Meisters Kunst kein Wunder. Im Gegenteil möchten wir uns freuen, wenn wir von Nachbetern eines Originalgenies verschont bleiben. Die beste Lehre, die ein solches zu geben vermag, und die ja Otzens Schülern auch aus der bloßen Betrachtung von des Meisters Schaffen hat aufgehen müssen, ist doch immer die: zu schaffen, so selbständig wie der Meister. Ein Einer zu werden, wie er war, ein ständig sich selbst und nur sich selbst getreuer, fest und groß in seiner Überzeugung! So danken wir einem Großen nicht nur für seine Werke sondern auch für seine vorbildliche Gesinnung, die der Lebenssaft seiner Größe war, Johannes Otzen wird nicht sterben! Hans Schliepmann. *) Otzens gesamtes Schaffen auch Lehrtätigkeit. ist in 3 großen Veröffentlichungen: ,.Ausgeführte Bauten", 2 Bde., .„Baukunst". ;•] Bde. und ,.Gotische Bauornamente' 1 , 1 Bd., im Verlage Ernst Wasmuth A.-G.. niedergelegt. EI JULIUS JCEYSKR $ p o . ER AIOSEL :N pAGHGARTEN ^RUNO /ÄÖHR1NG, BERLIN Jahr*. XIV Jahrgang XIV W E T T B E W E R B FÜR EINE J3ISMARCKWARTB AUF DER J4ÖHE VON )VESTEND BEI J3ERLIN : PR.-INQ. ^RUNO ^CHMITZ, PHARLOTTENBURQ August 1911 t^ei Erwst^tVasmuth A.-G., Berlin.^ Jahrg. XIV JCASINO DER GARTENSTADT FALKEKHAGEN A R C H I T E K T E N : J^OHDE 8J ^ E S C H O B E N , J3ER Juli 1911 Abb. 17g. Ausstellung der Berliner Sezession 1911. Ferdinand Hodler, Genf; Heilige Stunde. GROSSE BERLINER UND SEZESSIONSKUNSTAUSSTELLUNG. Gehören Bildhauerei und Malerei in eine Architekturzeitschrift? Es ist zu hoffen, daß die Mehrzahl unserer Leser die Frage unbedenklich bejahen wird. Denn haben auch die drei Schwesterkünste sich stark emanzipiert und sind auch die großen Genies der Renaissance, die alle drei Künste beherrschten, schier sagenhaft geworden, so muß doch immer wieder das Schwesterliche dieser Künste betont werden, wie ja auch deren Jünger einerlei Streben haben und — einerlei Nöte in unserer Zeit leiden. Gehört es doch auch zu den Nöten der Zeit, daß die drei Künste so selten zusammenarbeiten, weil die idealen Aufgaben unter dem wirtschaftlichen, auf das allein Praktische ge- B.A.W.xrv.4. richteten oder vom Protzentum befleckten Drang unserer Tage immer seltener werden. Freilich kann unter dem Zwang der Spezialisierung und bei dem geringen Umfang der Berliner Architekturwelt den Nachbarkünsten leider nicht so viel Raum zugestanden werden, wie ihnen gebührte. So kann denn auch nicht davon die Rede sein, daß wir gleich der Tagespresse die Einzelleistungen der beiden großen heurigen Ausstellungen literarisch würdigen. Aber darüber braucht man vielleicht nicht einmal groß zu trauern; denn wer die verschiedenen Tageskritiken vergleicht, wird immer mehr zu der Ansicht kommen, daß diese Kritik doch nur ein notwendiges Übel, ein Herüber 16 12R Abb. 181. und Hinüber von Meinungen ist, die zwar Publikum wie Künstler nicht entbehren wollen, die aber nichts weniger als Ewigkeitswert haben, ja oft genug vielleicht gar die Kunstentwicklung in eine Sackgasse verlockt haben. Hiervon gibt die Sezession diesmal das augenfälligste Beispiel. Das unausrottbare deutsche Laster der Auslandsverehrung, die schon im vorigen Jahre bei Cesanne eine neue Illustration zu Andersens Meistermärchen von des Königs Neuen Kleidern lieferte, ist heuer mit den „Expressionisten" vor ein Futter gesetzt worden, das selbst die ärgsten Franzosenschwärmer nicht mehr für genießbar halten können. Hoffentlich gehen uns nun endlich die Augen darüber auf, daß das „Friß, Vogel, oder stirb", mit dem die Sezessionsleitung so oft das Publikum zu „bluffen" versucht hat, nicht mehr angeht, und so besinnen wir uns wieder darauf: Kunstwerke können nur von ringenden, ernsten, tief innerlichen bedeutenden Menschen, und nimmermehr von „Faiseurs", Gemütslosen oder Gauklern gemacht werden. — Dabei hatte die Sezession diese Französlein nicht einmal als „Folie" nötig. Sie hat sich damit vielmehr nur die wohlmeinende Presse verdorAusstellung der Berliner Sezession 1911. ben ; denn Thomas Theodor Heine, München: Engel. Abb. xSo. beidemunleidlichen, aber kaum mehr zu beseitigenden Zustande, daß die Berichterstattung stets brühwarm nach der Eröffnung einsetzen muß, haben jene Schreckenskammern den Kritikern derartig die Stimmung verdorben, daß viele für das Gute nicht mehr genug Empfänglichkeit zurückbehielten. Wie ja denn überhaupt kaum ein Berufskritiker gegenüber der unübersehbaren Menge von Marktware langweilenden