als PDF - Deutschland und Europa
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1848 /49 Revolution Heft 35 · November 1997 D & E U R O PA DEUTSCHLAN Reihe für Politik, Geschichte, Geographie, Deutsch, Kunst »…bis es ein freies Volk geworden…« f Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg Inhalt DEUTSCHLAN D & E U R O PA Heft 35 · November 1997 Titelbild: Philipp Veit – Germania, 1848 Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg Herausgeber: Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, Direktor Siegfried Schiele Vorwort des Herausgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geleitwort des Ministeriums für Kultus und Sport . . . Autorinnen und Autoren dieses Heftes . . . . . . . . . . . 1 2 2 Einleitung: Europäische Dimensionen der . . . . . . . deutschen Revolution von 1848/49 3 I. Polenbegeisterung in Deutschland 1848/49? . 1. Erläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Materialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 6 7 II. »Wo die Revolution ist, da ist des Polen Vaterland.« Ein polnischer Oberbefehlshaber in Baden: Ludwig Mieroslawski . . . . . . . . . . . . 10 1. Erläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 2. Materialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 III. Robert Blum: Ein Tod in Wien – Tod der nationalen deutschen Revolution? . . . . . . . . . 14 1. Erläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 2. Materialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 IV. »Für eine europäische Republik«: Georg und Emma Herwegh 1848 . . . . . . . . . . 19 1. Erläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 2. Materialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 V. »Den Drachen Revolution töten« – Prinz Wilhelm von Preußen. Berlin – London – Karlsruhe: Ein Gegenrevolutionär unterwegs . . . . . . . . . 24 1. Erläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 2. Materialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Redaktion: Dr. Walter-Siegfried Kircher Anschrift der Redaktion: 70184 Stuttgart, Stafflenbergstraße 38, Telefon (07 11) 23 71-381/-391, Telefax (07 11) 23 71- 496 Beirat: Robert Bosch Stiftung GmbH, Stuttgart, Günter Gerstberger Dr. Almut Satrapa-Schill Ministerium für Kultus und Sport, Klaus Happold, Ministerialrat Prof. Dr. Lothar Burchardt, Universität Konstanz Dietrich Rolbetzki, Oberstudienrat, Filderstadt Lothar Schaechterle, Studiendirektor, Stetten i. R. Landeszentrale für politische Bildung, Dr. Walter-Siegfried Kircher VI. »Gleiche Rechte und Chancen!« Revolutionäre Frauen in Deutschland und Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 1. Erläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 2. Materialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 VII. Revolutionäre in der Emigration: »Auswurf Europas« oder Kämpfer für Freiheit und Recht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 1. Erläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 2. Materialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 & E U R O PA erscheint zweimal im Jahr D E U T S C H L A N&D Deutschland Europa Jahresbezugspreis DM 12,– Satz: Vaihinger Satz + Druck GmbH 71665 Vaihingen Druck: Reclam Graphischer Betrieb GmbH 71254 Ditzingen Auflage: 17 000 Nachdruck nur mit Genehmigung der Redaktion Mit finanzieller Unterstützung des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport, der Stiftung für Bildung und Behindertenförderung und der Robert Bosch Stiftung. VIII. Großbritannien und die deutsche Revolution 1848/49 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 1. Erläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 2. Materialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 IX. Nachwirkungen der Revolution . . . . . . . . . . . . 44 1. Erläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 2. Materialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Auswahlbibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 AV-Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Hinweise Die Hefte werden nur in geringer Anzahl an die Schulen verteilt. Zusätzliche Exemplare können bei der Landeszentrale für politische Bildung, Redaktionssekretariat Deutschland und Europa, Fax (0711) 23 71- 496, oder schriftlich (Umschlagseite ☞ Bestellungen) nachgefordert werden. 1 Vorwort des Herausgebers Über dem Präsidentenpult in der Frankfurter Paulskirche hing als Hoheitszeichen für die Nationalversammlung ein über vier Meter hohes Transparent, die Germania, 1848 von Philipp Veit gemalt (siehe Titelbild). Die schwarz-rot-goldene Trikolore mag den Eindruck der rein innenpolitischen Ausrichtung der deutschen Revolution von 1848/49 erwecken. Doch diese isolierte Betrachtungsweise trügt. Weniger bekannt ist, daß der in der Paulskirche rechts des monumentalen Germania-Gemäldes angebrachte Vierzeiler auf die internationale Dimension der Freiheitsbewegungen hinweist, wie in den Kapiteln I und II des vorliegenden Heftes erläutert wird. Auch der Untertitel »...bis es ein freies Volk geworden...«, ein kleiner Ausschnitt aus einer Rede Robert Blums in der Frankfurter Nationalversammlung im Juli 1848, muß im Gesamtzusammenhang gelesen und interpretiert werden, damit der europäische Wirkungszusammenhang deutlich wird (vgl. Einleitung: »Europäische Dimensionen der deutschen Revolution von 1848/49« und Kapitel III: »Ein Tod in Wien...«). Damit sind die Intentionen des vorliegenden Heftes angedeutet. Mit einer gezielten, vorwiegend biographisch ausgerichteten Auswahl von Materialien sollen außer den südwestdeutschen und nationalen auch die europäischen Aspekte der Revolution von 1848/49 zur Sprache kommen. Für die Freiheit und Einheit sich einsetzende Menschen werden in den Mittelpunkt gerückt. Aber auch ein Gegenrevolutionär in Gestalt des »Kartätschenprinzen« (des späteren Kaisers Wilhelm I.) wird vorgestellt (Kapitel V). Gustav Heinemann rief als Bundespräsident dazu auf, »in der Geschichte unseres Volkes nach jenen Kräften zu spüren ... , die dafür gelebt und gekämpft haben, damit das deutsche Volk politisch mündig und moralisch verantwortlich sein Leben und seine Ordnung selbst gestalten kann ...«. Dazu gehören auch »revolutionäre Frauen«, die mit ihren Wünschen, Hoffnungen und Enttäuschungen zu Wort kommen (Kapitel IV und VI). Grenzüberschreitungen und wechselnde Schauplätze (Südwestdeutschland, Berlin, Wien, London, USA/Kapitel VII) betonen immer wieder die europäischen und internationalen Aspekte der Geschehnisse. Die Gefahr eines europäischen Krieges wird am Beispiel der Haltung Großbritanniens diskutiert (Kapitel VIII). Abschließend beleuchtet Kapitel IX anhand der Jubiläumsfeiern 1873 bis 1948 die Wirkungsgeschichte der Revolution. In der vorliegenden Zeitschriftenreihe war bereits Heft 2/1984 der Revolution von 1848/49 gewidmet. Landeskundliche und nationale Schwerpunkte (»Baden und Mitteldeutschland«) standen im Vordergrund (das Heft ist vergriffen). Die Reihe »Die deutsche Frage im Unterricht« erfuhr mit 1989/1990 eine programmatische Erweiterung in Richtung »Deutschland und Europa«, ohne daß gegebene landespolitische und landesgeschichtliche Bezüge, wie dieses Heft veranschaulicht, wegfielen. Möge es angesichts der 1997-1999 stattfindenden zahlreichen lokalen, regionalen und nationalen Veranstaltungen und Feiern und auch über diesen Zeitraum hinaus daran erinnern, daß die Revolution »Teil eines gemeinsamen europäischen Erbes« ist (Wolfram Siemann, Einleitung). Siegfried Schiele Direktor der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg Ernst Jung 75 Jahre Der frühere Projektleiter dieser Zeitschrift, Professor Ernst Jung, wurde im September 1997 fünfundsiebzig Jahre alt. Herausgeber und Beirat gratulieren ihm herzlich. Bis zu seinem Ausscheiden 1994 setzte sich Ernst Jung als maßgeblicher Mitinitiator dieser Reihe unermüdlich für sie ein. Wir wünschen Ernst Jung weiterhin gute Gesundheit und Schaffenskraft. Siegfried Schiele 2 Geleitwort des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport Die Revolution von 1849/49 kennzeichnet eine bedeutende Station deutscher Geschichte auf dem schwierigen und langwierigen Weg zu nationaler Selbstbestimmung, zu Einheit und Freiheit, politischer Partizipation und zum Entwurf einer demokratischen Verfassung, gegründet auf der Garantie der Menschenrechte, auf Rechtsgleichheit und sozialer Gerechtigkeit. Im Zusammenhang der Ereignisse jener Zeit zwischen Restauration einerseits und der Begründung der preußischen Hegemonie andererseits werden – wie in einem Fokus – die vielfältigen Probleme sichtbar, die sich mit der Verwirklichung der Idee eines modernen, freiheitlich-rechtsstaatlichen Gemeinwesens verbanden. Anzusprechen sind übergreifend Fragen der nationalen Einheit – zum Beispiel anknüpfend an Plessners Thematisierung Deutschlands als »verspätete Nation« und dem sich daraus letztlich bis zur Wiedervereinigung ergebenden »deutschen Sonderweg in die Moderne« – ebenso, wie grundlegende Probleme der Struktur demokratisch-rechtsstaatlicher Verfassungen oder Forderungen nach größerer sozialer Gerechtigkeit. Gesamteuropäische Dimensionen politischer und gesellschaftlicher Ideen und Zielsetzungen, die diese Revolution charakterisierten, gewinnen – das Heft verweist darauf – vor dem Hintergrund des aktuellen europäischen Integrationsprozesses neue, interessante Perspektiven. Im Unterricht an der Schule eröffnen sich bei der Behandlung der damaligen Ereignisse in besonderer Weise didaktische Möglichkeiten, die Geschichte Deutschlands im 19. Jahrhundert durch die Anbindung an lokale und regionale Bezüge unmittelbar, anschaulich und interessant zu vermitteln: Waren es doch auch gerade die konstitutionell verfaßten süddeutschen Staaten mit ihren ständischen Volksvertretungen und liberalen Traditionen, die im Verlauf der Revolution von 1848 eine zentrale Rolle beanspruchten. Namen wie Struve, Hecker, Blum oder Herwegh gehören heutzutage zur Grundausstattung nicht nur landesgeschichtlicher Allgemeinbildung. Das Heft trägt durch die facettenreiche, vielschichtige Präsentation der Revolutionsereignisse von 1848/49 sicherlich dazu bei, Schülerinnen und Schülern – ausgehend vom unmittelbaren Geschehen im engeren Heimatraum – fortwirkende geschichtliche Zusammenhänge zu verdeutlichen und ihnen – in nationalstaatlicher wie gesamteuropäischer Dimension – die historischen, geistigen und politischen Wurzeln von Rechtsstaatlichkeit, Freiheit und Demokratie in Deutschland bewußt zu machen. Klaus Happold Ministerialrat Autorinnen und Autoren dieses Heftes: Dr. Christine Bütterlin, OStR, Rastatt (VII. Revolutionäre in der Emigration: »Auswurf Europas« oder Kämpfer für Freiheit und Recht?) Dr. Herbert Kraume, OStR, Freiburg (IV.«Für eine europäische Republik«: Georg und Emma Herwegh 1848 /IX. Nachwirkungen der Revolution) Karin Merz, AdL, Karlsruhe (VI. »Gleiche Rechte und Chancen«: Revolutionäre Frauen in Deutschland und Frankreich) Dr. Leonhard Müller, Präs. i.R., Karlsruhe (VIII. Großbritannien und die deutsche Revolution 1848/49) Roland Obenland, StD, Rastatt (III. Robert Blum: Ein Tod in Wien – Tod der nationalen deutschen Revolution?) Dr. Christof Rieber, StR, Mengen (Federführung / I. Polenbegeisterung in Deutschland 1848/49 / II. »Wo die Revolution ist, da ist des Polen Vaterland.«.../ V. »Den Drachen Revolution töten« - Prinz Wilhelm von Preußen...) Prof. Dr. Wolfram Siemann, Universität München, Institut für Neuere Geschichte (Einleitung: Europäische Dimensionen der deutschen Revolution von 1848/49) Elena Wallis, GLehrerin, Rastatt (VII. Revolutionäre in der Emigration: »Auswurf Europas« oder Kämpfer für Freiheit und Recht?) Maria Würfel, GProf, Schwäbisch Gmünd (V. »Den Drachen Revolution töten« - Prinz Wilhelm von Preußen. Berlin-London-Karlsruhe: Ein Gegenrevolutionär unterwegs) D E D E U T S C H L A Nund&Europa U R O PA : Dr. Walter-Siegfried Kircher Leiter des Projekts »Deutschland Mitarbeiter der Werkstattseminare »1848/49 Revolution« vom 1. - 2. März 1996 in Neckartenzlingen vom 11. - 12. Oktober 1996 in Rastatt vom 21. - 22. Februar 1997 in Rastatt die oben genannten Autorinnen und Autoren, außerdem: Günter Buchwald, Freiburg (WS I in Neckartenzlingen) und Dr. Annette Reiter, Marburg (WS II in Rastatt) 3 »…bis es ein freies Volk geworden…« 1848/1849 Revolution I. Europäische Dimensionen der deutschen Revolution von 1848/49 »... daß Deutschland nicht eher Geltung in dem Bunde europäischer Völker gewinnen könne, als bis es ein freies Volk geworden« – diese Vision beschwor der Abgeordnete der Demokraten Robert Blum am 22. Juli 1848 in der Frankfurter Nationalversammlung. Und er fügte hinzu: »Der Gedanke der Befreiung und Erlösung der Völker [...], der Gedanke der neuen Französischen Revolution soll und wird ebenfalls Propaganda machen in der ganzen Welt, und ich hoffe, er wird sie ausdehnen über Moskau hinaus und das Licht der Freiheit auch in jene Länder tragen, die jetzt noch schlummern in der tiefsten Knechtschaft [...]. Das Ziel einer Verbrüderung des freigewordenen oder freiwerdenden Westens, das ist es, dem ich meine Stimme leihe«. Diese Vision leiht auch dem vorliegenden Heft den Titel. Sie trägt utopische Züge und ist gefärbt durch religiöse Anspielungen. Sie zeigt, wie anziehend und befremdlich zugleich das historische Erbe dieser ersten deutschen Revolution ist: Sie bietet Anknüpfungspunkte, die außerordentlich modern und zeitgemäß klingen: ein freies Volk in einer parlamentarischen Demokratie, orientiert an den Verfassungskonzepten Westeuropas, friedlich mit den benachbarten Nationen zusammenlebend. Doch zugleich klingt eine Bedenkenlosigkeit an, die Revolution voranzutreiben und mit einem großen europäischen, bis nach Moskau reichenden Krieg zu verknüpfen, um das alte System der östlichen Vormächte – Rußland, Österreich und Preußen – zu brechen. Blum schrieb an seine Frau Jenny: »Hoffentlich bricht der Krieg in einigen Tagen aus. [...] Hoffentlich wird Friedrich Wilhelm IV. das Schicksal Ludwigs XVI. haben.« Hier offenbart das damals gefeierte nationale Prinzip seine gewalttätige Seite, deren Sprengkraft den damaligen Zeitgenossen noch nicht bewußt war, welche nach den Erfahrungen dieses Jahrhunderts aber keine unbefangene Identifikation mehr mit den Worten Blums erlaubt. Nähe und Distanz: dazu verpflichtet der Umgang mit dem Erbe, das sich nicht einfach in konkrete Anweisungen für den heutigen politischen Alltag ummünzen läßt, das aber doch aus der historischen Erfahrung heraus langfristig wirkendes Orientierungswissen vermitteln kann. Die Worte Blums dokumentieren zugleich, daß bereits den tieferblickenden Beobachtern von 1848 jener europäische Wirkungszusammenhang bewußt war, in dessen Dynamik, Ausbruch, Verlauf, Scheitern und langfristige Folgen auch die deutsche Revolution eingebettet war. Dieses Heft schenkt jener europäischen Dimension besondere Aufmerksamkeit – zu Recht; auch die neueste historische Forschung betont, wie wichtig gerade die – lange vernachlässigten – europäischen Perspektiven in diesem Zeitalter der entstehenden Nationalstaaten waren. Mit der Einigung des europäischen Kontinents seit 1989 greifen Historikerinnen und Forscher aus Ost und West diese alten Fäden des Zusammenhangs verstärkt wieder auf. Es sind insgesamt acht Aspekte, welche den Ereignissen von 1848 europäische Dimensionen zu verleihen imstande waren. In einem knappen Überblick soll deshalb vorab skizziert werden, was das Thema Die deutsche Revolution von 1848/49 und Europa alles umfaßt. Es werden die strukturellen Gemeinsamkeiten herausgestellt, welche mehrere europäische Staaten zugleich tangierten und dort revolutionäre Kräfte begünstigten oder freisetzten. Die sozialökonomische Krise Als erste Gemeinsamkeit ist die sozialökonomische Krise vorindustrieller, handwerklicher Berufe zu nennen; sie beruhte auf der vormärzlichen Übervölkerung ganzer Regionen und begünstigte die beginnende Proletarisierung der Großstädte sowie weiter Teile des flachen Landes. Europäisch daran war der endgültige Zusammenbruch der alten Ständeordnung, die zugleich Rechts-, Lebens- und Sozialordnung war. Pauperismus, Industrialisierung, Marktorientierung von Berufen und Klassen sowie die langanhaltende Krise des Handwerks sind die neuen Begriffe, die den tiefgreifenden Wandel der beiden vorrevolutionären Jahrzehnte fassen. Wo diese Probleme in der Bewegung von 1848/49 gipfelten, äußerte sich diese der Art nach weniger als Akt politischer Befreiung, mehr hingegen als gesellschaftliche Krise, und man kann noch verstärken: Diese Krise orientierte sich vorwiegend nach rückwärts – als Abwehr gegenüber dem Neuen –, äußerte sich in Maschinenstürmen, Judenverfolgungen oder Forderungen nach Zunftschutz des Handwerks vor der Konkurrenz des Kapitals. Die Bewegung von 1848/49 war ihrem Wesen nach zwiespältig: Abwehrkrise und Emanzipationskampf. Das Erbe verweist nicht allein auf unsere Gegenwart, sondern zugleich zurück auf den Niedergang einer uns fremdgewordenen vormodernen Welt. Hungerkrisen Eine zweite europäische Dimension wird faßbar in den Mißernten – eine Folge der sich über Europa ausbreitenden Kartoffelfäule – und in den nachfolgenden Hungerund Teuerungskrisen der Jahre 1845 und 1846, gipfelnd 1847. Auch die Reaktionen im Vorfeld der Revolution nahmen europäische Dimensionen an. Sie äußerten sich einesteils in regional zerstreuten, stoßweise sich ausbreitenden Hungertumulten, andernteils in einer vehement ansteigenden Auswanderungswelle in der zweiten Hälfte der 1840er Jahre, die ja den Namen der »hungry forties« erhalten haben. Hier existierte bereits lebhafter Kontakt nach Übersee, bevor das politische Exil von 1849 ihn verstärkte. Am schlimmsten war die Not vor der Revolution in Irland, aber Hungersnöte in deutschen Regionen – nicht zuletzt in Schlesien – hatten große öffentliche Resonanz gefunden. 4 Internationale Konjunkturkrise Die neuere Forschung zur Wirtschaftsgeschichte hat eine dritte Dimension stärker bewußt gemacht, nämlich die beginnende internationale Verflechtung der Handelsund Geldströme. Besonders Hans-Ulrich Wehler in seiner Gesellschaftsgeschichte hat für die Jahre zwischen 1845 und 1848 eine – wenn auch abgeschnittene – internationale Konjunkturkrise nachgewiesen, welche die überkommenen Hungerkrise noch überlagerte und im April 1848 zu einer Streikwelle in mehreren deutschen Städten führte. Viele einzelne zusammengetragene Daten bestätigen einen tiefgreifenden Vorgang, der bereits Friedrich Engels im Rückblick zu dem – gewiß überspitzten – Urteil veranlaßte, »daß die Welthandelskrise von 1847 die eigentliche Mutter der Februar- und Märzrevolutionen« gewesen sei. Kampf um Recht und Verfassung Eine vierte europäische Dimension liegt in der Systemverwandtheit konstitutioneller Forderungen. Dazu existierten mehrere Anhaltspunkte: in der französischen Charte constitutionnelle von 1814, die Vorbild für alle einzelstaatlichen Verfassungen im vormärzlichen Deutschland wurde, ja sogar in der Deutschen Bundesakte von 1815, die in ihrem berühmten Artikel 13 verhieß: »In allen Bundesstaaten wird eine landständische Verfassung stattfinden«. Sprengkraft erhielt dieses Prinzip durch die unerfüllten bürgerlichen Forderungen nach hinreichender politischer Beteiligung in den Staaten der monarchischlegitimistischen Restauration seit 1815. Überall entwickelten sich innere politische Kämpfe zum Kampf um eine neue Ordnung auf der Basis einer geschriebenen Verfassungsurkunde. Der revolutionäre Kampf äußerte sich auf diese Weise europaweit als Kampf um Recht und Verfassung – um Bürgerrechte und Konstitution. Das war bereits in der Julirevolution von 1830 so, noch stärker geschah das aber in der Anlaufphase der Revolution von 1848, die ihren Ausgangsimpuls ja nicht aus Frankreich, sondern aus der Schweiz und aus Italien erhielt. Stets ging es um Revision oder Erlaß einer neuen Verfassung: Nach dem Sonderbundskrieg im November 1847 konstituierte sich die ehedem staatenbündlerische Schweiz als Bundesstaat mit fester Zentralgewalt und einer Bundeshauptstadt in Bern. Die Revolution errang am 16. Februar 1848 einen weiteren Sieg in Palermo, als König Ferdinand II. von Neapel-Sizilien eine Verfassung erließ. Der Zusammenbruch der Julimonarchie in Frankreich entzündete sich am 22. Februar 1848 an Demonstrationen für die Wahlreform und veranlaßte einen Systemwechsel hin zur Republik. Im Zentrum der in Deutschland umlaufenden sogenannten »Märzforderungen« standen verfassungspolitische Forderungen: Grundrechte, besonders Presse- und Versammlungsfreiheit, Geschworenengerichte, Volksbewaffnung – was immer Unterschiedliches man auch darunter verstand – und Wahlen zu einem nationalen Parlament. Die Krise des internationalen Systems von 1815 Eine fünfte europäische Dimension liegt im Charakter der traditionellen internationalen Politik, gestützt auf völkerrechtliche Verträge und Beziehungen. Den zeitgenössischen Politikern, voran Metternich, war sogleich klar, daß im Frühjahr 1848 zugleich das auf dem Wiener Kongreß begründete internationale System auf dem Spiel stand. Hier handelte es sich um die Politik zwischen europäischen Staaten, und als ein solcher zählte auch der Deutsche Bund, der 1815 als völkerrechtliches Subjekt aus der Taufe gehoben worden war. 1848 stand er zur Disposition; schließlich übertrug er der revolutionären Provisorischen Zentralgewalt in Frankfurt alle Kompetenzen. Die Initiative dazu war von der Frankfurter Nationalversammlung ausgegangen. Ihre eigentliche Bestimmung war, eine Reichsverfassung für ganz Deutschland zu entwerfen. Mit ihrer ersten großen Tat griff die Nationalversammlung weit darüber hinaus, indem sie eine nationale Regierung etablierte. Das war ein revolutionärer Akt. Am 28. Juni 1848 begründete die Nationalversammlung eine Reichsregierung, bestehend aus einem Reichsverweser, einem Ministerpräsidenten und Reichsministern für das Äußere, Innere, die Finanzen, Justiz, den Handel und Krieg. Damit bürdete sich die Nationalversammlung in mehrfacher Hinsicht eine Hypothek auf. Sie bemühte sich gegenüber dem Ausland um völkerrechtliche Anerkennung. Mit Frankreich tauschte man lediglich offiziöse Vertreter aus; dort erkannte man die neue Zentralgewalt nicht an. Die englische Königin Victoria und ihr deutscher Prinzgemahl Albert hegten anfangs Sympathien für das Einigungswerk. Diese verkehrten sich jedoch beim englischen Kabinett ins Gegenteil, als sich die Zentralgewalt, getragen von einer Woge der Begeisterung in der Öffentlichkeit, in den Krieg um Schleswig-Holstein einschaltete. Als einzige Großmacht erkannten die Vereinigten Staaten die Reichsgewalt sofort an. Unter den kleineren Staaten folgten Schweden, die Niederlande, Belgien, Sardinien, Neapel, Griechenland und die Schweiz. In der Gesamtbewertung ist sich die Forschung heute einig, daß die Revolution und auch das Einigungswerk nicht an einem apriorischen Widerstand der europäischen Mächte gegen die deutsche Einheit gescheitert seien. Wie die Rede Robert Blums bereits erkennen ließ, stieß die Revolution von 1848/49 an den Rand eines möglichen großen europäischen Kriegs, welcher den Durchbruch des Nationalitätenprinzips hätte entfesseln und eine spätere Entwicklung im 19. Jahrhundert hätte vorwegnehmen können. Die europäischen Mächte, voran England und Rußland, hatten dem entgegen gewirkt. Im Zentrum dieses Konflikts stand der Streit um Schleswig. Die Politik der europäischen Verfolgung Eine repressive Variante dieser internationalen Politik war die konzertierte Aktion der Gegenrevolution. Hier beteiligten sich Österreich, Rußland, seit 1850 in polizeilicher Kooperation auch Frankreich und Belgien. Diese Politik der europäischen Verfolgung – und der Niederringung der europäischen Revolution – stiftete eine sechste Dimension, welche ihrem europäischen Charakter entsprach: das europäische Exil. Die Schweiz und das Elsaß dienten vorübergehend dem Schutz, London entwickelte sich zum zentralen Durchgangsort, die USA zum eigentlichen Fluchtort. England und die Vereinigten Staaten bildeten im Vergleich zu den anderen zufluchtgewährenden Staaten einen Sonderfall, da sie völlige Einwanderungs- und Niederlassungsfreiheit gewährten, also praktisch ein Anrecht auf Asyl. Den Revolutionsflüchtlingen von 1849 5 wurde im Gegensatz zu ihren Vorgängern der 1830er Jahre das politische Asyl auf Dauer in den westeuropäischen Staaten des Kontinents – anders als in England – weitgehend verweigert. Allerdings erhielten die Flüchtlinge in England keine finanzielle Unterstützung. Fanden sie kein Auskommen, waren sie gezwungen, in die USA weiterzuziehen. Frankreich und die Schweiz verweigerten in der Regel dauerhaftes Asyl, finanzierten aber die Auswanderung der Revolutionsflüchtlinge. Der europäische Charakter des Nationalismus Eine siebte Dimension hängt mit dem europäischen Charakter des Nationalismus zusammen. Für viele Nationalitäten bildete sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts der Mythos der »unerlösten« Nation; dazu waren in erster Linie die Griechen, Italiener, die Ungarn, die Polen, darüber hinaus auch die Tschechen und nach dem Wortlaut mancher oppositioneller Propaganda auch die Deutschen zu rechnen. Die Wurzeln dieses Nationalismus lagen in der Französischen Revolution von 1789, welche das Vorbild für nationale Symbole, Farben und Fahnen stiftete. Im Vormärz entwickelte sich unter dem System der Restauration der weitere Mythos des »Völkerfrühlings«. In den 1820er Jahren äußerte er sich europaweit in der Bewegung des Philhellenismus, in den 1830er Jahren nach dem gescheiterten Warschauer Aufstand vom November 1830 in der gemeineuropäischen Welle der Polenfreundschaft. Diese vormärzliche Utopie zerbrach an der 1848 nun plötzlich sichtbaren Möglichkeit, die Nationalität in die Staatsnation zu überführen. Hans Rothfels hat einmal treffend die Nationalitäten des 19. Jahrhunderts als »eine Art Nationsanwärter« bezeichnet: als ethnische Minderheiten, die nach mehr Eigenständigkeit strebten und ihre politische Einheit noch suchten. Einschneidend zeigte sich das am Beispiel der deutschen Polenfreundschaft. Am 20. März 1848 waren unter dem Druck Berliner Revolutionäre die polnischen politischen Gefangenen aus preußischer Haft freigelassen worden. Ihr Wortführer, der Offizier Ludwig von Mieroslawski, stellte sich an die Spitze eines polnischen Unabhängigkeitskampfes in Posen und warb dort für eine nationalpolnische Armee mit der Parole: »Laßt uns dem zaristischen Rußland im Bunde mit dem befreiten Deutschland entgegentreten«. Noch im Frankfurter Vorparlament befürworteten die versammelten Landtagsabgeordneten mit überwältigender Mehrheit die Wiederherstellung Polens als Staat. Selbst das preußische Märzministerium hatte die »nationale Reorganisation« Polens verheißen. Anfang Mai 1848 verleugneten preußische Truppen das ursprüngliche Versprechen und intervenierten in Posen. Preußische Soldaten zwangen die polnischen Streitkräfte zur Kapitulation und hatten die erste Probe im Kampf gegen Revolutionäre bestanden. Seit dem 4. Juni 1848 trennte eine Demarkationslinie die Provinz Posen. Die Paulskirche hat sie danach bestätigt. Den wortgleichen Antrag des Vorparlaments, Polen als Staat wiederherzustellen, lehnte sie nun mit Mehrheit ab. Es gilt auf das Prinzipielle zu achten: Immer wenn es darum ging, über die Zugehörigkeit von Territorien zu entscheiden und Grenzen zu ziehen, enthüllte der moderne Nationalismus seine zerstörerische, kriegsträchtige Sprengkraft. Es kennzeichnete die Nationalitätenkonflikte der nachfolgenden Zeit, daß jede Seite sich im Recht fühlte und versuchte, die gesamte Nation zu mobilisieren: die Fraktion der Eiderdänen in der dänischen Ständeversammlung, die deutsche Bevölkerung Schleswigs, die sich auf uraltes historisches Recht berief. Revolution und Krieg verbanden sich auf gefährliche Weise. Gerade die Demokraten, die sonst das Selbstbestimmungsrecht der Nationalitäten und das friedliche Miteinander der Nationen beschworen – eben den »Völkerfrühling« -, erkannten in dem Krieg um Schleswig einen erneuten gewaltigen Impuls für den Fortgang der Revolution. Sie hofften auf einen großen europäischen Befreiungskampf gegen das Zarenreich als die dominierende Macht im noch nicht vollends erschütterten System der »Reaktion«. Das Interessante an dem Vorgang ist, daß sich auch die Zeitgenossen dieser Entzauberung der Utopie vom Völkerfrühling bewußt wurden. Dieter Langewiesche nennt es den Weg vom Traum des Völkerfrühlings zum Alptraum der Nationalitäten und macht hierfür auf ein hervorragendes Zeugnis aus der Hand des Peter Frank-Döfering, eines Wiener Studenten aus Czernowitz, aufmerksam. Frank-Döfering registrierte die Begeisterung eines Kommilitonen über den Sieg des Generals Graf Radetzky über die Italiener und schrieb dazu in sein Tagebuch: »Damit ist also die Gefahr aus dem Süden für unser Kaiserreich vorläufig gebannt, allein es bleibt ein seltsames Gefühl in den Herzen zurück, denn erinnert man sich an die Monate zuvor, so weiß ich von Verbrüderungen und Schwüren der ewig währenden Freundschaft. Solche Ewigkeit hatte allerdings ein kurzes Leben gehabt. Jetzt kehrt sich aber alles ins Gegenteil. Es scheint, als ob diese Szenen, welche ich selbst geschaut, ganz im Pulverrauch des Schlachtfeldes aufgegangen wären. Ist es nicht oft so, liebes Väterchen, daß die Freiheit des einen die Unfreiheit des andern bewirken kann, so ist die Sache in Italien ebenso der Italiener Freiheit, aber auch die Bedrohung unseres deutschen Tirols. Es ist also schier zum Verzweifeln an solchen Fragen der Politik und der Philosophie. Was letztere wohlmeinend konstrurierte, kann die rauhe Politik ganz greulich verunstalten.