als PDF - Deutschland und Europa

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als PDF - Deutschland und Europa
1848 /49 Revolution
Heft 35 · November 1997
D & E U R O PA
DEUTSCHLAN
Reihe für Politik, Geschichte, Geographie, Deutsch, Kunst
»…bis es ein freies Volk geworden…«
f
Landeszentrale
für politische Bildung
Baden-Württemberg
Inhalt
DEUTSCHLAN
D & E U R O PA
Heft 35 · November 1997
Titelbild: Philipp Veit – Germania, 1848
Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg
Herausgeber:
Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg,
Direktor Siegfried Schiele
Vorwort des Herausgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Geleitwort des Ministeriums für Kultus und Sport . . .
Autorinnen und Autoren dieses Heftes . . . . . . . . . . .
1
2
2
Einleitung: Europäische Dimensionen der . . . . . . .
deutschen Revolution von 1848/49
3
I.
Polenbegeisterung in Deutschland 1848/49? .
1. Erläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Materialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6
6
7
II.
»Wo die Revolution ist, da ist des Polen
Vaterland.« Ein polnischer Oberbefehlshaber
in Baden: Ludwig Mieroslawski . . . . . . . . . . . . 10
1. Erläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
2. Materialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
III.
Robert Blum: Ein Tod in Wien – Tod der
nationalen deutschen Revolution? . . . . . . . . . 14
1. Erläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
2. Materialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
IV.
»Für eine europäische Republik«:
Georg und Emma Herwegh 1848 . . . . . . . . . . 19
1. Erläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
2. Materialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
V.
»Den Drachen Revolution töten« – Prinz Wilhelm
von Preußen. Berlin – London – Karlsruhe:
Ein Gegenrevolutionär unterwegs . . . . . . . . . 24
1. Erläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
2. Materialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
Redaktion:
Dr. Walter-Siegfried Kircher
Anschrift der Redaktion:
70184 Stuttgart, Stafflenbergstraße 38,
Telefon (07 11) 23 71-381/-391, Telefax (07 11) 23 71- 496
Beirat:
Robert Bosch Stiftung GmbH, Stuttgart,
Günter Gerstberger
Dr. Almut Satrapa-Schill
Ministerium für Kultus und Sport,
Klaus Happold, Ministerialrat
Prof. Dr. Lothar Burchardt,
Universität Konstanz
Dietrich Rolbetzki,
Oberstudienrat, Filderstadt
Lothar Schaechterle,
Studiendirektor, Stetten i. R.
Landeszentrale für politische Bildung,
Dr. Walter-Siegfried Kircher
VI. »Gleiche Rechte und Chancen!«
Revolutionäre Frauen in Deutschland und
Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
1. Erläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
2. Materialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
VII. Revolutionäre in der Emigration:
»Auswurf Europas« oder Kämpfer
für Freiheit und Recht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
1. Erläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
2. Materialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
& E U R O PA erscheint zweimal im Jahr
D E U T S C H L A N&D
Deutschland
Europa
Jahresbezugspreis DM 12,–
Satz:
Vaihinger Satz + Druck GmbH
71665 Vaihingen
Druck:
Reclam Graphischer Betrieb GmbH
71254 Ditzingen
Auflage: 17 000
Nachdruck nur mit Genehmigung der Redaktion
Mit finanzieller Unterstützung des Ministeriums für Kultus,
Jugend und Sport, der Stiftung für Bildung und Behindertenförderung und der Robert Bosch Stiftung.
VIII. Großbritannien und die deutsche
Revolution 1848/49 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
1. Erläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
2. Materialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
IX. Nachwirkungen der Revolution . . . . . . . . . . . . 44
1. Erläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
2. Materialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
Auswahlbibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49
AV-Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
Hinweise
Die Hefte werden nur in geringer Anzahl an die Schulen
verteilt. Zusätzliche Exemplare können bei der Landeszentrale für politische Bildung, Redaktionssekretariat
Deutschland und Europa, Fax (0711) 23 71- 496, oder
schriftlich (Umschlagseite ☞ Bestellungen) nachgefordert
werden.
1
Vorwort
des
Herausgebers
Über dem Präsidentenpult in der Frankfurter Paulskirche hing als Hoheitszeichen für die
Nationalversammlung ein über vier Meter hohes Transparent, die Germania, 1848 von
Philipp Veit gemalt (siehe Titelbild). Die schwarz-rot-goldene Trikolore mag den Eindruck
der rein innenpolitischen Ausrichtung der deutschen Revolution von 1848/49 erwecken.
Doch diese isolierte Betrachtungsweise trügt. Weniger bekannt ist, daß der in der Paulskirche rechts des monumentalen Germania-Gemäldes angebrachte Vierzeiler auf die internationale Dimension der Freiheitsbewegungen hinweist, wie in den Kapiteln I und II des vorliegenden Heftes erläutert wird. Auch der Untertitel »...bis es ein freies Volk geworden...«,
ein kleiner Ausschnitt aus einer Rede Robert Blums in der Frankfurter Nationalversammlung
im Juli 1848, muß im Gesamtzusammenhang gelesen und interpretiert werden, damit der
europäische Wirkungszusammenhang deutlich wird (vgl. Einleitung: »Europäische Dimensionen der deutschen Revolution von 1848/49« und Kapitel III: »Ein Tod in Wien...«).
Damit sind die Intentionen des vorliegenden Heftes angedeutet. Mit einer gezielten, vorwiegend biographisch ausgerichteten Auswahl von Materialien sollen außer den südwestdeutschen und nationalen auch die europäischen Aspekte der Revolution von 1848/49 zur
Sprache kommen. Für die Freiheit und Einheit sich einsetzende Menschen werden in den
Mittelpunkt gerückt. Aber auch ein Gegenrevolutionär in Gestalt des »Kartätschenprinzen«
(des späteren Kaisers Wilhelm I.) wird vorgestellt (Kapitel V). Gustav Heinemann rief als
Bundespräsident dazu auf, »in der Geschichte unseres Volkes nach jenen Kräften zu spüren
... , die dafür gelebt und gekämpft haben, damit das deutsche Volk politisch mündig und
moralisch verantwortlich sein Leben und seine Ordnung selbst gestalten kann ...«. Dazu
gehören auch »revolutionäre Frauen«, die mit ihren Wünschen, Hoffnungen und Enttäuschungen zu Wort kommen (Kapitel IV und VI). Grenzüberschreitungen und wechselnde
Schauplätze (Südwestdeutschland, Berlin, Wien, London, USA/Kapitel VII) betonen immer
wieder die europäischen und internationalen Aspekte der Geschehnisse. Die Gefahr eines
europäischen Krieges wird am Beispiel der Haltung Großbritanniens diskutiert (Kapitel VIII).
Abschließend beleuchtet Kapitel IX anhand der Jubiläumsfeiern 1873 bis 1948 die Wirkungsgeschichte der Revolution.