Durchschnittes und dem Druck des Schreibenmüssens vor einer zur Blasiertheit und Einseitigkeit führenden Ermüdung bewahrt bleibt, woher es dann immer eingangs orbi et orbi verkündet wird: in der Ausstellung ist wieder mal nichts los! Gar kein Clou! — Als ob die Genies alljährlich von den Bäumen geschüttelt werden könnten! Wer in der glücklicheren Lage ist, mit dem Urteil zurückhalten zu können, bis alle Säle ihm in Muße ihre Eindrücke vermittelt haben, der wird nur sagen können, daß aus dem unvermeidlichen und allerdings recht umfangreichen Minderwertigen in allen beiden heurigen Ausstellungen doch recht erkleckliche, ja große Kunstwerke hervortreten, so daß es uns an Raum fehlt, sie auch nur aufzuzählen, was überdies ein recht unfruchtbares Beginnen wäre, zumal bei unseren Abbildungen die Rücksicht auf Wiedergabefähigkeit durch Schwarzdruck für die Wahl wesentlicher sein mußte als der absolute Kunstwert, ohne Abbildungen aber gerade bei Bildern die Aufzählung zur bloßen, unverständlichen Vokabel würde. Wir müssen uns vielmehr darauf beschränken, die Hauptlinien der Entwicklung kurz anzudeuten. Daß die Landschaft noch immer dominiert, ist j a Ausstellung der Berliner Sezession wesentlich wohl in besserer Verkaufsfähigkeit dieser Bilder und darin begründet, daß gerade die Natur den Geܧ) E^J IQXI. ^J O bildeten, die doch meist Großstädter zu sein gezwungen Thomas Theodor Heine, München: sind, immer mehr zur Sehnsucht wird. Und Sehnsucht £=3 © Teufel. © © gebiert Poesie. Dann aber bietet sich in der Landschaft 120, Abb. 1Ö2. £3 © Große Berliner Kunstausstellung i g i i . (£§) © Walther Illner} Dresden: Kuppel der Pfarrkirche zu Immenstadt. auch immer am leichtesten die Fülle der Farbenprobleme, die denn auch immer vielseitiger und glänzender ausgeschöpft werden. Neben der Landschaft zeigt das Porträt die hervorragendsten Leistungen; Slevogts Herr im Automobilpelz muß hier, selbst bei dieser so kurzen Übersicht, noch als die Perle der heurigen Ausstellungen besonders erwähnt werden. Die fabulierende Kunst, durch das dürre Glaubensbekenntnis des Naturalismus lange verpönt und zurückgedrängt, beginnt sich zwar kräftig zu regen, sonderlich auf dem Gebiete der Zeichnungen und Schwarzkunstblätter, wo besonders die Abart des Humors und der Satire eine Fülle lustiger und zum Teil geradezu genialer Blüten treibt; für ganz große Werke scheint aber doch die Zeit noch nicht reif geworden. Dagegen kündigt sich unzweifelhaft eine neue Monumentalkunst an. Freilich, die Trompetenstöße der Presse, die uns im ehemals Blauen Saale der „Großen" eine außerordentliche Monumentalmalerei-Ausstellung versprachen, waren verfrüht. Mit dem Einpassenwollen der Kartons in die mächtigen Wandflächen hat man die Unmöglichkeit der Eingliederung maßstäblich nicht passender Formate in eine von ganz anderen Gesichtspunkten ausgehende Architektur nur noch empfindlicher gemacht; dazu sind die Bilder selbst doch meist nur gute und bessere Professorenarbeiten ohne sonderlich neue Note. Nur Köppens große Kartons für die Ausstellung der Berliner Sezession 1911* Fritz Rhein, Berlin: Alte Gracht in Holland. Münchener Universitätsaula geben einen Begriff davon, was zu erstreben und zu erreichen möglich gewesen wäre. Daneben nun aber wird es immer ersichtlicher, daß Hodler doch eine Art Moses ist, der in ein neues Gelobtes Land führen kann. Er hat wie Moses eine schwere Zunge. Abb. 184. Ausstellung der Berliner Sezession igi 1. Theodor Hagen, Weimar: Waldlandschaft. Seinen Bildern wie seinen Gestalten fehlt der sinnliche Reiz; aber neben dem Mut der großen Flächen, der doch die Vorbedingung zu neuem monumentalen Aufschwung der Malerei ist, besitzt er die Größe der Überzeugungsfestigkeit und das Pathos der Komposition. So ist er, wenn auch kein Vollender, doch als Bahnbrecher unschätzbar. In der „Großen" zeigen seine Schweizer Landsleute in überraschender Frische das Befruchtende seines Einflusses. Hier ist denn auch die Hoffnung auf ein wiederkommendes Zusammenwirken mit der Architektur, wofür merkwürdigerweise in der Plastik diesmal kaum lebendige Anzeichen vorhanden sind. Nur selten wird ein Ansatz zur Stilisierung gemacht, die allein zu monumentaler Wirkung hinüberführen kann. Daß es architektonische Umrahmungen, riesige Abmessungen und schwere Reitgäule allein nicht tun, wird diesmal gelegentlich besonders klar. Anzumerken ist noch, daß für die