« »Von der Einheit der Nation zur Zwietracht der Nationalitäten« – auf diese Formel ließe sich das Dilemma bringen. Es gab aber auch Gegenpole, und auf diese ist zu achten, um nicht ein Schwarz-Weiß-Gemälde zu produzieren, wie es der historischen Realität nicht entspricht. Der Prager Historiker und Exponent böhmischer Autonomie, Franz Palacky, schrieb am 17. April 1848, die kleinen Nationen besäßen in dem »Völkerverein« der Donaumonarchie ihren natürlichen Schutz: »Wahrlich, existierte der österreichische Kaiserstaat nicht schon längst, man müßte im Interesse Europas, im Interesse der Humanität selbst sich beeilen, ihn zu schaffen.« Es zeigt die ganze Paradoxie der Situation: Nichtdeutsche Nationalitäten, die später den Bestand der Habsburgermonarchie sprengten, erwiesen sich 1848 noch als deren Stütze, nicht nur die Tschechen und Slowaken, auch die Kroaten; aus ihnen rekrutierten sich die Truppen, welche die Wiener Oktoberrevolution im Herbst 1848 erfolgreich niederzuschlagen halfen. Der europäische, übernationale Charakter Österreichs wurde gewissermaßen als Präfiguration eines Völkerbundes begriffen. Nichtdeutsche Minderheiten waren bestrebt, sich von dem ursprünglichen Staatsverband, dem Deutschen Bund, loszusagen, um ihre nationale Eigenständigkeit bewahren zu können. 6 Wenn auch die Woge der nationalen Leidenschaften hochging in der Frankfurter Nationalversammlung, fand man doch zu einem vorbildlichen zukunftsweisenden Beschluß in der Nationalitätenfrage im Innern. Der auf den Verfassungsstaat bezogene Nationalismus von 1848/49 bot den Schutz nationaler Minderheiten bei Achtung ihrer heimischen Sprachen und Religiosität. Das hatte die Reichsverfassung von 1849 als Grundrecht in ihrem Paragraphen 188 zugesichert. Ähnlich gelang der Ausgleich im Entwurf, den der Verfassungsausschuß des Wiener Reichstages für den Vielvölkerstaat der Habsburgermonarchie vorlegte. Beide Verfassungen traten in dieser Form nicht ins Leben, wiesen aber doch den Weg eines friedlichen Miteinanders verschiedener Nationalitäten in einem geeinten Staat. Im revolutionären Kampf offenbarte sich die Verbundenheit des ursprünglichen Völkerfrühlings noch einmal im Sommer 1849 in der badischen Revolution, als sich im Großherzogtum und in der Pfalz Revolutionäre aus vielen Nationalitäten zum gemeinsamen Abwehrkampf zusammenfanden. Der »pazifistische Internationalismus« Eine letzte – achte – europäische Dimension ist erst in jüngster Zeit richtig wahrgenommen worden. Es ist der »pazifistische Internationalismus« (Dieter Langewiesche). Im September 1848 fand in Brüssel ein erster internationaler Friedenskongreß statt, im August 1849 tagte man in Paris und ein Jahr später in der Paulskirche. Die Kongresse forderten die Staaten auf, abzurüsten, die stehenden Heere abzuschaffen, auf Interventionen zu verzichten und keine Kriege dritter Mächte zu finanzieren. Die in diesem Heft angebotene Auswahl an »Bausteinen« kann nicht alle europäischen Aspekte der deutschen Revolution von 1848/49 berücksichtigen, aber sie bringt doch wichtige in Quellen und Kommentar zur Sprache. Sie stellen handelnde Menschen in den Mittelpunkt: Ludwig Mieroslawski, Robert Blum, Georg und Emma Herwegh, Louise Otto, namenlose Frauen und Exilanten, den Prinzen Wilhelm von Preußen und viele andere. Sie spiegeln etwas von der Dynamik der Revolutionäre und ihrer Widersacher wider; sie dokumentieren die hochfliegenden Hoffnungen und Visionen, aber auch die harte Realität der politischen und militärischen Gewalten. Der »Völkerfrühling« und die Methoden der alten Gewalten, die Sprengkraft der Habsburgermonarchie, ihrer Generäle und Nationalitäten, die Utopie der »Volksbewaffnung« durch Milizen, die Forderung nach rechtlicher und politischer Mündigkeit der Frauen in Frankreich wie in Deutschland, das Fortwirken der Revolution – ungeachtet ihres gewaltsamen Endes – in der demokratischen Tradition der Vereinigten Staaten, die schwierige Balancepolitik einer Reichseinigung, welche das Völkerrecht zu achten bestrebt war – alle diese Mosaiksteine fügen sich zusammen zu einem Kaleidoskop, das einlädt, die Revolution in ihrer Komplexität zu betrachten und etwas mehr von dem zu verstehen, was sie heute ist: Sie ist Teil eines gemeinsamen europäischen Erbes, dessen sich in diesen Tagen unsere europäischen Nachbarn in Dänemark, Polen, Tschechien, Ungarn, Österreich, der Schweiz, Frankreich und England – je auf ihre Weise – gleichfalls erinnern. Wolfram Siemann I. Polenbegeisterung in Deutschland 1848/49? 1. Erläuterungen Deutsche und Polen gerieten 1848 wegen der Zukunft Posens, einer preußischen Provinz mit überwiegend polnischer Bevölkerung, in einen sich zunehmend verschärfenden Konflikt. Auf beiden Seiten loderte der Nationalismus heftig auf und bewog die Mehrzahl der deutschen Parlamentarier dazu, ihr Versprechen, ein national unabhängiges Polen zu schaffen, zu brechen. Die internationalistische Polenbegeisterung – im März noch von beiden Seiten in der Tradition des Völkerfrühlings beschworen – wich einer Ernüchterung. Dies kam in Preußen den konservativen Kräften zupaß. Die Ausgestaltung der Paulskirche im Frühjahr 1848 sollte die Macht des zu schaffenden einigen Deutschlands symbolisch ausdrücken. Hinter dem Präsidentenplatz hing vor rotem Samtvorhang der schwarze deutsche Doppeladler mit roten Zungen auf goldenem Grund. Darüber war als Bekrönung das 1848 von Philipp Veit innerhalb weniger Tage neu geschaffene, mehr als vier Meter hohe Monumentalgemälde angebracht, auf dem Germania dargestellt war, die Allegorie des zu schaffenden geeinten Deutschlands (vgl. Abbildung Titelseite). Mit Doppeladler als Brustschild und Eichenkranz im Haar sollte sie zugleich Macht, Kampfbereitschaft und nationale Ehre verkörpern. Das Schwert in ihrer Rechten ist von Lorbeer umwunden. Zu ihren Füßen liegen zersprengte Fesseln, ein Hinweis darauf, daß die neue Freiheit durch die Revolution erkämpft worden ist. Das Morgenrot erleuchtet den Hintergrund und symbolisiert den von Nationalgefühl getragenen Neubeginn. Im März 1848 hielten deutsche und polnische Revolutionäre die Verwirklichung des deutschen Nationalstaats M 1 (linker Vierzeiler) noch für vereinbar mit dem Gedanken des Völkerfrühlings bzw. Internationalismus M 1 (rechter Vierzeiler) und damit der Schaffung eines polnischen Nationalstaats M 3 . Vorparlament und Nationalversammlung in Frankfurt bekannten sich zu beiden Zielen M 1 , M 5 . Im Sommer 1848 dagegen, nachdem die deutsche Minderheit in Posen M 6 ihre Zugehörigkeit zu Deutschland gefordert hatte und im April und Mai 1848 ein polnischer Aufstand von Preußen militärisch unterdrückt worden war M 10 , beschloß die Mehrheit der Nationalversammlung, die Mandate der im Mai 1848 in Posen gewählten Abgeordneten anzuerkennen und Posen, abgesehen von dem kleinen für polnische Autonomie vorgesehenen Bezirk im Raum Gnesen, als Bestandteil Deutschlands zu akzeptieren M 7 . Damit sanktionierte sie die Teilung Posens. Der März 1848 steht noch im Zeichen des vormärzlichen Völkerfrühlings M 3 . Der König von Preußen muß am 20. März die eben aus dem Moabiter Gefängnis befreiten polnischen Patrioten vom Balkon des Berliner Stadtschlosses aus begrüßen M 2 . Sie waren wegen des Aufstandes von 1846 zu langen Haftstrafen verurteilt und wurden nun im Triumphzug durch Berlin geführt. Ihr Anführer Ludwig Mieroslawski (vgl. II.) beschwor voller Pathos die Solida- 7 rität des deutschen und polnischen Volkes gegen die Fürsten und einen revolutionären Krieg gegen Rußland zur Befreiung Russisch-Polens M 3 . Die Konservativen waren über die Verbrüderung Berliner Revolutionäre mit den Polen empört M 4 . Indessen ließ das Vorparlament die entscheidende Frage, wie Deutschlands Grenzen gegenüber Polen zu ziehen sind, offen, obwohl es Polens Recht auf einen eigenen Nationalstaat anerkannte M 5 . Seit April 1848 M 7 wurde auf deutscher Seite immer nachhaltiger gefordert, immer größere Teile Posens abzutrennen und zu Deutschland zu schlagen. Auch wurde immer deutlicher: keine der europäischen Großmächte mochte einen Krieg gegen Rußland zur Befreiung von RussischPolen unterstützen M 8 . Rußland sah im Erhalt dieser polnischen Gebiete ein nationales Anliegen. Die Polendebatte der Deutschen Nationalversammlung vom 24. bis 27. Juli 1848 M 9 zeigt, daß nur noch eine Minderheit internationalistisch für die Rechte der Polen auf einen eigenen Staat eintrat, während die Mehrheit Posen für den deutschen Nationalstaat beanspruchte. Jordans Rede wurde kontrovers aufgenommen und erregte erhebliches Aufsehen. Die Mehrheit der Abgeordneten empfand sie als patriotisch und zugleich pragmatisch. Die Linken dagegen sahen in ihr opportunistischen Verrat am Gedanken des Völkerfrühlings. Indem sie die Aufteilung Posens anerkannte, setzte sich die Mehrheit der Nationalversammlung in offenen Widerspruch zum Beschluß des Vorparlaments über Polen M 5 und kooperierte mit der preußischen Regierung. Kein führender Pole wollte sich fortan an der Verwaltung des für eine polnische Autonomie übrig gelassenen Fürstentums Gnesen beteiligen. Die gemäßigte bzw. äußerste Linke (Robert Blum bzw. Arnold Ruge) war in der Paulskirche mit ihrem Eintreten für einen polnischen Nationalstaat eine kleine Minderheit. Ruge verlangte in der Polendebatte einen europäischen Kongreß, um Polen wiederherzustellen. Er trat auch sonst konsequent für die Rechte der Nachbarvölker ein, was ihn zur Zielscheibe der politischen Karikatur machte. Überlegungen zu den Materialien: 1) In welchem Verhältnis stehen internationalistische Bekundungen der Völkerfreundschaft M 1 , M 2 , M 3 , M 5 zur tatsächlichen historischen Entwicklung? M 7 , M 9 , M 10 2. Materialien M 1 1848/49 waren in der Paulskirche hoch über dem Präsidentenplatz zu beiden Seiten des monumentalen Germania-Gemäldes von Philipp Veit (vgl. Titelbild) gut lesbar zwei Vierzeiler angebracht: Linke Seite: Rechte Seite: »O WALLE HIN, DU OPFERBRAND, HIN ÜBER LAND UND MEER! UND SCHLING EIN EINZIG LIEBESBAND UM ALLE VÖLKER HER!« Historisches Museum Frankfurt a. M. M2 Triumphmarsch der Polen vor dem Berliner Königlichen Schloß nach ihrer Befreiung, 20. März 1848 Museum Narodowe, Poznań/Posen M3 »O nehmt uns auf, ihr Völker des Westens in Euren Bund!« – Ludwig Mieroslawski: Ansprache an das Berliner Volk nach seiner Befreiung aus dem Gefängnis, 20. März 1848: Plötzlich hielten die Wagen der befreiten Polen, Mieroslawski erhob sich und sprach, die schwarz-rot-goldene Fahne schwingend, die begeisterten Worte1: »Nicht du, edles deutsches Volk, hast meinem unglücklichen Vaterlande Fesseln geschmiedet; deine Fürsten haben es getan; sie haben mit der Teilung Polens ewige Schmach auf sich geladen. 1 2) Warum fand ein Revolutionskrieg gegen Rußland nicht statt? M 3 , M 4 , M 7 , M 8 »DES VATERLAND’S GRÖSSE DES VATERLAND’S GLÜCK, O SCHAFFT SIE, O BRINGT SIE DEM VOLKE ZURÜCK!« Nach dem Bericht von A. Wolff in seiner »Berliner Revolutionschronik« sprach Mieroslawski französisch, Wolff zitiert aus der Rede den Satz: »Das polnische Banner wird nun in Eintracht neben dem deutschen wehen.« 8 Und wie es jüngst noch für Euch und uns als Verbrechen galt, nach des Vaterlandes Freiheit zu ringen, und wie sie uns darob, draußen im Kerker, in eiserne Bande schlugen, so warst du es, hochherziges Volk, dessen Blut in diesen Tagen der Befreiung auch für unsere Freiheit floß. Wir danken Euch! Eure Freiheit ist unsere Freiheit, und unsere Freiheit ist die Eure! Herr sein oder Sklave sein, eins wie das andere läuft gegen die heiligen Gesetze der Natur. Nur freie Menschen, nur freie Völker können sich achten. O nehmet uns auf, ihr Völker des Westens in Euren Bund, dessen Kreis sich von Stunde zu Stunde mit Riesenschritten erweitert! Freie Völker, wollt ihr gewiß nur freie Glieder der großen Einigung. Freie Völker nur sollen sitzen am heiligen Bundes-Nachtmahl vor dem blutigen Morgen der offenen Feldschlacht gegen die Barbarenhorden im Osten. Bewahrt, Brüder, die teuern mit tausend Leichen und noch offenen, blutenden Wunden erkauften Güter der Heimat! O helft sie uns in der eigenen Heimat erobern! O helft, daß zwischen den drei schwarzen Adlern2, die unsere Eingeweide zerfleischen, die unser Herzblut verspritzen, der weiße Adler unserer Freiheit sich erhebe!3 Ja deutsches Volk, wenn du willst, dann ist Polen noch nicht verloren4, und wir, Polens Jünglinge, Männer und Greise, wir werden nach unsern Kräften streiten und bluten für die höchsten Güter! Schaut auf die in Eurer Mitte gefallenen Opfer, denkt an Euern Sieg! – Aller Segen ist von der Völkerknechtung gewichen; fortan gib uns wieder den eigenen Herd, laß den Sonnenschein deiner Gnade herniederfallen auf ein einiges, freies, polnisches Vaterland!« Flugschrift »Die Öffnung des Polen-Kerkers in den blutigen Tagen in Berlin«, 1848, zit. nach Deutsche und Polen, S. 173f. Harald Boldt Verlag, Boppard am Rhein M4 Otto von Bismarck, März 1848: Die Befreiung der wegen Landesverrats verurteilten Polen ist eine der Errungenschaften des Berliner Märzkampfes [...] Die Berliner haben die Polen mit ihrem Blut befreit [...] Ich hätte es erklärlich gefunden, wenn der erste Aufschwung deutscher Kraft und Einheit sich damit Luft gemacht hätte, Frankreich das Elsaß abzufordern und die deutsche Fahne auf den Dom zu Straßburg zu pflanzen. Manuskript zur Polenbegeisterung, zit. nach: Deutsches Historisches Museum: Bismarck – Preussen, Deutschland und Europa. Nicolai, Berlin 1990, S. 160 Auf Antrag von Gustav Struve aus Mannheim beschließt das Vorparlament in Frankfurt am 31. März 1848 fast einhellig, »daß es die heilige Pflicht des deutschen Volkes sei, Polen wiederherzustellen, indem die Teilung Polens als ein schreiendes Unrecht erklärt werde«. M5 Verhandlungen des deutschen Parlaments, 1. Lieferung 1848, S. 31–35, zit. n. Deutsche und Polen in der Revolution von 1848/49. Dokumente aus deutschen und polnischen Archiven, hrsg. für das Bundesarchiv von Hans Booms, Boldt Verlag, Boppard am Rhein, S. 233 Die Wappentiere der drei Teilungsmächte Polens (Rußland, Österreich und Preußen) 3 Das Wappentier Polens 4 Zitat aus der polnischen Nationalhymne 2 M6 Infotext: Die preußische Provinz Posen vor 1848: 1815 war das rund 29000 km2 große Großherzogtum Posen an Preußen gefallen. 1848 war es als Kornkammer eine wirtschaftlich rückständige, landwirtschaftlich und handwerklich geprägte Provinz. 1848 lebten von den 1,35 Millionen Einwohnern drei Viertel auf dem Lande. Größte Stadt war Posen mit 44 000 Einwohnern. In der ganzen Provinz gab es etwa 60% Polen (Katholiken), 34% Deutsche (meist Protestanten) und 6% Juden, die überwiegend in der Stadt lebten. Die Deutschen hatten regional eine relative Mehrheit in den vier westlichen Kreisen des Posener und in den vier nördlichen des Bromberger Regierungsbezirks. Die zentralen und an der Ostgrenze gelegenen Kreise dagegen bewohnten wenige Deutsche. Die Deutschen stellten rund 40% der Stadtbevölkerung. Wirtschaftlich waren die Deutschen, die in den nichtagrarischen Berufen dominierten, in der Regel besser gestellt als die Polen. Unter deutschen Bauern gab es kaum Besitzlose, die meisten waren reiche oder mittlere Bauern. Der polnische Novemberaufstand von 1830 gegen Rußland erfaßte Posen nicht. Dennoch betrieb Preußen fortan eine antipolnische Unterdrückungspolitik. Unter Friedrich Wilhelm IV. (seit 1840) wurde sie gemildert. Den für 1846 geplanten Aufstand verhinderte Preußen durch Verhaftungen und Verhängung des Kriegszustandes. Die Unzufriedenheit der Polen verschärfte sich durch Verurteilungen von Aufständischen, Zensur und Auflösung von Klubs und Kasinos. Hinzu kam die Mißernte von 1846, die vor der Erntezeit des Jahres 1847 Hungerrevolten verursachte, bei denen sich nationale Probleme mit sozialen Spannungen mischten. Nach Krzystof Makowski: Das Großherzogtum Posen im Revolutionsjahr 1848. In: Rudolf Jaworski/Robert Luft (Hrsg.): 1848/49 – Revolutionen in Ostmitteleuropa. Oldenbourg, München 1996, S. 149–172 M7 Infotext: Posen in der Revolution 1848: Während die Polen im März 1848 auf volle nationale Selbständigkeit drangen und darin von Frankreich, aber auch vom neuen preußischen Außenminister unterstützt wurden, betrieb der preußische König am 18. März 1848 die »Einverleibung« der nicht zum Deutschen Bund gehörenden Provinzen Preußens, und damit auch von Westpreußen und Posen, in den künftigen deutschen Bundesstaat. Der Formelkompromiß von der »National-Reorganisation«, den König Friedrich Wilhelm IV. Am 24. März genehmigte, überdeckte vorläufig die Gegensätze. Polnische Patrioten wie Mieroslawski (Kapitel II) verstanden darunter die Bildung eines unabhängigen Großherzogtums »unter dem bloßen Schutze Preußens«. In vielen Gegenden handelte die polnische Bevölkerung spontan, entfernte die preußischen Adler, verjagte Landräte, übernahm die Kassen, bildete militärische Einheiten und organisierte die einberufenen Bewohner in einer Nationalgarde. Um Freiwillige zu gewinnen, erklärte das Nationalkomitee (d. h. die nationale Vertretung der Polen in Posen) am 24. März die Aufhebung aller Standesunterschiede und versprach, die noch bestehenden Lasten der Bauern zu vermindern. Anfang April änderte sich die politische Lage in Berlin. Der 9 König und seine Berater setzten sich mit ihrem Gegenkurs zur polenfreundlichen Haltung der Regierung durch. Am 14. April wurde die Teilung der Provinz angekündigt, weil die deutschen Einwohner es aus »nationalen« Gründen verlangt hatten. Die zugesagte nationale Reorganisation beschränkte sich nun auf den »polnischen« Anteil der Provinz, der in der Folgezeit immer wieder verkleinert wurde, indem er immer weiter nach Osten verschoben wurde, bis am Ende nur noch für wenige Landkreise im Raum Gnesen Autonomie für die Polen versprochen wurde. Der König von Preußen suchte die Entwicklung wieder zurückzudrehen, indem er – ohne Wissen seiner Minister – den Truppen befahl, die polnischen Heerlager aufzulösen und die alte Ordnung wiederherzustellen. Je unwahrscheinlicher ein Krieg Preußens gegen Rußland wurde, desto stärker traten die nationalen Spannungen zwischen Polen und Deutschen hervor. Da die Polen auf ihre nationale Unabhängigkeit und auf ihren Plan, von Posen aus Russisch-Polen militärisch anzugreifen, nicht verzichten wollten, kam es zu bewaffneten Konflikten. Die aufständischen Truppen unter Mieroslawski umfaßten 9000 Mann und waren fast nur mit Sensen bewaffnet M 10 . Sie hatten gegen die preußische Übermacht keine Chance und mußten nach wenigen Gefechten am 9. Mai 1848 kapitulieren. Das Nationalkomitee hatte sich schon am 30. April aufgelöst. Die Deutschen in Posen traten im März noch für Verbrüderung mit den Polen ein. Der von Deutschen majorisierte Posener Stadtrat plädierte sogar für eine Ausgliederung des Großherzogtums aus der preußischen Monarchie. Als die Polen jedoch keine Deutschen in ihr Nationalkomitee aufnahmen, entzweiten sich die beiden Bevölkerungsgruppen am 27. März endgültig. Vielerorts gründeten die Deutschen eigene nationale Komitees, vor allem in den Gebieten, in denen sie in der Überzahl waren. Anfang April kam es vielfach zu blutigen Zusammenstößen mit den Polen. Nur einige wenige Deutsche traten den polnischen Einheiten bei, weit mehr Deutsche unterstützten die preußischen Truppen in sogenannten Freischaren. Nach Krzystof Makowski, Großherzogtum Posen, S. 149–172; Heinz Boberach: Die Posener Frage in der deutschen und preußischen Politik 1848–1849. In: Deutsche und Polen in der Revolution von 1848/49, S. 17–57 M 8 »Nie und nimmermehr, bei Gott, werde ich den Degen gegen Rußland ziehen.« Friedrich Wilhelm IV. am 23. März 1848 gegenüber Heinrich von Gagern, der ihn aufgefordert hatte, Polen zu befreien M 9 Auszüge aus der Debatte der Deutschen Nationalversammlung in Frankfurt über die Provinz Posen 24./25. Juli 1848 (Die Mandate der im Mai 1848 in der preußischen Provinz Posen gewählten Abgeordneten wurden in der Deutschen Nationalversammlung am Ende der Debatte mehrheitlich anerkannt, obwohl die Polen die Wahl boykottiert hatten, indem sie nur einen einzigen polnischen Abgeordneten nach Frankfurt wählten. Mit 342:31 Stimmen billigte die Nationalversammlung die Teilung Posens). Arnold Ruge (Donnersberg): [...] Die Polen sind das Element der Freiheit, das in das Slawenthum geworfen wurde. [...] im Namen der Humanität und der Gerechtigkeit verlange ich, daß Polen wieder hergestellt werde und daß wir das Vorparlament nicht Lügen strafen, welches erklärt hat, die Theilung Polens sei ein schmachvolles Unrecht. Die Wiederherstellung Polens müssen wir anbahnen. [...] An der Ehre Deutschlands ist es, daß Deutschland die Freiheit nach Osten propagiere und nicht an der Grenze von Rußland und Polen damit stehen bleibe. An unserer Ehre ist es, daß wir aufhören, Unterdrücker zu sein, daß wir Freunde aller befreiten Völker werden, daß wir die Italiener befreien und ihre Freunde werden und daß wir die Polen befreien und ihre Freunde werden. [...] Wilhelm Jordan (Deutscher Hof): [...] Soll eine halbe Million Deutscher unter deutscher Regierung, unter deutschen Beamten leben und zum großen deutschen Vaterlande gehören, oder sollen sie sich in der secundären Rolle naturalisirter Ausländer in die Unterthänigkeit einer anderen Nationalität, die nicht soviel humanen Inhalt hat, als das Deutschthum, begeben und hinausgestoßen werden in die Fremde? – Wer die letztere Frage mit ja beantwortet; wer da sagt, wir sollen diese deutschen Bewohner Posens den Polen hingeben und unter polnische Regierung stellen, den halte ich mindestens für einen unbewußten Volksverräther. (Bravo!) [...] Polen bloß deßwegen herstellen zu wollen, weil sein Untergang uns mit gerechter Trauer erfüllt, das nenne ich eine schwachsinnige Sentimentalität. (Bravo von der Rechten, Zischen von der Linken) [...] Unser Recht ist kein anderes als das Recht des Stärkeren, das Recht der Eroberung. [...] (Jordan wechselte später zur rechten Fraktion Landsberg) Stenographischer Bericht über die Verhandlungen der deutschen constituirenden Versammlung zu Frankfurt am Main, Bd. 2, S. 1184 ff., 1200 M 10 Gefecht zwischen polnischen bewaffneten Formationen und preußischem Militär bei Rogalin, 8. Mai 1848 Dietz Verlag Bildarchiv, Berlin 10 II. »Wo die Revolution ist, da ist des Polen Vaterland.« Ein polnischer Oberbefehlshaber 1849 in Baden: Ludwig Mieroslawski 1. Erläuterungen Warum entfachte Ludwig Mieroslawski in seinem Leben nicht nur in Polen mehrere Aufstände, sondern nahm auch an anderen Aufständen anderswo in Europa teil? In welcher Weise war das Gelingen einer europäischen Revolution Voraussetzung für die Schaffung eines unabhängigen polnischen Nationalstaates? Der Oberbefehlshaber des badischen Aufstandes von 1849 konnte kein Deutsch. Seine Ansprachen, Flugblätter und Befehle mußten vom Französischen ins Deutsche übersetzt werden M 7b , M 7c . Französisch war seine Muttersprache. Dennoch fühlte sich Ludwig Mieroslawski stets als Pole. Indessen hielt er sich nur wenige Jahre seines Lebens in Polen auf. Die meiste Zeit verbrachte er in Frankreich. Von dort aus brach er viele Male auf, um dorthin zu eilen, wohin ihn gerade Revolutionäre gerufen hatten, nicht nur nach Polen, sondern einmal nach Baden und zweimal nach Italien M 5 . Zweimal saß er in preußischer Haft. Das erste Mal befreiten ihn Berliner Revolutionäre, die von der Utopie des »Völkerfrühlings« begeistert waren (s. o. I: M 2 ), das zweite Mal bewirkte die Intervention der französischen Revolutionsregierung die Freilassung. Seine natürlich französisch vorgetragene Rede, die er am 20. März 1848 vor Berliner Revolutionären und mitbefreiten polnischen Patrioten gehalten hat, ist nicht im genauen Wortlaut überliefert (s.o. Kap. I: M 3 ). Wie seine Aufrufe während des badischen Aufstandes im Juni 1849 M 2 , M 8 war sie pathosgeladen. Während des Triumphzuges durch die Straßen Berlins am 20. März 1848 schien es so, als könnte er – die siegreichen Berliner Revolutionäre im Rücken – dem König von Preußen ein freies, unabhängiges Polen abtrotzen (s.o. Kap. I). Ludwig Mieroslawski baute auf die Revolution nach der Devise, daß Polens Sache die Sache der Revolution ist, weil Polen nur durch Revolution, d.h. durch den Sturz der Macht des preußischen monarchischen Militarismus und des despotischen Zarismus seine nationale Unabhängigkeit erlangen konnte. Um dieses Ziel zu erreichen, dem er Ende März 1848 sehr nahegekommen zu sein schien, schloß er sich Erhebungen von entschiedenen Republikanern und radikalen Demokraten in Deutschland und Italien an M 5 und hoffte dabei auf ein internationales Zusammenwirken der republikanischen Kräfte gegen die Gegenrevolution. Angesichts der Übermacht der Gegenrevolution im Frühjahr 1849 erschienen die Hoffnungen der Republikaner auf ein Wiedererstarken der europäischen Revolution im Nachhinein als Wunschdenken. Dennoch haben solche Hoffnungen viele, die im Badischen Aufstand gekämpft haben, beflügelt. Mieroslawski dagegen wußte von vornherein, daß er 1849 in Baden auf verlorenem Posten kämpfte. Er machte dafür Unterlassungen der für sein Denken zu gemäßigten demokratischen Politiker verantwortlich M 7a . Wegen der Fremdherrschaft von Russen, Preußen und Österreichern in seiner polnischen Heimat sah er sich allerdings offenbar dazu verpflichtet, jede auch noch so kleine Chance für die Sache der europäischen Revolution zu nutzen. Das Einheits- und Freiheitsstreben der Deutschen unterschied sich im 19. Jahrhundert von dem der Polen: Deutschland hatte zwar wie Polen noch keine nationale Einheit erreicht, war aber doch frei von Fremdherrschaft. Auf diesem Hintergrund ist es zu verstehen, daß in Deutschland anders als in Polen der Wille zum bewaffneten Aufstand durch die Niederlage der Revolution von 1848/1849 entscheidend geschwächt wurde. Überlegungen zu den Materialien: 1) Warum wird ein Pole militärischer Oberbefehlshaber in Baden? M 1 , M 5 2) Mit welchen Argumenten sucht Mieroslawski aktive Unterstützung für den Badischen Aufstand zu gewinnen? M 2 3) Wie wirkt Mieroslawski (in der Mitte mit gezogenem Hut) im Vergleich zu den anderen Personen? M 3 , M 4 . Woran sind die Mitglieder der Mannheimer Volkswehr als Freischärler zu erkennen? M 3 4) Welche Motive dürfte Mieroslawski für seine Appelle kurz vor Zerstörung der Murgfront bei Rastatt gehabt haben? M 8 , M 5 . Wie dürften die Badener auf den Aufruf M 8 reagiert haben? 