In der vorliegenden Zeitschriftenreihe war bereits Heft 2/1984 der Revolution von 1848/49
gewidmet. Landeskundliche und nationale Schwerpunkte (»Baden und Mitteldeutschland«)
standen im Vordergrund (das Heft ist vergriffen). Die Reihe »Die deutsche Frage im Unterricht« erfuhr mit 1989/1990 eine programmatische Erweiterung in Richtung »Deutschland
und Europa«, ohne daß gegebene landespolitische und landesgeschichtliche Bezüge, wie
dieses Heft veranschaulicht, wegfielen. Möge es angesichts der 1997-1999 stattfindenden
zahlreichen lokalen, regionalen und nationalen Veranstaltungen und Feiern und auch über
diesen Zeitraum hinaus daran erinnern, daß die Revolution »Teil eines gemeinsamen
europäischen Erbes« ist (Wolfram Siemann, Einleitung).
Siegfried Schiele
Direktor der Landeszentrale für politische Bildung
Baden-Württemberg
Ernst Jung 75 Jahre
Der frühere Projektleiter dieser Zeitschrift, Professor Ernst Jung, wurde im September 1997
fünfundsiebzig Jahre alt. Herausgeber und Beirat gratulieren ihm herzlich. Bis zu seinem
Ausscheiden 1994 setzte sich Ernst Jung als maßgeblicher Mitinitiator dieser Reihe unermüdlich für sie ein. Wir wünschen Ernst Jung weiterhin gute Gesundheit und Schaffenskraft.
Siegfried Schiele
2
Geleitwort
des Ministeriums
für Kultus, Jugend
und Sport
Die Revolution von 1849/49 kennzeichnet eine bedeutende Station deutscher Geschichte auf dem schwierigen und langwierigen Weg zu nationaler Selbstbestimmung, zu Einheit und Freiheit, politischer Partizipation und zum Entwurf einer demokratischen Verfassung, gegründet auf der Garantie der Menschenrechte, auf Rechtsgleichheit und
sozialer Gerechtigkeit. Im Zusammenhang der Ereignisse jener Zeit zwischen Restauration einerseits und der Begründung der preußischen Hegemonie andererseits werden –
wie in einem Fokus – die vielfältigen Probleme sichtbar, die sich mit der Verwirklichung
der Idee eines modernen, freiheitlich-rechtsstaatlichen Gemeinwesens verbanden.
Anzusprechen sind übergreifend Fragen der nationalen Einheit – zum Beispiel anknüpfend an Plessners Thematisierung Deutschlands als »verspätete Nation« und dem sich
daraus letztlich bis zur Wiedervereinigung ergebenden »deutschen Sonderweg in die
Moderne« – ebenso, wie grundlegende Probleme der Struktur demokratisch-rechtsstaatlicher Verfassungen oder Forderungen nach größerer sozialer Gerechtigkeit.
Gesamteuropäische Dimensionen politischer und gesellschaftlicher Ideen und Zielsetzungen, die diese Revolution charakterisierten, gewinnen – das Heft verweist darauf –
vor dem Hintergrund des aktuellen europäischen Integrationsprozesses neue, interessante Perspektiven.
Im Unterricht an der Schule eröffnen sich bei der Behandlung der damaligen Ereignisse
in besonderer Weise didaktische Möglichkeiten, die Geschichte Deutschlands im 19.
Jahrhundert durch die Anbindung an lokale und regionale Bezüge unmittelbar, anschaulich und interessant zu vermitteln: Waren es doch auch gerade die konstitutionell verfaßten süddeutschen Staaten mit ihren ständischen Volksvertretungen und liberalen Traditionen, die im Verlauf der Revolution von 1848 eine zentrale Rolle beanspruchten. Namen
wie Struve, Hecker, Blum oder Herwegh gehören heutzutage zur Grundausstattung nicht
nur landesgeschichtlicher Allgemeinbildung.
Das Heft trägt durch die facettenreiche, vielschichtige Präsentation der Revolutionsereignisse von 1848/49 sicherlich dazu bei, Schülerinnen und Schülern – ausgehend vom
unmittelbaren Geschehen im engeren Heimatraum – fortwirkende geschichtliche Zusammenhänge zu verdeutlichen und ihnen – in nationalstaatlicher wie gesamteuropäischer
Dimension – die historischen, geistigen und politischen Wurzeln von Rechtsstaatlichkeit,
Freiheit und Demokratie in Deutschland bewußt zu machen.
Klaus Happold
Ministerialrat
Autorinnen und
Autoren dieses
Heftes:
Dr. Christine Bütterlin, OStR, Rastatt
(VII. Revolutionäre in der Emigration: »Auswurf Europas« oder Kämpfer für Freiheit und Recht?)
Dr. Herbert Kraume, OStR, Freiburg
(IV.«Für eine europäische Republik«:
Georg und Emma Herwegh 1848 /IX. Nachwirkungen der Revolution)
Karin Merz, AdL, Karlsruhe
(VI. »Gleiche Rechte und Chancen«: Revolutionäre Frauen in Deutschland und Frankreich)
Dr. Leonhard Müller, Präs. i.R., Karlsruhe
(VIII. Großbritannien und die deutsche Revolution 1848/49)
Roland Obenland, StD, Rastatt
(III. Robert Blum: Ein Tod in Wien – Tod der nationalen deutschen Revolution?)
Dr. Christof Rieber, StR, Mengen
(Federführung / I. Polenbegeisterung in Deutschland 1848/49 / II. »Wo die Revolution ist, da ist des
Polen Vaterland.«.../ V. »Den Drachen Revolution töten« - Prinz Wilhelm von Preußen...)
Prof. Dr. Wolfram Siemann, Universität München, Institut für Neuere Geschichte
(Einleitung: Europäische Dimensionen der deutschen Revolution von 1848/49)
Elena Wallis, GLehrerin, Rastatt
(VII. Revolutionäre in der Emigration: »Auswurf Europas« oder Kämpfer für Freiheit und Recht?)
Maria Würfel, GProf, Schwäbisch Gmünd
(V. »Den Drachen Revolution töten« - Prinz Wilhelm von Preußen. Berlin-London-Karlsruhe: Ein
Gegenrevolutionär unterwegs)
D E
D E U T S C H L A Nund&Europa
U R O PA : Dr. Walter-Siegfried Kircher
Leiter des Projekts »Deutschland
Mitarbeiter der Werkstattseminare »1848/49 Revolution«
vom 1. - 2. März 1996 in Neckartenzlingen
vom 11. - 12. Oktober 1996 in Rastatt
vom 21. - 22. Februar 1997 in Rastatt
die oben genannten Autorinnen und Autoren,
außerdem: Günter Buchwald, Freiburg (WS I in Neckartenzlingen)
und Dr. Annette Reiter, Marburg (WS II in Rastatt)
3
»…bis es ein freies Volk geworden…«
1848/1849 Revolution
I. Europäische Dimensionen
der deutschen Revolution
von 1848/49
»... daß Deutschland nicht eher Geltung in dem Bunde
europäischer Völker gewinnen könne, als bis es ein freies Volk geworden« – diese Vision beschwor der Abgeordnete der Demokraten Robert Blum am 22. Juli 1848 in
der Frankfurter Nationalversammlung. Und er fügte hinzu:
»Der Gedanke der Befreiung und Erlösung der Völker [...],
der Gedanke der neuen Französischen Revolution soll
und wird ebenfalls Propaganda machen in der ganzen
Welt, und ich hoffe, er wird sie ausdehnen über Moskau
hinaus und das Licht der Freiheit auch in jene Länder tragen, die jetzt noch schlummern in der tiefsten Knechtschaft [...]. Das Ziel einer Verbrüderung des freigewordenen oder freiwerdenden Westens, das ist es, dem ich
meine Stimme leihe«.