Annäherung der Künste untereinander doch vielleicht noch eines spricht: die Vorliebe für malerische Widergabe von Interieurs und von Städtebildern. Man kann z. B. fast von einer „Entdeckung Berlins" sprechen, so zahlreich sind die guten Bilder, die aus altem und neuesten Berlin die malerischen Reize hervorzuholen wissen. Das deutet wenigstens darauf hin, daß der Anteil des Publikums an den Reizen der Baukunst im Wachsen begriffen ist. Der spärliche Besuch der Architektursäle in der „Großen" dämpft freilich solche Hoffnungen. Aber, wie wir schon im Leitaufsatz des laufenden Jahres ausführten: gegenüber den Farbenlockungen der Bilder wird das Publikum, das ja ohnehin nur in einem großen Bilderbuch blättern will, stets gegen die zurückhaltenderen Architekturdarstellungen abgestumpft sein; selbst die zahlreichen und oft geradezu mit Raffinement der Wirklichkeit angenäherten Modelle werden nur als Spielzeug gewertet, und auch eine so vornehme Aufmachung wie die der Säle des Ministeriums der öffentlichen Arbeiten scheint selten einen Kunstfreund zum Genuß unserer offiziellen Monumentalkunst verlocken zu können. Und ist doch, namentlich unter den Kirchenentwürfen, vieles geschaffen worden, was des Studiums wert wäre. Einen doppelt schweren Stand hat da nun die Privatarchitektur in der drangvoll fürchterlichen Enge ihrer wenigen Säle. Daß sie sich trotzdem, und für den Fachgenossen sogar durchaus höchst anziehend, behauptet, muß uns die Hoffnung auf eine bessere Zukunft geben — zugleich auch freilich den Wunsch erneuern, bald eine gesonderte Architekturausstellung erstehen zu sehen. Nicht nur umfänglich am imponierendsten wirkt die Sonderausstellung von Werken von Wilhelm Kreis, der um so größer erscheint, je freier er ideale Aufgaben zu 1 j meistern hat, Nach dem höchsten Lorbeer, der Denkmalskunst, ringen heuer mit ihm auf der Ausstellung nur Hartmann und Brurein mit Bismarckdenkmälern; monumentale Gebäude dagegen, die sich neben denen von Kreis behaupten können, sind reicher vertreten. Da sind die Theater von Bruno Schmitz und Oskar Kaufmann; da sind die technisch so überaus interessanten neuen Lösungen für Theaterzuschauerräume von Henry Heibig und die Rathausentwürfe von Brurein, Gebrüder Ratz, Heinrich Möller, Otto Michaelsen und Friedrich von Mörß, sowie Albert Frölichs Stadthallen. Dagegen zeigt der ausgezeichnete Stadtbaurat von Rixdorf, Reinhold Kiehl, was auch eine Stadtverwaltung von geringen Mitteln zu leisten vermag, wenn ihre Bauten auf das unerschwinglich Monumentale verzichten und dafür mit Originalität das Malerische und Graziöse anstreben, während Franz Schwechten mit Innenansichten aus der Posener Residenz und Bodo Ebhardt mit seiner Clever Schwanenburg und seinem Schloß Höchst am Main allerlei Vorzeitpracht zu neuem Leben zu erwecken suchen. "Wollte man die wertvollen übrigen Werke herausheben, so müßte man den halben Katalog ausschreiben. Es erübrigt nur noch auf die Innenräume und das Kunstgewerbe kurz hinzuweisen. Erstere beschränken sich auf recht anheimelnde und durch ihre Ausstattung ein respektables Bild von der Geschmackshöhe zwischen 1830 und 1850 gebende Nachschöpfungen von Biedermeierräumen, die, wie man leider fürchten muß, die nächste „Mode" noch mehr auf die Gillyzeit und eine neue Nachbetung Schinkels statt einer Weiterbildung dieses Unvergleichlichen zurückschrauben werden, als es schon ohnehin der Fall zu sein scheint* Das Kunstgewerbe dagegen ist neben einigen Schmucksachen und der köstlichen, uns aber weniger nahe berührenden Porzellanaus- Abb. 185. © Ausstellung der Berliner Sezession 1911. © Nikolaus Friedrich, Charlottenburg: Ballspieler. 132 Stellung nur durch eine Anzahl besonders schöner Möbel von Wilhelm Kimbel (L Fa. Kimbel & Friederichsen) Berlin vertreten, der in technisch höchst vollendeten Stücken musterhaft zeigt, wie das Überlieferte für uns nur immer wieder Grundlage zu neuer Entwickelung sein kann. Es ist nur zu bedauern, daß diese Möbel nicht auch in ähnlich modern durchgebildete Räume gesetzt worden sind. Denn so anerkennens- wert auch das Bestreben ist, die lange mißachtete Zeit vor achtzig Jahren wieder künstlerisch zu Ehren zu bringen: erst das bei Künstlern wie Publikum durchdringende Bewußtsein, daß unsere Zeit sich selbst ihr Kleid aus fröhlichem zielsicheren Gegenwartsbewußtsein heraus schaffen muß, kann uns zu wahrhaft moderner Kunst führen, Hans