5) Wie wendet sich Mieroslawski an seine Truppen? Welche Probleme hat er dabei? M 2 , M 3 , M 7b/c , M 8 6) Warum wird Mieroslawski in Deutschland eher gegensätzlich, in Polen dagegen einhellig positiv beurteilt? M 1 , M 5 , M 8 , M 9 11 2. Materialien M1 M2 Aufruf Mieroslawskis Kampf für die Befreiung Europas: Aleksander Zurkowski, im Badischen Aufstand Hauptmann und Adjutant Mieroslawskis: Wo die Revolution ist, da ist des Polen Vaterland. Diese Revolution ist nicht nur badisch, sie ist nicht nur deutsch, sondern auch europäisch ... Sie ist weder die Tochter, noch die Erbin, noch die Beschützerin des Frankfurter Reichstages, sondern seine Antithese ... Es sind einfach zwei Gegensätze. Alle unsere Gedanken hatten sich auf den Punkt konzentriert, die Preußen zu schlagen. Wir hatten nicht nur eine alte Rechnung miteinander abzumachen, sondern erblickten in ihnen die Vasallen von Rußland, die bis an den Rhein vorgeschobenen Posten des Zaren. Bei dem ersten Zusammentreffen stößt Mieroslawski auf denselben [preußischen] General Hirschfeld, den er das Jahr vorher bei Wreschen im Großherzogtum Posen geschlagen hat. Hier galt es den Kampf nicht nur für die gemeinschaftliche Sache, sondern auch gegen den gemeinschaftlichen Feind; denn Deutschlands Unterdrücker sind auch die Unterdrücker Polens: sie unterjochen das eine durch das andere. Überdies haben die Polen die ungeheuere Sympathie Deutschlands für ihre Sache im Jahre 1830/31 noch nicht vergessen. Noch vor kaum einem Jahr hat das Vorparlament aus freiem Antrieb die Wiederherstellung Polens beschlossen. Aleksander Zurkowski, 1849, zit. nach Krapp, Mieroslawski, in: ZGO 123 (1975), hrsg. von der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg. Kohlhammer, Stuttgart, S. 228 M3 Mieroslawski in Mannheim zusammen mit Zivilkommissar Trützschler zu Pferd vor der angetretenen Mannheimer Volkswehr, Juni 1849. Mannheim, Städt. Reiss-Museum »Soldaten! Wehrmänner!« Hans Blum: Die deutsche Revolution 1848–49. Florenz und Leipzig 1898, Faksimilebeilage Aus: Franz X. Vollmer, Der Traum von der Freiheit. 1983, S. 357, Abb. 302; © Theiss Verlag, Stuttgart 12 M4 Porträt: Ludwig Mieroslawski Gegenspieler des Prinzen Wilhelm von Preußen (vgl. V.). Nach dem Zusammenbruch der Murgfront bei Rastatt legte er am 1. Juli 1849 den Oberbefehl nieder. Danach lebte er zunächst drei Monate in der Schweiz, dann in Paris als Privatlehrer. 1861 erhielt er von Guiseppe Garibaldi den Befehl über die internationale Legion in Italien, 1861–1862 war er Kommandeur der polnischen Militärschule in Genua. 1863 wurde er im polnischen Aufstand gegen Rußland zum Diktator berufen, mußte aber über Krakau fliehen und kehrte nach Paris zurück. In den letzten Lebensjahren blieb er ohne Einfluß. Er starb verarmt. Mieroslawski, der die Aufstände, an denen er teilgenommen hatte, nach ihrer Niederwerfung stets in einer Veröffentlichung analysierte, galt als ein Anhänger des permanenten Aufstandes und trotz seiner Niederlagen als »polnischer Napoleon«. Autorentext nach: Deutsches Historisches Museum: Bismarck – Preussen, Deutschland und Europa. Nicolai, Berlin 1990, S. 184: Nr. 3b/79; Meyers Konversations-Lexikon Bd. 11, Leipzig 1890, 4. Aufl.; Deutsche und Polen, S. 669f.; Krapp, Mieroslawski, S. 227–241 M6 Militärpolitische Entscheidungen im Frühjahr 1849 Wehrgeschichtliches Museum Rastatt M5 Biographie Ludwig Mieroslawski (1814–1878) wurde als Sohn eines emigrierten polnischen Offiziers und einer Französin in Nemours/Frankreich geboren und lebte seit 1820 in Polen. Bereits 1830 nahm er als 16jähriger Fähnrich an der polnischen Erhebung gegen Rußland teil und emigrierte 1831 nach Frankreich. Die gut einmonatige Reise durch Deutschland mit anderen polnischen Soldaten und Offizieren entwickelte sich zum Triumphzug. (1842 wurde Mieroslawski zum Mitglied der Zentralbehörde der polnischen Emigranten in Paris gewählt.) Nach dem durch Verrat gescheiterten Aufstandsversuch im zu Preußen gehörenden Posen von 1846 wurde er als dessen Organisator in Berlin zum Tod verurteilt, jedoch zu lebenslänglicher Gefängnisstrafe begnadigt, durch die Märzrevolution 1848 aber von Berliner Demokraten aus dem Gefängnis Berlin-Moabit befreit und begeistert gefeiert. In Posen bildete er daraufhin eine polnische Freischar und begann sofort einen Aufstand zu organisieren (vgl. I: M 7 ). Trotz zweier siegreicher Gefechte scheiterte der Aufstand. Mieroslawski geriet im Mai 1848 erneut in preußische Haft, wurde aber auf Intervention des revolutionären Frankreichs am 27. Juli 1848 begnadigt und nach Frankreich ausgewiesen. Von Paris aus reiste er Anfang 1849 nach Sizilien. Dort übernahm er den militärischen Oberbefehl über die Aufständischen. Er blieb aber ohne Erfolg und zog sich im Kampf eine Verwundung zu. Um sie auszuheilen, kehrte er am 24. Mai 1849 nach Paris zurück. Bereits am 9. Juni 1849 übernahm er in Baden den militärischen Oberbefehl und wurde zum direkten Am badisch-pfälzischen Aufstand beteiligten sich ungefähr 200 Polen in der sogenannten polnisch-deutschen Legion. Noch von Paris aus forderte Mieroslawski eine Ausweitung der Erhebung auf Württemberg. Sein Plan eines militärischen Vorstoßes nach Württemberg setzte sich allerdings nicht durch. In seinen nachträglichen Aufzeichnungen rügte Mieroslawski diese Unterlassung der badischen Revolutionsregierung, denn nach seiner Meinung bedeutete Zögern den Tod der Revolution. An Stelle dessen wurde seinerzeit ein militärischer Vorstoß nach Hessen Richtung Frankfurt unternommen, der jedoch scheiterte. Außerdem war die Auffassung verbreitet, Württemberg könne die Revolution selbsttätig gegen seinen energischen König durchsetzen. Autorentext nach: Krapp, Mieroslawski, S. 235f. M7 M 7a Kämpfe auf verlorenem Posten Ludwig Mieroslawski urteilt nachträglich: Ich kam, um für die badische Revolution eine heroische Leichenfeier zu leiten; einer in ihrem politischen Prolog verderbten Revolution kann man durch strategische Maßnahmen nicht mehr aufhelfen. Zit. n. Michael Kunze: Der Freiheit eine Gasse. Traum und Leben eines deutschen Revolutionärs. Kindler, München 1990, S. 696 M 7b Bevollmächtigter bei der Neckararmee, Heinrich Hoff, an die provisorische Regierung Badens, Lage bei der Neckararmee, Heidelberg, 8. Juni 1849: [...] Wie es heißt, soll Morgen oder Übermorgen Mieroslawski ankommen. Ich glaube, daß wenn dies auch der Fall ist, man doch zuerst noch Sigel das Kommando überlassen muß, denn M(ieroslawski), der ohnehin kein Deutsch kann und zwar ein ausgezeichneter Theoretiker aber weniger 13 Praktiker ist, würde wenigstens 14 Tage brauchen um sich zu orientieren; es wird daher am besten sein, wenn er zuerst sich längere Zeit einstudiert. [...] sisch sprachen, vergrößerte seine Schwierigkeiten ebenso wie die Gerüchte, die seine Gegner über seine angeblich maßlosen finanziellen Forderungen verbreiteten. Künftig abgedruckt in: Alfred Georg Frei/Kurt Hochstuhl: Wegbereiter der Demokratie. Die badische Revolution 1848/49. Der Traum von der Freiheit, Braun, Karlsruhe 1997 Heinz Boberach, 1991, in: Deutsche und Polen, S. 55 M 7c [...] Gegen diese Streitmacht von zwei preußischen Armeekorps unter dem Prinzen von Preußen [...] und einem Bundeskorps, bestehend aus Hessen, Nassauern, Bayern, Württembergern und Mecklenburgern, mit zusammen mehr als 50 000 Mann konnte Mieroslawski nicht mehr als etwa 10 000 Mann badischer Truppen und etwa 15 000 Mann Volkswehren und Freischärler aufbieten. Seine Armee war nicht nur zahlenmäßig und in der Ausrüstung unterlegen, auch ihre Disziplin war mangelhaft. Gleich in der Rede, mit der er am 10. Juni in Heidelberg vor seine Offiziere trat, appellierte Mieroslawski daran, »die schlechte Disziplin« zu bekämpfen. Er selbst hat später für seine Niederlage auch die Unentschlossenheit der Revolutionsregierung verantwortlich gemacht, der ein eigentliches politisches Programm und der Wille gefehlt habe, die Insurrektion zur Revolution zu machen: »im Grunde wußten weder die Bürger noch die Soldaten, für was sie kämpfen sollten«. Daß er selbst nicht Deutsch, die Führer seiner Einheiten meist nur schlecht FranzöM8 M9 Urteil eines modernen Historikers Gerichtsurteil gegen Mieroslawski: In Untersuchungssachen gegen Ludwig Mieroslawski aus Polen wegen Hochverrats wird auf gepflogene Untersuchung [...] zu Recht erkannt, Ludwig Mieroslawski [...] sei der Teilnahme an dem im Jahre 1849 in Baden ausgebrochenen hochverräterischen Aufruhr für schuldig zu erklären und deswegen zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe, sowie zum samtverbindlich mit den übrigen Teilnehmern an dem Aufruhr zu leistenden Ersatze des durch den Aufstand dem Staate gestifteten Schadens und zur Tragung der Kosten der Untersuchung und seiner Straferstehung zu verurteilen.1 Mitteilung des Hofgerichts des Mittelrhein-Kreises an die General-Staatskasse in Karlsruhe, Bruchsal, 24. Mai 1851 1 Nach einer sehr beschränkten Amnestie von 1852 wurde 1862 allen wegen Beteiligung an der Revolution Verurteilten Straffreiheit gewährt, was sich nur für die Emigranten auswirkte, da die Strafen entweder vorher verbüßt oder die Gefangenen entlassen worden waren. Mieroslawski ist nicht mehr nach Deutschland zurückgekehrt. (Deutsche und Polen, S. 648) Aufruf des Obergenerals Ludwig Mieroslawski Aus: F.X. Vollmer: Der Traum von der Freiheit. © Theiss, Stuttgart 1983, Abb. 350, S. 410 14 III. Ein Tod in Wien – Tod der nationalen deutschen Revolution? 1. Erläuterungen Der Weg Robert Blums, des modernen, volkstümlichen Führers der gemäßigten politischen Linken im Frankfurter Paulskirchenparlament, zur Unterstützung der Wiener Oktoberrevolution wird in Ausschnitten nachgezeichnet. Seine Hinrichtung in Wien am 9. November 1848 machte vielen Deutschen schlagartig klar, daß die Gegenrevolution mit unnachgiebiger Entschlossenheit von der Regierung Schwarzenberg betrieben wurde, wohl aus Gründen, die mit der Situation im Vielvölkerstaat Österreich und dessen traditionellen Machtinteressen in Deutschland und Europa zusammenhingen. Die Freiheitsbewegung der Frankfurter Paulskirchenversammlung und in den meisten Einzelstaaten mußte erkennen, daß ihre nationale und freiheitliche »redende« Revolution erneut von den »alten Mächten« abgelehnt wurde. Robert Blum wurde durch seinen Tod zur Symbolfigur für den Umbruch der Revolution zwischen Herbst 1848 und Frühjahr 1849. Wie dachte und redete er? Warum wurde er verurteilt? (Vgl. M 1 , M 2 , M 3 , M 4 ) Blum war unter den vielen Akademikern im Paulskirchenparlament nach Herkunft, Werdegang und Vorbildung als »Mann des Volkes« eine große Ausnahme. Bereits vor 1848 war der Autodidakt ein in ganz Deutschland bekannter Führer der liberalen Opposition. Er glaubte zu wissen, daß jedes Abweichen vom gesetzlichen Weg zur Herbeiführung von Fortschritt, jede putschistische Aktion Unglück über alle Beteiligten bringt. Von gewaltsamen Aktionen eines Hecker und Struve distanzierte er sich deshalb entschieden. Im Briefwechsel mit seiner Frau Jenny M 5 lernt man seine wirklichen Gedanken und Gefühle kennen. Er gibt preis, welche geheimen Wunschbilder vom Gang der Entwicklung ihn erfüllen. Die Dinge verlaufen anders als erwartet, stürmische und kriegerische Zeiten kommen, den Preußen und deren König wünscht er ein schlimmes Schicksal, die Französische Revolution wiederholt sich, die Republik steht vor der Tür – oder die Russen kommen. Weil er vom Gang der Revolution enttäuscht war, konnte er sich weniger als die meisten anderen Parlamentarier eine friedliche Entwicklung vorstellen und hielt, durchdrungen vom Gedanken der Befreiung und Erlösung der Völker vom Joch der »Dynastien« und von der Vorstellung einer Verbrüderung des freiheitlichen Westeuropa (s. M 1 ), Gewalt gegen unaufgeklärte Fürsten in Ausnahmesituationen für unvermeidlich. Aus Wut und Resignation trug er sich mit dem Gedanken, die Politik an den Nagel zu hängen und in die Idylle zu flüchten. Im September war er offenbar zu dem Entschluß gekommen, daß er im Frankfurter Parlament mit seinem politischen Latein am Ende war. Sein Weggang nach Wien – er wurde auf eigenen Wunsch als Deputierter nach Wien geschickt – war zunächst ein »Weg-von«, eine Flucht. Kaum in Wien angekommen, wurde daraus jedoch ein »Hin-zu«, ein Eintauchen in alte Idealvorstellungen vom Werden und Gedeihen einer echten Volksbewegung. Dem Pessimisten Blum folgte wieder der »Enthusiast«, der sich mitreißen ließ, der wohl auch unbedachte Reden hielt und den Bitten örtlicher Stellen nicht widerstehen konnte, sich mehr oder weniger symbolisch als Ehrenmitglied im »Corps d’ élite« an Kampfhandlungen zu beteiligen. Wer so den »Puls der Zeit« fühlte, der durfte wieder schwungvoll als politischer Repräsentant wirken. Dies wurde ihm zum Verhängnis: Er wurde, obwohl er mit der Immunität eines Parlamentariers ausgestattet war, wie andere Führer des Wiener Aufstands verurteilt und erschossen ( M 2 , M 6 ), nahm auf eindrucksvolle Weise brieflich Abschied von seiner Familie ( M 5 ) und ertrug einen Tag vor seinem 41. Geburtstag seine Lebenskatastrophe würdig und gefaßt. Sein Tod erschütterte in allen Teilen Deutschlands die Massen ( M 7 , M 4 , M 12 ), offenbarte den Grad ihrer Politisierung und verschärfte die Spannungen innerhalb der Freiheitsbewegung in Deutschland wie zwischen der Freiheitsbewegung insgesamt und den Kräften der Gegenrevolution. Gedrungen und knollennasig wie Sokrates, grobschlächtig, versehen mit Revoluzzerbart, ausdrucksstarker Redner im Parlament wie vor den Massen, war es Blum weniger als anderen prominenten Abgeordneten möglich, sich vor Anfeindungen zu schützen. In der Karikatur M 10 wird er von seinen politischen Gegnern als Demagoge und Feigling diffamiert: Er hat Waffen und Heckerhut bereits weggeworfen und seine parlamentarische Immunität durch eine Parlamentsschärpe hervorgehoben, um ungeschoren davonzukommen und in Berlin sein zerstörerisches Werk gegen die preußische Monarchie fortzusetzen. Gegenfigur zu Blum ist Schwarzenberg ( M 8 , M 11 ), der eiskalte Rechner. Er kämpft gegen die nationale Revolution und für eine Rückkehr aller deutschen Staaten zum Deutschen Bund. Er hat folgende Hauptziele: Zentralistisches Großösterreich als deutsches wie europäisches Bedürfnis, Rückkehr aller Einzelstaaten zum Deutschen Bund unter österreichischer Vorherrschaft mit starker Exekutivgewalt, der eine Volksvertretung als Fassade zugeordnet werden soll, in der neben Fürstenvertretern nur Abgeordnete sitzen, die den Fürsten genehm sind, Kooperation mit denjenigen Einzelstaaten, deren Fürsten in der Lage sind, freiheitliche Bestrebungen niederzuhalten. Für das alte Österreich bedeuteten Blums republikanische Pläne, daß eine freiheitlich Reichsgewalt ohne maßgeblichen Einfluß der Fürsten hergestellt worden wäre, daß die nationale Reichseinigung unter Ausschluß nichtdeutscher Landesteile und Länder die gesamte Habsburgermonarchie, die nur noch als lockere Personalunion zu denken gewesen wäre, zerschnitten hätte, weil dann die bundeszugehörigen und die bundesfremden Gebietsteile Österreichs eine jeweils eigene Verfassung, Regierung und Verwaltung hätten bekommen müssen. Die Deutschen innerhalb des Habsburgerreichs wären entscheidend geschwächt, die Rivalität anderer Nationalitäten wäre verschärft worden, das »regulative Moment« dieser Struktur, die komplizierte Gemengelage der Völker verschiedener Nation, wäre gestört gewesen. 15 Die nichtdeutschen Nationalitäten stützten als kleine Nationen mehrheitlich den übernationalen österreichischen Kaiserstaat, im eigenen Interesse wie auch im Interesse Europas und auch im »Interesse der Humanität«, wie dies der tschechische Historiker Palacky, der sich als »Böhme slawischen Stammes« bezeichnet, formulierte (s. dazu auch M 9 ). Und Schwarzenberg als Deutschböhme und mit den Tschechen in Böhmen eng verbundene Person sah sich berechtigt, deren Eigenständigkeit im Gesamtstaat Österreich zu erhalten, zum Wohle aller Österreicher, auch der Deutschen, wie auch zum Wohle eines europäischen Machtverteilungskonzepts und gewiß auch zum Vorteil der Macht der altehrwürdigen »kaiserlichen« Habsburgermonarchie, deren jungen Monarchen, Kaiser Franz Joseph, er in diese politische Welt im Spätherbst 1848 hineinführte. Deshalb widersetzte er sich entschieden der nationalen Reichsgründung und wollte mit der Revolution insgesamt brechen. Dafür hatte er in Österreich Rückhalt bei der Masse der Bevölkerung aller Nationalitäten außer der ungarischen. Die Donaumonarchie wurde damals noch nicht als unzeitgemäßer Vielvölkerstaat, als »Völkerkerker« gesehen. Nach dem Tod von Blum und dem Sieg der Gegenrevolution in Österreich wurde der Mehrheit in der Paulskirche nach und nach klar, daß nur noch mit Preußen eine Lösung der Deutschen Frage nach ihrem Selbstverständnis möglich war. Diese Rolle wollte und konnte Preußen nicht spielen. Es war weder bereit, auf eigene Rechte und auf unumschränkte Souveränität über die Armee zu verzichten; noch war es gewillt, wegen der Frage der nationalen Einheit Deutschlands sich mit Österreich und anderen europäischen Großmächten (z. B. Rußland) zu überwerfen und einen europäischen Krieg zu riskieren. Der Tod Robert Blums hatte weithin Illusionen vom doch noch möglichen gesetzlichen Fortschritt zerstört. Neue Verhaltensweisen dem gewaltsamen politischen Gegner gegenüber kündigten sich an und gaben der Revolution allmählich einen anderen, einen unversöhnlicheren Charakter (s. auch M 12 ). Auf die Gegenrevolution in Wien im Oktober 1848 folgte die radikale Revolution aus einigen deutschen Einzelstaaten. Dazu wurden neue Organisationen (meist republikanische Volksvereine) aufgebaut, um möglichst viele Deutsche für Konfrontation und für Gegengewalt zu gewinnen. Man durfte als Revolutionär nicht mehr »vor den Thronen« stehenbleiben und brauchte ein »erzürntes Volk« (Gustav Struve), das zum Zurückschlagen und zum Zuschlagen bereit war. 2. Materialien Überlegungen zu den Materialien: ... Herr Robert Blum zu Köln in Rhein-Preußen gebürtig, 40 Jahre alt, katholisch, verheiratet, Vater von 4 Kindern, Buchhändler zu Leipzig, welcher bei erhobenem Thatbestande durch sein Geständnis und durch Zeugen überwiesen ist, am 23. Oktober ... in der Aula zu Wien durch Reden in einer Versammlung zum Aufruhre aufgeregt, und am 26. Oktober ... an dem bewaffneten Aufruhr in Wien als Commandant einer Compagnie des Elitecorps thätigen Antheil genommen zu haben ... soll nach Bestimmung der Proclamation Sr. Durchlaucht des Feldmarschalls Fürsten zu Windischgrätz vom 20. und 23. Oktober ... mit dem Tode durch den Strang bestraft werden. So gesprochen in dem Standrechte ... Abends am 8. November 1848. 1) Was zeichnet Blum als modernen nationalen, (west-) europäischen und volkstümlichen Politiker aus? Welches sind die tieferen Gründe für seine Erschießung in Wien? M 1 bis M 7 2) Wie könnte man die Vorstellungswelt des den Deutschböhmen, den Tschechen und anderen Nationalitäten der Donaumonarchie verbundenen Fürsten Schwarzenberg charakterisieren? Wie sind seine Pläne, wie ist sein Verhalten angesichts der komplexen Verhältnisse im Vielvölkerstaat Österreich und dessen Stellung im europäischen Mächtesystem zu beurteilen? M 8 , M 9 , M 11 , M 12 Der Revolutionär Robert Blum und sein Tod in Wien Debatte zur Außenpolitik in der Frankfurter Nationalversammlung am 22. Juli 1848. Robert Blum äußert sich über völkerrechtliche Verhältnisse: Man sagt uns bei jeder Gelegenheit: die alte Zeit ist todt, die neue hat begonnen! Was war denn die alte Zeit ... in Beziehung auf die sogenannten völkerrechtlichen Verhältnisse? Sie war nichts Anderes als eine Reihe von Dynastenbündnissen ... die nur dazu dienten, entweder der gegenseitigen Herrschgier Schranken zu setzen, oder die gemeinsame Gewaltstellung zu erhalten und zu verstärken ... Diese Art von Bündnissen war es, die unser Vaterland eine undenkliche Zeit hindurch aufgehalten hat, ein Großes und Ganzes zu werden ... Sie war es, die die Feindseligkeit der Stämme und die Spannungen der einzelnen Abtheilungen des Volkes hervorriefen, die sogenannten Kirchthurminteressen in den Vordergrund schoben, um – die Blicke abzulenken von dem, was Noth that, von dem Bewußtsein, daß Deutschland nicht eher Geltung in dem Bunde europäischer Völker gewinnen könne, als bis es e i n f r e i e s Volk geworden. … (Der) Gedanke der Befreiung und Erlösung der Völker ... (der) Gedanke der neuen französischen Revolution soll und wird ebenfalls Propaganda machen in der ganzen Welt, und ich hoffe, er wird sie ausdehnen über Moskau hinaus, und das Licht der Freiheit auch in jene Länder tragen, die jetzt noch schlummern in der tiefsten Knechtschaft. (Anhaltendes Bravo der Linken) … (Das) Ziel einer Verbrüderung des freigewordenen oder freiwerdenden Westens, das ist es, dem ich meine Stimme leihe. Mit der Erreichung dieses Ziels steht die Freiheit und der Friede in Europa gesichert, mit der Erreichung dieses Zieles steht die größte und intelligenteste Abtheilung der europäischen Staatenfamilie in einer unbesiegbaren Vereinigung zusammen und kann mit Ruhe darauf hinblicken, wenn ein Despot ... (sie) ... verhöhnen oder drohen wollte. ... Ich scheue den Spott nicht ... ich scheue ihn nicht, weil ich weiß, daß ich einem Gedanken diene, auf dem die Zukunft, auf dem das Glück Europa’s beruhen wird. (Anhaltender Beifall) M1 Zit. in: Stenographischer Bericht ... Hrsg. v. F. Wigard. Zweiter Band. Leipzig 1848, S. 1108f. M2 Urtheil 16 Vermerk: ist kundzumachen und in augenblicklicher Ermangelung eines Freimannes mit Pulver und Blei durch Erschießen zu vollziehen. Zit. nach: Siegfried Schmidt: Robert Blum. Vom Leipziger Liberalen zum Märtyrer der deutschen Demokratie. Verlag Hermann Böhlaus Nachfolger. Weimar 1971, S. 253f. (Leicht vereinfacht) M3 Robert Blum im Kreise seiner Familie (Bild unten) M4 Robert Blum 1807 geb. am 10. 11. in Köln als Sohn eines Faßbinders, muß das Gymnasium in der 6. Klasse verlassen, um zum Lebensunterhalt der Familie beizutragen; Lehre als Goldschmied und Gelbgießer; Aufenthalt in Berlin, wo er als Nichtstudent Vorlesungen an der Universität besucht. Ab 1831 Arbeit als Theatersekretär und Bibliothekar in Leipzig; Herausgeber eines Theaterlexikons, Redner auf kulturellen und politischen Veranstaltungen. Er verehrt besonders Schiller, dessen Geburtstag am 10. 11. mit dem seinen zusammenfällt. Ab 1839 Tätigkeit in der liberalen Opposition; Bekanntschaft mit Führern des Liberalismus in ganz Deutschland; bekannt auch als Mitbegründer der deutschkatholischen Bewegung, verheiratet, vier Kinder. Schon vor 1848 als Führer der sächsischen Liberalen Demokrat und Republikaner; Mitglied im Vorparlament und Abgeordneter der Nationalversammlung in der Paulskirche; Sprecher der linken Fraktion »Deutscher Hof«, die für einen parlamentarisch-demokratischen Liberalismus, für Volkssouveränität und für das allgemeine Wahlrecht eintritt. Schaltet sich in seiner Eigenschaft als Abgeordneter im Oktober 1848 in die Wiener Revolution ein und wird am 9. November auf Wunsch von Schwarzenberg und auf Anordnung von Windischgrätz standrechtlich erschossen. Nach einer zeitgenössischen Lithographie von A. Hunger, Leipzig Aus: Robert Blum 1848 • 1948. Ein Kämpfer für Einheit und Demokratie. Hrsg. v. Rat der Stadt Leipzig. Leipzig 1948, Tafel I M5 Aus den Briefen Robert Blums an seine Frau Jenny Liebe Jenny,... heute mittag wählen wir den Reichsverweser (Vermoderer!), die Mehrheit wählt den Erzherz. Johann, einige Halbe, etwa 25-30 Gagern, wir wählen den alten Itzstein und eine Anzahl wählt gar nicht, weil sie den »unverantwortlichen« Kerl nicht mitwählen mag... Hoffentlich bricht der Krieg in einigen Tagen aus; ehe Preußens Verrat nicht klar ist, kommen wir auch nicht zum Ende; deshalb habe ich nichts dagegen, wenn die Russen auch bis nach Berlin kommen. Hoffentlich wird Fr. Wilh. IV das Schicksal Ludwigs XVI. haben. In Leipzig wächst ja die Republik ungeheuer... (29. 6. 48) Liebe Jenny, ... Uns geht es ziemlich schlecht, die Mehrheit wird alle Tage frecher und unverschämter, steckt mit den Regierungen unter einer Decke, spielt in und mit der Versammlung Komödie und treibt ihren Verrat ziemlich offen; es ist ganz 1789. Ob die Menschen niemals an 1793 denken?... (5. 7. 48) Liebe Jenny,... In der National-Vers. verfolgt aus Bosheit, vom Volke in die traurigste Stellung gebracht aus Dummheit, von den Demokraten angefeindet und geächtet aus Unverstand stehen wir isolierter als jemals und haben vor- wie rückwärts keine Hoffnung... Nie bin ich so lebens- oder wirkungsmüde gewesen wie jetzt; wäre es nicht eine Schande, sich im Unglück von den Kampfgenossen zu trennen, ich würde zusammenraffen, was ich... habe und entweder auswandern oder mir in irgendeinem friedlichen Tale des südlichen Deutschlands eine Mühle oder dergl. kaufen und nie wieder in die Welt zurückkehren... (4. 10. 48) Liebe Jenny,... Wien ist prächtig, herrlich, die liebenswürdigste Stadt, die ich je gesehen; dabei revolutionär in Fleisch und Blut. Die Leute treiben die Revolution gemütlich, aber gründlich... Wenn Wien nicht siegt, so bleibt nach der Stimmung nur ein Schutt- und Leichenhaufen 17 übrig, unter welchem (ich mich) mit freudigem Stolze begraben lassen würde... (17. 10. 48) Liebe Jenny,... Ich habe am Samstag noch einen sehr heißen Tag erlebt, eine Streifkugel hat mich sogar unmittelbar am Herzen getroffen, aber nur den Rock verletzt. Wien kapituliert eben... (30. 10. 48) Meine liebe Jenny! (Ich) werde unfreiwillig hier zurückgehalten, bin verhaftet. Denke Dir indessen nichts Schreckliches, ich bin in Gesellschaft Fröbels und wir werden sehr gut behandelt... (6. 11. 48) Zit in: Ludwig Bergsträsser: Das Frankfurter Parlament in Briefen und Tagebüchern, Societäts-Druckerei, Abteilung Buchverlag, Frankfurt a. M. 1929, S. 380 ff. Wien, 9. November 1848. Mein teures, gutes, liebes Weib, lebe wohl, wohl für die Zeit, die man ewig nennt, die es aber nicht sein wird. Erziehe unsre – jetzt Deine Kinder zu edlen Menschen, dann werden sie ihrem Vater nimmer Schande machen. Unser kleines Vermögen verkaufe mit Hilfe unserer Freunde. Gott und gute Menschen werden Euch ja helfen. Alles, was ich empfinde, rinnt in Tränen dahin, daher nochmals; lebwohl, teures Weib! Betrachte unsere Kinder als teures Vermächtnis, mit dem Du wuchern mußt, und ehre so Deinen treuen Gatten. Leb wohl, leb wohl! Tausend, tausend, die letzten Küsse von Deinem Robert. Zit in: Schmidt, Robert Blum, S. 254; © Verlag Hermann Böhlaus Nachfolger, Weimar M6 Robert Blums letzte Stunde »Aus jedem meiner Blutstropfen wird ein Märtyrer der Freiheit erstehen« Am unteren Bildrand steht: »Druck und Verlag v. Ed. Gust May in Frankfurt a. M.« Bild in: Erinnerungsstätte für Freiheitsbewegungen in der deutschen Geschichte, Rastatt, Katalog Nr. 535 M7 Aus einem Tagebuch den 9. November. Ich erfuhr noch die näheren Umstände vom Tode Robert Blums... Heute Morgen 5 Uhr wurde ihm das Todesurtheil verkündet. Er sagte ruhig: es trifft mich nicht unerwartet. Der Geistliche vom Schottenthore, zu dessen Sprengel das Gefängniß Robert Blums gehörte, kam, um ihm die Beichte abzunehmen. Blum sagte, daß er nicht beichte, und der Geistliche sagte: er habe das gewußt... Mit drei Jägern und einem Offizier wurde er nach der Brigittenau geführt. Als er nach dem Richtplatze ging, stand er mehrmals still und holte tief Athem. Er bat, daß man ihm die Augen nicht verbinde. Der Offizier erwiderte: diesem könne nicht willfahren werden, es geschehe der Soldaten wegen, und Blum band sich selbst das Tuch um die Augen.... Von drei Kugeln getroffen, sank Blum nieder. Die eine traf in die Stirne, die anderen in die Brust. Sein letztes Wort war: »aus jedem Blutstropfen von mir wird ein Freiheitsmärtyrer erstehen.