Diese Vision leiht auch dem vorliegenden Heft den Titel.
Sie trägt utopische Züge und ist gefärbt durch religiöse
Anspielungen. Sie zeigt, wie anziehend und befremdlich
zugleich das historische Erbe dieser ersten deutschen
Revolution ist: Sie bietet Anknüpfungspunkte, die außerordentlich modern und zeitgemäß klingen: ein freies Volk
in einer parlamentarischen Demokratie, orientiert an den
Verfassungskonzepten Westeuropas, friedlich mit den
benachbarten Nationen zusammenlebend. Doch zugleich
klingt eine Bedenkenlosigkeit an, die Revolution voranzutreiben und mit einem großen europäischen, bis nach
Moskau reichenden Krieg zu verknüpfen, um das alte System der östlichen Vormächte – Rußland, Österreich und
Preußen – zu brechen. Blum schrieb an seine Frau Jenny:
»Hoffentlich bricht der Krieg in einigen Tagen aus. [...]
Hoffentlich wird Friedrich Wilhelm IV. das Schicksal Ludwigs XVI. haben.« Hier offenbart das damals gefeierte nationale Prinzip seine gewalttätige Seite, deren Sprengkraft den damaligen Zeitgenossen noch nicht bewußt
war, welche nach den Erfahrungen dieses Jahrhunderts
aber keine unbefangene Identifikation mehr mit den Worten Blums erlaubt. Nähe und Distanz: dazu verpflichtet
der Umgang mit dem Erbe, das sich nicht einfach in konkrete Anweisungen für den heutigen politischen Alltag
ummünzen läßt, das aber doch aus der historischen Erfahrung heraus langfristig wirkendes Orientierungswissen
vermitteln kann.
Die Worte Blums dokumentieren zugleich, daß bereits den
tieferblickenden Beobachtern von 1848 jener europäische
Wirkungszusammenhang bewußt war, in dessen Dynamik, Ausbruch, Verlauf, Scheitern und langfristige Folgen
auch die deutsche Revolution eingebettet war. Dieses
Heft schenkt jener europäischen Dimension besondere
Aufmerksamkeit – zu Recht; auch die neueste historische
Forschung betont, wie wichtig gerade die – lange vernachlässigten – europäischen Perspektiven in diesem
Zeitalter der entstehenden Nationalstaaten waren. Mit der
Einigung des europäischen Kontinents seit 1989 greifen
Historikerinnen und Forscher aus Ost und West diese alten Fäden des Zusammenhangs verstärkt wieder auf.
Es sind insgesamt acht Aspekte, welche den Ereignissen
von 1848 europäische Dimensionen zu verleihen imstande
waren. In einem knappen Überblick soll deshalb vorab
skizziert werden, was das Thema Die deutsche Revolution von 1848/49 und Europa alles umfaßt. Es werden
die strukturellen Gemeinsamkeiten herausgestellt, welche
mehrere europäische Staaten zugleich tangierten und dort
revolutionäre Kräfte begünstigten oder freisetzten.
Die sozialökonomische Krise
Als erste Gemeinsamkeit ist die sozialökonomische Krise vorindustrieller, handwerklicher Berufe zu nennen;
sie beruhte auf der vormärzlichen Übervölkerung ganzer
Regionen und begünstigte die beginnende Proletarisierung der Großstädte sowie weiter Teile des flachen Landes. Europäisch daran war der endgültige Zusammenbruch der alten Ständeordnung, die zugleich Rechts-, Lebens- und Sozialordnung war. Pauperismus, Industrialisierung, Marktorientierung von Berufen und Klassen sowie die langanhaltende Krise des Handwerks sind die
neuen Begriffe, die den tiefgreifenden Wandel der beiden
vorrevolutionären Jahrzehnte fassen. Wo diese Probleme
in der Bewegung von 1848/49 gipfelten, äußerte sich
diese der Art nach weniger als Akt politischer Befreiung,
mehr hingegen als gesellschaftliche Krise, und man kann
noch verstärken: Diese Krise orientierte sich vorwiegend
nach rückwärts – als Abwehr gegenüber dem Neuen –,
äußerte sich in Maschinenstürmen, Judenverfolgungen
oder Forderungen nach Zunftschutz des Handwerks vor
der Konkurrenz des Kapitals. Die Bewegung von 1848/49
war ihrem Wesen nach zwiespältig: Abwehrkrise und
Emanzipationskampf. Das Erbe verweist nicht allein auf
unsere Gegenwart, sondern zugleich zurück auf den Niedergang einer uns fremdgewordenen vormodernen Welt.
Hungerkrisen
Eine zweite europäische Dimension wird faßbar in den
Mißernten – eine Folge der sich über Europa ausbreitenden Kartoffelfäule – und in den nachfolgenden Hungerund Teuerungskrisen der Jahre 1845 und 1846, gipfelnd
1847. Auch die Reaktionen im Vorfeld der Revolution
nahmen europäische Dimensionen an. Sie äußerten sich
einesteils in regional zerstreuten, stoßweise sich ausbreitenden Hungertumulten, andernteils in einer vehement
ansteigenden Auswanderungswelle in der zweiten Hälfte der 1840er Jahre, die ja den Namen der »hungry
forties« erhalten haben. Hier existierte bereits lebhafter
Kontakt nach Übersee, bevor das politische Exil von 1849
ihn verstärkte. Am schlimmsten war die Not vor der Revolution in Irland, aber Hungersnöte in deutschen Regionen – nicht zuletzt in Schlesien – hatten große öffentliche
Resonanz gefunden.
4
Internationale Konjunkturkrise
Die neuere Forschung zur Wirtschaftsgeschichte hat eine
dritte Dimension stärker bewußt gemacht, nämlich die
beginnende internationale Verflechtung der Handelsund Geldströme. Besonders Hans-Ulrich Wehler in seiner Gesellschaftsgeschichte hat für die Jahre zwischen
1845 und 1848 eine – wenn auch abgeschnittene – internationale Konjunkturkrise nachgewiesen, welche die
überkommenen Hungerkrise noch überlagerte und im
April 1848 zu einer Streikwelle in mehreren deutschen
Städten führte. Viele einzelne zusammengetragene Daten
bestätigen einen tiefgreifenden Vorgang, der bereits Friedrich Engels im Rückblick zu dem – gewiß überspitzten –
Urteil veranlaßte, »daß die Welthandelskrise von 1847 die
eigentliche Mutter der Februar- und Märzrevolutionen«
gewesen sei.