Schliepmann, Abb. 186. Große Berliner Kunstausstellung i g u . Henry Groß, Berlin: Kirche für Görlitz. ABB. 187-188. & GROSSE BERLINER KUNSTAUSSTELLUNG 1911. © KREMATORIUM DESSAU UND JAGDHAUS IN KOSCHENTIN 0. S © m ARCHITEKT: WILLIAM MÜLLER, BERLIN. m m 134 ABB. 189 © © GROSSE BERLINER KUNSTAUSSTELLUNG 1911. m m m m &> m SYNAGOGE FÜR MAINZ. © © @ m ARCHITEKTEN: ERNST MÜLLER UND RICHARD BRODERSEN, BERLIN. REALGYMNASIEN IN MARIENDORF UND GROSS-LICHTERFELDE. In den nachstehenden Abbildungen führen wir unseren Lesern zwei in der näheren Umgebung Berlins neu errichtete Schulhausbauten vor, von denen das Realgymnasium in Mariendorf sowohl im Entwurf als auch in der Durcharbeitung und künstlerischen Ausführung der Tätigkeit Berliner Privatarchitekten entstammt, die von den Gemeindebehörden in dankenswertester Weise mit der Lösung dieser Aufgabe waren betraut worden. Hierin dürfen wir somit wieder einen erfreulichen Erfolg derjenigen Bestrebungen begrüßen, welche dahin gehen, daß die Privatarchitekten nicht wie bisher nur ausnahmsweise, sondern grundsätzlich immer zu den Bauaufgaben der Staats-, Provinz- und Gemeindebehörden herangezogen werden. Vorläufig stößt dies im großen und ganzen noch auf entschiedenen "Widerstand und wird von Gegnern als ,,Eigennutzu bezeichnet. Mit Unrecht, denn man schadet durch solche Charakterisierung der Sache selbst, weil dieser ,,Eigennntzu nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine künstlerische Berechtigung hat.*) Man kann gerechterweise nicht verlangen, daß die Architekten des freien Berufes sich immer nur mit den verhältnismäßig kleinen und kargen Aufträgen der Privatbauherren begnügen und feiernd beiseite stehen sollen gegenüber den wertvollen und großen Aufgaben des Staates und der Gemeinden, deren überströmende Fülle jetzt leider so oft reizlos und freudlos von den Bauämtern „erledigt" wird. Das soll durchaus nicht heißen, daß der Beamtenschaft tüchtige künstlerische Kräfte fehlen. Im Gegenteil und Gott sei Dank gibt es heutzutage in weit größerer Zahl als früher ausgezeichnete Künstler unter den Baubeamten. Aber selbst diese Besten ersticken meist im Aktenmaterial und im Verwaltungskram, genau so gut wie die vielen anderen, von denen man aber nicht behaupten kann, daß Gott, als er ihnen ein Amt gab, sie gleichzeitig auch zu tüchtigen Baukünstlern machte; womit natürlich nicht gesagt werden soll, daß bei den Privatarchitekten -frei nach Goethe —jeder Schuster ein Dichter wäre. In wirtschaftlicher Hinsicht sind an diesen Bestrebungen der freien Architektenschaft gerade die Behörden sehr lebhaft beteiligt. Die Etatsaufstellungen beweisen zur Genüge, daß die Arbeit auf den Bauämtern erheblich teuerer zu stehen kommt, als in den Privatbureaus, denn sie ist weniger übersichtlich und weniger intensiv. So regt sich auch bereits vielenorts die Erkenntnis, daß der oben genannte Grundsatz der Privatarchitekten richtig ist, und manche Behörde hat ihn in praxi bereits gefördert. Hoffen wir, daß er immer mehr durchdringt. Das Realgymnasium in Mariendorf stammt von Reinhart & Süssenguth. Es ist immer höchst erfreulich, einem Werke dieser Künstler zu begegnen, mag es nun in der Zeit von Sturm und Drang oder in der Zeit der abgeklärten Ruhe geschaffen, mag es reich gestaltet oder einfach gehalten sein. Stets fühlt man den Meister. — Von drei Straßen umgeben, erhebt sich der Bau zu einer bedeutsamen Gruppe. Ein vorge*) Zweifler seien besonders aufmerksam gemacht lagerter, 3400 qm großer Spiel- und Schulauf die jetzt vom Bund Deutscher Architekten versandte Denkschrift vom April 1911, der wir uns im hof gewährleistet den westlich gelegenen Unterrichtsräumen eine ruhige Lage. Das Nachstehenden anlehnen. B.A.W. XIV. 4. 136 Bauwerk umfaßt 20 Normalklassen für rund 800 Schüler, Aula, Zeichensaal, Singsaal, Raum für Handfertigkeitsunterricht, die üblichen Lehrer- und Bibliothekräume, Heizerund Schuldienerwohnung, Direktorwohnhaus und Turnhalle. Die Stockwerkshöhen betragen 4,30 m. An Fläche der Unterrichtsräume entfallen 1,08 qm auf den Schüler der unteren, 1,20—1,30 qm auf den Schüler der mittleren und oberen Klassen und dementsprechend 4,3 bis 5,0 cbm Luftraum auf den Einzelschüler. Die Fassaden sind gelblich in Terranova geputzt mit Sockel aus Granitfindlingen. Zu Einzelheiten hat Kalkstein Verwendung gefunden. Das Dach ist mit Biberschwanzziegeln eingedeckt, die Klempnerarbeit aus Kupfer