« Und das Wort wird Wahrheit werden... Wo wird das enden? Welchen entsetzlichen Gräueln sehen wir entgegen!... Wo solche Dinge geschehen, da ist alles Wort verloren, das gesprochene und das geschriebene. Als ich das Josephinum verließ, kam eben ein Trupp Soldaten..., die trugen eine Bahre… drinnen lag wieder ein Mann, den sie mit raschem Blei kalt gemacht. Wer mag das sein? Wessen Herz hat aufgehört zu schlagen? Ich konnte die Soldaten nicht fragen, denn zitternden Herzens wußte ich, sie würden antworten: N i x d e u t s c h. Berthold Auerbach: Tagebuch aus Wien, Von Latour bis auf Windischgrätz. Breslau 1849, S. 222-227 18 Die Wiener Gegenrevolution M8 M 11 Schwarzenberg und Windischgrätz Fürst Felix zu Schwarzenberg (1800-1852), einer der mächtigsten Aristokraten Böhmens. Die Fürstenfamilie, die eine übernationale, betont »böhmische« Haltung einnimmt, deren Mitglieder zweisprachig deutsch und tschechisch erzogen werden, besitzt etwa ein Dreizehntel der Gesamtoberfläche des Königreichs Böhmen, Immobilien in Prag und Wien,auch Güter in Ungarn und bei Salzburg. Ab November 1848 Ministerpräsident und Außenminister von Gesamtösterreich. Fürst Alfred zu Windischgrätz (1787-1862), Oberbefehlshaber aller österreichischen Truppen, ebenfalls DeutschBöhme, ist sein Schwager und ihm eng verbunden, als er mit seiner aus Tschechen, Niederösterreichern und Kroaten (Banus Jellačić) bestehenden 70 000-Mann-Armee im Oktober 1848 Wien einnimmt. M9 Konkurrierende Nationalitäten im Vielvölkerstaat Österreich Viele Tschechen in Böhmen und Mähren wünschen nicht, daß sich die Deutschen in »Deutsch-Österreich«, Böhmen und Mähren einem deutschen Nationalstaat anschließen. Viele Deutsche sind nicht dafür zu gewinnen, daß die Ungarn und die Tschechen sich zu einem unabhängigen tschechischen oder ungarischen (National-) Staat zusammenschließen und die Deutschen in »Deutsch-Österreich« Teil eines deutschen Nationalstaats werden. Viele Kroaten sind dagegen, daß Norditaliener und Ungarn in die staatliche Unabhängigkeit entlassen werden. Text: R. Obenland M 10 Allerneuestes aus Wien Sammlung Heil, Museum und Stadtarchiv Butzbach Schwarzenberg über Europa und Deutschland Nicht in dem Zerreißen der (Habsburger-)Monarchie liegt die Größe, nicht in ihrer Schwächung die Kräftigung Deutschlands. Österreichs Fortbestand in staatlicher Einheit ist ein deutsches wie europäisches Bedürfnis. Von dieser Überzeugung durchdrungen, sehen wir der natürlichen Entwicklung des noch nicht vollendeten Umgestaltungsprozesses entgegen. (27. 11. 1848 vor dem österreichischen Reichstag) Zit. in: Hans Fenske (Hrsg.): Vormärz und Revolution. (FSGA, C, Bd. 4.), Darmstadt, Wissenschaftliche Buchgesellschaft 21991, Seite 370 (Ausz.) Revolutionsende oder Revolutionswende M 12 Revolutionäre und gegenrevolutionäre Entwicklungen Vaterlandsvereine und demokratische Vereine riefen in ihrer beispiellosen Empörung überall in Deutschland zu Robert-Blum-Trauerfeiern auf. Die österreichische Armee unter Windischgrätz erschien Zeitgenossen (wie z.B. Ludwig Bamberger in Mainz) als »eine aus wilden Völkerschaften zusammengesetzte Barbarenhorde«, als »der plumpste Ausdruck brutaler Gewalt, welche den Geist überwältigt«. Jellačić wurde mit »Dschingis-Khan« gleichgesetzt. Republikanisches Gedankengut verbreitete sich zunehmend. Eine 1849 in der Pfalz und in Baden (Rastatt) kämpfende Truppe nannte sich demonstrativ »RobertBlum-Legion«. Spendenaktionen in ganz Deutschland zugunsten der Familie Blum erbrachten bis zum 30. 12. 1848 über 11 000 Gulden, so daß Jenny Blum ihren Kindern in der Schweiz eine vorzügliche Ausbildung zukommen lassen konnte. Der 9. November wurde in den Jahren nach 1848 trotz Verbots oft mit Blum-Feiern (selbst im Ausland) verbunden. Wenn jemand erschöpft war, konnte er sagen, er sei »tot wie Robert Blum«. Die Nationalversammlung in Frankfurt ließ der österreichischen Regierung mitteilen, daß die »Erschießung Blums mit höchster Erregung und Entrüstung in ganz Deutschland aufgenommen sei, und zwar nicht nur von der politischen Partei des Getöteten, sondern von allen Seiten«. Und sie forderten Sühne für die Erschießung Blums. In Österreich wurde jedoch niemand wegen der Ermordung von Blum bestraft. Vielmehr forderte die Regierung Schwarzenberg nun offen die Rückkehr zum Deutschen Bund und plante, notfalls eine von den Regierungen der Einzelstaaten angenommene Verfassung zu oktroyieren und gegen die Paulskirchenversammlung militärisch zusammen mit Preußen vorzugehen. Unterstützt wurde diese Politik von Frankreich, Rußland und wohl auch England. Text: R. Obenland 19 IV. »Für eine europäische Republik: Georg und Emma Herwegh 1848« 1. Erläuterungen Als eine Episode am Rande großer politischer Ereignisse wird in historischen Darstellungen meist der Zug der deutschen Demokraten von Paris nach Südbaden im April 1848 behandelt. Hier werden die Motive, Zielvorstellungen und Irrtümer der deutschen demokratischen Legion dargestellt. Im Mittelpunkt stehen Georg und Emma Herwegh, die ihrem Ziel der europäischen Republik über 1848 und 1871 hinaus treu blieben. Ein Besuch in Berlin im Jahre 1842 wurde für den jungen Erfolgsautor Georg Herwegh zur entscheidenden Wende. Hier begegnete er seiner künftigen Frau Emma Siegmund, der Tochter eines reichen Kaufmanns, die er ein Jahr später in der Schweiz heiratete. Das zweite Erlebnis war eine Audienz, zu der ihn König Friedrich Wilhelm IV. geladen hatte. Diese blieb zwar ergebnislos, diskreditierte den Dichter aber bei manchen Gesinnungsgenossen und trieb ihn, der schon mit seinem Erstlingswerk ‘Gedichte eines Lebendigen’ (Winterthur 1841) scharfe Kritik an den politischen Zuständen des vormärzlichen Deutschland geübt hatte, in radikalere Bahnen: »Dein war das Amt, der Freiheit Ring, den engen, Mit Meisterschlägen friedlich zu erweitern – Du hast’s verschmäht! Nun gilt es, ihn zu sprengen.« (138),1 schreibt er unter dem beziehungsreichen Titel ‘Auch das gehört dem König’. Der Augenblick, das Wort zur Tat werden zu lassen, kam erst im Februar 1848, den Herwegh in Paris, damals Zentrum der Emigranten, erlebte. Die deutschen Exildemokraten, von denen manche auf den Pariser Barrikaden mitgekämpft hatten, wählten ihn am 19. März zum Präsidenten ihres Zentralkomitees. M 2 ruft die Pariser Barrikadenkämpfer auf, ihre Waffen den Deutschen zu leihen, damit diese auch in Deutschland die Republik erkämpfen könnten. Der Appell scheint wenig Resonanz hervorgerufen zu haben; in ihrer ersten Unterredung mit Hecker beklagte Emma Herwegh den Mangel an Waffen und das Ausbleiben versprochener Lieferungen. Herweghs Behauptung, die Legion sei ein »wohlgerüstetes Hilfskorps« M 5 , ist also irreführend. Seine Adresse an das französische Volk M 3 verkündet sein politisches Programm – die demokratische europäische Republik unter der Patenschaft Frankreichs. Eine zu intensive Hilfe der II. Republik wird allerdings in diplomatischer Verklausulierung abgelehnt – sollte Herwegh bereits ahnen, welchen Vorurteilen die deutschen Emigranten begegnen würden? In die konkreten Planungen führt M 4 . Die militärischen Operationen, die mit denen Johann Philipp Beckers und seiner ‘Deutschen Legion aus der Schweiz’ koordiniert werden sollten, wurden von Anfang an bespitzelt und von seiten der deutschen Regierungen mit Aufmarschbewegungen im Grenzgebiet beantwortet. Eine geschickte Propaganda suggerierte, daß ein französischer Einmarsch drohe, was bei der Bevölkerung am 25./26. März eine kollektive Panik auslöste. M 5 gibt Herweghs Versuch wieder, das verlorene Terrain der öffentlichen Meinung zu- rückzugewinnen. Nicht nur bei den Konstitutionellen der Paulskirche (s. M 10 ), sondern sogar bei Hecker scheint die Propaganda gegen das Herweghsche Unternehmen verfangen zu haben. Emma Herwegh schildert ihre verzweifelten, unter großen Strapazen unternommenen Versuche, mit Hecker zu einer Absprache über ein gemeinsames Vorgehen zu kommen. Von Straßburg aus suchte sie ihn am 15. April in Engen, am 19., am Vorabend des Gefechts auf der Scheideck, in Kandern auf (s. M 7 ). Die Vereinigung der Freischaren blieb aus, die Wandlung vom Dandy zum revolutionären Freiheitskämpfer (Vergleich M 1 und M 6 ) war vergebens. Als die Herweghsche Schar, von etwa 1500 auf weniger als die Hälfte geschrumpft, bei Kleinkems am 21./22. April endlich deutschen Boden erreichte, war das entscheidende Gefecht bei Kandern bereits geschlagen und für die republikanische Sache verloren. Mehr aus Zufall kam es bei Dossenbach doch noch zum Kampf. M 8 schildert das Gefecht aus der Sicht des Gegners und läßt die militärische Inkompetenz der Revolutionäre erkennen. Nicht nur Herweghs Rolle als aktiver Revolutionär war damit ausgespielt, es folgte der Rufmord am Dichter Herwegh. Die unter Lebensgefahr gelungene Flucht in die Schweiz wurde von seinen Gegnern zur feigen Desertion unter dem Spritzleder einer von Emma Herwegh gelenkten Kutsche umgeschrieben. »In keinem Ehrenkodex steht, daß Revolutionsführer sich gefangennehmen lassen müßten, um die Erschießung hinzunehmen.«, urteilt dagegen ein unvoreingenommener Historiker, Veit Valentin.2 Herwegh war nach dem Scheitern des Zuges politisch kaltgestellt. Die Debatten der Paulskirche um die Verfassung des Deutschen Reiches verfolgte er aus der Ferne in ohnmächtigem Zorn mit bissigen Kommentaren M 11 – die Legende vom schwatzenden Professorenparlament, von der Rechten wie von der Linken mit Eifer gepflegt, hat auch er mitgeschaffen; seine Verse sind entsprechend kritisch zu lesen. 1866 kehrte er nach Deutschland zurück, verweigerte sich aber konsequent den gängigen Anpassungsmustern vieler 48er. Vor allem die Reichsgründung von 1870/71 fand keine Gnade in seinen Augen: »Dies ‘neue Deutschland’ bleib mir fern/Und zähle mich zu seinen Toten« (266) schrieb er schon vor dem Krieg von 1870. Eine politische Heimat fand der Dichter in der Arbeiterbewegung, die ihm das berühmte Bundeslied verdankt: »Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will.« (233) Anmerkungen 1 Die Seitenzahlen der Zitate beziehen sich auf: Herweghs Werke in einem Band. Ausgewählt und eingeleitet von Hans-Georg Werner. Bibliothek deutscher Klassiker. Berlin und Weimar (Aufbau-Verlag) 1980. 2 Veit Valentin: Geschichte der deutschen Revolution 1848–1849, Bd. 1, Ndr. Köln-Berlin (Kiepenheuer & Witsch) 1977, S. 500f. Überlegungen zu den Materialien: 1) Welche Bedeutung hat die französische Februarrevolution von 1848 für die deutsche Märzrevolution? M 2 und M 3 2) Wie stellt sich Herwegh die Verwirklichung seiner Ziele vor? M 4 und M 5 3) Welchen Vorurteilen begegnen die deutschen Exildemokraten? M 5 , M 11 4) Wie erklärt sich Heckers Zurückhaltung gegenüber Herwegh? M 7 , vgl. M 5 5) Wie sind die militärischen Chancen der Deutschen Legion zu beurteilen? M 8 , M 9 20 2. Materialien M2 Aufruf an die siegreichen französischen Republikaner, ihre Waffen den Exildeutschen zu leihen »Es lebe Frankreich, unsere Schwester für das Leben und den Tod!« Aus: F. X. Vollmer: Der Traum von der Freiheit. Stuttgart 1983, S. 96; © Theiss Verlag Dichtermuseum/Herwegh Archiv, Liestal Georg Herwegh und Emma Siegmund 1842/43 Heinrich-Heine-Institut, Düsseldorf M1 21 M3 Adresse Herweghs 6. 3. 1848 An das französische Volk! Der Sieg der Demokratie für ganz Europa ist entschieden: Gruß und Dank vor allem Dir, französisches Volk! In drei großen Tagen hast Du mit der alten Zeit gebrochen und das Banner der neuen aufgepflanzt für alle Völker der Erde. [...] Französisches Volk, wir gehen Hand in Hand mit dir. [...] Erhalte allen deinen Kindern, was sie alle erkämpften, und die einzige Hilfe, welche wir von dir begehren, ist, daß du standhaft bleibst und uns zujauchzest, wenn wir von den Zinnen des von deutschen Händen eroberten Deutschlands dir zurufen: Es lebe die Freiheit, die Gleichheit, die Bruderliebe! Es lebe die Demokratie! Es lebe die europäische Republik! [...] Briefe von und an Georg Herwegh, hrsg. von Marcel Herwegh. Verlag Albert Langen, Paris-Leipzig-München 1896, S. 133–135 M4 Brief Herweghs an Hecker, 15. 3. 1848: Paris, 15. März 1848. Die hiesigen Deutschen fangen an, sich zu organisieren und zu bewaffnen, und es ist Hoffnung vorhanden, in kurzer Zeit ein Korps von 4–5000 Mann eingeübt und mit Offizieren versehen zur Disposition Deutschlands bereit zu haben, welches auf das erste Signal von draußen, daß die Hilfe einer disziplinierten deutschen Armee nötig oder gewünscht wird, an den bezeichneten Ort marschiert. [...] Die Stimmung unter den hiesigen Deutschen ist sehr kriegerisch, und sobald ein erstes Korps wirklich abmarschiert wäre, würden tausende und vielleicht zehntausende organisiert und diszipliniert (um im Fall der Not auch Linientruppen Stand halten zu können) folgen. Köln, Frankfurt und das Großherzogtum Baden sind die Punkte, auf die sie ihr Hauptaugenmerk richten [...] Auf die Hilfe der Deutschen in Paris ist jeden Augenblick zu rechnen, und man würde unrecht thun, sie zu verachten, da viele von ihnen in den drei großen Tagen mitgefochten und alle gesehen haben, wie man eine Revolution macht, und was ein Volk vermag. Georg Herwegh. Briefe von und an Georg Herwegh, S. 115–117 M5 Aufruf Herweghs aus Straßburg, 15. 4. 1848 Die Pariser deutsche demokratische Legion. An unsere deutschen Mitkämpfer aus Frankreich und der Schweiz und an das deutsche Volk. Die Pariser deutsche demokratische Legion ist an den Ufern des Rheins angekommen; sie hat hier deutsche Freiheits-Legionen aus anderen Städten Frankreichs und der Schweiz gefunden, alle gekommen, um für die Freiheit des deutschen Volkes zu fechten. Ehe wir vereint zur ersten entscheidenden Tat schreiten, sei ein offenes Wort an unsere Freunde und Mitkämpfer und an das ganze deutsche Volk gesprochen. Wir sind keine Freischaaren! Wir sind deutsche Demokraten, wollen Alles für das Volk, Alles durch das Volk! – Wir wollen die deutsche Republik mit dem Völker verbindenden Wahlspruche: Freiheit! Gleichheit! Bruderliebe! Wir sind keine Freischaaren! Wir sind ein wohlgerüstetes Hilfskorps im Dienste des deutschen Volkes, bereit für Deutschlands Freiheit und Größe zu fechten bis auf den letzten Mann, gegen innere und äußere Feinde. [...] Deutsche Brüder in der Heimat! Eure Brüder aus der Fremde, aus der Verbannung nahen, empfangt sie als Freunde! Wir gedachten niemals als Feinde auf deutschen Boden zu treten, niemals euch die Freiheit aufzudringen, niemals euren freien Willen zu beschränken, noch Euer Eigentum anzutasten. [...] Wir erklären euch aber auch zugleich, daß wir ungerufen nicht kommen, daß es ferne von uns liegt, gewaltsam in Deutschland einzudringen, und daß, falls ihr unglücklicherweise Deutschland für die vollständigste Staatsform der Freiheit: die Republik, noch nicht reif wähnt, wir weit entfernt sind, Euch unsere Überzeugung aufzudringen, oder Euch zwingen, freie Republikaner zu werden, wenn Ihr Unterthanen bleiben wollt. Wir werden dann dem neu erwachenden Polen zu Hilfe eilen, gegen Rußland kämpfen oder für Schleswig-Holsteins deutsche Rechte in den Kampf ziehen [...] Gruß und Bruderschaft! Im Namen der deutschen demokratischen Legion von Paris, das Comité, Georg Herwegh. Briefe von und an Georg Herwegh, S. 153 ff. M6 Georg und Emma Herwegh als Freiheitskämpfer Historisches Museum der Stadt Hanau, Schloß PhilippsruheHanauer Geschichtsverein 22 M 6a Der Zug der Deutschen Legion durch Südbaden Aus: Vollmer, Der Traum von der Freiheit, S. 126; © Theiss, Stuttgart M7 Emma Herwegh über ihren zweiten Besuch bei Hecker, Kandern, 19. 4. 1848: Unser Wagen wurde angehalten, und erst nach genauer Inspektion, unter bewaffneter Begleitung ins Hauptquartier geführt. Dies war die Nacht vor dem Gefecht, in dem Gagern fiel. Als mich Hecker aussteigen sah, rief er aus: Sie sind’s, Frau Herwegh? Na, Sie kommen grad recht, wir sitzen in der Mausfalle. Wie das? Von allen Seiten zieht sich das Militär zusammen, das wird einen heißen Kampf geben. [...] Endlich nahm ich ihn einen Augenblick beiseite und sagte ihm: Der einzige Grund, weshalb ich Sie zum zweiten Male aufsuche, ist, um Sie nochmals in Herweghs Namen an Ihr gegebenes Wort zu erinnern, und Sie aufzufordern, ihm unverzüglich den Vereinigungspunkt zu bestimmen. Ehe mir diese Antwort nicht geworden, kehre ich nicht heim. [...] Unsere Mannschaft ist der ewigen Vertröstungen von einem Tage zum andern müde, und nicht mehr zu halten, und die materiellen Mittel sind erschöpft. Es bleiben uns jetzt nur drei Wege, entweder zu verhungern, auseinandergehen, oder uns Ihnen in kürzester Frist anzuschließen. Darum bitte ich um eine entschiedene Antwort. [...] So sagen Sie Herwegh, rufen könne ich ihn nicht, aber wenn er kommen wolle, und recht bald und in recht großer Anzahl, soll’s mir lieb sein. [...] So sehr mir Hecker gefiel, so wenig behagte mir sein Bescheid, und ich ließ deshalb meinen Unmut an dem Ersten aus, der mir in den Weg trat. Es war M. [Mögling]. Wollt ihr wirklich nichts als eine badische Republik, sagt ich ihm, so mögt ihr uns getrost ausschließen, denn welcher Mensch kann sich heutiges Tags dafür interessieren. Wollt ihr aber die Republik für ganz Deutschland, womöglich für ganz Europa, und betrachtet, wie wir dies stets von Hecker vorausgesetzt, die badische nur als einen Anfang derselben, mit welchem Recht zögert ihr da, die Mitwirkung Euerer Brüder und darunter Euerer besten Brüder laut zu begehren? F Zur Geschichte der deutschen demokratischen Legion aus Paris. Von einer Hochverräterin. In: Briefe von und an Georg Herwegh, S. 175f. M8 Kämpfe auf Indianerweise im Hotzenwald Bericht des württembergischen Hauptmanns Lipp über das Gefecht bei Dossenbach, 27. 4. 1848: Die auf einer freien Stelle zwischen den Waldungen gelagerte Legion griff zu den Waffen. Die deutschen Banner wurden unter dem Kommandoruf »aux armes! aux armes!« entfaltet. Ohne sich zu ordnen, und ohne ein weiteres Kommando abzuwarten, stürzte ein Schwarm mit wütendem Geschrei aus dem Walde, die Patrouille (der Württemberger) mit einem Hagel von Kugeln begrüßend [...] Das Feuer der Legion blieb unerwidert, bis sie in schußgerechter Nähe gelangt war. Die Salve hatte Erfolg; Verwundete stürzten nieder und wurden dem Walde zugetragen, wo die Legion die Ambulance errichtet hatte [...] Mit Ausnahme des Bataillons Schimmelpenning hatten die sogenannten Bataillone keine taktische Gliederung und rückten auf Indianerweise in ungeregelten Haufen vor, deckenden Terrainfalten nachziehend; ihre Schützen schwärmten in einem großen Bogen voran von Stellung zu Stellung, gedeckt durch die Obstbäume [...] Alles schrie, jeder wollte kommandieren und vermehrte das Durcheinander, so daß trotz dem Mute, der viele der Legion beseelte, die innere Verbindung und Leitung abhandenkam, und ein lähmendes Mißtrauen in die eigene Kraft sie um die letzte energische Anwendung derselben im entscheidenden Augenblick brachte. Darin stimmten übrigens ihre Schlachthaufen überein, daß sie zur Vermehrung solcher Unordnung ein Schlachtgeschrei anhuben, das kaum vom Knalle der Geschosse übertönt wurde. [...] Friedrich Lautenschlager (Hrsg.): Volksstaat und Einherrschaft. Dokumente aus der badischen Revolution. Konstanz 1920, Verlag Reuß und Itta, S. 137–143 23 M9 Hauptmann Lipp im Gefecht mit Reinhard Schimmelpenning (bei Dossenbach, April 1848) Vorlage und Aufnahme: Generallandesarchiv Karlsruhe M 10 Die Behandlung des »Falles Herwegh« in der Paulskirche (im Rahmen der Amnestiedebatte über Hecker), 7. – 11. 8. 1848: Brentano von Bruchsal: Es scheint, als habe man von Seiten der Reaction es gewünscht, daß irgend eine Emeute [Aufruhr] zu Stande käme, um die Zügel straffer und stärker anziehen zu können. Freilich, wenn dieses die Absicht gewesen sein sollte, so hat der Erfolg die kühnsten Erwartungen der Reaction übertroffen. [...] Man hat absichtlich vorher verbreitet, es wollten fremde Zuzüger den Rhein überschreiten. Man hat unsere deutschen Brüder, welche in Frankreich lebten, und nach der Heimath zurückkehren wollten, fremde Zuzüger genannt, und hat ein Zetergeschrei erhoben, als man die Truppen, die aus den Bundesstaaten kamen, gegenüber den badischen Truppen, fremde nannte; und noch heute sehe ich mit tiefem Schmerze in dem Ausschuß-Berichte unsere deutschen Brüder, welche aus Frankreich herüber gekommen sind, als Fremde bezeichnet. [...] Welcker von Frankfurt: [...] Diese Männer [Struve und Fickler] sind zu mir gekommen, als ich einen Herwegh’schen Brief in der Hand hatte, worin er den deutschen Republikanern eine Hilfe von 100 000 Franzosen versprach, wenn es Noth thue. – Ich habe gesagt, der letzte Straßenkehrer in Paris würde erröthen, an einem Unternehmen Theil zu nehmen, welches den Landes-Verrath auf der Stirne trägt. F Stenographischer Bericht über die Verhandlungen der Deutschen Constituirenden Nationalversammlung zu Frankfurt am Main. Hrsg. von Franz Wigard. Bd. 2 Ndr. München 1988, Sp. 1437, 1453 M 11 Herweghs Meinung von der Nationalversammlung in der Paulskirche [...] Zu Frankfurt an dem Main – Die Wäsche wird nicht rein; Sie bürsten, und sie bürsten, Die Fürsten bleiben Fürsten, Die Mohren bleiben Mohren Trotz aller Professoren Im Parla – Parla – Parlament Das Reden nimmt kein End! Zu Frankfurt an dem Main – So schlag der Teufel drein! Es steht die Welt in Flammen, Sie schwatzen noch zusammen, Wie lange soll das dauern? Dem König Schach, ihr Bauern! Dein Parla – Parla – Parlament, O Volk, mach ihm ein End! Herweghs Werke in einem Band. Ausgewählt und eingeleitet von Hans-Georg Werner. Bibliothek deutscher Klassiker. Aufbau-Verlag, Berlin und Weimar 1980, S. 163f. 24 V. »Den Drachen Revolution töten« – Prinz Wilhelm von Preußen. Berlin – London – Karlsruhe: Ein Gegenrevolutionär unterwegs 1. Erläuterungen Zeit seines Lebens setzte sich Prinz Wilhelm von Preußen, der spätere Kaiser Wilhelm I., für den Erhalt einer dominanten Stellung des Monarchen gegenüber dem Parlament, gestützt auf eine starke Armee, ein. Mit seiner Person ist die Ablehnung des westeuropäischen Typs einer parlamentarischen Monarchie aufs engste verbunden. Im März 1848 wurde er vorübergehend nach London geschickt, weil er in Preußen als Scharfmacher (»Kartätschenprinz«1) untragbar geworden war. Im Juni 1848 nach Preußen zurückgekehrt, wirkte er aktiv auf den Sieg der Gegenrevolution hin. Im Juni 1849 übernahm Prinz Wilhelm den Oberbefehl bei der Niederwerfung des badischpfälzischen Aufstandes. Er sah darin einen Kampf gegen »Hochverräter« und eine gottgewollte Pflichterfüllung. Die folgenden Erläuterungen zu den Abbildungen bedürfen keiner erklärenden Einbettung in den Gesamtzusammenhang der Vorgänge von 1848/49. Diese leistet die Zeittafel M 3 , die eigens auf die Abbildungen abgestimmte Schwerpunkte setzt und zugleich selbständiges Erschließen der Revolutionsgeschichte anregen soll. Im übrigen eignen sich alle Materialien für ein fächerverbindendes Arbeiten in Geschichte, Deutsch und Bildender Kunst. Die Karikatur M 1 lebt von der Schadenfreude der Betrachter über die Fallhöhe der gestürzten Schlüsselfiguren der Reaktion, die nun, gleichsam im Niemandsland befindlich, sich mit Attributen umgeben, die gemessen an ihrer bisherigen politischen Bedeutung lächerlich wirken. Auf die frühere politische Schlüsselstellung der drei Exilierten verweist der Text unter dem Bild: »Sonst spielt ich mit Zepter mit Krone und Stern! Altes Lied, vielstimmig eingerichtet und zum beliebigen Gebrauch gewidmet den Allerhöchsten Herrschaften von N.N.« Die Exilierten werden jeweils mit für sie Typischem charakterisiert: – Louis Philippe, genannt »die Birne«, durch seine großbürgerliche Kleidung als Bürgerkönig; – Prinz Wilhelm durch Uniform und anonymisierende Rückenansicht als Militär schlechthin; – Metternich – durch seinen Habitus als Grandseigneur – als Vertreter des untergehenden aristokratischen Zeitalters. Einen Hinweis auf die politischen Vorstellungen der Exilierten geben die Gegenstände, die sich als ihr Einsatz im (politischen) Spiel eignen würden: Louis Philippe könnte vorschweben, die Stellung der alten Mächte durch materielle Zuwendungen an das Großbürgertum wieder zu festigen (vgl. Geld und Handelsmann). Wilhelm, der Kar- tätschenprinz, würde es gewaltsam mit Waffen versuchen, seinem liebsten ‘Spielzeug’. Für Metternich, der sich mit Sektflaschen und diplomatischen Schriftstücken umgeben hat, läge es nahe, seine internationalen Beziehungen sowie seine Familienverbindungen (vgl. die auf die Güter der Metternichs im Rheingau weisende Sektflaschen-Aufschrift »Johannisberger«), zu nutzen, um der Gegenrevolution zum Sieg zu verhelfen. Die Überschrift der Karikatur »Eine Whistgesellschaft! Vorerst nur ein Tisch mit einem Strohmann.« bezieht sich auf die WhistSpielregeln2. Es entsteht der Eindruck des gehobenen Nichtstuns. Von der Erschütterung des Prinzen (»Ich bin wie vernichtet! Gar keine Aussicht in die Zukunft!«, Brief nach Petersburg an seine Schwester, zit. n. Börner, Kaiser Wilhelm, S. 80) und seiner momentanen Offenheit für den Fortschritt (»Erkennt das Rechte, und tut das Rechte zur rechten Zeit, damit es Euch nicht wie uns und Österreich geht;...«, zit. n. ebenda) weiß die Karikatur nichts, ebensowenig davon, daß er sich opportunistisch auf den Konstitutionalismus einließ M 2 . Der Sprachgebrauch in M 2 verrät die Grundhaltung des Prinzen: Gleichstellung der Armee mit ganz Preußen (Z. 12 ff.); Ehrbegriffe und Selbstverständnis der Offiziere (Wahl der Adverbien und Adjektive, Z. 19 ff.); strikte Abgrenzung des regulären Militärs von Verbänden wie z.B. einem Volksheer der Revolution, verbunden mit Abwertung (Z. 27 ff.); Selbstverständnis des Prinzen als Militär (Z. 38 ff.); Pathos der Grußformel (Z. 44). In M 4 wird einem bürgerlich gekleideten Herrn (Gehrock, Zylinder) ein schlecht gekleideter Straßenverkäufer gegenübergestellt, dessen Umhängetasche ihn ins Kleineleute-Milieu der Zeitungsverkäufer verweist. Beide tragen die revolutionäre Kokarde und sympathisieren demzufolge trotz ihrer unterschiedlichen sozialen Stellung mit der Revolution. Der Straßenverkäufer will daher den Prinzen zum niedrigsten Preis loswerden, der Bürger ihn trotzdem nicht kaufen (»Kofen Sie – ganz billig – der Prinz von Preussen – Ganz billig. 6 Dreier« »Ne Junge – nich für umsonst.