Kampf um Recht und Verfassung
Eine vierte europäische Dimension liegt in der Systemverwandtheit konstitutioneller Forderungen. Dazu existierten mehrere Anhaltspunkte: in der französischen
Charte constitutionnelle von 1814, die Vorbild für alle einzelstaatlichen Verfassungen im vormärzlichen Deutschland wurde, ja sogar in der Deutschen Bundesakte von
1815, die in ihrem berühmten Artikel 13 verhieß: »In allen
Bundesstaaten wird eine landständische Verfassung
stattfinden«. Sprengkraft erhielt dieses Prinzip durch die
unerfüllten bürgerlichen Forderungen nach hinreichender
politischer Beteiligung in den Staaten der monarchischlegitimistischen Restauration seit 1815. Überall entwickelten sich innere politische Kämpfe zum Kampf um
eine neue Ordnung auf der Basis einer geschriebenen
Verfassungsurkunde. Der revolutionäre Kampf äußerte
sich auf diese Weise europaweit als Kampf um Recht und
Verfassung – um Bürgerrechte und Konstitution. Das war
bereits in der Julirevolution von 1830 so, noch stärker geschah das aber in der Anlaufphase der Revolution von
1848, die ihren Ausgangsimpuls ja nicht aus Frankreich,
sondern aus der Schweiz und aus Italien erhielt. Stets
ging es um Revision oder Erlaß einer neuen Verfassung:
Nach dem Sonderbundskrieg im November 1847 konstituierte sich die ehedem staatenbündlerische Schweiz als
Bundesstaat mit fester Zentralgewalt und einer Bundeshauptstadt in Bern. Die Revolution errang am 16. Februar
1848 einen weiteren Sieg in Palermo, als König Ferdinand II.
von Neapel-Sizilien eine Verfassung erließ. Der Zusammenbruch der Julimonarchie in Frankreich entzündete
sich am 22. Februar 1848 an Demonstrationen für die
Wahlreform und veranlaßte einen Systemwechsel hin
zur Republik. Im Zentrum der in Deutschland umlaufenden sogenannten »Märzforderungen« standen verfassungspolitische Forderungen: Grundrechte, besonders
Presse- und Versammlungsfreiheit, Geschworenengerichte, Volksbewaffnung – was immer Unterschiedliches
man auch darunter verstand – und Wahlen zu einem nationalen Parlament.
Die Krise des internationalen Systems von 1815
Eine fünfte europäische Dimension liegt im Charakter der
traditionellen internationalen Politik, gestützt auf völkerrechtliche Verträge und Beziehungen. Den zeitgenössischen Politikern, voran Metternich, war sogleich klar, daß
im Frühjahr 1848 zugleich das auf dem Wiener Kongreß
begründete internationale System auf dem Spiel stand.
Hier handelte es sich um die Politik zwischen europäischen Staaten, und als ein solcher zählte auch der Deutsche Bund, der 1815 als völkerrechtliches Subjekt aus
der Taufe gehoben worden war. 1848 stand er zur Disposition; schließlich übertrug er der revolutionären Provisorischen Zentralgewalt in Frankfurt alle Kompetenzen. Die
Initiative dazu war von der Frankfurter Nationalversammlung ausgegangen. Ihre eigentliche Bestimmung war, eine
Reichsverfassung für ganz Deutschland zu entwerfen. Mit
ihrer ersten großen Tat griff die Nationalversammlung weit
darüber hinaus, indem sie eine nationale Regierung etablierte. Das war ein revolutionärer Akt. Am 28. Juni 1848
begründete die Nationalversammlung eine Reichsregierung, bestehend aus einem Reichsverweser, einem Ministerpräsidenten und Reichsministern für das Äußere, Innere, die Finanzen, Justiz, den Handel und Krieg. Damit
bürdete sich die Nationalversammlung in mehrfacher
Hinsicht eine Hypothek auf. Sie bemühte sich gegenüber
dem Ausland um völkerrechtliche Anerkennung. Mit
Frankreich tauschte man lediglich offiziöse Vertreter aus;
dort erkannte man die neue Zentralgewalt nicht an. Die
englische Königin Victoria und ihr deutscher Prinzgemahl
Albert hegten anfangs Sympathien für das Einigungswerk. Diese verkehrten sich jedoch beim englischen Kabinett ins Gegenteil, als sich die Zentralgewalt, getragen
von einer Woge der Begeisterung in der Öffentlichkeit, in
den Krieg um Schleswig-Holstein einschaltete. Als einzige Großmacht erkannten die Vereinigten Staaten die
Reichsgewalt sofort an. Unter den kleineren Staaten folgten Schweden, die Niederlande, Belgien, Sardinien, Neapel, Griechenland und die Schweiz. In der Gesamtbewertung ist sich die Forschung heute einig, daß die Revolution und auch das Einigungswerk nicht an einem apriorischen Widerstand der europäischen Mächte gegen die
deutsche Einheit gescheitert seien. Wie die Rede Robert
Blums bereits erkennen ließ, stieß die Revolution von
1848/49 an den Rand eines möglichen großen europäischen Kriegs, welcher den Durchbruch des Nationalitätenprinzips hätte entfesseln und eine spätere Entwicklung im 19. Jahrhundert hätte vorwegnehmen können.
Die europäischen Mächte, voran England und Rußland,
hatten dem entgegen gewirkt. Im Zentrum dieses Konflikts stand der Streit um Schleswig.
Die Politik der europäischen Verfolgung
Eine repressive Variante dieser internationalen Politik war
die konzertierte Aktion der Gegenrevolution. Hier beteiligten sich Österreich, Rußland, seit 1850 in polizeilicher Kooperation auch Frankreich und Belgien. Diese Politik der
europäischen Verfolgung – und der Niederringung der europäischen Revolution – stiftete eine sechste Dimension,
welche ihrem europäischen Charakter entsprach: das
europäische Exil. Die Schweiz und das Elsaß dienten
vorübergehend dem Schutz, London entwickelte sich
zum zentralen Durchgangsort, die USA zum eigentlichen
Fluchtort. England und die Vereinigten Staaten bildeten
im Vergleich zu den anderen zufluchtgewährenden Staaten einen Sonderfall, da sie völlige Einwanderungs- und
Niederlassungsfreiheit gewährten, also praktisch ein Anrecht auf Asyl. Den Revolutionsflüchtlingen von 1849
5
wurde im Gegensatz zu ihren Vorgängern der 1830er Jahre das politische Asyl auf Dauer in den westeuropäischen
Staaten des Kontinents – anders als in England – weitgehend verweigert. Allerdings erhielten die Flüchtlinge in
England keine finanzielle Unterstützung. Fanden sie kein
Auskommen, waren sie gezwungen, in die USA weiterzuziehen. Frankreich und die Schweiz verweigerten in der
Regel dauerhaftes Asyl, finanzierten aber die Auswanderung der Revolutionsflüchtlinge.