gefertigt; die inneren Treppen bestehen aus Eisenbeton. Hallen und Flure zeigen ein Paneel aus braun glasierten, weiß gefugten Spaltziegeln mit farbiger Kratzputzverzierung. Die Ausführungskosten be- Abb. 190. tragen rund 500 000 Mk. Dazu kommen noch 55000Mk.für innere Einrichtung, alsoimGanzen 555000 Mk, Das R e a l gymnasium zu GroßLichterfelde entstammt seinem Baugedanken nach einem Wettbewer be. Der Architekt Petersenhatdie Grundidee dazu hergegeben, die im GemeindeBauamt und später vom Architekten Ammer zu ihrer jetzigen Gestalt weiterent- wickelt wurde. Das Schulhaus liegt, in Grundrissen und Aufbau gut gruppiert, an der Ecke eines spitzwinkligen Grundstücks; es war auf zwei Bauabschnitte berechnet; beide mußten aber, um der Entwicklung der Anstalt zu genügen, bereits zu Ostern dieses Jahres fertiggestellt werden. Es enthält vorläufig zwölf nach Westen oder Südwesten an einem geräumigen Schulhofe gelegene Klassen nebst Aula, Turnhalle, Gesang- und Zeichensaal sowie die bei solchen Anstalten sonst noch erforderlichen Räume und Wohnungen. Der zweite Bauabschnitt hat dem Schulhause noch neun Klassen hinzugefügt, so daß die Anstalt 21 Klassen für 900 Schüler enthält. Die Kosten für den in ganzer Ausdehnung hergestellten Bau werden sich nach amtlicher Berechnung voraussichtlich auf rund 767000 Mk. belaufen, worin die innere Einrichtung mit rund 72000 Mk. enthalten ist. Die Fassaden sind auch hier in Terranova unter ganz sparsamer Verwendung von Werksteinen für dekorative Einzelheiten geputzt und die Dächer mit Ziegeln eingedeckt, ähnlich wie bei dem Mariendorfer Schulhause. Ein Vergleich beider gleichartigen Schulanstalten ergibt bei Groß -Lichterfelde für 900 Schüler einen Aufwand von 767 000 Mk. und bei Mariendorf für 800 Schüler von 555000 Mk., also pro Schüler 850 Realgymnasium in Groß-Lichterfelde. resp. 695 Mk. m @ Portal. © m E. Spindler. Architekt: Ammer, Groß-Lichterfelde. ABB. 191 137 © © REALGYMNASIUM IN MARIENDORF. m m ARCHITEKTEN: REINHARDT & SUSSENGUTH, CHARLOTTENBURG. I 138 ABB. 192. S m REALGYMNASIUM IN MARIENDORF. m m ARCHITEKTEN: REINHARDT&SUSSENGUTH, CHARLOTTENBURG. ABB. 193-195. 139 M, I ;joo. &> © REALGYMNASIUM IN MARIENDORF m ^ ARCHITEKTEN: REINHARDT & SÜSSENGUTH, CHARLOTTENBURG. i ABB. 196 140 © GRUNDRISS DES REALGYMNASIUMS IN MARIENDORF. m ARCHITEKTEN; REINHARDT & SUSSENGUTH, CHARLOTT.ENBURG. ABB. 197. 141 m m REALGYMNASIUM IN MARIENDORF. m © ARCHITEKTEN: REINHARDT & SÜSSENGUTH, CHARLOTTENBURG. ABB. 198—199, 142 m & REALGYMNASIUM IN MARIENDORF. m m ARCHITEKTEN: REINHARDT & SÜ SS ENG UTH, CHARLOTTEN BURG. ABB. 200—201. 143 m m REALGYMNASIUM IN MARIENDORF. © m ARCHITEKTEN: REINHARDTS SÜSSENGUTH, CHARLOTTENBURG. n. A. w xiv ABB. 202. 144 REALGYMNASIUM IN GROSS-LICHTERFELDE, ARCHITEKT: AMMER, GROSS-LICHTERFELDE. ABB. 203. 145 , , * • REALGYMNASIUM IN GROSS-LICHTERFELDE. ARCHITEKT: AMMER, GROSS-LICHTERFELDE. , - s ABB. 204^205. ^^W^^^^^"^^^^^.^t^r^^^^^r— ;.<i .,...5?:- REALGYMNASIUM IN GROSS-LICHTERFELDE. ARCHITEKT: AMMER, GROSS-LICHTERFELDE. ABB. 206-207. Hl REALGYMNASIUM IN GROSS-LICHTERFELDE. ARCHITEKT: AMMER, GROSS-LICHTERFELDE, ABB. 208—209. 148 m REALGYMNASIUM IN G ROSS-LICHTERFELDE. @ ^ GRUNDRISS DES ERDGESCHOSSES UND QUERSCHNITT, m ARCHITEKTEN: PETERSEN UND PAHL, GROSS-LICHTERFELDE. ABB. 210—211. 149 M. T ; JOO. © REALGYMNASIUM IN GROSS -LICHTERFELDE. m & GRUNDRISSE DES 1. UND 2. OBERGESCHOSSES m ARCHITEKTEN: PETERSEN UND PAHL, GROSS-LICHTERFELDE. ABB. 212—213. @ ENTWURF ZU EINEM LANDHAUS. @ ARCHITEKT: HEINRICH STRAUMER, BERLIN. ABB. 214—215. LANDHAUS RUDOLF SCHM I DT IN HER MSDORF, ARCHITEKT: HEINRICH STRAUMER, B.A.W.XIV.4 BERLIN. ABB. 216—217. ALTAR DER EV.-LUTH. KIRCHE, BERLIN. © BRÜSTUNG UND TREPPENAUFGANG. @ ARCHITEKT: HEINRICH STRAUMER, BERLIN. ABB. 218. 153 M. 1:500. & m CASINO FALKENHAGEN-WEST. m m @ m GRUNDRISS DES ERDGESCHOSSES. m m ARCHITEKTEN: ROHDE & BESCHOREN, BERLIN-SCHÖNEBERG. ABB. 219. 154 FUGGERHAUS KÖNIGIN-AUGUSTA-STRASSE ARCHITEKT: CURT LESCHNITZER, BERLIN. ABB. 220-221. 155 tävQ/Jtrtu, /iwfa-f/fajse. M. 1 :500. FUGGERHAUS. GRUNDRISSE DES ERD-, I. UND II. OBERGESCHOSSES. m m ARCHITEKTEN: LESCHNITZER UND LIPP, BERLIN. © m ABB. 222, m @ FUGGERHAUS. m m ARCHITEKT: CURT LESCHNITZER, BERLIN. ABB. 223. 157 m m m m FUGGERHAUS. @ m ARCHITEKT: CURT LESCHNITZER, BERLIN, m m ABB. 224-225. 158 m m m m © FUGGERHAUS. m © m m m ® m m ARCHITEKT: CURT LESCHNITZER, BERLIN. m m m AUSFÜHRUNG DER BRONZETÜR DURCH WEISS & SAMEK, BERLIN-WILMERSDORF. ABB. 226. 