«). Zur Mißliebigkeit des Prinzen in Berlin, wohin die Sprachform des Textes verweist, vgl. M 3 und das Lied des Bilderbogens M 5/2 , das ausdrücklich zwischen Berlin und hohenzollernfreundlicher Provinz unterscheidet. Bild und Text des Neuruppiner Bilderbogens M 5/1 und M 5/2 sind Zeugnisse der wieder erstarkenden Gegenrevolution und sollten als Einheit betrachtet werden – auch wenn Verleger und Drucker Gustav Kühn nur den letzten 25 Abschnitt und das Lied verfaßt hat. Das übrige – ein Augenzeugenbericht – stammt aus der Spenerschen Zeitung vom 9. Juni 1848. Mit sicherem Gespür für die Neugier seines Publikums schildert Kühn – im Frühjahr 1848 hatte er prorevolutionäre Blätter hergestellt! – den Einzug des Prinzen Wilhelm anläßlich seiner Rückkehr aus dem Exil in England. Die das Bild beherrschende Ehrenpforte, der Blumenschmuck und die Fahnen – neben preußischen auch schwarz-rot-goldene als Zugeständnis an die noch andauernde Revolution – sowie das Vivat der Umstehenden sind Elemente einer Begrüßungsfeier für einen geschätzten Landesherrn oder siegreichen Feldherrn. Nichts erinnert daran, daß derselbe Mann knapp drei Monate zuvor die revolutionären Berliner hatte zusammenschießen lassen wollen und vor deren Wut hatte fliehen müssen. Im Provinzort Nowawes, auch wenn es nahe der Hauptstadt liegt, sind alle Bewohner treu dem Herrscherhaus ergeben. Die Honoratioren stellen die Begrüßungsdeputation (rechts im Bild). Lehrer und Dorfpfarrer kümmern sich um den Chor der Schulkinder (links im Bild). Im Text fällt obrigkeitsstaatlicher Untertanengeist auf: der Opportunismus, der sich im Gegensatz zum Serienuntertitel »Europäische Freiheitskämpfe« und zu der Formulierung des Bildtitels samt Untertitel ausdrückt; die Wortwahl des Verschleierns und Vertuschens: ‘Reise nach London’ statt Exil in London, ‘Sturm der früheren Tage’ statt Streit um die Rückberufung; die Umkehrung der Bewertung: Der Prinz erscheint als verleumdet und verkannt; Liedtext: Der Prinz wird im Lied mit preußischem Hurra-Patriotismus umgeben, der Tod für das Vaterland makaber popularisiert. Zu M 6 : Der Karikaturist spielt mit Versatzstücken des Herrscherbildes, an die man seit dem frühen Mittelalter gewohnt ist. Indessen verkehrt er in seinem Bild von Preußens König – hintergründig auch des Thronfolgers – alles vom Positiven ins Negative: – Friedrich Wilhelm IV. lümmelt in menschenverachtender Haltung (er tritt die toten Opfer der Gegenrevolution mit Füßen) auf einem Kanonenthron. – Die Halbmaske macht den Vorgang noch unheimlicher. – Die Knute in seiner Hand verweist auf die Gewaltherrschaft im zaristischen Rußland. Die von Preußen drohende Unterdrückung wird als wesensgleich angeprangert. – Der Thronbaldachin besteht aus einem Galgen, an dem zwei Hingerichtete hängen. – Die Stützen des Thrones bilden das Militär in der Gestalt des Prinzen Wilhelm und der Henker, der am Beil, den Handschellen und den Kerkerschlüsseln zu erkennen ist: Hinweis auf die Todesurteile (vgl. Badischer Aufstand). – Das Staatssymbol über dem Baldachin besteht aus Skelett-Teilen, die für einen Doppeladler als Zeichen der preußisch-deutschen Kaiserwürde im geeinten Deutschland stehen. – Den Hintergrund bilden Bajonette. – Die Froschperspektive erhöht den bedrohlichen Eindruck. – Die in Herrscherbildern übliche Überhöhung wird durch Rauchwolken des ausgetretenen Revolutionsfeuers erreicht. – Die Darstellung der unterworfenen Gegner, auf die der Sieger seinen Fuß setzt, ist ein seit der Antike traditionelles Motiv. Die Unterworfenen sind aber nicht wie üblich lebendig dargestellt, sondern als tote Opfer der Gegenrevolution. Die Menschenrechte werden mit Füßen getreten (vgl. den Literaten, der noch die Feder in der Hand hält, d.h. Knebelung der Presse). – Gestürzte antike Säulen erinnern an die griechischen Ideale der Freiheit, und ausgetretene Feuerbrände symbolisieren die Niederlage der Revolution sowie die erneute Unterdrückung. Die Karikatur will anklagen und zugleich warnen, wie es um Deutschlands Zukunft bestellt sein würde, wenn Preußen die Führung tatsächlich übernimmt. Die Maßnahmen z.B. bei der Niederwerfung des Badischen Aufstandes schienen diese Befürchtungen zu bestätigen und zu bekräftigen. Die den Prinzen verherrlichende Darstellung M 7 ist ein Zeugnis für das Selbstverständnis der siegreichen Gegenrevolution – Ausdruck des harten und konsequenten Vorgehens gegen die revolutionäre Bewegung. Am 19. Juni 1848 verhängte Prinz Wilhelm den Kriegszustand über Baden. Damit verfielen alle, die weiterhin Widerstand leisteten, als Hochverräter dem Kriegsgericht. Dadurch legitimierte er das harte Durchgreifen. In zeitgenössischen Bildern spiegelt sich diese Einstellung in der Figur des Drachentöters. Das pathosgeladene Bild ist die graphische Umsetzung einer Motivik, die aus der Tradition der Reiterstandbilder kommt: Der Prinz als der dem Sieg entgegenstürmende Feldherr auf vorwärtssprengendem Pferd. Die Truppe verschwindet hinter der Hauptperson des Prinzen in einer dichten Staubwolke. Der zu Boden Gestürzte wird durch seinen mit einer Hahnenfeder geschmückten Hut als Freischärler ausgewiesen. Der Reiter setzt über ihn hinweg. Dieses Motiv ist Teil einer ebenfalls mit dem Reiterstandbild verbundenen Topik: Zumindest seit der Kaiserzeit war es üblich, eine oder mehrere Figuren unterworfener Gegner oder einer trauernde Allegorie der Besiegten dem Feldherrn als Ausdruck des Triumphes unter die Hufe seines Pferdes zu legen. Anmerkungen: 1 Kartätsche: mit Bleikugeln gefülltes Artilleriegeschoß 2 Whist: aus England stammendes Kartenspiel für 4 Personen mit 52 Blättern; auch zwischen 3 Personen und einem Strohmann (dummy, vgl. M 1 ) möglich. Vorläufer des Bridge Überlegungen zu den Materialien: 1) Welche Eindrücke und Kontraste ergeben sich beim Vergleich der pro- und gegenrevolutionären Bild- und Textquellen? M 1 + M 2 , M 4 + M 5 , M 6 + M 7 2) Die Zeittafel eignet sich dazu, das Auf und Ab in der politisch-militärischen Karriere des Prinzen Wilhelm von Preußen zu verfolgen. In welche vier Abschnitte läßt sie sich gliedern? M 3 3) Text und Bild – M 5/1 , M 5/2 – werben für die Hohenzollernmonarchie und verraten ein Mißverstehen der konstitutionellen Monarchie. Der Text ist ab Z. 10 kritisch zu interpretieren. Die abschließenden Liedstrophen sind unter politischen und ethischen Fragestellungen zu hinterfragen. 26 2. Materialien M1 Eine Whistgesellschaft Karikatur (März/April 1848) von Friedrich Wilhelm Storck, © DHM Berlin M 2 Brief des Prinzen Wilhelm von Preußen an General von Prittwitz, London, 21. April 1848 »An den General v. Prittwitz Exc., Kommandierender General des Gardekorps in Berlin. [...] Der furchtbare Umschwung der Verhältnisse seit wir uns nicht sahen, kann nicht ohne Rückwirkung auf die Armee bleiben, und Alles was Sie darüber sagen, – leider auch mit der Zeit für das Garde-Corps zu befürchten, ist ganz meine Überzeugung. Ist die Armee aber erst soweit, wie das 8. Corps es schon ist, was bleibt dann noch von Preußen übrig? Sie können und müssen stolz darauf sein, über die Tat, wie Sie den Kampf am 18. Und 19. führten, stolz, so herrliche Truppen geführt zu haben, und stolz auf das Vertrauen, was Ihnen dieselben jetzt noch beweisen! Wer solche Stunden mit seinen Truppen besteht, da ist das Vertrauen unauslöschlich. Sie haben den Ruhm, nicht allein die Ehre und den Ruhm des GardeCorps, sondern der Armee aus der Catastrophe, die uns betroffen hat, unbefleckt gerettet zu haben. [...] Und ebenso ehren- und ruhmvoll ist es, daß es Ihnen gelungen ist, bisher die Ordnung und die Zucht in Ihrer Truppe zu erhalten, die dieselbe durchdringen muß, wenn sie nicht zu Freischaaren zurücksinken soll. Je schwieriger diese Aufgabe war, nach allem was dieser Truppe zugemuthet worden ist, – im Siege abberufen zu werden, durch Wort, That und Schrift verhöhnt zu werden! –, je höher liegt Ihr Verdienst! Der Gedanke ist mir theuer, daß der Geist, welcher Ihnen Ihre Aufgabe möglich machte, in der Truppe wenigstens von mir nicht unangeregt gewesen ist. Dieser Gedanke tröstet mich in meiner Lage, bei dem Gedanken, daß das Vergangene nicht wiederkehrt! Und daher bin ich auch stolz, Führer einer Truppe gewesen zu sein, die solche allgemeine Anerkennung der Kriegs-Welt sich erworben hat! So nehmen Sie, von Ihrem ehemaligen Führer, den wärmsten und aufrichtigsten Dank hin, für die Ehre, die Sie den Truppen zu erhalten wußten, die zu führen ich solange die Ehre das Glück hatte!! Bis in den Tod der Ihrige! Prinz von Preußen« Aus: Karl Ludwig von Prittwitz. Berlin 1848. Das Erinnerungswerk des Generalleutnants Karl Ludwig von Prittwitz und andere Quellen zur Berliner Märzrevolution und zur Geschichte Preußens um die Mitte des 19. Jahrhunderts. Bearbeitet und eingeleitet von Gerd Heinrich. Walter de Gruyter, Berlin-New York 1985, S. 488f. M3 Zeittafel 1848, 9. März Prinz Wilhelm wird zum Militärgouverneur des Rheinlands und Westfalens ernannt, nachdem die Volksbewegung in den preußischen Westprovinzen bedrohliche Formen angenommen hat; seine für den 15. März geplante Abreise ins Rheinland unterbleibt wegen der Revolution in Berlin. 1848, 13. März In Berlin geht das Militär erstmals gegen das Volk vor; Prinz Wilhelm kritisiert die Unentschiedenheit und Ratlosigkeit der Regierung als großen Fehler und drängt auf schnelles und brutales Zerschlagen der revolutionären Bewegung (»Kartätschenprinz«). 1848, 16. März Prinz Wilhelm flieht mit Familie in das königliche Schloß, weil er sich durch eine Menge vor seinem Palais bedroht fühlt, die in ihm die treibende Kraft der Gegenrevolution sieht. 1848, 18. März Friedrich Wilhelm IV. läßt gegen Mittag verkünden, er wolle einige Forderungen der bürgerlichen Opposition erfüllen: – Zusammentritt des Vereinigten Landtags am 2. April – Einführung einer Konstitution – Gewährung der Pressefreiheit – Mitwirkung Preußens an der Schaffung eines deutschen Bundesstaats (Das Patent ist mitunterzeichnet vom Prinzen Wilhelm als Thronfolger, der aber gleichzeitig erreicht, daß der rücksichtslose General von Prittwitz den Oberbefehl über die Truppen im Berliner Raum erhält). Um 14 Uhr läßt Prittwitz den Schloßplatz gewaltsam räumen, daraufhin Barrikadenbau und Barrikadenkämpfe; nach ersten militärischen Erfolgen im Straßenkampf fordert Prinz Wilhelm, der König solle seine gerade gemachten Versprechungen wieder zurücknehmen; trotz des späteren Eingeständnisses der militärischen Niederlage stemmt er sich weiter gegen die Bildung eines Ministeriums aus gemäßigten Konservativen und rechten Liberalen. 27 1848, Nacht zum 19. März Viele Offiziere erkennen, daß ein Sieg über die Barrikadenkämpfer unmöglich ist; Prinz Wilhelm ist am Morgen des 19. dennoch gegen einen bedingungslosen Truppenabzug und schreit deshalb den König an: »Bisher habe ich wohl gewußt, daß Du ein Schwätzer bist, aber nicht, daß Du eine Memme bist! Dir kann man mit Ehren nicht mehr dienen.« Friedrich Wilhelm IV. verfaßt seine Proklamation »An meine lieben Berliner«. 1848, 19. März Die Truppen räumen bis auf wenige Kompanien im Schloß die Stadt. Der König muß den toten Revolutionären die letzte Ehre erweisen, indem er sein Haupt entblößt, als die Toten im Schloßhof vorbeigetragen werden. Nachdem die Revolutionäre empört von Prinz Wilhelm den Thronverzicht verlangen, entschließt sich dieser auf Drängen des Königs zum Verlassen Berlins und ist sogar zum formellen Verzicht auf die Krone bereit. Abends flieht er nach Spandau in die Zitadelle. 1848, 20. März Das Berliner Palais des Prinzen wird vor Brandstiftung und Zerstörung durch einen einfachen Mann gerettet, der auf die Wand des Palais die Worte »National-Eigentum« schreibt. In der Nacht zum 21. März löst in Berlin das Gerücht, Prinz Wilhelm stünde mit einer Invasionsarmee vor der Stadt, Sturmläuten und erneuten Barrikadenbau aus. 1848, 21. März Deswegen flieht Prinz Wilhelm auf die Pfaueninsel, unterwegs wird er in dem Fischerdorf Cladow erkannt, von dort aus drängt er den König zur militärischen Einschließung Berlins und zur Niederwerfung der Revolution, aber der König lehnt ab und bleibt in Berlin und anerkennt in einem Umritt in Berlin die Ergebnisse der Märzrevolution (»Preußen geht fortan in Deutschland auf«); er befiehlt Prinz Wilhelm, umgehend nach England zu reisen, »um dem befreundeten englischen Hof Aufschluß und Aufklärung über die hiesigen Zustände und die hiesigen Ereignisse zu geben«. 1848, 22. März Prinz Wilhelm fügt sich dem König, verlangt aber, der Reise »den Stempel einer Mission« zu geben, nachdem vom Hof die Ankündigung der bevorstehenden Reise ins Exil bereits der Presse mitgeteilt worden ist. Die Märzgefallenen werden auf dem Berliner Friedhof Friedrichshain begraben. Abends tritt Prinz Wilhelm in Zivilkleidern, glattrasiert und unter falschem Namen die Flucht an. 1848, 24. März Nach einer gefährlichen Flucht, auf der er zweimal erkannt wird, geht Prinz Wilhelm in Hamburg an Bord eines Schiffes. Am 27. März quartiert er sich im preußischen Gesandtschaftspalais in London ein. Unter der Einwirkung des preußischen Gesandten Bunsen und der englischen Königsfamilie wird seine Haltung gegenüber dem monarchischen Verfassungsstaat offener. 1848, April Prinz Wilhelm läßt sich im Kreis Wirsitz (Provinz Posen) als Abgeordneter in die preußische Nationalversammlung wählen. 1848, Mai Die Presse berichtet am 11. Mai, daß das Staatsministerium am 8. Mai an den König den Antrag gestellt hat, dem Prinzen von Preußen die Abkürzung seines Aufenthalts in England zu empfehlen und daß Prinz Wilhelm sich für das neue System in Preußen ausgesprochen hat. Ende Mai demonstrieren 10 000 Berliner gegen die Rückkehr des Prinzen Wilhelm. Am 30. Mai bekennt sich Prinz Wilhelm in Brüssel öffentlich und schriftlich zur konstitutionellen Regierungsform in Preußen. 1848, Juni Vor der Rückkehr des Prinzen Wilhelm entzieht ihm der König aus Rücksicht auf die Volksstimmung das Kommando über das Gardekorps, weswegen Prinz Wilhelm protestiert: »Somit habe ich weder in der Armee noch im Staat eine Stellung.« Am 7. Juni trifft Prinz Wilhelm in Potsdam ein und wird vom König und der Königin erwartet und in Potsdam abends feierlich durch die Bevölkerung von Nowawes M 4 nahe seinem Wohnsitz Schloß Babelsberg empfangen. Am 8. Juni erscheint Wilhelm in der preußischen Nationalversammlung in Berlin, was geteilte Reaktionen hervorruft. In seiner Rede als Abgeordneter bekennt er sich zwar voll und ganz zur konstitutionellen Regierungsform, kündigt aber gleichzeitig die Niederlegung seines Abgeordnetenmandats an; danach kehrt er nach Potsdam zurück. 1848, Sept. Das Ministerium unter General von Pfuel übernimmt die Leitung des neuen Kabinetts. Einige der Minister sind auf Vorschlag des Prinzen Wilhelm ernannt worden. 1849, April König Friedrich Wilhelm IV. lehnt am 28. die ihm von der Deutschen Nationalversammlung angetragene deutsche Kaiserkrone ab. 1849, Mai Der Badische Aufstand beginnt mit Soldatenerhebungen in Rastatt, weswegen der Großherzog von Baden Preußen um militärische Hilfe ersucht. 1849, Juni Prinz Wilhelm wird am 8. zum Kommandierenden der »Operationsarmee in Baden und in der Pfalz« ernannt. Am 13./14. Juni treten die beiden preußischen Korps den Vormarsch an. Am 20. Juni überschreitet Prinz Wilhelm mit dem I. Korps bei Germersheim den Rhein. Am 22. Juni siegen die Preußen im Gefecht bei Waghäusel, und Prinz Wilhelm zieht in Mannheim ein. Am 25. Juni zieht Prinz Wilhelm in Karlsruhe ein. 1849, Juli Am 1. Juli ist die Festung Rastatt, die Zuflucht der Aufständischen, eingeschlossen. Am 23. Juli kapituliert die Festung Rastatt; es folgt die Entwaffnung der Aufständischen im Beisein von Prinz Wilhelm. Von den 30 in Baden zum Tode verurteilten Revolutionären werden bis August 27 standrechtlich erschossen. 1849, August Am 19. zieht Prinz Wilhelm zusammen mit dem Großherzog von Baden in Karlsruhe feierlich ein. 1849, Oktober Am 12. zieht Prinz Wilhelm an der Spitze von Truppen, die in Baden gekämpft haben, in Berlin ein. M4 Karikatur auf die Rückberufung des Prinzen von Preußen 1848. Lithographie von Wolfahrt. Dietz Verlag, Berlin, Bildarchiv 28 M 5/1 Das merkwürdige Jahr 1848. Eine neue Bilderzeitung Neuruppiner Bilderbogen Nr. 2068 Quelle: Berlin, Landesarchiv 1184a, © Bildarchiv preussischer Kulturbesitz 1997 M 5/2 Das merkwürdige Jahr 1848. [...] 19. Bild (Textwiedergabe von M 5/1 ): »Der Empfang Sr. K. Hoheit des Prinzen von Preußen hier in Nowawes bei Potsdam war eben so feierlich, wie herzlich. Troz des Sturmes der früheren Tage waren Ehrenpforten in großer Zahl gebaut, an deren erstere, die mit der deutschen und preußischen Fahne und vielen Blumen geziert, der größte Theil der Einwohnerschaft versammelt war. In geordneten Reihen stand die Schuljugend zu beiden Seiten des Weges, voran die weiß gekleideten Mädchen mit vielen Kränzen, Sträußen und Guirlanden. [...] Schon seit zwei Tagen wurde der Prinz von Preußen erwartet. Auch hatte sich das Musikchor des ersten Garderegiments nach dem prinzlichen Schlosse auf den Babelsberg begeben, von dessen Zinnen herab die deutsche und die preußische Flagge vereinigt wehten. Heute Morgen um 10 Uhr kam Se. K. Hoheit auf der Eisenbahn von Magdeburg an, und wurde auf der Wildparkstation von Sr. Maj.[estät] dem Könige mit einer Umarmung und den Worten: »sei mir herzlich willkommen«, empfangen. Man will bei dieser rührenden Empfangsscene nach so großen und folgenreichen Ereignissen Thränen in beider Fürsten Augen gesehen haben. [...] Mit Begeisterung empfing Preußen die constitutionellen Verheißungen – mit Vertrauen die neuen Minister – mit Zuversicht sieht Preußen den Arbeiten seiner Vertreter entgegen, und erwartet von ihnen das Staatsgrundgesetz, aus freier Berathung hervorgehend. In unserer constitutionellen Monarchie muß Krone und Volk mehr, wie je, Eins sein, fest verbunden durch Achtung und Vertrauen, stark durch gegenseitige Treue; und deshalb gehört der dem Throne am Nächsten – der Prinz von Preußen – jetzt in des Volkes Mitte. Der hierauf bezügliche Antrag des Ministeriums hat Aufregung in Berlin hervorgerufen. Diese hat aber in den Provinzen eine weit mächtigere, in dem entgegengesetzten Sinn blitzschnell erzeugt, weil das Gerechtigkeitsgefühl den verleumdeten, verkannten Prinzen entschieden hier vertritt, und des Landes Selbständigkeit, Berlin niemals das Recht einräumen kann, dortige Parteibeschlüsse für unser gesammtes Vaterland geltend zu machen. – Hurrah! Friedrich Wilhelm Prinz von Preußen! Ruft das Volk, ruft das Heer, Nicht Berlin ist’s Volk, wo viele eifern, Reden hin, reden her. Mit Lebehoch erwarten die Provinzen Sehnsuchtsvoll, muthig sein, Ihren hochgeliebten theuren Prinzen. Landwehr schlägt, fröhlich ein. Uebung macht den Mann; an jedem Orte Bildet sich Bürgerwehr. Doch nur um zu steh’n als treue Horte Beim Fürsten, Hochgeehrt! Hurrah! laßt uns darum jubelnd rufen Hurrah heran! wer da kann! Preußen wollen gerne fröhlich bluten Für Hohenzollern’s Stamm. Original u. Eigenthum No. 2068. Neu Ruppin zu haben bei Gustav Kühn.« Die rothe Monarchie Karikatur auf die Pläne Preußens zur Unterwerfung Deutschlands (Deutsche Reichsbremse, 1849) Dietz Verlag Berlin, Bildarchiv M6 Prinz Wilhelm von Preußen als Sieger über den Aufstand in Baden Wehrgeschichtliches Museum Rastatt M7 29 30 VI. »Gleiche Rechte und Chancen!«: Revolutionäre Frauen in Deutschland und Frankreich 1. Erläuterungen Die Frauen finden im Vormärz und stärker noch in der Revolution Anschluß an die allgemeine politische Bewegung, und dies zum ersten Mal in der deutschen Geschichte. Als benachteiligte gesellschaftliche Gruppe waren die Frauen von der Politik weitgehend ausgeschlossen gewesen. Weit entfernt von Gleichheit und Freiheit M 2 ist für sie die Teilnahme an politischen Fragen eine wichtige Voraussetzung für die Emanzipation. Frauenrechte sind verbunden mit der Durchsetzung der Grundrechte. Die Frauen, in öffentlichen Rollen meist nicht akzeptiert, artikulieren jetzt ihre Forderungen und Ziele M 1 , M 4 , M 6 M 8 , M 10 . Sie suchen nach passenden Ausdrucksformen M 1 , M 3 , M 9 , M 11 für ihre politischen Forderungen, die sie zum Teil ins Privatleben übertragen M 4 . In Frankreich erhält die dort bereits existierende Frauenbewegung 1848, ausgehend von den Sozialistinnen, neue Impulse. Im Mittelpunkt des Interesses steht neben der Forderung nach Gleichberechtigung der Frauen im privaten und öffentlichen Bereich M 7 vor allem die soziale Frage, und damit für die Frauen vor allem das Problem der Arbeitsorganisation M 12 . Daneben ist das aktive und passive Wahlrecht für die Wahl zur Nationalversammlung für die Frauen ein zentrales kurzfristiges Ziel. Ausgehend von der Ankündigung der Regierung, das Wahlrecht nur Männern zuzusprechen, kommt es zu zahlreichen Aktionen von Frauen, angeführt von Antonine Andrée des Saint-Gieles und Jeanne Deroin M 8 . Sie argumentieren vor allem mit der Idee des republikanischen Gleichheitsgedankens und damit im Interesse der gesamten französischen Bevölkerung. Einzelne Frauen – schillernde Persönlichkeiten aus der Sicht der Zeitgenossen – werden bekannt als »Emanzipierte«, als »Femmes scandaleuses«. Frauen wie Louise Aston, die geschieden sind, allein Lokale besuchen, Männerkleider tragen und Zigaretten rauchen, werden verlacht (vgl. die als Persiflage zu verstehende Sitzung des Politischen Damenklubs, 1848: Abb. und Text M 1 ), aber auch bespitzelt und denunziert. Sie beschäftigen sich mit der Frage der sozialen Not und der Problematik der Ehe, einer ihrer Ansicht nach durch Ungleichheit und Abhängigkeit gekennzeichneten Institution M 6 , M 7 . Mit den Märzereignissen 1848 traten in Deutschland viele »namenlose« Frauen als Bestandteil des Volkes in Erscheinung, sie blieben nicht im Hintergrund als Zuschauerinnen, als zuhörende Ehefrauen, sondern nahmen aktiv am Revolutionsgeschehen teil M 3 , M 5 . Sie bauen Barrikaden, begleiten die Freischarenzüge, stellen Waffen und Munition zur Verfügung, unterstützen Flüchtlinge, tragen schwarz-rot-goldene Schals und Bänder, sie rufen aber auch zum Frauen-Streik M 4 oder zur Hei- ratsverweigerung auf M 6 . Sie schreiben Leserbriefe und Petitionen, in denen sie ihre Positionen und Forderungen darlegen M 7 , M 11 . Die Frauen versuchen über die Herausgabe von Zeitungen sowohl in Deutschland als auch in Frankreich ihre Ideen, Aktionen und Ziele einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen und eine Plattform für Diskussionen zu bieten. Wichtigstes Publikationsorgan der Frauen in Frankreich ist »La Voix des Femmes, journal socialiste et politique, organe des intérêts de toutes« M 7 . La Voix thematisiert alle Frauenprobleme, oft mit einer politischen Ausrichtung, und behandelt schwerpunktmäßig die Lage der arbeitenden Frauen. In Deutschland entstehen vier politische Frauenzeitschriften. Die radikaldemokratische »Frauen-Zeitung« von Mathilde Franziska Anneke setzt die »Neue Kölnische Zeitung« fort. Louise Astons »Der Freischärler. Für Kunst und Sociales Leben« ist ebenfalls der äußersten Linken zuzuordnen. Eher philosophisch orientiert und den Zusammenhang zwischen privater und politischer Gewalt betonend ist Louise Dittmars »Soziale Reform«. Louise Ottos im April 1849 erstmals erscheinende »Frauen-Zeitung« M 11 wollte die Frauen als Unterstützerinnen für die demokratische Freiheitsbewegung gewinnen und gleichzeitig die Bedürfnisse und Interessen der Frauen innerhalb dieser Bewegung darstellen. Das Ende der politischen Frauenzeitschriften 1852 bedeutet auch das Ende der ersten deutschen Frauenbewegung, die Presse steht den Frauen nicht mehr als Instrument ihrer Interessen zur Verfügung. Neben der Verbreitung frauenspezifischer Themen durch die Presse war die Organisation der Frauen in Vereinen, entsprechend dem allgemeinen Trend zur Vereinsbildung, eine weitere Möglichkeit für die Frauen, ihre Ziele und Interessen zu artikulieren. Diese Zusammenschlüsse sind der Beginn der organisierten Frauenbewegung in Deutschland. Es entstehen demokratische Frauenvereine M 9 , die als Wohltätigkeitsvereine praktische Hilfe für die Aufständischen und Flüchtlinge leisten. Die Frauen nähen Fahnen, sammeln Gelder, veranstalten Lotterien. Die Vereine sind aber auch Diskussionsforum und Ansprechpartner für nicht organisierte Frauen M 10 . Daneben entstehen Frauenbildungsvereine, die sich getreu dem Motto »Wissen ist Macht« der Erziehung von Frauen und Mädchen widmen. Diese Bewegung findet einen Niederschlag in der Gründung einer Frauenhochschule in Hamburg. Vereinzelt schließen sich auch Arbeiterinnen in Vereinigungen zusammen. Französische Frauen werden in manchen Männerclubs als geduldete Zuhörerinnen zugelassen, gründen aber auch eigene Vereinigungen, z.B. den »Club des femmes«. 31 »Les Vesuviennes«, eine Frauengruppe, die ein eigenes Frauenbataillon bildet, fordert in ihrem Manifest die Gleichheit von Mann und Frau mit gleichen Rechten und Pflichten und damit z.B. den Frauenwehrdienst. Den sozialen Problemen in Frankreich entsprechend, ist dort die Frage der Arbeitsorganisation für die Frauen von besonderer Bedeutung. Die Idee der Nationalwerkstätten, von denen die Frauen größtenteils ausgeschlossen waren, wird von der Frauenbewegung aufgegriffen und Konzepte von Assoziationen M 12 , Arbeiterinnenvereinigungen, entwickelt, die durch eine unterschiedliche Struktur gegenüber den herkömmlichen Betrieben die Situation der arbeitenden Frauen verbessern sollen. Trotz der unterschiedlichen Akzentsetzung in den Zielen der einzelnen Frauen, in deren Aktionen, Zeitschriften und Vereinen, kann man 1848/49 in Frankreich und Deutschland von einer auf das gleiche Ziel ausgerichteten Frauenbewegung sprechen: hinter allen Aktivitäten steht letztlich die Forderung nach gleichen Rechten und Chancen und damit ein neues Frauenbild. Ein Frauenbild, das sich 1848/49 weder in Frankreich, noch in Deutschland durchsetzen konnte. 2. Materialien M1 Politischer Damenklub, 1849 Aus: Der Satyr 1849, S. 14 f.; Sammlung Heil. Stadtarchiv und Museum der Stadt Butzbach Überlegungen zu den Materialien: 1) Erarbeiten Sie die Ziele der Frauen in der Revolution 1848. Versuchen Sie dabei, die Ziele der verschiedenen Bereiche zu gliedern! M 1 , M 2 , M 4 bis M 12 2) In wieweit stimmen die Ziele der deutschen und französischen Frauen überein, in wieweit nicht? M 2 , M 6 bis M 11 3) Wie versuchen die Frauen, ihre Interessen durchzusetzen? M 2 bis M 4 , M 6 bis M 12 4) Stellen Sie sich vor, im Jahr 1998 würden sich Frauen versammeln und über ihre Rolle in der Familie, der Gesellschaft und der Politik diskutieren. Was würden sie fordern und was würden sie ändern? Welche Mittel könnten diese Frauen zur Durchsetzung ihrer Ziele einsetzen? Ausschnitt aus einer Karikatur »Wenn Deutschland und Frankreich Arm in Arm gehen...« Germanisches Nationalmuseum Nürnberg A 32 33 M2 Die 10 Gebote der Freiheit 7. Gebot: Du sollst das Weib als deines Gleichen schätzen. Kein Wesen ist dem Mann hier »untertan«, Du sollst das Recht nicht am Geschlecht verletzen; Denn offen Allen steht der Bildung Bahn! Du sollst dem Weib das Wirken nicht verwehren, Zum Heil der Menschheit, welcher Art es sei. Manch weiblich Herz kann Mut und Kraft dir lehren – Das ganze weibliche Geschlecht ist frei! Text: Harro Harring, in: Volks-Klänge, 1841 Aus: B. James, W. Moßmann: Glasbruch 1848. Flugblattlieder und Dokumente einer zerbrochenen Revolution. Luchterhand, München 1983, S. 96 M3 Barrikade 1848 Mannheimer Barrikade am 26. April 1848 an der Brücke nach Ludwigshafen Holzschnitt, Reiss-Museum der Stadt Mannheim M4 »Ehestands-Barricade«, 1848 1848 Frankfurt (Main) Federlithographie, handkoloriert (Fahne) Maße: 18,4 u27,2 Unterhalb der Lithographie steht folgender Text: Frau – Du Stickstäuperos, bleib mer von der Barricade, ich will dich nicht mer als Haustyrann ... / Mann – Frau sei ruhig, schwei norz, mer wolle uff der Stell a neu Verfassung mache, raum die Barricad aweg, ... (Auszug) Sammlung Heil. Stadtarchiv und Museum der Stadt Butzbach M5 Beteiligung der Frauen an der Revolution 12. 4. 1851 (Verurteilung). In Karlsruhe ist gegen Maria Antonia Stehlin, Ehefrau des Schriftverfassers Achaz Stehlin aus Ettenheim, die hofgerichtliche Erkenntnis, wodurch dieselbe wegen Beteiligung an der Revolution zu einer Zuchthausstrafe von einem Jahr verurteilt war, vom Oberhofgerichte bestätigt worden. Die Verurteilte ist flüchtig. Aus: Gerlinde Hummel-Haasis (Hrsg.): Schwestern zerreißt eure Ketten. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1982, S. 139 34 M6 Louise Aston 1848 »Ich glaube allerdings nicht an die Notwendigkeit und Heiligkeit der Ehe, weil ich weiß, daß ihr Glück meistens ein erlogenes und erheucheltes ist... Ich kann ein Institut nicht billigen, das mit der Anmaßung auftritt, das freie Recht der Persönlichkeit zu heiligen, ihm eine unendliche Weihe zu ertheilen, während nirgends gerade das Recht mehr mit Füßen getreten wird... Ich verwerfe die Ehe, weil sie zum Eigenthum macht, was immer Eigenthum sein kann: die freie Persönlichkeit; weil sie ein Recht giebt auf Liebe, auf die es kein Recht geben kann; bei der jedes Recht zum brutalen Unrecht wird.