Der europäische Charakter des Nationalismus
Eine siebte Dimension hängt mit dem europäischen Charakter des Nationalismus zusammen. Für viele Nationalitäten bildete sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts der Mythos der »unerlösten« Nation; dazu waren in
erster Linie die Griechen, Italiener, die Ungarn, die Polen,
darüber hinaus auch die Tschechen und nach dem
Wortlaut mancher oppositioneller Propaganda auch die
Deutschen zu rechnen. Die Wurzeln dieses Nationalismus
lagen in der Französischen Revolution von 1789, welche
das Vorbild für nationale Symbole, Farben und Fahnen
stiftete. Im Vormärz entwickelte sich unter dem System
der Restauration der weitere Mythos des »Völkerfrühlings«. In den 1820er Jahren äußerte er sich europaweit in
der Bewegung des Philhellenismus, in den 1830er Jahren
nach dem gescheiterten Warschauer Aufstand vom November 1830 in der gemeineuropäischen Welle der Polenfreundschaft.
Diese vormärzliche Utopie zerbrach an der 1848 nun
plötzlich sichtbaren Möglichkeit, die Nationalität in die
Staatsnation zu überführen. Hans Rothfels hat einmal
treffend die Nationalitäten des 19. Jahrhunderts als »eine
Art Nationsanwärter« bezeichnet: als ethnische Minderheiten, die nach mehr Eigenständigkeit strebten und ihre
politische Einheit noch suchten. Einschneidend zeigte
sich das am Beispiel der deutschen Polenfreundschaft.
Am 20. März 1848 waren unter dem Druck Berliner Revolutionäre die polnischen politischen Gefangenen aus
preußischer Haft freigelassen worden. Ihr Wortführer, der
Offizier Ludwig von Mieroslawski, stellte sich an die Spitze eines polnischen Unabhängigkeitskampfes in Posen
und warb dort für eine nationalpolnische Armee mit der
Parole: »Laßt uns dem zaristischen Rußland im Bunde mit
dem befreiten Deutschland entgegentreten«. Noch im
Frankfurter Vorparlament befürworteten die versammelten Landtagsabgeordneten mit überwältigender Mehrheit
die Wiederherstellung Polens als Staat. Selbst das
preußische Märzministerium hatte die »nationale Reorganisation« Polens verheißen. Anfang Mai 1848 verleugneten preußische Truppen das ursprüngliche Versprechen
und intervenierten in Posen. Preußische Soldaten zwangen die polnischen Streitkräfte zur Kapitulation und hatten die erste Probe im Kampf gegen Revolutionäre bestanden. Seit dem 4. Juni 1848 trennte eine Demarkationslinie die Provinz Posen. Die Paulskirche hat sie danach bestätigt. Den wortgleichen Antrag des Vorparlaments, Polen als Staat wiederherzustellen, lehnte sie nun
mit Mehrheit ab.
Es gilt auf das Prinzipielle zu achten: Immer wenn es darum ging, über die Zugehörigkeit von Territorien zu entscheiden und Grenzen zu ziehen, enthüllte der moderne
Nationalismus seine zerstörerische, kriegsträchtige
Sprengkraft. Es kennzeichnete die Nationalitätenkonflikte
der nachfolgenden Zeit, daß jede Seite sich im Recht
fühlte und versuchte, die gesamte Nation zu mobilisieren:
die Fraktion der Eiderdänen in der dänischen Ständeversammlung, die deutsche Bevölkerung Schleswigs, die
sich auf uraltes historisches Recht berief. Revolution und
Krieg verbanden sich auf gefährliche Weise. Gerade die
Demokraten, die sonst das Selbstbestimmungsrecht der
Nationalitäten und das friedliche Miteinander der Nationen beschworen – eben den »Völkerfrühling« -, erkannten
in dem Krieg um Schleswig einen erneuten gewaltigen
Impuls für den Fortgang der Revolution. Sie hofften auf
einen großen europäischen Befreiungskampf gegen das
Zarenreich als die dominierende Macht im noch nicht
vollends erschütterten System der »Reaktion«.
Das Interessante an dem Vorgang ist, daß sich auch die
Zeitgenossen dieser Entzauberung der Utopie vom Völkerfrühling bewußt wurden. Dieter Langewiesche nennt
es den Weg vom Traum des Völkerfrühlings zum Alptraum
der Nationalitäten und macht hierfür auf ein hervorragendes Zeugnis aus der Hand des Peter Frank-Döfering, eines Wiener Studenten aus Czernowitz, aufmerksam.
Frank-Döfering registrierte die Begeisterung eines Kommilitonen über den Sieg des Generals Graf Radetzky über
die Italiener und schrieb dazu in sein Tagebuch:
»Damit ist also die Gefahr aus dem Süden für unser Kaiserreich
vorläufig gebannt, allein es bleibt ein seltsames Gefühl in den
Herzen zurück, denn erinnert man sich an die Monate zuvor, so
weiß ich von Verbrüderungen und Schwüren der ewig währenden
Freundschaft. Solche Ewigkeit hatte allerdings ein kurzes Leben
gehabt. Jetzt kehrt sich aber alles ins Gegenteil. Es scheint, als
ob diese Szenen, welche ich selbst geschaut, ganz im Pulverrauch des Schlachtfeldes aufgegangen wären. Ist es nicht oft so,
liebes Väterchen, daß die Freiheit des einen die Unfreiheit des andern bewirken kann, so ist die Sache in Italien ebenso der Italiener Freiheit, aber auch die Bedrohung unseres deutschen Tirols.
Es ist also schier zum Verzweifeln an solchen Fragen der Politik
und der Philosophie. Was letztere wohlmeinend konstrurierte,
kann die rauhe Politik ganz greulich verunstalten.«
»Von der Einheit der Nation zur Zwietracht der Nationalitäten« – auf diese Formel ließe sich das Dilemma bringen. Es gab aber auch Gegenpole, und auf diese ist zu
achten, um nicht ein Schwarz-Weiß-Gemälde zu produzieren, wie es der historischen Realität nicht entspricht.
Der Prager Historiker und Exponent böhmischer Autonomie, Franz Palacky, schrieb am 17. April 1848, die kleinen
Nationen besäßen in dem »Völkerverein« der Donaumonarchie ihren natürlichen Schutz: »Wahrlich, existierte der
österreichische Kaiserstaat nicht schon längst, man müßte im Interesse Europas, im Interesse der Humanität
selbst sich beeilen, ihn zu schaffen.« Es zeigt die ganze
Paradoxie der Situation: Nichtdeutsche Nationalitäten,
die später den Bestand der Habsburgermonarchie
sprengten, erwiesen sich 1848 noch als deren Stütze,
nicht nur die Tschechen und Slowaken, auch die Kroaten;
aus ihnen rekrutierten sich die Truppen, welche die Wiener Oktoberrevolution im Herbst 1848 erfolgreich niederzuschlagen halfen. Der europäische, übernationale Charakter Österreichs wurde gewissermaßen als Präfiguration eines Völkerbundes begriffen. Nichtdeutsche Minderheiten waren bestrebt, sich von dem ursprünglichen
Staatsverband, dem Deutschen Bund, loszusagen, um
ihre nationale Eigenständigkeit bewahren zu können.