159 m WOHNHAUS BRESLAUER, DAHLEM-BERLIN, m ARCHITEKTEN: B RESLAUER & SALINGER, BERLIN. B.A.W. XIV. 4. i6o ABB. 227—229. m WOHNHAUS BRESLAUER, DAHLEM-BERLIN. © ARCHITEKTEN: BRESLAUER & SALINGER, BERLIN. ABB. 230. 161 © WOHNHAUS BRESLAUER, DAHLEM-BERLIN, m ARCHITEKTEN: BRESLAUER & SALINGER, BERLIN. ABB. 231 l62 m WOHNHAUS BRESLAUER, DAHLEM-BERLIN, m ARCHITEKTEN: BRESLAUER & SALINGER, BERLIN. ABB. 232. 163 m WOHNHAUS BRESLAUER, DAHLEM-BERLIN, m ARCHITEKTEN: BRESLAUER & SALINGER, BERLIN. ABB. 233, 164 1 1" & WOHNHAUS BRESLAUER, DAHLEM-BERLIN. @ ARCHITEKTEN: BRESLAUER & SALINGER, BERLIN. *""T Bücherbesprechungen von Cornelius Gurlitt. Zum Wesen des Barock. Eine Auseinandersetzung. Um sich eine genauere Vorstellung vom Malerischen nach SchmarsQws Ansicht zu machen, muß man schon «ein Buch über dieses Thema lesen. Es ist seine Theorie im wesentlichen eine Fortbildung jener, die der Bildhauer Hildebrand in seinem Schriftchen ,,Das Problern der Form" gab. Bei Burger ist das Malerische wieder etwas anderes, nämlich „das systematische Aufheben der stofflichen Undurchdringlichkeit und geschlossenen Körperlichkeit, dagegen ein Inbeziehungsetzen zu dem unendlichen umgebenden Raum." Die Ansichten über das Wesen des Malerischen sind eben so verschieden, daß WÖlfflin in der zweiten Auflage seines Buches darauf verzichtet, sich mit Schmarsow über diese Frage auseinanderzusetzen, da es ihm an Raum fehle, Riegl hält Schmarsows Auffassung vom Verhältnis des Malerischen zum Architektonischen und Plastischen für ,,ganz verfehlt1' und die aus dieser gezogenen Schlüsse für „besonders unglücklich11. Ich nehme nicht Partei in dieser Sache, nicht bloß, weil mir der Raum, sondern auch, weil mir die Neigung dazu fehlt. Ich warte eben ab, was Wölfflin und Schmarsow über Riegl und Burger sagen werden. Ich stelle nur fest, daß nach ihrer Ansicht als deutliches Merkmal des Barock eine Eigenschaft nämlich das Malerische — zu gelten hat, von der die Gelehrten zunächst noch nicht sicher sagen können, was das Merkmal dieser Eigenschaft sei, was das Wort eigentlich bedeute. Eines ist demnach deutlich zu erkennen: den Herren ist es n i c h t gelungen, das Wesen der Stile so klar zu fassen, daß man nun zur reinlichen Scheidung gekommen sei. Alle drei nennen Michelangelo den Vater des Barock das ist nichts Neues aber bei einem setzt das Barock etwa 1510, beim anderen 1550, beim Dritten 1568 ein. Beim einen geht die Renaissance unmittelbar in das Barock über, der andere schiebt eine Hochrenaissance und der Dritte noch eine Spätrenaissance ein. Der eine sieht das Wesen des Barock in ..Massigkeit und Bewegung", der andere in einer Art, der Dritte in einer ganz anderen Art von ,,Malerischem". Ist Massigkeit ein Merkmal des Barock, so ist der Dresdener Zwinger nicht barock, wohl aber der Are de l'Etoile in Paris. Ist Bewegung das Merkmal, so ist der Palazzo Borghese nicht barock, wohl aber die Fassade der Certosa zu Pavia. Ist es Massigkeit u n d Bewegung, so gehören Alessi und Juvara ins Barock. Ist das Merkmal des Barock die malerische Haltung oder, wie Riegl dafür sagt, die ..sichtbare Farbigkeit", so scheinen mir viele Bauten der Deutschrenaissance farbiger als etwa die Barockfassaden Roms. Leider ist es so schwer, zu verstehen, was die Herren eigentlich meinen, daß ich mit diesen Beispielen vielleicht ihre Ansicht nicht treffe. Ob's anderen besser geht, ist abzuwarten! Einen starken Erfolg der gelehrt ästhetischen Untersuchungen finde ich in der kunstgeschichtlichen Literatur zunächst nicht: Geymüller, Durm, selbst Willich, die meisten Kunsthandbücher brauchen das Wort Barock im alten Sinne, trotz einiger höflicher Verbeugungen gegen die neuen Erklärungen: nämlich als Stil in einer bewußt von der Antike abweichenden, diese in ihren Wirkungen steigernden Formensprache. Fortsetzung. All diesen ist z. B. Vignola nicht, wie Wölfflin will, barock, sondern eher ein Gegner dieses Stiles; er ist vielmehr, um mit Willich zu sprechen, ein .,Epigone des Zeitalters von Bramante und Raffael", ein Meister der Spätrenaissance, dessen Regeln der Vater des Barockstils, Michelangelo, als Eselsbrücken mit Spott behandelte. Strzygowsky sieht Anfänge des Barock bereits in Raffael und hat namentlich hinsichtlich dessen gemalter Architektur sicher nicht unrecht. Durm setzt Vignola in ein „akademisches