« L. Aston: Meine Emancipation. Verweisung und Rechtfertigung, Brüssel 1848, zit. nach: Ute Gerhard: Unerhört. Die Geschichte der deutschen Frauenbewegung. rororo, Reinbek bei Hamburg, 1990, S. 45 M7 Anonymer Leserbrief vom 1. 4. 1848 »Daß die Frau nicht mehr unter der Herrschaft ihres Ehemannes sei; daß sie, wie er, handeln, verkaufen, kaufen, einen Vergleich abschließen könne. Wir wollen die Revision des code civil, der besagt: – ‘Die Frau muß ihrem Ehemann untergeordnet sein.’ Irrtum, die Unterordnung der Frau, das ist die Tyrannei... Keine Sklaverei mehr, keinen Herren mehr, Gleichheit zwischen den Eheleuten, laßt uns die Mißbräuche zerstören, es ist Zeit, daß wir unsere Rechte verteidigen. Zu wollen, daß die Frau nicht über ihre Güter verfügen, nicht verkaufen, verpfänden noch Geld anlegen könne, das ist despotisch. Nicht nur, daß sie über nichts für sich verfügt, sogar ohne Genehmigung ihres Ehemannes, sondern sie verfügt auch über nichts für ihre Kinder. Der Ehemann dagegen kauft, verwaltet, verkauft, ohne jemanden zu befragen. Das Gesetz soll für alle gleich sein. Warum sollte die Frau also nicht ihre Angelegenheiten regeln wie der Mann?« In: La Voix des Femmes, Zit. nach: Antes Claudia, Schunder Elke: Frauenrechtsbewegung und Publizistik 1848 in Frankreich. Peter Lang, Frankfurt a.M. 1992, S. 215f. M8 Jeanne Deroin, 1848 « Aux électeurs du département de la Seine. » Citoyens, » Je viens me présenter à vos suffrages par dévouement pour la consécration d’un grand principe, l’égalité civile et politique des deux sexes. » C’est au nom de la justice que je viens faire appel au peuple souverain contre la négation des principes qui sont la base de notre avenir social. » Si, usant de votre droit, vous appelez la femme à prendre part aux travaux de l’Assemblée législative, vous consacrerez dans toute leur intégrité nos dogmes républicains: liberté, égalité, fraternité, pour toutes comme pour tous. » Une Assemblée législative, entièrement composée d’hommes, est aussi incompétente pour faire les lois qui régissent une société composée d’hommes et de fem- mes, que le serait une assemblée composée de privilégiés pour discuter les intérêts des travailleurs, ou une assemblée de capitalistes pour soutenir l’honneur du pays. Aus: Albistur, Maité, Armogathe, Daniel: Histoire du féminisme français du moyen âge à nos jours; éditions des femmes, Paris 1977, S. 305 M9 Aus den Statuten des »Wiener demokratischen Frauenvereins« 1848 »Die Aufgabe des Vereins ist eine dreifache: eine politische, eine soziale und eine humane: a) eine politische, um sich durch Lektüre und belehrende Vorträge über das Wohl des Vaterlandes aufzuklären, das demokratische Prinzip in allen weiblichen Kreisen zu verbreiten, die Freiheitsliebe schon bei dem Beginne der Erziehung in der Kinderbrust anzufachen und zugleich das deutsche Element zu kräftigen; b) eine soziale, um die Gleichberechtigung der Frauen anzustreben durch Gründung öffentlicher Volksschulen und höherer Bildungsanstalten, den weiblichen Unterricht umzugestalten und die Lage der ärmeren Mädchen durch liebevolle Erhebung zu veredeln; c) eine humane, um den tiefgefühlten Dank der Frauen Wiens für die Segnungen der Freiheit durch sorgsame Verpflegung aller Opfer der Revolution auszusprechen.« Zit. nach: Hauch, Gabriella: Frau Biedermeier auf den Barrikaden. Frauenleben in der Wiener Revolution 1848. Verlag für Gesellschaftskritik, Wien 1990, S. 235 M 10 An den Frauenklub in Wien, 5. 9. 1848 Geliebte Schwestern! Ich reiche Euch aus der Ferne die Hand zum Schwesternbunde und versichere Euch meine innigste Sympathie. »Emanzipation der Frauen« sei die Perle, die wir vereint aus dem schwarzen Meere männlichen Despotismus herauszuholen gedenken. Kühn wollen wir untertauchen und die Klippen nicht scheuen; denn auch in unsere Seelen ist der Auferstehungsruf »Es werde Licht« gedrungen. Der schwache Sklave allein bricht jetzt seine Ketten nicht. Ach, und wir haben deren so viele und so schwer drückend! [...] Wir fordern gleiche Berechtigung in Ausübung der Künste und Gewerbe, wozu wir ebenso befähigt sind wie die Männer. Wir wollen Advokatinnen werden. Wir verspüren dazu das größte Talent; denn wir streiten sehr gern und haben immer das letzte, entscheidende Wort. [...] Wir wollen Doktorinnen werden [...] Wir wollen ein Amazonenkorps bilden, nicht für Paraden, sondern für die Stunde der Gefahr [...] Wir wollen Hörerinnen der Staatspolitik sein, aber nie Mitsprecherinnen, wenigstens nicht öffentlich [...] Wir wollen einen Verein bilden für gute, wohltätige Zwecke mit einem Ausschusse [...] Wir wollen Bildungsschulen für deutsche Hausfrauen zu errichten beantragen. 35 Wir wollen darauf bedacht sein, ein Mittel zu ersinnen, den verderblichen Putz aus unsern Kreisen zu bannen. Wir wollen mit guten Beispielen vorangehen und namentlich in unsern Versammlungen ganz einfach erscheinen [...] Ein deutsches Weib Aus: Hummel-Haasis, Schwestern... © Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1982, S. 150f. M 11 Louise Otto-Peters in der »Deutschen FrauenZeitung« Nr. 1, 21. April 1849 Wohl auf denn, Schwestern, vereinigt Euch mit mir. Die Geschichte aller Zeiten, und die heutige ganz besonders, lehrt: daß diejenigen auch vergessen wurden, welche an sich selbst zu denken vergaßen!... Dieser selbe Erfahrungssatz ist es, welcher mich zur Herausgabe einer Frauen-Zeitung veranlaßt. Mitten in den großen Umwälzungen, in denen wir uns alle befinden, werden sich die Frauen vergessen sehen, wenn sie selbst an sich zu denken vergessen! Wohlauf denn, meine Schwestern, vereinigt Euch mit mir, damit wir nicht zurückbleiben, wo alle und alles um uns und neben uns vorwärtsdrängt und kämpft. Wir wollen auch unseren Teil fordern und verdienen an der großen Welterlösung, welche der ganzen Menschheit, deren eine Hälfte wir sind, endlich werden muß. Wir wollen unser Teil fordern: das Recht, das ReinMenschliche in uns in freier Entwicklung aller unserer Kräfte auszubilden, und das Recht der Mündigkeit und Selbständigkeit im Staat. Wir wollen unser Teil verdienen: wir wollen unsere Kräfte aufbieten, das Werk der Welterlösung zu fördern, zunächst dadurch, daß wir den großen Gedanken der Zukunft: Freiheit und Humanität ( was im Grunde zwei gleichbedeutende Worte sind), auszubreiten suchen in allen Kreisen, welche uns zugänglich sind, in den weiteren des größeren Lebens durch die Presse, in den engeren der Familie durch Beispiel, Belehrung und Erziehung. Wir wollen unser Teil aber auch dadurch verdienen, daß wir nicht vereinzelt streben nur jede für sich, sondern vielmehr jede für alle, und daß wir vor allem derer zumeist uns annehmen, welche in Armut, Elend und Unwissenheit vergessen und vernachlässigt schmachten. Wohlauf, meine Schwestern, helft mir zu diesem Werke! Helft mir für die hier angedeuteten Ideen zunächst durch diese Zeitung wirken! – Aus: Möhrmann Renate (Hrsg.): Frauenemanzipation im deutschen Vormärz. Texte und Dokumente. Reclam, Stuttgart 1978, S. 203 ff M 12 »Etudes d’associations« – ein Aktionsplan der Näherinnen Artikel 1 Die Näherinnen bilden eine Assoziation, deren Dauer und Mitgliederzahl unbegrenzt sind. Es gibt verantwortliche Assoziierte und freie Assoziierte. [...] Artikel 4 Die Arbeits-, Verkaufs-, Ankaufs- und Buchführungsdirektorinnen werden von und unter den verantwortlichen Assoziierten gewählt. Jede Direktorin erhält die Vollmacht der Gesellschaft für die Geschäfte in ihrem Bereich. Der Buchführungsdirektorin obliegen die Beziehungen zu Gläubigern und Kommanditisten. Artikel 5 Alle Tagelöhnerinnen sind freie Assoziierte. Sie haben ein Recht auf Beteiligung am Gewinn entsprechend der Anzahl der in der Assoziation geleisteten Arbeitstage und ein Recht auf Unterstützung gemäß der Entscheidung der im Rat versammelten verantwortlichen Mitglieder. Artikel 6 Der Arbeitstag beginnt um 8 Uhr morgens und endet um 6 Uhr abends. Zum Mittagessen wird nur eine halbe Stunde eingeräumt. (Diese Regelung wird getroffen, damit die Frauen um 6 Uhr zu Hause sind, um den Haushalt zu versorgen und mit der Familie zu Abend essen zu können.) [...] Artikel 8 Die verantwortlichen Assoziierten können bei dringenden Arbeiten keinesfalls von Überstunden befreit werden. Die Stunden werden in Form von Urlaubsbons bezahlt, die als Äquivalent für Ausfallzeiten gelten (morte saison). [...] Artikel 10 Jeden Monat wird zu einem festen Termin die Bilanz der Gesellschaft gezogen. Nach Abzug der Zinsen für das Kapital wird der Ertrag folgendermaßen aufgeteilt: – Ein Viertel wird im Verhältnis zu den in der Assoziation geleisteten Arbeitstagen unter allen verantwortlichen und freien Assoziierten aufgeteilt; – Drei Viertel dienen zur Einrichtung eines Reservefonds, der dreierlei Zwecke erfüllen soll: 1) Unterstützung im Falle von Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit eines Mitglieds, 2) Erziehungshilfe für Kinder, 3) die Bildung von Renten, die nach einer bestimmten Zeit den Mitgliedern ausbezahlt werden. Artikel 11 Tabelle Ausgaben im Verhältnis zur Zahl der Assoziierten 30 Arbeiterinnen zu je 1,50 F 45,– – 3 Zusammenlegerinnen, 1 Zuschneiderin, eine zweite Verkäuferin, 5 Personen à 1,75 8,75 1 zweite Probiermamsell 2,– – 1 Verziererin 2,25 1 Arbeitsdirektorin (erste Probiermamsell) 3,– – 1 Direktorin für An- und Verkauf 3,– – 1 Direktorin für die Buchhaltung 3,– – 1 Laufbursche 3,– – Summe pro Tag bei einer Gesamtzahl von 40 Assoziierten Notwendiger Vorschuß für 3 Monate Lohn bei 70 F pro Tag (75 Tage) 70,– – 5250,– – Aus: La politique de femmes publiée pour les ouvrières. Liberté, égalité, fraternité pour tous et pour toutes, Juni 1848. Zit. nach: Helga Grubitsch/Loretta Lagpacan: Freiheit für die Frauen, Freiheit für das Volk. Sozialistische Frauen in Frankreich, 1830–1848. Syndikat Verlag, Frankfurt a. M. 1980, S. 224 f. 36 VII. Revolutionäre in der Emigration: »Auswurf Europas« oder Kämpfer für Freiheit und Recht? 1. Erläuterungen Anders als in Europa zeigte sich vor allem in den USA, daß freiheitliche und demokratische Bestrebungen in politische Wirklichkeit umgesetzt werden konnten. Was sich in Deutschland und Europa als Aderlaß für die demokratische Freiheitsbewegung auswirkte, trug in den USA zu einer Stimulierung der kulturellen, wirtschaftlichen und auch politischen Verhältnisse bei. Für Europa und speziell für Deutschland ist dieser Blick von außen bei der Beurteilung der inneren Vorgänge, d.h. der Revolution und ihres Ende von unschätzbarer Bedeutung. Die Szenerie Europas M 1 wird von der politischen Reaktion bestimmt: Deutsche Revolutionäre werden von Preußen in die Schweiz gekehrt, französische von Louis Bonaparte per Zwangsemigration verschifft. Gleichzeitig mit dem Sieg der alten Mächte in Deutschland erfolgt die Niederwerfung des unabhängigen Ungarn, was der Regierung in Wien nur mit russischer Hilfe gelingt, während im übrigen Europa – siehe Warschau – das Licht schon ausgegangen ist. England floriert unter Königin Victoria, in Dänemark triumphiert der König. In Frankfurt aber verkümmert eine parlamentarische Vogelscheuche. Das Ende der Revolution in München wird durch einen bayrischen Bierkrug in Mönchsgestalt symbolisiert. Begriffsklärung: »Forty-Eighters«, »Forty-Niners« Seit den Jahren 1845/46 ist eine rasant zunehmende Steigerung der Auswanderungszahlen nach den USA zu beobachten. Nach der endgültigen Niederschlagung der Revolution 1849 steigen die Zahlen jedoch explosionsartig an M 2 . Ihre Zahl wird auf insgesamt etwa 500 000 Personen geschätzt.1 In den USA werden allerdings nur die führenden Köpfe der politisch motivierten Auswanderer als die »Forty-Eighters« bezeichnet. Ihre Zahl schätzt man auf circa 4000 Personen.2 »Forty-Niners« werden dagegen all diejenigen genannt, die sich seit 1849 auf die Goldsuche nach Kalifornien begaben.3 Im Folgenden steht jedoch nicht die große Gruppe der Menschen, die aus überwiegend wirtschaftlichen Gründen ihre Heimat verließen, im Brennpunkt des Interesses, sondern die politischen Flüchtlinge der Revolution von 1848/49. Manche kehrten aus Amerika enttäuscht zurück.4 Gegen die Auswanderung in die USA war auch schon vor der Revolution Stimmung gemacht worden M 5 . Für die anderen stellte sich die Frage, wieweit sie sich in dem neuen Land assimilieren und integrieren konnten. Friedrich Hecker blieb in Amerika im Grunde Zeit seines Lebens ein emigrierter Deutscher. Andere assimilierten sich mehr. Ein Beispiel für gelungene volle Integration stellt Carl Schurz dar. Die Skala reicht vom politischen Flüchtling über den niedergelassenen Emigranten und Deutsch-Amerikaner bis zum Amerikaner deutscher Herkunft. Zielländer und rechtliche Lage der politischen Flüchtlinge In der Schweiz, Frankreich und England bildeten sich bedeutende deutsche Kolonien. Das »wichtigste Zielland« aber waren die USA. Die genannten europäischen Länder hatten kein Interesse an den politischen Flüchtlingen. Ihnen kam der große geographische Abstand der USA äußerst gelegen, um unbequeme politische Flüchtlinge weit weg abzudrängen. In den USA wurden politisch Verfolgte unterschiedslos wie alle übrigen Einwanderer aufgenommen. Materielle Unterstützung von seiten des Staates gab es nicht. Doch schlug den Ankömmlingen oft Anteilnahme und Sympathie entgegen. Nachdem sich die Ankömmlinge aber auch in Amerika für ihre politische Sache in Europa betätigten, stießen sie häufig auf Ablehnung. Man erwartete von ihnen Anpassung an die amerikanischen Gegebenheiten. Ein Großteil der politischen Flüchtlinge verließ Europa über den französischen Hafen Le Havre, wo es leicht war, sich unter falschem Namen einzuschiffen. Auf der beschwerlichen Überfahrt erkrankten viele Passagiere und starben. Manche Schiffe sanken während der Überfahrt. Auch über die Ankunft der Emigranten und Flüchtlinge auf Ellis Island vor New York kann man in Berichten drastische Schilderungen lesen. »Forty-Eighters« in den USA Nach der Niederschlagung der Revolution fanden sich vor allem Intellektuelle als die führenden Köpfe der Revolution unter den Auswanderern. Auch von ihnen versuchten einige zunächst, sich landwirtschaftlich zu betätigen. Für sie bildete sich der Begriff »Latin Farmers« heraus, weil man ihnen spöttisch nachsagte, sie gingen mit einem Buch hinter ihrem Pflug her und seien mit klassischen Texten von Cicero oder Horaz besser vertraut als mit dem Ackerbau. Auch Friedrich Hecker war einer von ihnen M 8a , M 8b . Andere wiederum nahmen nach ihrer Ankunft in den USA regen Anteil am öffentlichen Leben, arbeiteten als Journalisten, gründeten deutschsprachige Zeitungen oder fanden den Weg in die Politik. Auf diese Weise entstand eine Vielfalt von deutschsprachigen Publikationen. Amerikaweit gab es um 1890 mehr als 700 deutsche Presseerzeugnisse. In vielen Städten entstanden auf Anregung deutscher Emigranten hin Philharmonie-Orchester und deutschsprachige Bühnen, Gesang- und Turnvereine. Letztere waren Zentren politischer 37 Betätigung, weil man nach dem Sport zu lebhaften Diskussionen zusammenblieb. Cincinnati ist die erste Stadt, die einen Turnverein gründete (1848); Friedrich Hecker war sein Leiter M 8 . Weitere Turnvereine mit sozialistischem Programm entstanden in Boston (Karl Heinzen), New York (Gustav Struve) und Milwaukee5 (vgl. M 9 ). Unter den zahlreichen deutschen Firmengründungen nahmen die Brauereien eine besondere Stellung ein. Entsprechend wurde auch die Kultur der Biergärten gepflegt. Dadurch fielen die Deutschen aber bei den puritanisch gesinnten Amerikanern eher unangenehm auf, weil diese kein Verständnis dafür aufbringen konnten, daß die Deutschen sonntags bei Bier und Blasmusik zusammensaßen. Dennoch konnten auch sie nicht verhindern, daß das deutsche Wort »Gemütlichkeit« seither fester Bestandteil der amerikanischen Sprache ist. Dasselbe geschah mit dem Wort »Kindergarten«. Margarethe Schurz hatte 1856 in Watertown/Wisconsin den ersten amerikanischen Kindergarten eröffnet. Die deutschen Emigranten im Bürgerkrieg Deutsche hatten auch im amerikanischen Bürgerkrieg zwischen den Nordstaaten und den Südstaaten 1861–1865 (Sezessionskrieg) einen maßgeblichen Anteil am Kriegsgeschehen. Schätzungen zufolge kämpften an die 200 000 Deutsche im Bürgerkrieg mit, davon etwa 176 000 allein auf Seiten der Nordstaaten, der »Union«. Es gab sogar rein deutsche Regimenter, die Bezeichnungen trugen wie »German Rifles«, »Steuben Regiment«, die »Neuner von Ohio« oder »Heckers Jäger«.6 Franz Sigel, der im badischen Aufstand anfangs die aufständischen Truppen kommandiert hatte, wurde mit etwa 40 anderen Ehemaligen im Laufe des Krieges in den Generalsrang erhoben. Auch Carl Schurz, der spätere Innenminister der USA, machte als Generalmajor militärische Karriere. Die Bedeutung der »Forty-Eighters« Übereinstimmend kommt die amerikanische Forschung zu dem Ergebnis, daß die Leistungen der Achtundvierziger für die Geschichte der USA in Deutschland selbst viel zu wenig zur Kenntnis genommen und überhaupt nicht angemessen gewürdigt würden. In den USA dagegen ist man sich durchaus der Tatsache bewußt, daß die deutschen Achtundvierziger einen bedeutenden Einfluß auf politischem, wirtschaftlichem und kulturellem Gebiet hatten, wo viele ihrer Ideen Fürchte trugen M 9 . Es gelang ihnen vielerorts, in Amerika das umzusetzen, was sie in den Zeiten der Revolution in Deutschland gefordert hatten. Damit kam ihr Idealismus einem anderen Land als ihrem Geburtsland zugute. Zu einer Zeit, da in Europa die Demokratie niedergeschlagen wurde, bewies Amerika, daß Demokratie wirklich gelebt werden konnte. Dies ermöglichte z.B. eine eindrückliche Karriere: Carl Schurz, der in Rastatt standrechtlich erschossen werden sollte, konnte fliehen M 6 , in Amerika politisch reüssieren und bis zum Innenminister aufsteigen. In Deutschland als Revolutionäre eingekerkert oder sogar zum Tode verurteilt, in den europäischen Nachbarländern nur geduldet und gerne in die USA abgeschoben, konnten die politischen Flüchtlinge sich dort endlich als De- mokraten bewähren. Man setzte ihnen sogar Denkmäler! Die Verschiedenheit der historischen Entwicklung und der Maßstäbe in Deutschland und Amerika wird besonders deutlich, wenn man sieht, wie viele Achtundvierziger nach der Amnestie zurückkehrten, und wenn man weiß, daß einige Revolutionäre geradezu eine späte Rehabilitation erfuhren. Carl Schurz wurde von Bismarck zweimal empfangen (1868, 1888, vgl. M 7 ). Bismarck hat Schurz, dem »Hochverräter« von ehedem, offenbar sogar ein politisches Amt angeboten. Auf jeden Fall hat er ihn zur Rückkehr nach Deutschland ermuntern wollen. Doch Schurz lehnte ab. Damit fällt von außen ein Licht auf die Vorgänge in Europa. Revolutionäre werden nachträglich als Kämpfer für Freiheit und Demokratie gewürdigt. Anmerkungen 1 Michael Rehs/Hans Joachim Haager: Wurzeln in fremder Erde. Zur Geschichte der südwestdeutschen Auswanderung nach Amerika, DRWVerlag Weinbrenner, Leinfelden-Echterdingen, 1984. 2 Vgl. Rehs/Haager, Wurzeln, S. 88 3 Webster’s New Encyclopedic Dictionary, 1994 4 Vgl. Ferdinand Kürnberger: Der Amerikamüde. Insel-Verlag Frankfurt/Main 1986 5 Vgl. Henry Marx: Deutsche in der Neuen Welt. Westermann Verlag, Braunschweig 1983, S. 403 6 Ebd., S. 100 Überlegungen zu den Materialien: 1) Welche Bildinformationen lassen auf Gründe für die Massenauswanderung 1849 schließen? M 1 2) Welche Vorwürfe erhebt der Vater gegenüber seinem Sohn? M 3 Was rät er ihm? Welches Schicksal droht ihm, wenn er den väterlichen Rat nicht befolgt? 3) Welche Hoffnungen, Erfahrungen und Enttäuschungen kommen in den Liedtexten M 4 , M 5 zum Ausdruck? 4) Worin sieht Carl Schurz (s. M 6 und M 7 ) die Bedeutung der »Forty-Eighters« für die USA? M 9 Heckers Farm in Summerville/Illinois Journal of the Illinois State Society. Aus: Alfred G. Frei (Hrsg.): Friedrich Hecker in den USA. Eine deusch-amerikanische Spurensicherung. Stadler Verlag, Konstanz 1993, S. 25 38 2. Materialien M1 »Rundgemaelde von Europa im August MDCCCXLIX« Lithographie von F. Schröder, Düsseldorf, 1849. Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, Münster M 2 Die Auswanderung in die USA 250 000 – Graphik von Bong (Bernhard Bütterlin). Nach: Klaus J. Bade (Hrsg.): Deutsche im Ausland. Fremde in Deutschland. Migration in Geschichte und Gegenwart. C. H. Beck Verlag, München, 1992 200 000 – 150 000 – 100 000 – 1840 1842 1844 1846 1848 1850 1852 1854 1856 1858 – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – 0– – 50 000 – 1860 39 Brief des Heidelberger Universitätsprofessors Tiedemann an seinen Sohn Gustav Tiedemann in Rastatt: Heidelberg, den 16. Juli 1849 Mein Sohn! Mit wahrer Betrübniß, muß ich offen bekennen, habe ich Deine Zeilen vom 10. Juli erhalten, die mir leider die traurige Gewißheit brachten, daß Du Dich in Rastatt befindest. Bisher hielt mich das Vertrauen zu Deiner Ehrenhaftigkeit und Besonnenheit davon ab, der in öffentlichen Blättern verbreiteten Nachricht, daß Du Kommandant von Rastatt seiest, Glauben zu schenken. Sehr schmerzhaft hast Du mich aus dieser Täuschung gerissen. [...] Du wirst nun die Ueberzeugung gewinnen, daß Du nicht im Bunde bist mit ehrenhaften Männern, sondern mit niederträchtigen, ehrsüchtigen, geld-gierigen, verblendeten Menschen, mit einer wahren Räuberbande und dem Auswurfe aller Nationen Europa’s, eine schändliche und schlechte Sache vertheidigst. [...] Du gehörst zu den wenigen edlen Gemüthern, die in der neuesten Zeit durch den glänzenden Wunsch, dem deutschen Volke Einheit und Freiheit erringen helfen, vom rechten Wege abgelenkt und zum bedenklichsten Aeußersten hingerissen sind. Das erkenne und bedenke! [...] Mache einen Versuch, wenn Du es vermagst, die irregeleiteten und verblendeten Soldaten, welche ihren Fahneneid gebrochen, und im Rausche ihre Fahnen in den Kot getreten haben, unter denen Tausende gefochten, geblutet und gesiegt, [...] zur Besinnung und Pflicht gegen das Vaterland zurückzuführen. [...] Solltest Du durch Gottes Gnade erleuchtet, zur Einsicht kommen, daß Du auf falschen Wegen wandelst, und solltest Du meinen Bitten Gehör gebend, so glücklich sein, den Kampf in Rastatt zu beendigen, dann hoffe ich und wünsche ich, daß Du Gnade finden mögest. Verlasse alsdann Deutschland und Europa so schnell als möglich, und gehe zu Deinem durch Hecker verführten jüngsten Bruder nach Amerika. Die Mittel zur Ueberfahrt werde ich Dir bei Deinem Onkel in Bremen anweisen. Ernähre Dich als fleißiger Landmann. Es ist der einzige Weg, der Dir im glücklichsten Fall übrig bleibt. [...] Nochmals beschwöre ich Dich, Dein Ohr nicht den Bitten dem Rathe Deines alten Vaters und Deiner tiefbetrübten Mutter zu verschließen. Bedenke, daß alle die mannigfaltigen Widerwärtigkeiten, die Dich im Leben betroffen haben, vorzüglich daraus entsprungen, daß Du für guten Rath taub warst. Von Dir hängt es ab, ob Dies die letzten Zeilen sind, die M3 Du von der Hand Deines Vaters zu Gesicht bekommst. Gott erleuchte Dich, das ist jetzt der einzige Wunsch, den Dein treuer Vater hegt. [gez.] Tiedemann. C.B.A. Fickler: In Rastatt 1849. Rastatt 1899, S. 249ff. Nachdruck der 2. Auflage von 1899 im Hebel-Verlag Richard Greiser Nachfolger Oberst Gustav Tiedemann, der Kommandant der in Rastatt eingeschlossenen Truppen, wurde am 11. August 1849 standrechtlich erschossen. M4 Abschiedslied: »Leb wohl, du teures Land« 2. Dort kennt man nicht die stolzen Fürstenknechte. Verprassend nur des Landmanns sauren Schweiß. Dort freut der Mensch sich seiner Menschenrechte, er erntet auch die Frucht von seinem Fleiß. Es quälen ihn nicht jene Müßiggänger, durch Fürstengunst betitelt und besternt. Das Sklavenwort »Euer Gnaden« und »Gestrengen« ist aus dem Reich der Sprache weit entfernt. 3. Nach diesem Lande laßt uns, ihr Brüder, ziehen, es folge mir, der die Freiheit liebt und ehrt; ein neu’s Leben wird dort uns blühen, und Gott ist’s, der die Wünsche uns gewährt. Schon schlägt die längst ersehnte Stunde, der Abschiedstag, ihr Brüder, ist jetzt da, und bald erschallt aus unsrem Munde: Wie gut, wie gut ist’s in Amerika. Aus der mündlichen Überlieferung, Mitte 19. Jahrhundert; Verfasser: Friedrich Hecker; Fassung: Hubert Stelker, Haslach/Kinzigtal. Parodie auf ein in den 30er Jahren beliebtes Abschiedslied »Bertrands Abschied« (General Bertrand begleitete Napoleon I. ins Exil nach St. Helena.) Nach einem französischen Urtext »Adieu Français. Adieu France chérie« und einer Melodie von Fr. Glück. © Deutsches Volksliedarchiv Freiburg. 1. Strophe mit Noten über Berthold Schreiber/Christof Rieber 40 M5 Lied: »Freunde, bleibet hübsch im Lande« 1. Freunde, bleibet hübsch im Lande, Und ernährt euch redlich dort. Im amerikanischen Sande Kommt ihr noch weit wen’ger fort. Sonne auf den Pelz euch brennt. Plagen, die ihr hier nicht kennt, Regnen dort auf euch herab, Und das Geld ist knapp. »Fliegendes Blatt gedruckt zu Dresden« Mitte 19. Jahrhundert Verf.: Anonym Komp.: Anonym Dieses Lied wurde um die Mitte des 19. Jahrhunderts auf fliegenden Blättern verbreitet und gegen die Massenauswanderung verwendet. Willibald Walter. Sammlung deutscher Volkslieder, Leipzig 1841. Lied Nr. 115. S. 186–188 © DVA Freiburg M6 Carl Schurz’ »Flucht durch den Abwasserkanal« [...] und nach einigen Stunden tiefen Schlafs wachte ich mit dem Gedanken auf: »Heute wirst du gefangen und vielleicht morgen schon totgeschossen.« Um zwölf Uhr mittags sollten die Truppen aus den Toren marschieren und draußen auf dem Glacis der Festung vor den dort aufgestellten Preußen die Waffen strecken. Ich hörte bereits die Signale zum Antreten auf den Wällen und in den Kasernen, und ich machte mich fertig, zum Hauptquartier hinauf zu gehen. Da schoß mir plötzlich ein Gedanke durch den Kopf. Ich erinnerte mich, daß ich vor wenigen Tagen auf einen unterirdischen Abzugskanal für das Straßenwasser aufmerksam gemacht worden war, der bei dem Steinmaurer Tor aus dem Innern der Stadt unter den Festungswerken durch ins Freie führte. Er war wahrscheinlich ein Teil eines unvollendeten Abzugssystems. Würde es mir nicht möglich sein, durch diesen Kanal zu entkommen? Würde ich nicht, wenn ich so das Freie erreichte, mich bis an den Rhein durchschleichen, dort einen Kahn finden und nach dem französischen Ufer übersetzen können? Mein Entschluß war schnell gefaßt – ich wollte es versuchen. Zusammen mit meinem Burschen Adam und einem mir bekannten Artillerieoffizier namens Neustädter folgte ich der letzten Kolonne eine kurze Strecke. Dann schlugen wir uns in eine Seitengasse und erreichten bald die innere Mündung unseres Kanals. Ohne Zaudern schlüpften wir hinein. Es war zwischen ein und zwei Uhr nachmittags am 23. Juli. Nach abenteuerlicher Flucht durch den finsteren und engen Abwasserkanal und Überwindung zahlreicher unerwarteter Hindernisse erreichten die drei die Öffnung der Kanalröhre außerhalb der Stadt. Ein Arbeiter half ihnen, in der dritten Nacht nach Beginn der Flucht einen Kahn zur Überfahrt an das französische Rheinufer zu finden. Aus: R. Wersich (Hrsg.): Carl Schurz – Revolutionär und Staatsmann. Sein Leben in Selbstzeugnissen, Bildern und Dokumenten. 2. Aufl., mit freundlicher Genehmigung der Stadt Rastatt. 