6
Wenn auch die Woge der nationalen Leidenschaften
hochging in der Frankfurter Nationalversammlung, fand
man doch zu einem vorbildlichen zukunftsweisenden Beschluß in der Nationalitätenfrage im Innern. Der auf den
Verfassungsstaat bezogene Nationalismus von 1848/49
bot den Schutz nationaler Minderheiten bei Achtung ihrer
heimischen Sprachen und Religiosität. Das hatte die
Reichsverfassung von 1849 als Grundrecht in ihrem Paragraphen 188 zugesichert. Ähnlich gelang der Ausgleich
im Entwurf, den der Verfassungsausschuß des Wiener
Reichstages für den Vielvölkerstaat der Habsburgermonarchie vorlegte. Beide Verfassungen traten in dieser Form
nicht ins Leben, wiesen aber doch den Weg eines friedlichen Miteinanders verschiedener Nationalitäten in einem
geeinten Staat. Im revolutionären Kampf offenbarte sich
die Verbundenheit des ursprünglichen Völkerfrühlings
noch einmal im Sommer 1849 in der badischen Revolution, als sich im Großherzogtum und in der Pfalz Revolutionäre aus vielen Nationalitäten zum gemeinsamen Abwehrkampf zusammenfanden.
Der »pazifistische Internationalismus«
Eine letzte – achte – europäische Dimension ist erst in
jüngster Zeit richtig wahrgenommen worden. Es ist der
»pazifistische Internationalismus« (Dieter Langewiesche).
Im September 1848 fand in Brüssel ein erster internationaler Friedenskongreß statt, im August 1849 tagte man
in Paris und ein Jahr später in der Paulskirche. Die
Kongresse forderten die Staaten auf, abzurüsten, die stehenden Heere abzuschaffen, auf Interventionen zu verzichten und keine Kriege dritter Mächte zu finanzieren.
Die in diesem Heft angebotene Auswahl an »Bausteinen«
kann nicht alle europäischen Aspekte der deutschen Revolution von 1848/49 berücksichtigen, aber sie bringt
doch wichtige in Quellen und Kommentar zur Sprache.
Sie stellen handelnde Menschen in den Mittelpunkt: Ludwig Mieroslawski, Robert Blum, Georg und Emma Herwegh, Louise Otto, namenlose Frauen und Exilanten, den
Prinzen Wilhelm von Preußen und viele andere. Sie spiegeln etwas von der Dynamik der Revolutionäre und ihrer
Widersacher wider; sie dokumentieren die hochfliegenden Hoffnungen und Visionen, aber auch die harte Realität der politischen und militärischen Gewalten. Der »Völkerfrühling« und die Methoden der alten Gewalten, die
Sprengkraft der Habsburgermonarchie, ihrer Generäle
und Nationalitäten, die Utopie der »Volksbewaffnung«
durch Milizen, die Forderung nach rechtlicher und politischer Mündigkeit der Frauen in Frankreich wie in
Deutschland, das Fortwirken der Revolution – ungeachtet
ihres gewaltsamen Endes – in der demokratischen Tradition der Vereinigten Staaten, die schwierige Balancepolitik einer Reichseinigung, welche das Völkerrecht zu achten bestrebt war – alle diese Mosaiksteine fügen sich zusammen zu einem Kaleidoskop, das einlädt, die Revolution in ihrer Komplexität zu betrachten und etwas mehr von
dem zu verstehen, was sie heute ist: Sie ist Teil eines gemeinsamen europäischen Erbes, dessen sich in diesen
Tagen unsere europäischen Nachbarn in Dänemark, Polen, Tschechien, Ungarn, Österreich, der Schweiz, Frankreich und England – je auf ihre Weise – gleichfalls erinnern.
Wolfram Siemann
I. Polenbegeisterung
in Deutschland 1848/49?
1. Erläuterungen
Deutsche und Polen gerieten 1848 wegen der Zukunft Posens, einer preußischen Provinz mit überwiegend polnischer Bevölkerung, in einen sich zunehmend verschärfenden Konflikt. Auf beiden Seiten loderte der Nationalismus
heftig auf und bewog die Mehrzahl der deutschen Parlamentarier dazu, ihr Versprechen, ein national unabhängiges Polen zu schaffen, zu brechen. Die internationalistische Polenbegeisterung – im März noch von beiden Seiten in der Tradition des Völkerfrühlings beschworen – wich
einer Ernüchterung. Dies kam in Preußen den konservativen Kräften zupaß.
Die Ausgestaltung der Paulskirche im Frühjahr 1848 sollte
die Macht des zu schaffenden einigen Deutschlands symbolisch ausdrücken. Hinter dem Präsidentenplatz hing vor
rotem Samtvorhang der schwarze deutsche Doppeladler
mit roten Zungen auf goldenem Grund. Darüber war als
Bekrönung das 1848 von Philipp Veit innerhalb weniger
Tage neu geschaffene, mehr als vier Meter hohe Monumentalgemälde angebracht, auf dem Germania dargestellt war, die Allegorie des zu schaffenden geeinten
Deutschlands (vgl. Abbildung Titelseite). Mit Doppeladler
als Brustschild und Eichenkranz im Haar sollte sie zugleich Macht, Kampfbereitschaft und nationale Ehre verkörpern. Das Schwert in ihrer Rechten ist von Lorbeer umwunden. Zu ihren Füßen liegen zersprengte Fesseln, ein
Hinweis darauf, daß die neue Freiheit durch die Revolution
erkämpft worden ist. Das Morgenrot erleuchtet den Hintergrund und symbolisiert den von Nationalgefühl getragenen Neubeginn.
Im März 1848 hielten deutsche und polnische Revolutionäre die Verwirklichung des deutschen Nationalstaats
M 1 (linker Vierzeiler) noch für vereinbar mit dem Gedanken des Völkerfrühlings bzw. Internationalismus M 1
(rechter Vierzeiler) und damit der Schaffung eines polnischen Nationalstaats M 3 . Vorparlament und Nationalversammlung in Frankfurt bekannten sich zu beiden Zielen
M 1 , M 5 . Im Sommer 1848 dagegen, nachdem die
deutsche Minderheit in Posen M 6 ihre Zugehörigkeit zu
Deutschland gefordert hatte und im April und Mai 1848 ein
polnischer Aufstand von Preußen militärisch unterdrückt
worden war M 10 , beschloß die Mehrheit der Nationalversammlung, die Mandate der im Mai 1848 in Posen gewählten Abgeordneten anzuerkennen und Posen, abgesehen von dem kleinen für polnische Autonomie vorgesehenen Bezirk im Raum Gnesen, als Bestandteil Deutschlands zu akzeptieren M 7 . Damit sanktionierte sie die Teilung Posens.
Der März 1848 steht noch im Zeichen des vormärzlichen
Völkerfrühlings M 3 . Der König von Preußen muß am 20.