Zeitalter", das er für die Jahre 1540 bis 1580 zwischen Hochrenaissance und Barock einschiebt. Semrau behandelt die Architekten bis Maderna als solche der „Verzögerung und der Rückschläge*-, die erst mit diesem Meister der vorwärtsdrängenden Entwicklung wichen; der „volle Umschwung" zum Barock setzt bei ihm erst mit Bern in i ein. Ich nehme einen weiteren Meister heraus, um an ihm Riegls Auffassung vom Malerischen, die sich ungefähr mit der Burckhardts deckt, zu prüfen: Palladio. Ich wähle ihn, weil wir über ihn zwei neue Bücher besitzen, die sich mit derselben Aufgabe beschäftigen, dem Villenbau des Meisters. Das eine ist von einem Architekten Heinemann, das andere von einem Kunsthistoriker Burger, irre ich nicht, aus Schmarsows Schule. Heinemanns Arbeit bestand darin, die Umgegend von Vicenza zu bereisen, das, was sich von Palladios Villen erhielt, zu vermessen und seine Aufnahmen mit älteren zu vergleichen. Wer sich über des Meisters Kunst ein Urteil bilden will, wird gut tun, das Buch anzusehen. Lebte Riegl noch, so würde er seine Ansichten über das ..Malerische-' in Palladios Kunst, das im „Wegräumen der Wände" bestehen soll, vielleicht nochmals nachprüfen und vielleicht dazu kommen, zu erkennen, daß diese Ansichten einseitig aus dem ihm bekannten Material gezogen waren, daß er also nicht Palladio schildert, wie er war, sondern wie er ihm aus nicht ganz genügender Sachkenntnis erschien. Anders das Buch von Burger. Albert Haupt, der Architekt, hat in entschiedener Weise die Überhäufung des Buches mit Ästhetischem abgelehnt. (Repertorium für Kunstwissenschaft (Bd. 13, S. 266. 1910)), Wölfflin hat sich ihm darin angeschlossen. (Vgl. Monatshefte für die Kunstwissenschaft, III. 3. ig 10). Burger sieht Palladios Leistung im Villenbau und im allgemeinen in der Verneinung der freien, malerischen Schmuckweise; er sei von dieser zur strengen gelangt. Als „Malerisch" erscheint also Burger das „Formenkauderwelsch" der vorhergehenden Zeit, d. h. die Frührenaissance; das Gegenteil von dieser ist ihm die Kunst der körperlichen Massen. Malerisch ist also die Certosa zu Pavia, nicht aber das Barock. Palladio gehört nach ihm nicht zu diesem, sondern zur Hochrenaissance, Also was Burger Verneinungen des Malerischen nennt, ist für Schmarsow gerade das Malerische. Man fragt sich: Kommen wir wohl bei solcher Unsicherheit der Begriffe in der Erkenntnis weiter? Ich würde vielleicht den Umstand, daß bisher der Begriff ,,barock" nicht klar gefaßt worden ist, lebhafter bedauern, wenn nicht andere Begriffe ebenso unklar wären. (Fortsetzung folgt.) i66 Am 18, Juni d. J. verstarb im 64. Lebensjahre der Professor an der KÖnigl. Techn. Hochschule zu Berlin, Geheimer Regierungsrat Christoph Hehl. Wir werden im nächsten Hefte das Lebenswerk des Verstorbenen eingehend würdigen. :|: Am 14. Mai ist Baurat Prof. August Tiede im 77* Jahre nach längerem Leiden entschlafen. Mit ihm ging der letzte Berliner ..Tektone" zu Grabe, der seines Meisters Bötticheis Vermächtnis mit Eifer und Eigenart bis zuletzt auch literarisch zu verteidigen wußte. Das Hauptwerk Tiedes, der am 14. Juni 1834 in Berlin geboren wurde, ist die im Staatsdienste ausgeführte Gruppe der wissenschaftlichen Museen an der Invalideiustraße. Seine Altersmuße widmete der Entschlafene, einer der liebenswürdigsten Menschen, literarisch-ästhetischen Studien. * Der Bau des Charlottenburger Opernhauses, dessen Planung Herrn Stadtbaurat Seeling übertragen wurde, ist nunmehr für das Gelände der Bismarckstraßengesellschaft bei einem Aufwände von 3 Millionen Mark bestem Vernehmen nach gesichert. Glückliches Charlottenburg! In Berlin überläßt man die Kunst dem König und der Privatspekulation. Dieser Spekulation Kunst offenbart sich wieder herrlich in dem neuen Plane, eine große Attraktion, vulgo ,,Rummelplatz unter dem Namen ,,Traumland" nächst der Wullenweberstraße auf den früheren Judenwiesen nach New Yorker Vorbild zu errichten. Und das bei dem Rückgang des Lunaparkes und dem Zusammenbruch des Sportpalastes! * * Festsetzung des Bebauungsplanes für das Tempelhofer Feld. D a neue vom Herrn Geheimen Baurat Gerlach ausgearbeitete Bebauungsplan für das Tempelhof er Feld soll jetzt zur gesetzlichen Festsetzung gebracht werden. Wie wir erfahren, hat im Ministerium der öffentlichen Arbeiten die endgültige Beratung dieses Planes stattgefunden, zu der außer den Vertretern der Gemeinde Tempelhof