1986, S. 53 Carl Schurz machte sich bereits ein Jahr später (1850) vollends zum Hochverräter, indem er seinen akademischen Lehrer, Professor Gottfried Kinkel, unter abenteuerlichen Umständen aus lebenslänglicher preußischer Haft in Berlin-Spandau befreite und mit ihm nach England floh. M7 Schurz bei Bismarck (1888) Zweiter Besuch beim »Eisernen Kanzler«: Der Holzstich zeigt Carl Schurz und Otto von Bismarck im Jahre 1888 (1. Mai) im Reichskanzlerpalais, Berlin. © Archiv für Kunst und Geschichte, Berlin 41 M 8a Hecker Illustration einer deutschen Siedlung – und kämpfte in der Republikanischen Partei von Illinois für die Abschaffung der Sklaverei und die Wahl Lincolns zum Präsidenten. Im Bürgerkrieg kämpfte er an der Seite der Bataillone des Generals Sigel […], der ebenfalls aus Baden kam. […] In der Schlacht von Chancellorsville, US-Bundesstaat Virginia, in der die Unionstruppen im Mai 1863 gegen die Südstaaten-Truppen unterlagen, wurde Hecker […] verwundet. Zehn Jahre später stattete er seinem Geburtsort seinen einzigen Besuch ab, wollte aber nicht in Deutschland bleiben, sondern kehrte auf seine Farm zurück, wo er starb. In St. Louis wurde Hecker ein Denkmal gesetzt. Aus: Henry Marx: Deutsche in der Neuen Welt. Westermann Verlag, Braunschweig 1983, Biographischer Anhang ohne Seitenangabe M9 Friedrich Heckers (1811–1881) politischer Kampf in Deutschland und den USA: Oben links als badischer Landtagsabgeordneter, rechts als Führer der badischen Revolution, unten links als Offizier der Unionstruppen im amerikanischen Bürgerkrieg, rechts als politischer Redner in seinen späten Jahren. Aus: Wersich, Carl Schurz, S. 83. Hebel-Verlag R. Greiser; mit freundlicher Genehmigung der Stadt Rastatt M 8b Friedrich Hecker geb. 1811 in Eichtersheim (Baden) gest. 1884 in Belleville (Illinois) Friedrich Hecker kam als einer der ersten Revolutionäre von 1848 schon im Oktober dieses Jahres in New York an, wo er von einer großen Zahl von Deutschamerikanern mit schwarz-rot-goldenen Fahnen begrüßt wurde. Hecker kaufte sich eine Farm in der Nähe von Belleville, Illinois – Carl Schurz: German »Forty-Eighters« in the USA […] the »Forty-Eighters« brought something like a wave of spring sunshine into that life. They were mostly high-spirited young people, inspired by fresh ideals which they had failed to realize in the old world, but hoped to realize here; ready to enter upon any activity they might be capable of; and eager not only to make that activity profitable but also to render life merry and beautiful; and, withal, full of enthusiasm for the great American Republic which was to be their home and the home of their children. Some had brought money with them; others had not. Some had been educated at German universities for learned professions, some were artists, some literary men, some merchants. They at once proceeded to enliven society with artistic enterprises. One of their first and most important achievements was the organization of the »Musical Society« of Milwaukee, which, in an amazingly short time, was able to produce oratorios and light operas in a really creditable manner. The »German Turn-Verein« not only cultivated the gymnastic arts for the benefits of its own members, but it produced »living pictures« and similar exhibitions of high artistic value. The Forty-Eighters thus awakened interests which a majority of the old population had hardly known, between the native American and the new-comer. The establishment of a German theater was a matter of course, and its performances, which indeed deserved much praise, proved so attractive that it became a sort of social center in the »German Athens of America«, as Milwaukee was called at that time. It is also true that, in a few instances, the vivacity of this spirit ran into attempts to realize questionable or extravagant theories. But, on the whole, the inspiration proves itself exhilaratingly healthy, not only in the social, but soon also in the political sense. Aus: The Lion and the Eagle. Ein amerikanisch-englisches Lesebuch. Von Karl Weiler. Verlag G. Braun, Karlsruhe 1968, S. 139–140 42 VIII. Großbritannien und die deutsche Revolution 1848/49 1. Erläuterungen Neben dem Kampf um politische Freiheit war 1848/49 das Ringen um die Einheit der Deutschen ein Brennpunkt der Auseinandersetzungen. Hätte dabei die Gründung eines Deutschen Reiches zu einem europäischen Krieg geführt? Das zaristische Rußland war ein entschiedener Gegner der Revolution und wollte Preußen und Österreich, aber auch die Mittelstaaten uneingeschränkt erhalten wissen. In Frankreich sympathisierte man mit den Liberalen jenseits des Rheins, doch die bisherige Denkweise herrschte weiterhin vor, wonach Deutschlands Schwäche die Stärke Frankreichs sei. Presseorgane in Großbritannien meinten, abwarten zu können. Die Darstellung mit dem Motto »There is no place like home« M 1 charakterisiert das vorherrschende Selbstverständnis der Engländer. Das zufriedene Ehepaar mit neun Kindern wärmt sich am Kamin. Ein Bild der jugendlichen Königin Victoria leuchtet über der Idylle. Der Vater hat die Zeitung abgelegt, in der von den kontinentalen Staaten Europas berichtet wird. Die Randzeichnungen deuten auf die Unruhen hin (von oben): Aufstände in Italien, Beschießung des revolutionären Wiens durch kaiserliche Truppen, Verehrung napoleonischer Insignien in Paris, Barrikadenkämpfe in Frankreich mit Parolen des Sozialismus und der Frauenrechte, wobei der Anarchist Proudhon die Fahne schwingt mit seiner Parole »Eigentum ist Diebstahl«, Barrikadenkämpfe auch in Deutschland, ein fliehender Fürst, der seine Krone verliert, die Erschießung Robert Blums vor Wien, das Spiel mit einer neuen deutschen Kaiserkrone zwischen Konservativen, Liberalen und Radikalen, schließlich militärische Auseinandersetzungen, die in Italien, aber auch in Schleswig-Holstein stattfinden könnten. Großbritanniens Außenpolitik war auf den Erhalt des Friedens innerhalb eines europäischen Gleichgewichts ausgerichtet und wollte den wachsenden Handel im ständig größer werdenden Empire gesichert sehen. Da die Könige von England bis 1837 zugleich Könige von Hannover waren, bestand eine enge Verbindung mit dem Deutschen Bund. Die Trennung dieser Personalunion durch die Thronbesteigung Königin Viktorias minderte das Interesse des englischen Hofes nicht, zumal Viktoria mit Prinz Albert von Sachsen-Coburg-Gotha einen Deutschen geheiratet hatte. Durch ihn verstärkte sich am Hof die Ansicht, daß angesichts der revolutionären öffentlichen Meinung in Deutschland »die Ausbildung volkstümlicher Regierungsformen und die Herstellung eines einigen Reiches [...] am dringendsten« zu fordern sei. Großbritanniens Regierung, Parlament und Presse nahmen aber unterschiedliche Standpunkte ein. Demnach hielten spätere deutsche Historiker nicht zuletzt die britische Regierung dafür verantwortlich, die deutsche Einheit entscheidend verhindert zu haben, weil ein deutsches Reich das europäische Gleichgewicht beeinträch- tigt hätte M 2 . Die Politik Großbritanniens muß jedoch im Zusammenhang mit der Entwicklung in Schleswig und Holstein gesehen werden M 3 , M 4 . Seit dem 17. Jahrhundert war Schleswig dänisches Lehen, zugleich aber in Realunion mit Holstein, das sich seit 1815 im Deutschen Bund befand. 1848 veröffentlichte die dänische Krone auf Drängen der Nationalliberalen eine Gesamtstaatsverfassung mit Einschluß Schleswigs. Beide Herzogtümer versuchten sich nun von Dänemark zu lösen, und das Frankfurter Vorparlament beschloß, Schleswig »unverzüglich in den Deutschen Bund aufzunehmen«. In den Herzogtümern bildete sich eine provisorische Regierung, deren Truppen allerdings den Dänen weit unterlegen waren. Darum bat man den preußischen König um Hilfe, der alsbald Garderegimenter unter General von Wrangel entsandte. Dieser führte im Auftrag des Deutschen Bundes, der die provisorische Regierung anerkannte, das 10. Bundesarmeekorps. In der Paulskirche fand der Widerstand in Schleswig-Holstein ein außerordentliches Echo, ja man wollte darin ein Exempel für den künftigen Rang eines vereinten Deutschlands erkennen. Die Dänen erhielten indessen durch Schweden diplomatische Unterstützung; Rußlands absolutistische Legitimisten konstatierten nur eine »Rebellion« in den Herzogtümern gegen die rechtmäßige Krone, und die junge französische Republik versuchte, durch Einflußnahme internationales Prestige zu gewinnen. So wurde der Konflikt rasch eine europäische Frage. Der britische Preminierminister Palmerston votierte für »nonintervention« und strebte Verhandlungen an. Man stand dabei zunächst auf dänischer Seite als dem schwächeren Teil, unabhängig davon, ob Dänemark Verträge gebrochen habe und die Deutschen in Schleswig »dänisiere«. Man fragte sich, ob Deutschland ein besseres Recht auf Schleswig habe als auf andere Regionen, in denen auch Deutsch gesprochen werde, wie Elsaß-Lothringen, Teilen der Schweiz und in russischen Ostseeprovinzen. Außerdem betonten die Dänen immer wieder, Deutschland wolle sich eine Flotte schaffen, was die führende Seemacht England und ihr Interesse am »Bosporus der Ostsee« tangiere. Auf Drängen der Großmächte schloß Preußen am 26. 8. 1848 den Waffenstillstand von Malmö, nachdem Wrangel schon Teile Jütlands besetzt hatte. Dies führte in Frankfurt zu einer Krise, weil besonders die Linken der Nationalversammlung, die dem Waffenstillstand zugestimmt hatte, nationales Versagen vorwarfen. Die Paulskirchenmehrheit erkannte die Ohnmacht von Reichsregierung und Parlament, konnte man doch Preußen nicht zwingen, den Krieg fortzuführen. (Vgl. M 3 ) In Großbritannien war für den Fall der Annahme der Kaiserkrone durch Friedrich Wilhelm IV. ein Krieg zwischen Preußen und Österreich befürchtet worden. Obwohl in gesellschaftspolitischer Ausrichtung völlig konträr, näherte sich Großbritannien Rußland an. Trotz preußischer Truppenerfolge nach Ablauf des Waffenstillstands drängte man auf erneute Waffenruhe, die im Frieden zu Berlin 1850 besiegelt wurde: Schleswig verblieb bei Dänemark, jedoch mit eigener Verfassung. Der status quo wurde 1852 im Londoner Protokoll formell wiederhergestellt. Aber hätte es auch eine andere Möglichkeit gegeben? ( M 4 ). Das Gleichgewicht in Europa schien gesichert. 43 Überlegungen zu den Materialien: 1) Welche historischen Entwicklungen um 1900 mögen den Autor von M 2 nach dem Ersten Weltkrieg beeinflußt haben? 2) Wie unterscheidet sich der Autor von M 4 , der auch britische Unterlagen auswertete, von M 2 ? 3) Haben sich die Abgeordneten der Paulskirche zu aus- führlich mit den Grundrechten und einer Verfassung beschäftigt, statt zügig eine staatliche Einheit der Deutschen herbeizuführen? M 3 4) Wie verhielt sich Großbritannien bei der Reichsgründung 1871 und bei der Vereinigung Deutschlands 1990 unter den jeweils veränderten europäischen Gegebenheiten? 2. Materialien [...] Welche Gesichtspunkte leiteten denn die englische Politik? Zwei Dinge wollte man vor allem verhindern: eine weitere Stärkung der schon bedrohlich anwachsenden Macht Rußlands und die Entstehung eines Siebzigmillionenreiches auf mitteleuropäischem Boden. Daraus ergab sich als Folge: entweder Förderung der sogenannten kleindeutschen Lösung oder das Bestreben, den alten deutschen Dualismus aufrecht zu erhalten, wobei es darauf ankam, die Rechte Österreichs nicht allzusehr zu schmälern. Wenn man diese beiden Anschauungen in die englische Parteipolitik einordnen will, so ergibt sich, daß für die erste Lösung mehr die liberalen Kreise, für die zweite im wesentlichen die Tories eintraten. [...] Mit dem Dasein der alten Großstaaten Europas hatte man sich abgefunden, aber was man im allgemeinen nicht wollte, war, daß aus den deutschen Einheitsbestrebungen ein starker Staat herauswuchs, der zur See und im Handel England Schwierigkeiten bereitete. M1 Karikatur in der Zeitschrift »Punch« 1849 Punch 1849, Vol. 16, p. 27/28, London, published at the Office 85, Fleet Street © Badische Landesbibliothek Karlsruhe Hans Precht: Englands Stellung zur deutschen Einheit 1848–50. Historische Zeitschrift, Beiheft 3. München und Berlin, 1925, S. 178 M2 – M 4 England und die deutsche Einheit M2 [...] Die Hoffnungen, mit denen man in Deutschland in den Frühlingstagen des Jahres 1848 auf England geschaut hatte, erfüllten sich nicht. Ohne eingehende Kenntnis der politischen Faktoren hatte man geglaubt, daß auch in dieser schicksalsschweren Krise, wie früher so oft, englische und deutsche Interessen Hand in Hand gehen müßten. [...] Um England zu veranlassen, im Ringen um die deutsche Einheit aus seiner kühlen Reserve herauszutreten, hätte es einer eingehenden diplomatischen Vorarbeit bedurft. In dieser Beziehung hatte man so gut wie nichts getan. M3 Die Gefahr eines allgemeinen europäischen Krieges, die Palmerston beschwor, um den Waffenstillstand von Malmö zu rechtfertigen, war in Wirklichkeit ein harmloser Kinderschreck; und manche der Frankfurter Liberalen erkannten, daß – was die auswärtigen Mächte betraf – Großbritannien ihnen eine Demütigung aufzwang, nicht Frankreich oder Rußland. [...] Die Schaffung eines »Kleindeutschland« hätte Großbritannien einen Ersatz für die »natürliche Allianz« mit Österreich geliefert – einen Verbündeten, der nicht nur geistesverwandter, sondern auch stärker war. Die britische Politik trug in der SchleswigHolsteinischen Frage dazu bei, dieses Ergebnis zu verhindern; sie arbeitete für Frankreich und Rußland, ohne 44 daß diese Mächte auch nur einen Finger rührten. Die dunkle Ahnung dieses Widerspruchs erregte bei Palmerston und anderen britischen Politikern Verärgerung über den »Haufen von Kindern« in Frankfurt. Als Palmerston ein wenig später Bunsen, dem preußischen Gesandten in London, erklärte: »Gegen die Idee eines Deutschen Reiches läßt sich nichts sagen, außer daß niemand fähig zu sein scheint, sie zu verwirklichen«, übte er in Wirklichkeit Kritik an denen, die Schleswig für einen unerläßlichen Bestandteil eines vereinigten Deutschland hielten. [...] Die deutsche Frage überraschte – in allen ihren Aspekten – die Staatsmänner Europas, und man behandelte sie beiläufig, nicht als eine dringende Angelegenheit. A.J. Taylor: The Struggle for Mastery in Europe 1848–1918. Oxford 1954; aus »Die Deutsche Revolution von 1848/49«, hrsg. von Dieter Langewiesche, Wege der Forschung CLXIV, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt, 1983, S. 193–221 (Auszug S. 204) M4 Es ist doch gewiß ganz falsch zu sagen, daß Palmerston oder ein anderes Mitglied des Kabinetts [...] die Einigung Deutschlands im Sinne Gagerns hätte verhindern wollen. Im übrigen ist auch gar nicht einzusehen, was für Motive England auf einen solchen anti-deutschen Kurs hätten drängen sollen. Ein starkes, liberales Deutschland hätte die Mitte Europas beherrscht und dem Vordringen des russischen Einflusses Einhalt gebieten können. Nichts hätte England willkommener sein können, als zu sehen, daß Deutschland den Bannkreis der Heiligen Allianz verließ und sein Gewicht auf die Seite der Westmächte brachte. Aus diesem Grunde fand Gagerns Plan ja auch die Zustimmung Palmerstons, sobald seine ersten Umrisse London mitgeteilt wurden. Und dieser Plan behielt die Zustimmung Palmerstons und des britischen Kabinetts, als die preußische Regierung beschloß, ihn ohne die Nationalversammlung auszuführen. [...] Daß England [...] wohlgesonnen war, wurde freilich in Deutschland wenig verstanden, denn wenige Deutsche vermochten zu unterscheiden, daß England zwar die deutsche Einigung billigte, aber nicht die Deutschen in der schleswig-holsteinischen Frage unterstützen wollte. Alle Schwierigkeiten in den deutsch-britischen Beziehungen in dieser Zeit entsprachen nicht irgendeinem wichtigen Aspekt der deutschen Einheit, sondern hingen mit den Grenzfragen im Norden zusammen. Während die nationalistische Partei in Deutschland starke juristische Argumente ins Feld führte, um Schleswig letzten Endes für Deutschland zu gewinnen – in ähnlicher Weise, wie die Dänen aus nationalistischen Motiven das Herzogtum zu besitzen wünschten – waren andererseits die britischen Staatsmänner überzeugt, daß es den britischen Interessen entspreche, am Ausgang der Ostsee den territorialen Status quo zu erhalten. Günther Gillessen: Lord Palmerston und die Einigung Deutschlands. Die englische Politik von der Paulskirche bis zu den Dresdner Konferenzen (1848–1851). Historische Studien Heft 384, Matthiesen Verlag, Lübeck und Hamburg, 1961, S. 152 IX. Die Nachwirkungen der Revolution 1. Erläuterungen Welche Lehren zieht man aus der Geschichte der Revolution von 1848/49? Jede Generation und jeder deutsche Staat zog aus dem Geschehen eigene Konsequenzen, die Revolution wurde zum Argument der politischen Auseinandersetzung. Die Ergebnisse dieses Nachdenkens wurden vor allem bei Jubiläumsfeiern an die Öffentlichkeit getragen und verraten »auf diese Weise mehr über die Feiernden als über das gefeierte Ereignis.«1 Die Wirkungsgeschichte der Revolution von 1848 beginnt bereits vor ihrem Ende. Während in Rastatt noch gekämpft wurde, begann die publizistische Auseinandersetzung um die Revolution und ihre Bedeutung, zumeist in Form von Schuldzuweisungen und Verratsbezichtigungen und darauf antwortenden Rechtfertigungen. Der emigrierte Lorenz Brentano machte aus der Schweiz am 1. Juli 1849 den Anfang: »Von den Fürsten ein Hochverräther, von Euern Vertretern in Freiburg (d.h. den Mitgliedern der Verfassungsgebenden Versammlung) ein Landesverräther genannt, überlasse ich Euch das Urtheil, ob ich solche Behandlung verdiene.«2 Verrat, moralisches Versagen als Ursache der Revolution – berühmt wurde in diesem Zusammenhang die Rede des preußischen Königs über die Rolle der Lehrer und ihre »Afterweisheit«3 – oder als Grund ihres Scheiterns – das Urteil über die deutsche Revolution von 1848/49 wird von jetzt an politisch funktionalisiert, und jeder, der ein solches Urteil fällt, steht bewußt oder unbewußt in einem dieser Traditionszusammenhänge. Vor allem die Jubiläen waren immer wieder Anlaß, die alten Legenden wiederzubeleben oder alte Rechnungen zu begleichen. So versagte der Gouverneur von Rastatt 25 Jahre nach dem Fall der Festung die Genehmigung zur Aufstellung eines Denkmals für die Toten von 1849, und das großherzogliche Bezirksamt Lörrach verbot noch 1898 eine Kranzniederlegung am Grabe des 1849 erschossenen Friedrich Neff (s. Photo unten).4 M 1 gibt Herweghs Rückblick am 25. Jahrestag der Berliner Barrikadenkämpfe wieder. Der Dichter ist inzwischen Sympathisant der Arbeiterbewegung geworden und stellt sich in einen Traditionsrahmen, der fast parteioffiziell geworden ist: Die Sozialdemokraten feierten den 18. März, während das nationalliberale Bürgertum am Sedanstag einer anderen Tradition huldigte und die eigene revolutionäre Vergangenheit als Jugendsünde abtat. Herweghs Drohung »Noch sind nicht alle Märze vorbei« wurde von konservativer Seite aufgenommen ( M 2 ) und die Revolution auch als Argument für obrigkeitsstaatliches und militaristisches »Durchgreifen« verwendet. Daß die SPD 1898 bereits den Revisionismus diskutierte und selbst Kautskys Formulierung, die Sozialdemokratie sei eine »revolutionäre, nicht aber Revolutionen machende Partei« eine Absage an die »klassische« Form der Revolution enthält, blieb diesem Denken verborgen. Bestätigen wird sich dies erst nach der Novemberrevolution von 1918. Das Jubiläum von 1923 ( M 3 ), das die Weimarer Republik in schwerer Krise zu einer Vergewis- 45 serung ihres Selbstbewußtseins inszenierte, fand am 18. Mai, dem Tag des Zusammentritts der Nationalversammlung, nicht am 18. März statt, und der Sozialdemokrat Ebert präsentiert sich als Staatsmann der nationalen Einheit. Von Sozialismus oder Revolution ist in seiner Ansprache keine Rede, und nicht einmal ein klassenkämpferischer Appell zu mehr sozialer Gerechtigkeit stört die nationale Einheit. Daß das Erbe von 1848 nicht unumstritten war, zeigen die Kurzmeldungen der ‘Frankfurter Zeitung’. Von der Rechten wurde die Veranstaltung als Parteiangelegenheit angesehen, ein Vorwurf, der bereits in den Verfassungsdebatten von 1919 – man denke nur an den Flaggenstreit – geäußert wurde. Der Versuch einer demokratischen Traditionsstiftung für die Republik gelang nur bei denen, die ohnehin demokratisch dachten. Die Abwesenheit des bayerischen Ministerpräsidenten und ihre Begründung – ein halbes Jahr vor dem HitlerPutsch – ist sicher kein Zufall. Daß die Wahl des Datums schon ein Politikum ist, zeigen die Feiern zum 100. Jahrestag 1948 ( M 4 ). Die SED und die im »Antifaschistischen Block« verbündeten Parteien berufen sich auf das Erbe des 18. März; das »Neue Deutschland« vermerkt hämisch, daß eine Veranstaltung im Westen Berlins nur von 20 000 Teilnehmern besucht worden sei, während der eigene Aufruf »Am Donnerstag das ganze Volk« mehr als 100 000 Bürger des »fortschrittlichen Berlin« vom Gendarmenmarkt zum Friedhof Friedrichshain an die Gräber der Märzgefallenen geführt habe. Die Reden der drei Parteivorsitzenden vor dem II. Volkskongreß sind daher auch in erster Linie eine Abrechnung mit allen Kräften, die in den Westzonen auf die Gründung der Bundesrepublik hinarbeiteten. Der Aufruf zur Einheit unter SED-Vorzeichen scheint in Südbaden auf kritisches Echo gestoßen zu sein. Auf der Freiburger Jahrhundertfeier am 25. April – am 24. April 1848 war der Sturm der Freischaren Sigels auf Freiburg abgeschlagen, die Stadt von Regierungstruppen erobert worden – warnt der Kommentator vor einer Überbewertung der Einheit zu Lasten der Freiheit und kann sich dabei auf Rottecks »Badenweiler Toast« von 1832 berufen. M 4 c Merkwürdig unpolitisch mutet aus heutiger Sicht die zentrale Feier in Frankfurt am 18. Mai an. Kein künftiger »Verfassungsvater«, nicht Theodor Heuss oder Carlo Schmid hielt die Festrede, aus der sich das Selbstverständnis der künftigen Republik hätte ablesen lassen, sondern ein Dichter und Schriftsteller, und nicht einmal einer der bedeutendsten, nicht Alfred Döblin oder Thomas Mann, sondern der expressionistische und pazifistische Dramatiker Fritz von Unruh, der durch seine eigene Biographie – Offizier im Ersten Weltkrieg, 1932 Emigration nach Frankreich, 1940 dort interniert, dann in die USA, nach 1945 mehrmalige Rückkehr – als Zeuge deutscher Irrwege dazu berufen war. Seine Deutung des 1848er Geschehens und der Katastrophe des Nationalsozialismus M 4 e – im Vergleich zu dem Feindbild, das die Politiker der künftigen DDR bereits entwickelt haben – ist von einem etwas unbestimmten Idealismus. Die Anteilnahme der Bevölkerung war nach dem Kommentar der »Zeit« M 4 d zurückhaltend und weist auf die wahren Nöte der Zeit hin, die von der künstlichen Begeisterung des »Neuen Deutschland« M 4 b übertüncht waren. Anmerkungen 1 W. Siemann: Auf der Suche nach einer Friedensordnung: Das Jubiläum der Revolution von 1848 im Nachkriegsdeutschland. Geschichte als Argument. 41. Deutscher Historikertag München, 1996, Skriptenheft I, S. 30 2 Lorenz Brentano: An das badische Volk. Feuerthalen..., den 1. Juli 1849. Stadtarchiv Freiburg. 3 Siehe Franzjörg Baumgart: Zwischen Reform und Reaktion. Preußische Schulpolitik 1806–1859, Darmstadt 1990, S. 187 4 Siehe F.X. Vollmer: Vormärz und Revolution 1848/49 in Baden. Modelle zur Landesgeschichte 1, Frankfurt-Berlin-München 1979, S. 187 Überlegungen zu den Materialien: 1) Worin sieht Herwegh ( M 1 ) die treibenden Kräfte der Revolution von 1848, und welche Konsequenzen zieht er aus dieser Sicht? Vgl. die konservative Deutung im Kaiserreich in M 2 . 2) Wie versucht Reichspräsident Ebert ( M 3 a ) die Revolution von 1848/49 zu aktualisieren? Läßt seine Rede erkennen, daß Ebert einer der in M 2 angeprangerten Sozialdemokraten ist? 3) Revolutionsfeier Ost – Revolutionsfeier West ( M 4 ): Wie werden die Erfahrungen des »Dritten Reiches« verarbeitet, welche Konsequenzen und Schuldzuweisungen ergeben sich daraus? Welche Traditionslinien werden zur Revolution von 1848/49 gezogen? Grabsäule für den 1849 in Freiburg standrechtlich erschossenen Revolutionär Friedrich Neff in Rümmingen/Krs. Lörrach. Die Inschrift »Wer so wie Du fürs Vaterland gestorben, der hat sich ew’gen Ruhm erworben!« mußte durch die Angehörigen wieder entfernt werden und konnte erst nach 1918 wieder angebracht werden. Photo: H. Kraume 46 2. Materialien M1 25 Jahre: Herweghs Rückblick am 18. März 1873: Achtzehnter März Achtzehnhundert vierzig und acht, Als im Lenze das Eis gekracht, Tage des Februar, Tage des Märzen, Waren es nicht Proletarierherzen, Die voll Hoffnung zuerst erwacht Achtzehnhundert vierzig und acht? Achtzehnhundert vierzig und acht, Als du dich lange genug bedacht, Mutter Germania, glücklich verpreußte, Waren es nicht Proletarierfäuste, Die sich ans Werk der Befreiung gemacht Achtzehnhundert vierzig und acht? Achtzehnhundert vierzig und acht, als du geruht von der nächtlichen Schlacht, Waren es nicht Proletarierleichen, Die du, Berlin, vor den zitternden, bleichen Barhaupt grüßenden Cäsar gebracht Achtzehnhundert vierzig und acht? Achtzehnhundert siebzig und drei, Reich der Reichen, da stehst du, juchhei! Aber wir Armen, verkauft und verraten, Denken der Proletariertaten – Noch sind nicht alle Märze vorbei, Achtzehnhundert siebzig und drei. Herweghs Werke in einem Band. Ausgewählt und eingeleitet von Hans-Georg Werner. Bibliothek deutscher Klassiker. Aufbau-Verlag, Berlin und Weimar 1980, S. 283f. M2 50 Jahre – 1898 Vorwort zu einer 1899 erschienenen deutschen Quellensammlung zur Revolution von 1848/49: [...] Seit 50 Jahren ist zwar unser teueres Vaterland von weiteren Revolutionsausbrüchen verschont geblieben, der Revolutionsgeist jener Zeit ist aber leider auch heutigen Tags noch nicht verschwunden, und wer mit unbefangenem Blick in die Gegenwart hineinschaut, dem kann es nicht entgehen, daß es auch jetzt nicht an Geistern fehlt, welche mit Energie und Schlauheit darauf ausgehen, den Samen der Unzufriedenheit unter das Volk auszustreuen und alle Klassen und Schichten desselben mit dem alten Revolutionsgeist zu erfüllen. [...] Die Sozialdemokraten unserer Tage sehen jene Zeit gewissermaßen als die klassische Zeit ihrer Partei an, sie feiern die damaligen Revolutionshelden als ihre Vorgänger und Vorkämpfer und sehnen sich nach einer Wiederkehr jener goldenen Zeit, wo es manchmal so schön drunter und drüber zuging. [...] Das fortgesetzte wüste Treiben der Revolutionäre, das überall ein Stocken der Geschäfte und Unsicherheit aller Verhältnisse hervorrief, brachte es dann aber auch zuletzt dahin, daß nicht nur der bessere, sondern bald auch der größere Teil der Bevölkerung das Revoluzzen völlig satt bekam und sehnsüchtig nach den Regierungen und Männern aus- schaute, die den Mut hatten zu sagen: »bis hierher und nicht weiter!« und die dann auch wirklich durch ihr energisches Auftreten bewirkten, daß die über das Ufer hinausgetretenen wilden Gewässer sich verliefen oder in ihr natürliches Strombett zurücktraten. [...] K. Hagenmeyer: Die Revolutionsjahre 1848/49. Karlsruhe 1899, S. 1–4 M3 M 3a 75 Jahre – »Der Tag des ersten deutschen Parlaments«. Frankfurt, 18. Mai 1923 Aus der Rede Reichspräsident Eberts in der Paulskirche: [...] In den Freiheitskriegen hatte das deutsche Volk in freiwilliger und bewußter Hingabe an den Gedanken einer deutschen Nation sich die äußere Freiheit errungen; sein Streben, nun auch aus der deutschen Vielstaaterei zum nationalen Staat auf freiheitlicher Grundlage, zum Reich zu kommen, scheiterte an dem Widerstand der deutschen Fürsten, dem nationalen Gedanken ein Opfer an Souveränitätsrechten zu bringen. Treulich bewahrte trotz alledem das deutsche Volk seit den Freiheitskriegen im Zeichen des schwarz-rot-goldenen Banners das Ideal der Einigung der deutschen Stämme und der inneren Freiheit. In der großen Volksbewegung, die 1848 wie andere Nationen auch die Deutschen erfaßte, sollte an dieser Stätte das politische Streben der Besten und Bedeutendsten der Nation, sollte der Volksstaat des einigen und freien Deutschland Verwirklichung finden. Zum ersten Male ging aus allgemeinen Wahlen des ganzen deutschen Volkes eine Vertretung Deutschlands hervor, die Nationalversammlung, ein Parlament von hohem geistigen Schwung, von edelstem Wesen und starkem nationalen Bewußtsein. Dieser ersten Nationalversammlung gelang es, die Grundrechte des deutschen Volkes und die Verfassung des einigen Deutschen Reiches zu schaffen, aber es gelang ihr nicht, das Reich selbst aufzurichten. Dazu fehlten ihr die realen Machtmittel; am Geiste der Kleinstaaterei scheiterte ihr nationaler Wille. [...] Dann, als wiederum, 70 Jahre später, im Winter 1918/19 das deutsche Volk gezwungen war, sein Geschick selbst in die Hand zu nehmen, sein Staatswesen in den Nöten der Zeit neuaufzubauen, führte uns die Arbeit von Weimar zur Frankfurter Paulskirche zurück, zu den Leitgedanken, die einst an dieser Stätte geboren sind. [...] Einheit, Freiheit und Vaterland! Diese drei Worte, jedes gleich betont und gleich wichtig, waren der Leitstern, unter dem die Paulskirche wirkte. Sie sind auch Kern und Stern des Daseinskampfes, den wir heute an Rhein, Ruhr und Saar zu führen gezwungen sind. Dort stehen wir in entschlossener Abwehr, um das einige Reich, um unsere Freiheit zu erhalten, dort kämpfen alle Volksgenossen mit äußerster Hingabe für den Staat des deutschen Volkes. Diesen Geist der Einigkeit, der Freiheit und des Rechtes, der uns auch in dieser tiefsten Not erhebt, wollen wir bewahren. Er soll und wird uns einer besseren Zukunft entgegenführen. [...] Frankfurter Zeitung vom 19. 