März die eben aus dem Moabiter Gefängnis befreiten polnischen Patrioten vom Balkon des Berliner Stadtschlosses aus begrüßen M 2 . Sie waren wegen des Aufstandes
von 1846 zu langen Haftstrafen verurteilt und wurden nun
im Triumphzug durch Berlin geführt. Ihr Anführer Ludwig
Mieroslawski (vgl. II.) beschwor voller Pathos die Solida-
7
rität des deutschen und polnischen Volkes gegen die Fürsten und einen revolutionären Krieg gegen Rußland zur
Befreiung Russisch-Polens M 3 . Die Konservativen waren über die Verbrüderung Berliner Revolutionäre mit den
Polen empört M 4 . Indessen ließ das Vorparlament die
entscheidende Frage, wie Deutschlands Grenzen gegenüber Polen zu ziehen sind, offen, obwohl es Polens Recht
auf einen eigenen Nationalstaat anerkannte M 5 . Seit
April 1848 M 7 wurde auf deutscher Seite immer nachhaltiger gefordert, immer größere Teile Posens abzutrennen und zu Deutschland zu schlagen. Auch wurde immer
deutlicher: keine der europäischen Großmächte mochte
einen Krieg gegen Rußland zur Befreiung von RussischPolen unterstützen M 8 . Rußland sah im Erhalt dieser
polnischen Gebiete ein nationales Anliegen.
Die Polendebatte der Deutschen Nationalversammlung
vom 24. bis 27. Juli 1848 M 9 zeigt, daß nur noch eine
Minderheit internationalistisch für die Rechte der Polen
auf einen eigenen Staat eintrat, während die Mehrheit Posen für den deutschen Nationalstaat beanspruchte. Jordans Rede wurde kontrovers
aufgenommen und erregte erhebliches Aufsehen. Die Mehrheit der Abgeordneten empfand sie als patriotisch und zugleich pragmatisch. Die Linken
dagegen sahen in ihr opportunistischen Verrat am Gedanken des Völkerfrühlings. Indem
sie die Aufteilung Posens anerkannte, setzte sich die Mehrheit der Nationalversammlung
in offenen Widerspruch zum
Beschluß des Vorparlaments
über Polen M 5 und kooperierte mit der preußischen Regierung. Kein führender Pole
wollte sich fortan an der Verwaltung des für eine polnische
Autonomie übrig gelassenen
Fürstentums Gnesen beteiligen.
Die gemäßigte bzw. äußerste
Linke (Robert Blum bzw. Arnold Ruge) war in der Paulskirche mit ihrem Eintreten für
einen polnischen Nationalstaat eine kleine Minderheit.
Ruge verlangte in der Polendebatte einen europäischen
Kongreß, um Polen wiederherzustellen. Er trat auch sonst
konsequent für die Rechte der Nachbarvölker ein, was ihn
zur Zielscheibe der politischen Karikatur machte.
Überlegungen zu den Materialien:
1) In welchem Verhältnis stehen internationalistische Bekundungen der Völkerfreundschaft M 1 , M 2 , M 3 ,
M 5 zur tatsächlichen historischen Entwicklung? M 7 ,
M 9 , M 10
2. Materialien
M 1 1848/49 waren in der Paulskirche hoch über dem
Präsidentenplatz zu beiden Seiten des monumentalen
Germania-Gemäldes von Philipp Veit (vgl. Titelbild) gut
lesbar zwei Vierzeiler angebracht:
Linke Seite:
Rechte Seite: »O WALLE HIN, DU OPFERBRAND,
HIN ÜBER LAND UND MEER!
UND SCHLING EIN EINZIG LIEBESBAND
UM ALLE VÖLKER HER!«
Historisches Museum Frankfurt a. M.
M2
Triumphmarsch der Polen vor dem Berliner
Königlichen Schloß nach ihrer Befreiung,
20. März 1848
Museum Narodowe, Poznań/Posen
M3
»O nehmt uns auf, ihr Völker des Westens in Euren Bund!« – Ludwig Mieroslawski: Ansprache an
das Berliner Volk nach seiner Befreiung aus dem
Gefängnis, 20. März 1848:
Plötzlich hielten die Wagen der befreiten Polen,
Mieroslawski erhob sich und sprach, die schwarz-rot-goldene Fahne schwingend, die begeisterten Worte1: »Nicht
du, edles deutsches Volk, hast meinem unglücklichen
Vaterlande Fesseln geschmiedet; deine Fürsten haben es
getan; sie haben mit der Teilung Polens ewige Schmach
auf sich geladen.
1
2) Warum fand ein Revolutionskrieg gegen Rußland nicht
statt? M 3 , M 4 , M 7 , M 8
»DES VATERLAND’S GRÖSSE
DES VATERLAND’S GLÜCK,
O SCHAFFT SIE, O BRINGT SIE
DEM VOLKE ZURÜCK!«
Nach dem Bericht von A. Wolff in seiner »Berliner Revolutionschronik«
sprach Mieroslawski französisch, Wolff zitiert aus der Rede den Satz:
»Das polnische Banner wird nun in Eintracht neben dem deutschen
wehen.«
8
Und wie es jüngst noch für Euch und uns als Verbrechen
galt, nach des Vaterlandes Freiheit zu ringen, und wie sie
uns darob, draußen im Kerker, in eiserne Bande schlugen,
so warst du es, hochherziges Volk, dessen Blut in diesen
Tagen der Befreiung auch für unsere Freiheit floß. Wir danken Euch! Eure Freiheit ist unsere Freiheit, und unsere
Freiheit ist die Eure! Herr sein oder Sklave sein, eins wie
das andere läuft gegen die heiligen Gesetze der Natur. Nur
freie Menschen, nur freie Völker können sich achten. O
nehmet uns auf, ihr Völker des Westens in Euren Bund,
dessen Kreis sich von Stunde zu Stunde mit Riesenschritten erweitert! Freie Völker, wollt ihr gewiß nur freie Glieder
der großen Einigung. Freie Völker nur sollen sitzen am heiligen Bundes-Nachtmahl vor dem blutigen Morgen der offenen Feldschlacht gegen die Barbarenhorden im Osten.
Bewahrt, Brüder, die teuern mit tausend Leichen und
noch offenen, blutenden Wunden erkauften Güter der
Heimat! O helft sie uns in der eigenen Heimat erobern! O
helft, daß zwischen den drei schwarzen Adlern2, die unsere Eingeweide zerfleischen, die unser Herzblut verspritzen, der weiße Adler unserer Freiheit sich erhebe!3 Ja
deutsches Volk, wenn du willst, dann ist Polen noch nicht
verloren4, und wir, Polens Jünglinge, Männer und Greise,
wir werden nach unsern Kräften streiten und bluten für
die höchsten Güter! Schaut auf die in Eurer Mitte gefallenen Opfer, denkt an Euern Sieg! – Aller Segen ist von der
Völkerknechtung gewichen; fortan gib uns wieder den eigenen Herd, laß den Sonnenschein deiner Gnade herniederfallen auf ein einiges, freies, polnisches Vaterland!«
Flugschrift »Die Öffnung des Polen-Kerkers in den blutigen Tagen
in Berlin«, 1848, zit. nach Deutsche und Polen, S. 173f. Harald
Boldt Verlag, Boppard am Rhein
M4
Otto von Bismarck, März 1848:
Die Befreiung der wegen Landesverrats verurteilten Polen
ist eine der Errungenschaften des Berliner Märzkampfes
[...] Die Berliner haben die Polen mit ihrem Blut befreit [...]