und dem Herrn Geheimen Baurat Gerlach mehrere Vertreter der Reichsund Staatsbehörden und der Gemeinden Berlin und Schöneberg zugezogen waren. Die Beratungen endeten mit einer Einigung über die Planfestsetzung, der jetzt nur noch die beteiligten Gemeinden ihre Zustimmung erteilen müssen. * # * Die Einweihung der durch die Herren Architekten Dinklage, Paulus & Lilloe als Märkischer Backsteinbau im gotischen Stil neuerbauten Erlöserkirche, Wickinger Ufer No. 10, fand am Sonntag, den 14. d. M., unter Beisein Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen August Wilhelm von Preußen statt. Die Kirche faßt einschl. der Emporen 1000 Personen. Die Baukosten belaufen sich auf M. 230 000 einschl. künstlicher Fundierung. # •(! : : : Im Königlichen Kunstgewerbemuseum findet zurzeit die erste Ausstellung des Vereins Deutscher Buchgewerbekünstler statt. Künstler wie Orlik, Behrens, W e i ß , Steiner-Prag, Tiemann und viele andere sind r vertreten. *' + Am 24, Juni ist die katholische St. Clemenskirche auf dem Gelände eines großen, zwischen Königgrätzer Straße und Wilhelmstraße belegenen Grundstückes eingeweiht worden. Die Vorderhäuser sollen zu Wohnzwecken vermietet werden; außerdem ist noch ein großes Gesellenheim auf dem Hinterlande errichtet, um die Kosten der Anlage möglichst gut zu verzinsen. Ein Wettbewerb für Vorentwürfe zu einem Bebauungsplan für einen Teil der Stadt Hildesheim wird mit Frist bis 1. September d. J. ausgeschrieben. Dem Preisgericht gehören als Techniker die Herren an : Stadtbaurat a. D. Professor Brix und Geheimer Hofbaurat Professor Genzmer in Berlin, Königl. Baurat Herzig und Stadt bau rat Seevers in Hildesheim sowie Geheimer Oberbaurat THv 3"sV Stubben in Berlin. Drei Preise von 3000, 2000 und 1500 Mk. sind ausgesetzt, und mindestens zwei Entwürfe sollen zu je 750 Mk. angekauft werden. Die Unterlagen für diesen Wettbewerb sind vorn Stadtbauamte in Hildesheim für 5 Mk. zu beziehen, die dem Wettbewerber zurückerstattet werden. Hin Preisausschreiben zur Erlangung" von Entwürfen für ein Amtsgebäude der Sparkasse in Budweis in Süd-Böhmen erläßt die Direktion zum 15, September i g i 1 bei drei Preisen von 5000, 3000 und 1500 Kr. Im Preisgericht die Herren Rieh. Kr ist in us. Konservator der kaiserl, königl. Zentralkommisston in Budweis, Bez.-Ing. Anton Müller in Budweis, stä'dt. Baudirektor Jos. Mrkviczka daselbst. und Oberbau rat Professor Fried r. Ohmann in Wien. * Ein Komitee, das sich zur Aufgabe gemacht hatte, auf der Höhe von Westend, westlich von Charlottenburg, an der Berlin - Lehrter Eisenbahn, eine Bismarckwarte zu errichten, hatte zur E r l a n g u n g von Entwürfen einen engeren Wettbewerb unter den Herren Regierungs-Baumeister R. Leibnitz, Architekt Emil Schaudt und Prof. Dr. Bruno Schmitz ausgeschrieben. Die Preisrichter stellten fest, daß alle Entwürfe hervorragende künstlerische Eigenschaften aufweisen; jedoch wurde der Entwurf mit dem Kennwort : ,,Keiner war wohl treuer, reiner; näher stand dem König keiner, doch dem Volke schlug sein Herz. Ewig auf den Lippen schweben wird er - wird im Volke leben, besser als in Stein und E r z " als die wertvollste der drei Bearbeitungen erkannt und als Grundlage für die weitere Bearbeitung empfohlen. Als sein Verfasser ergab sich Herr Prof. Dr, Bruno Schmitz in Charlottenburg. Der Entwurf zeigt in einer ausgezeichneten, groß aufgefaßten polygonalen Ring-Architektur eine architektonische Weiterbildung des Gedankens der Feuerstätte. W i r werden die Entwürfe in unserem nächsten Hefte zu veröffentlichen in der Lage sein. .;, :iä Preisausschreiben für den Neubau eines Geschäftsgebä'udes der München er Rückversicherungs-Gesellschaft in München. Zu der Preisbewerbung werden Architekten deutscher Reichsangehörigkeit eingeladen. Die Gesellschaft behält sich den freien Entschluß vor, ob sie einen der preisgekrönten oder angekauften Entwürfe ausführen und inwieweit sie dieselben bei der Ausführung benutzen oder für diesen Zweck abändern will, desgleichen, ob und in welcher Weise sie den Architekten, dessen EntwLirf zur Ausführung gelangt oder bei der Ausführung benutzt wird, an den späteren Arbeiten sich beteiligen lassen will. Hauptzeichnungen 1 : 200, dazu ein Schaubild. Die Baukosten dürfen 2 000 000 Mk. keinesfalls überschreiten. Als Bauplatz ist das zwischen der Martius-, Königin-, Gedon- und Kaulbach-Straße in München gelegene Grundstück bestimmt.