5. 1923, Erstes Morgenblatt 47 M 3b M 3b M 3c Begleitnotizen der Frankfurter Zeitung zu den Feierlichkeiten Die Teilnahme des Hochschulrings Das Presseamt des Frankfurter Hochschulrings ersucht uns um die Aufnahme folgender Erklärung: »Der Hochschulring deutscher Art hat sich entschlossen, sich an den Parlamentsfeierlichkeiten in der Paulskirche zu beteiligen, obgleich er der Ansicht ist, daß diese Feier mit ihrem jetzigen Plan kein getreues Bild des politischen Wollens unseres Volkes gibt. Wenn er sich trotzdem beteiligt, so tut er es in der Absicht, deutlich in der Oeffentlichkeit alle einseitig politischen Bedenken zurückzustellen und zu zeigen, daß die akademische Jugend weiß, daß ihr das Erbe von 1848 gehört. Frankfurter Zeitung vom 18. 5. 1923, Erstes Morgenblatt M 3c Die Knillingsche Feier des 18. Mai München, 25. Mai. Verschiedene Blätter haben sich mit der Tatsache beschäftigt, daß der bayrische Ministerpräsident den 18. Mai, den Tag der Gedenkfeier in der Paulskirche, dazu benutzt hat, hier in München einer feierlichen Messe anläßlich des Geburtstages des ehemaligen Kronprinzen Rupprecht beizuwohnen. Unter der Rubrik »Politische Brunnenvergiftung« polemisiert heute die »Bayrische Staatszeitung« gegen das, was sie als »TendenzFalschmeldung« bezeichnet. Es habe sich um eine einfache Messe gehandelt; außerdem sei die Einladung zum fünfundsiebzigsten Gedenktage des Frankfurter Parlaments vom bayrischen Ministerpräsidenten zu einer Zeit abgelehnt worden, als er von einer Abhaltung der Messe noch nicht unterrichtet gewesen sei. Die Polemik der »Staatszeitung« ist unwesentlich. Es steht fest, daß Herr von Knilling den Besuch eines schlichten Gedenktages, an dem das Reich und alle seine Länder sich offiziell beteiligten, abgelehnt hat mit der Begründung, es sei gegenwärtig keine Zeit zum Feiern, – und daß er gleichzeitig für eine Feierlichkeit Zeit fand, die der Person des bayrischen Kronprätendenten galt. [...] Frankfurter Zeitung vom 26. 5. 1923, Abendblatt M4 100 Jahre – ein zweigeteiltes Jubiläum im Zeichen des Kalten Krieges: 18 März, 25. April oder 18. Mai 1948 ? die 1848 geforderten Freiheiten in der hinter dem Brandenburger Tor beginnenden Welt heute ärger bedroht seien als vor hundert Jahren. Merkwürdig zwiespältig war dieser regenübergossene Feiertag der unglücklichen Stadt Berlin. [...] Es war ein Wettrennen um die Symbole, das danach nicht mehr abriß. Alle kamen sie, die Feindlichen und die Freundlichen, die Sozialisten und die Bürger, die Liberalen und die Orthodoxen, der Konsumverein und die Opfer des Faschismus, die Polizei und die Gewerkschaften, die Kommunisten und die Sozialdemokraten, und in das Mikrophon hinein versprachen sie, vollenden zu wollen, was »Die von 48« begonnen hatten. [...] Die Zeit, 25. 3. 1948 M 4b Berlin (Ost), 18. 3. 1948, Admiralspalast Am 100. Jahrestag des Berliner Aufstands trat der vom »Antifaschistischen Block« organisierte II. Volkskongreß zusammen. Das »Neue Deutschland« gibt die Reden wieder: Otto Grotewohl (SED): Die deutsche Revolution von 1848 brachte nicht die Geburt eines bürgerlich deutschen Staates, sondern die preußisch-militärische feudalistische Vormacht. Warum hat Deutschland nicht ein gleiches oder ähnliches Schicksal erleben dürfen wie die Mächte der liberalen westlichen Welt? Warum war der deutsche Imperialismus so explosiv und aggressiv in seinen Methoden? Warum war der deutsche Geist überheblich, der deutsche Staat militärisch und die deutsche Demokratie 1933 zum Faschismus fähig? Hier muß die Geschichte Antwort geben. [...] Das deutsche Bürgertum konnte seine nationale Aufgabe 1848 nicht erfüllen, weil seine politische Kampffront durch Uneinigkeit geschwächt war und weil die nationale Kampffront durch den Verzicht auf ein Bündnis mit den Arbeitern und Bauern zu schmal war. [...] Die in der deutschen Arbeiterbewegung organisierten Kräfte sind 1948, auf sich allein gestellt, ebensowenig fähig, die Einheit Deutschlands zu verwirklichen, wie es 1848 das auf sich gestellte Bürgertum nicht konnte. Die Bereitwilligkeit der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands zu einer breiten fortschrittlichen Bündnispolitik entspringt darum tiefster politischer Ehrlichkeit und der Sorge um die Zukunft der ganzen deutschen Nation (Beifall). Das ist die entscheidende Lehre aus der Märzrevolution 1848. Neues Deutschland, 18. 3. 1948 (Auszug) M 4a Das Brandenburger Tor als Barrikade Unter diesem Titel berichtet »Die Zeit« über die Feiern zum 18. 3. 1948 in Berlin: Man muß Radio haben, um die Weltgeschichte und seine eigene deutsche Erinnerung zu kennen. Und in Berlin, so erwies sich an diesem Jubiläumstage, vor allem das richtige Radio und nicht irgendein beliebiges. Denn aus dem einen erfuhr man, daß der »Volkskongreß« sich entschlossen habe, zu vollenden, was die Barrikadenkämpfer 1848 angefangen hatten, und aus dem anderen, daß M 4c Freiburg, Straßenbahnhalle, 25. 4. 1948: Die badische Landesregierung und der Oberbürgermeister luden zu einer Jahrhundertfeier ein. Die ‘Badische Zeitung’ kommentierte: [...] Auch wir sind heute nach den Jahren der nationalsozialistischen Tyrannei wieder am Werk, eine auf dem Fundament demokratischer Freiheit aufgebaute staatliche Ordnung zu verwirklichen und die rechte Form für eine Ge- 48 meinschaft der deutschen Länder und Landschaften zu finden. Das Beispiel von 1848 mahnt uns, dabei die politischen Gegebenheiten nicht aus dem Auge zu verlieren und bei der Einschätzung der Reihenfolge der Werte den rechten Maßstab anzulegen. Ein Wegbereiter der Ideen von 1848, der Freiburger Professor und Abgeordnete von Rotteck, sagte schon im Jahre 1832 auf einer liberalen Versammlung in Badenweiler: »Ich will lieber Freiheit ohne Einheit als Einheit ohne Freiheit.« An Einheit hat es uns in den dunkelsten Jahren unserer Geschichte, die wir hinter uns haben, gewiß nicht gemangelt, und daß wir die Einheit verloren haben, hatte sicher seine wesentlichste Ursache darin, daß wir uns unter der Diktatur der Freiheit begeben hatten. Wenn wir wieder zu dem unentbehrlichen Maße von Einheit kommen wollen, dessen wir zum Leben bedürfen, werden wir es weder erringen noch behaupten können ohne die Grundvoraussetzung der Freiheit. Badische Zeitung 23. 4. 1948 M 4d Frankfurt, 18. 5. 1948: Tage der Selbstbesinnung Die Paulskirche ist das eindrucksvollste Sinnbild der deutschen Demokratie. Aber sie ist es immer nur wenigen gewesen. Ihre Tradition wurzelt nicht im Volk. Das war wohl der tiefere Grund für die Teilnahmslosigkeit der Bevölkerung gegenüber der Frankfurter Hundertjahr-Feier; sie hatte weder für den Aufbau der Kirche noch für die festliche Akzentuierung der Gedenktage Verständnis. Ja, viele verfolgten die Feier sogar mit einer gewissen Feindseligkeit. Es ging ihnen nicht ein, daß man eine Kirche aufbaute, wo es doch an Wohnhäusern fehlt. [...] Eine Frau, die mit ihrem Kind als Ostflüchtling im Frankfurter Hauptbahnhof vergeblich auf ein Obdach wartete, habe [...] gesagt: »Ich werde von Eurer Demokratie so viel hal- ten, als ihr für mein Kind und mich tut, um uns vor dem Zugrundegehen zu schützen.« Das ist der Prüfstein des Wahrheits- und Ehrlichkeitsgehaltes alles dessen, was in der Paulskirche und über sie gesprochen wurde. Robert Strobel, Die Zeit vom 27. 5. 1948 M 4e Freiheit des Menschen – Freiheit des Staates Rede des Dichters Fritz von Unruh zum 18. Mai 1948 in der Frankfurter Paulskirche Als sich vor hundert Jahren, am 18. Mai 1848, über dreihundert Abgeordnete im Kaisersaal versammelten [...] – da faßte ein Gesandter aus Mailand die erregte Erwartung des Augenblicks in die Worte: »Ganz Europa scheint zu fühlen, daß der Schwerpunkt seiner Zukunft in der Paulskirche liegt!« Und heute? – Anno 1948. Heute. In dieser von der Kriegsfurie so gräßlich verwüsteten Stadt? Fühlen wir Heutigen den Schwerpunkt Europas hier in der Paulskirche? [...] 1848, da fühlten unsere Vorväter noch in sich selber den Schwerpunkt! Er hieß: Wille zur Freiheit. [...] Keine klassenlose Gesellschaft, die auf ihren Bannern statt das Hakenkreuz jetzt Hammer und Sichel schwingt! Sondern eine Gesellschaft von Einzelwillen, die sich zwischen dem »Ja« zum Recht und dem »Nein« zum Unrecht entschieden hat für den Gott in der eigenen Brust. Die sich in dem großen Advent der Menschheit, in dieser Trennungsstunde von Bestie und Mensch, entschieden hat zu jener schon heraufdämmernden einigen Welt! In der alle Völker zusammengeschweißt in einem einzigen Weltregiment die Erdgüter so weise verteilen, daß keine Atombombe mehr wie das Damoklesschwert über uns hängt – sondern der Freude schöner Götterfunken uns alle eint in des Lebens neuer Gestaltung. [...] Frankfurter Rundschau, 20. 5. 1948 »1848/49. Die deutsche Revolution in Europa« Seminar der Landeszentrale für politische Bildung vom 19. bis 21. Januar 1998 in Bad Urach Zum Thema dieses Hefts veranstaltet die Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg für Lehrer(innen) aller Schularten ein Seminar. Dabei stehen politische Lieder und politische Druckgrafik der Revolution im Mittelpunkt. Ihre (fächerverbindende) praktische Umsetzung für den Unterricht soll überwiegend teilnehmerzentriert ausprobiert werden. U.a. mit öffentlichem Konzert der Gruppe »Gälfiaßler« mit ihrem neuen Programm »Katzenmusik – Ein himmlisches Singspiel aus der Revolution 1848/49« und mit Eröffnungsreferat von Frau Privatdozentin Dr. Irmtraud Götz von Olenhusen/Universität Freiburg Leitung: Dr. Christof Rieber, Karl-Ulrich Templ, LpB – Auskünfte, Programm und Anmeldung bei Karl-Ulrich Templ, Lpb, 07 11 / 23 71– 3 89 49 Auswahlbibliographie P Alter, Peter: Nationalismus. Frankfurt am Main 1985. 3. Aufl. 1990 = edition suhrkamp. Neue Historische Bibliothek Bd. 1250 P Börner, Karl Heinz: Kaiser Wilhelm I. 1797 bis 1888. Deutscher Kaiser und König von Preußen. Eine Biographie. Pahl-Rugenstein, Köln 1984 (fundierte DDRUntersuchung) P Deutsche und Polen in der Revolution von 1848/49: Dokumente aus deutschen und polnischen Archiven, hrsg. für das Bundesarchiv von Hans Booms, Boldt, Boppard am Rhein 1991 P Fenske, Hans (Hrsg.): Quellen zur deutschen Revolution 1848–1849. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1996 (neueste Quellensammlung) P Frei, Alfred Georg/Hochstuhl, Kurt: Wegbereiter der Demokratie. Die badische Revolution 1848/49. Der Traum von der Freiheit. Braun, Karlsruhe 1997 (mit neuesten Literaturhinweisen) P Hauser-Hauswirth, Angelika / Wehling, Hans-Georg (Hrsg.): Die großen Revolutionen im deutschen Südwesten. Band 27 Schriften zur politischen Landeskunde Baden-Württembergs. Kohlhammer Verlag, Stuttgart 1998 P Hippel, Wolfgang von: Revolution im deutschen Südwesten. Band 26 Schriften zur politischen Landeskunde Baden-Württembergs. Kohlhammer Verlag, 1998 P Huber, Ernst Rudolf (Hrsg.): Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1: Deutsche Verfassungsdokumente 1803–1850. Stuttgart 3. Aufl. 1978 P Hummel-Haasis, Gerlinde (Hrsg.): Schwestern zerreißt eure Ketten. Zeugnisse zu Geschichte der Revolution von 1848/49. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1982 P Krapp, Berthold: Ludwig Mieroslawski, »Obergeneral« der Revolutionsarmee. Die Mitwirkung von Polen an der badischen Volkserhebung des Jahres 1849 im Lichte des gesamtpolnischen Freiheitskampfes. In: ZGO 123 (1975), S. 227–241 P Krausnick, Michail: Die eiserne Lerche. Die Lebensgeschichte des Georg Herwegh. Beltz & Gelberg, Weinheim 1993 (Jugendbuch) P Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg (Hrsg.): Revolution 1848/49 in Baden und Mitteldeutschland. Stuttgart 1984 = Die deutsche Frage im Unterricht (jetzt: Deutschland & Europa) H. 2 (Unterrichtsvorschläge, Tafeln, Materialien, Erläuterungen) P Langewiesche, Dieter: Die deutsche Revolution von 1848/49 und die vorrevolutionäre Gesellschaft: Forschungsstand und Forschungsperspektiven. Teil II. In: Archiv für Sozialgeschichte Bd. 31 (1991), S. 331–443 (kritische Gesamtschau u. a. hervorragend für gezielte Fragen) P Langewiesche, Dieter: Europa zwischen Restauration und Revolution 1815–1849. Oldenbourg, München 1993, 3. überarb. und erw. Auflage P Makowski, Krzystof: Das Großherzogtum Posen im Revolutionsjahr 1848. In: Rudolf Jaworski/Robert Luft (Hrsg.): 1848/49 – Revolutionen in Ostmitteleuropa. Oldenbourg, München 1996, S. 149–172 P Müller, Michael G. / Schönemann, Bernd: Die »PolenDebatte« in der Frankfurter Paulskirche. Darstellung, Lernziele, Materialien. Frankfurt 1991 = Studien zur internationalen Schulbuchforschung Bd. 68 P Reiter, Annette: Die Sammlung A. W. Heil: Politische Druckgrafik des Vormärz und der Revolution 1848/49. Deutscher Sparkassen-Verlag, Stuttgart 1994, (zu beziehen nur bei Stadtarchiv Butzbach, Markplatz 1, 35510 Butzbach) (Standardwerk für Bildquellen) P Reiter, Herbert: Politisches Asyl im 19. Jahrhundert. Duncker und Humblot, Berlin 1992 P Siemann, Wolfram: Die deutsche Revolution von 1848/49. Frankfurt am Main 1985. 5. Aufl. 1993 = edition suhrkamp Neue historische Bibliothek Bd. 1266 (Gesamtdarstellung auf der methodischen Grundlage, die Wechselwirkung unterschiedlicher Handlungsebenen der Revolution zu erfassen, mit zahlreichen für den Unterricht geeigneten Tafeln und Tabellen) P Siemann, Wolfram: Vom Staatenbund zum Nationalstaat. Deutschland 1806–1871. C.H. Beck: Neue Deutsche Geschichte Bd. 7, München 1995 (dort die gesamte weitere Literatur) P Vollmer, Franz X: Der Traum von der Freiheit. Vormärz und 48er Revolution in Süddeutschland in zeitgenössischen Bildern. Theiss Verlag, Stuttgart 1983 (Fundgrube für kommentierte Bildquellen). 50 AV-Medien Zusammengestellt von: Hanns-Georg Helwerth, Landesbildstelle Württemberg, Stuttgart. P Reportagen aus der Geschichte Barrikaden für die Republik Septemberaufstand in Frankfurt Video, 15 min, F, 1987 Adressaten: SI Anhand der Bürgerunruhen des Septembers 1848 auf dem Frankfurter Römerberg thematisiert der Film in Dokumentarspielszenen und simulierter »aktueller« Berichterstattung die Frage, warum der Traum vieler Deutscher von einem geeinten, demokratischen Deutschland scheiterte. 42 00892 P Das neunzehnte Jahrhundert; 5 Die Revolution achtzehnhundertachtundvierzig bis achtzehnhundertneunundvierzig (1848–49) Ort der Hoffnung, Symbol der Demokratie Video, 30 min, F+Sw, 1975 Adressaten; SI, SII, J, E Februar-Revolution, Barrikaden-Kämpfe in Wien und Berlin, Frankfurter Nationalversammlung, Scheitern der Revolution (s.a. 32 51640). 42 51346 P Das neunzehnte Jahrhundert; 9 Parteien im Deutschen Reich Video, 30 min, F, 1977 Adressaten; SI, SII, J, E Fraktionen der Frankfurter Nationalversammlung, politische Grundströmungen und Parteigründungen ab 1860, Reichsverfassung, Wahlsystem, Hypotheken des deutschen Parteiensystems. (s.a. 32 51658) 42 51350 P Die nationalen Symbole der Deutschen Video, 22 min, F, 1992 Adressaten; SI, SII, J, E Der Film schildert die wechselvolle Geschichte der nationalen Symbole der Deutschen vom Zeitalter Napoleons und der Befreiungskriege bis zur Wiedererlangung der deutschen Einheit im Jahr 1990. Dabei wird deutlich, daß Hymne und Fahne nicht nur den Wunsch nach Einheit zum Ausdruck bringen. 42 01490 P Die Paulskirche Ort der Hoffnung, Symbol der Demokratie Video, 23 min, F+Sw, 1989 Adressaten; SI, SII, J, E Der Film gibt einen Überblick über Ursachen, Ziele und Verlauf der bürgerlichen Revolution 1848/49 in Deutschland, eingebettet in die Geschichte des Gebäudes der Paulskirche in Frankfurt. Zeitgenössische Darstellungen zum politischen Geschehen geben zusammen mit Zitaten beteiligter Politiker ein anschauliches Bild. 42 00849 P Die Revolution achtzehnhundertachtundvierzig bis achtzehnhundertneunundvierzig (1848–49) Video, 16 min, F, 1991 Adressaten; SI, SII Ausgehend von der Februarrevolution in Paris werden an zeitgenössischen Darstellungen die wichtigsten revolutionären Ereignisse in den Ländern des Deutschen Bundes, besonders in Österreich und Preußen, die Arbeit der Paulskirche und das Scheitern der Revolution gezeigt (s.a. 32 10116) 42 01963 P Reportagen der Geschichte Der Zug der Marburger Demokraten Die Turner und die Revolution Video, 15 min, F, 1987 Adressaten: SI, J, E Das Videoband zeigt in Dokumentarbeispielszenen und simulierter »aktueller« Berichterstattung, wie sich Demokraten in Marburg entschlossen haben, unter der Schwarz-Rot-Goldnen Fahne, dem Symbol eines freien, geeinten, demokratischen Deutschlands, bewaffnet nach Hanau zu ziehen, um dort die Revolution zu unterstützen. 42 00891 P Der Zeugenberg Einblick in die Geschichte des Hohenasperg Video, 20 min, F, 1996 Adressaten; SI, SII, J, E Längsschnitt durch die Geschichte des Hohenasperg. Die Schwerpunkte des Films liegen auf den folgenden Themen: Der Asperg als Sitz eines bedeutenden Keltenfürsten, der Ausbau des Hohenasperg zur Landesfestung im Mittelalter, der Hohenasperg als Ort der Unterdrückung der demokratischen Bewegung (Schubart, die Revolution von 1848/49, NS-Zeit), der Hohenasperg als Gefängnis bzw. Gefängniskrankenhaus. 42 61898 Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg Stafflenbergstraße 38 70184 Stuttgart Tel. 07 11/23 71-391, Fax -495 DEUTSCHLAN D & E UROPA Reihe für Politik, Geschichte, Geographie, Deutsch, Kunst L d l fü & EEuropa D E U T S C H L A ND U R O PA (bis Heft 19 unter dem Titel »Die Deutsche Frage im Unterricht«) richtet sich in erster Die Reihe »Deutschland und Linie an Lehrkräfte der Unterrichtsfächer Politik, Geschichte, Geographie, Deutsch und Bildende Kunst. Die Publikationen wenden sich darüber hinaus an alle interessierten Jugendlichen und Erwachsenen. Die Zeitschrift soll deutsche und europäische Themen in historischer und politischer Perspektive darstellen. Sie erscheint zweimal im Jahr und wird durch die Robert Bosch Stiftung und die Stiftung für Bildung und Behindertenförderung finanziell unterstützt. Die Hefte mit Bausteinen und Unterrichtsmaterialien sind speziell für den Unterricht an den allgemeinbildenden Schulen erarbeitet. Die Exkursionshefte(*) sind für Schul- und Studienfahrten, für Partnerschaftsunternehmungen und auch für den fächerverbindenden Unterricht eine Hilfe. Von den bisher erschienenen Heften sind noch lieferbar: (11. 97) Heft 16 Der Harz und sein Vorland * Heft 17 Philipp Melanchthon – ein Lehrer Deutschlands (Neudruck 1996) Heft 26 Theodor Heuss Heft 27 Wirtschaftlicher Umbruch Strukturwandel in den neuen Bundesländern Heft 28 Zwischen Elbe und Neiße Nieder- und Oberlausitz * Heft 29 Europäische Friedensschlüsse Deutschland in Europa 1648 -1815 -1919 - 1990 Heft 30 Sankt Petersburg Rußlands Fenster nach Europa * Heft 31 Berlin Europäische Metropole und deutsche Hauptstadt * Heft 32 Elsaß Europäische Region in Geschichte und Gegenwart * Heft 33 Die Oder * Heft 34 Wales * Heft 35 »… bis es ein freies Volk geworden …« 1848/49: Revolution Abonnement Wenn Sie die Zeitschrift regelmäßig nach Erscheinen zugeschickt bekommen wollen, empfiehlt sich ein Jahresabonnement (im Abbuchungsverfahren) zum Preis von 12,– DM (2 Hefte). Bitte schicken Sie uns den unten vorbereiteten Bestellabschnitt vollständig ausgefüllt zu. 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Datum, Unterschrift DEUTSCHLAN D & E UROPA Reihe für Politik, Geschichte, Geographie, Deutsch, Kunst Unsere anderen Abonnement-Zeitschriften DER BÜRGER IM STAAT Themen und Probleme, wissenschaftlich fundiert, komprimiert, auf den Punkt gebracht (4 Hefte zu 25,– DM /Jahr, im Abonnement) Politik und Unterricht Zeitschrift zur Gestaltung des politischen Unterrichts (4 Hefte zu 20,– DM /Jahr zzgl. 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Versandkosten, bei Bestellungen von außerhalb Baden-Württembergs gelten die Preise in Klammern) Spannendes Gedächtnisspiel mit 88 Bildkarten, Beiheft 20,– DM (40,– DM) Umfangreicher »Lernkoffer«, 56 große Puzzleteile, Landes- und Kreiskarten, Spielfiguren, Begleitheft Sonderpreis 50,– DM (200,– DM) Lernspiel mit 139 Teilen, Staaten-Infokarten, Beiheft 50,– DM (100,– DM) Neuauflage im Frühjahr ’97 100 großformatige vielseitig einsetzbare Fotos, Beiheft Sonderpreis 50,– DM (50,– DM) Aufblasbarer Würfel mit Bilder-Sätzen zu 10 Themen, Begleitheft 40,– DM (80,– DM) Frage- und Antwortspiel für 2 bis 4 Spieler 200 Fragekarten, Spielfeld, Würfel, Spielanleitung 14,90 DM (29,80 DM) Europa-Kartenspiel 45 Spielkarten zu Besonderheiten der EU-Staaten, mit Anleitung 5,– DM (8,– DM) Bestellungen und Anforderung von Prospekten an: Landeszentrale für politische Bildung, Referat Arbeitshilfen, Hanner Seite 1, 72574 Bad Urach (Telefon 0 71 25 / 152-134, Fax 0 71 25 / 15 21 00) Die Landeszentrale für politische Bildung vetreibt einen eigenen Internetserver. Sie ist seit Mai 1996 im World Wide Web vertreten und ist erreichbar unter der Adresse: http: // www.lpb.bwue.de Seit 1994 ist die Mailbox der Landeszentrale mit einem PC, einem Modem und einer Terminalsoftware zu erreichen unter der Telefon-Nummer: 0 71 25 / 15 21 38 – 24 Stunden online MAILBOX Hinweise aus dem LpB-Referat Gedenkstättenarbeit Zweiter Teil des Wegweisers zu Stätten des Widerstands und der Verfolgung erschienen Der Studienkreis Deutscher Widerstand und die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes haben dieser Tage Teil 2 des Heimatgeschichtlichen Wegweisers zu Stätten des Widerstands und der Verfolgung 1933 bis 1945 für die Regierungsbezirke Freiburg und Tübingen herausgebracht. Das Projekt wurde durch die Landeszentrale für politische Bildung gefördert. Mit dem bereits 1991 erschienenen ersten Teil liegt nun eine Ge- samtübersicht für das Land Baden-Württemberg vor. Die Recherchen wurden jeweils auf Gemeindebasis durchgeführt und nach Landkreisen zusamengefaßt. Sie weisen auf der einen Seite nach, daß der Schrecken des NS-Systems allgegenwärtig war und keinen Landstrich verschonte; andererseits wird aber auch deutlich, daß es zwar kaum den »großen« Widerstand gab, aber doch zahlreiche Versuche, sich den »aufrechten Gang« soweit wie möglich zu bewahren. Beide Bände sind unverzichtbar für eine aufgeklärte Heimatforschung, für eine orts- und personenbezogene Auseinandersetzung mit der jüngeren Geschichte und für die Vorbereitung von Exkursionen. Die Bände sind erschienen im Verlag für akademische Schriften VAS, 60486 Frankfurt-Bockenheim, Kurfürstenstraße 18. Band 5/1, Regierungsbezirke Stuttgart und Karlsruhe, ISBN 3-88864-032-6, Preis 38,– DM Band 5/2, Regierungsbezirke Freiburg und Tübingen, ISBN 3-88864-204-3, Preis 39,– DM Thema des nächsten Heftes: »Flandern« Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg IV/4 Didaktik politischer Bildung: Siegfried Frech . . . . . . . . . . -482 IV/6** Arbeitshilfen: Werner Fichter . . . . . . . . . . . (0 71 25) 1 52 -147 Stafflenbergstraße 38 · 70184 Stuttgart Telefax (0711) 23 71-4 96 Telefon (07 11) 23 71-30 Mailbox (0 71 25) 1 52-138 Internet http://www.lpb.bwue.de Abteilung V Regionale Arbeit (Hans-Joachim Mann) Fachreferate V/1 Außenstelle Freiburg: Michael Wehner (07 61) 2 87 73 77 V/2 Außenstelle Heidelberg: Dr. Ernst Lüdemann (0 62 21) 60 78-14 V/3* Außenstelle Stuttgart: Hans-Joachim Mann (07 11) 2 37 13 74 V/4 Außenstelle Tübingen: Rolf Müller (0 70 71) 2 00 29 96 Durchwahlnummern Direktor: Siegfried Schiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -385 Assistenz: Sabine Keitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -387 Öffentlichkeitsarbeit: Joachim Lauk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -484 Abteilung I Verwaltung (Klaus Jentzsch) Fachreferate I/1* Partnerfragen: Klaus Jentzsch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I/2 Organisation und Haushalt: Jörg Harms . . . . . . . . . . . . . . I/3** Haus auf der Alb: Erika Höhne . . . . . . . . . . (0 71 25) 152 I/4 DV-Organisation Stuttgart: Wolfgang Herterich . . . . . . . . I/4* DV-Organisation Stuttgart: Cynthia Bertazzoni . . . . . . . . . I/4** DV-Organisation Bad Urach: Siegfried Kloske . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (0 71 25) 152 Abteilung II Adressaten (Karl-Ulrich Templ, stellv. Direktor) Fachreferate II/1 N.N. II/2** Frieden und Sicherheit: Wolfgang Hesse . . (0 71 25) 152 II/3 Lehrerfortbildung: Karl-Ulrich Templ . . . . . . . . . . . . . . . . . II/4* Schule, Hochschule, Schülerwettbewerb: Reinhard Gaßmann, Ass. Monika Greiner . . . . . . . . . . . . . II/5 Außerschulische Jugendbildung: Wolfgang Berger . . . . . II/6** Öffentlicher Dienst: Eugen Baacke . . . . . . . (0 71 25) 152 Abteilung III Schwerpunkte (Konrad Pflug) Fachreferate III/1 Landeskunde/Landespolitik: Dr. Angelika Hauser-Hauswirth . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III/2 Frauenbildung: Christine Herfel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III/3** Zukunft und Entwicklung: Gottfried Böttger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (0 71 25) 152 III/4** Ökologie: Dr. Markus Hug . . . . . . . . . . . . . . (0 71 25) 152 III/5* Freiwilliges Ökologisches Jahr: Konrad Pflug . . . . . . . . . . III/6 Deutschland und Europa: Dr. Thomas Weber . . . . . . . . . . III/7* Massenkommunikation und Medienpädagogik: N.N. III/8* Gedenkstättenarbeit: Konrad Pflug . . . . . . . . . . . . . . . . . . -379 -383 -109 -492 -499 Dienststellen Zentrale in Stuttgart s.o. * 70178 Stuttgart, Sophienstraße 26 -30, Telefax (07 11) 2 37 14 98 ** Haus auf der Alb, Hanner Steige 1, 72574 Bad Urach, Tel. (0 71 25) ·152-0, Telefax (0 71 25) 152-100 -140 -390 Außenstelle Freiburg, Friedrichring 29, 79098 Freiburg, Telefon (07 61) 20 77 30, Telefax (07 61) 2 07 73 99 Außenstelle Heidelberg, Friedrich-Ebert-Anlage 22-24, 69117 Heidelberg, Telefon (0 62 21) 60 78-0, Telefax (0 62 21) 60 78-22 Außenstelle Stuttgart, Sophienstraße 28-30, 70178 Stuttgart, Telefon (07 11) 2 37 13 75, Telefax (07 11) 2 37 14 98 Außenstelle Tübingen, Herrenberger Straße 36, 72070 Tübingen, Tel. (0 70 71) 2 00 29 96, Telefax (0 70 71) 2 00 29 93 -373 -369 -136 Bibliothek Bad Urach Bibliothek/Mediothek Haus auf der Alb Gordana Schumann, Telefon (07125) 152-121 -137 -392 -487 -139 -146 -494 -488 -495 Abteilung IV Publikationen (Prof. Dr. Hans-Georg Wehling) Fachreferate IV/1 Wissenschaftliche Publikationen Redaktion »Der Bürger im Staat«: Prof. Dr. Hans-Georg Wehling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -371 IV/2 Redaktion »Politik und Unterricht«: Otto Bauschert . . . . . -388 IV/3 Redaktion »Deutschland und Europa«: Dr. Walter-Siegfried Kircher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -391 Publikationsausgabe Stuttgart Stafflenbergstraße 38 Dienstag 9 – 12 Uhr, Donnerstag 14 –17 Uhr ☞ Nachfragen »Deutschland und Europa« Angelika Uhlig-Staudi, Telefon (07 11) 2 37 13 81 »Politik und Unterricht« Verena Richter , Telefon (07 11) 2 37 13 78 »Der Bürger im Staat« Ulrike Hirsch , Telefon (07 11) 2 37 13 71 Publikationen (außer Zeitschriften): Ulrike Weber, Telefon (07 11) 2 37 13 84 ☞ Bestellungen Bitte schriftlich an die zuständigen Sachbearbeiterinnen (s. o.): Stafflenbergstr. 38, 70184 Stuttgart, Fax 07 11/2 37 14 96 Reclam Graphischer Betrieb GmbH · 71254 Ditzingen