Ich hätte es erklärlich gefunden, wenn der erste Aufschwung deutscher Kraft und Einheit sich damit Luft gemacht hätte, Frankreich das Elsaß abzufordern und die
deutsche Fahne auf den Dom zu Straßburg zu pflanzen.
Manuskript zur Polenbegeisterung, zit. nach: Deutsches Historisches Museum: Bismarck – Preussen, Deutschland und Europa.
Nicolai, Berlin 1990, S. 160
Auf Antrag von Gustav Struve aus Mannheim beschließt das Vorparlament in Frankfurt am 31.
März 1848 fast einhellig,
»daß es die heilige Pflicht des deutschen Volkes sei, Polen
wiederherzustellen, indem die Teilung Polens als ein
schreiendes Unrecht erklärt werde«.
M5
Verhandlungen des deutschen Parlaments, 1. Lieferung 1848,
S. 31–35, zit. n. Deutsche und Polen in der Revolution von
1848/49. Dokumente aus deutschen und polnischen Archiven,
hrsg. für das Bundesarchiv von Hans Booms, Boldt Verlag, Boppard am Rhein, S. 233
Die Wappentiere der drei Teilungsmächte Polens (Rußland, Österreich
und Preußen)
3
Das Wappentier Polens
4
Zitat aus der polnischen Nationalhymne
2
M6
Infotext: Die preußische Provinz Posen vor 1848:
1815 war das rund 29000 km2 große Großherzogtum Posen an Preußen gefallen. 1848 war es als Kornkammer
eine wirtschaftlich rückständige, landwirtschaftlich und
handwerklich geprägte Provinz. 1848 lebten von den 1,35
Millionen Einwohnern drei Viertel auf dem Lande. Größte
Stadt war Posen mit 44 000 Einwohnern. In der ganzen
Provinz gab es etwa 60% Polen (Katholiken), 34% Deutsche (meist Protestanten) und 6% Juden, die überwiegend in der Stadt lebten. Die Deutschen hatten regional
eine relative Mehrheit in den vier westlichen Kreisen des
Posener und in den vier nördlichen des Bromberger Regierungsbezirks. Die zentralen und an der Ostgrenze gelegenen Kreise dagegen bewohnten wenige Deutsche. Die
Deutschen stellten rund 40% der Stadtbevölkerung. Wirtschaftlich waren die Deutschen, die in den nichtagrarischen Berufen dominierten, in der Regel besser gestellt
als die Polen. Unter deutschen Bauern gab es kaum Besitzlose, die meisten waren reiche oder mittlere Bauern.
Der polnische Novemberaufstand von 1830 gegen Rußland erfaßte Posen nicht. Dennoch betrieb Preußen fortan
eine antipolnische Unterdrückungspolitik. Unter Friedrich
Wilhelm IV. (seit 1840) wurde sie gemildert. Den für 1846
geplanten Aufstand verhinderte Preußen durch Verhaftungen und Verhängung des Kriegszustandes. Die Unzufriedenheit der Polen verschärfte sich durch Verurteilungen
von Aufständischen, Zensur und Auflösung von Klubs und
Kasinos. Hinzu kam die Mißernte von 1846, die vor der
Erntezeit des Jahres 1847 Hungerrevolten verursachte,
bei denen sich nationale Probleme mit sozialen Spannungen mischten.
Nach Krzystof Makowski: Das Großherzogtum Posen im Revolutionsjahr 1848. In: Rudolf Jaworski/Robert Luft (Hrsg.): 1848/49 –
Revolutionen in Ostmitteleuropa. Oldenbourg, München 1996,
S. 149–172
M7
Infotext: Posen in der Revolution 1848:
Während die Polen im März 1848 auf volle nationale
Selbständigkeit drangen und darin von Frankreich, aber
auch vom neuen preußischen Außenminister unterstützt
wurden, betrieb der preußische König am 18. März 1848
die »Einverleibung« der nicht zum Deutschen Bund
gehörenden Provinzen Preußens, und damit auch von
Westpreußen und Posen, in den künftigen deutschen Bundesstaat. Der Formelkompromiß von der »National-Reorganisation«, den König Friedrich Wilhelm IV. Am 24. März
genehmigte, überdeckte vorläufig die Gegensätze. Polnische Patrioten wie Mieroslawski (Kapitel II) verstanden darunter die Bildung eines unabhängigen Großherzogtums
»unter dem bloßen Schutze Preußens«. In vielen Gegenden
handelte die polnische Bevölkerung spontan, entfernte die
preußischen Adler, verjagte Landräte, übernahm die Kassen, bildete militärische Einheiten und organisierte die einberufenen Bewohner in einer Nationalgarde. Um Freiwillige
zu gewinnen, erklärte das Nationalkomitee (d. h. die nationale Vertretung der Polen in Posen) am 24. März die Aufhebung aller Standesunterschiede und versprach, die
noch bestehenden Lasten der Bauern zu vermindern. Anfang April änderte sich die politische Lage in Berlin. Der
9
König und seine Berater setzten sich mit ihrem Gegenkurs
zur polenfreundlichen Haltung der Regierung durch. Am
14. April wurde die Teilung der Provinz angekündigt, weil
die deutschen Einwohner es aus »nationalen« Gründen
verlangt hatten. Die zugesagte nationale Reorganisation
beschränkte sich nun auf den »polnischen« Anteil der Provinz, der in der Folgezeit immer wieder verkleinert wurde,
indem er immer weiter nach Osten verschoben wurde, bis
am Ende nur noch für wenige Landkreise im Raum Gnesen
Autonomie für die Polen versprochen wurde.
Der König von Preußen suchte die Entwicklung wieder
zurückzudrehen, indem er – ohne Wissen seiner Minister –
den Truppen befahl, die polnischen Heerlager aufzulösen
und die alte Ordnung wiederherzustellen. Je unwahrscheinlicher ein Krieg Preußens gegen Rußland wurde,
desto stärker traten die nationalen Spannungen zwischen
Polen und Deutschen hervor.
Da die Polen auf ihre nationale Unabhängigkeit und auf
ihren Plan, von Posen aus Russisch-Polen militärisch anzugreifen, nicht verzichten wollten, kam es zu bewaffneten
Konflikten. Die aufständischen Truppen unter Mieroslawski umfaßten 9000 Mann und waren fast nur mit Sensen bewaffnet M 10 . Sie hatten gegen die preußische Übermacht keine Chance und mußten nach wenigen Gefechten am 9. Mai 1848 kapitulieren. Das Nationalkomitee hatte sich schon am 30. April aufgelöst.
Die Deutschen in Posen traten im März noch für Verbrüderung mit den Polen ein. Der von Deutschen majorisierte
Posener Stadtrat plädierte sogar für eine Ausgliederung
des Großherzogtums aus der preußischen Monarchie. Als
die Polen jedoch keine Deutschen in ihr Nationalkomitee
aufnahmen, entzweiten sich die beiden Bevölkerungsgruppen am 27. März endgültig. Vielerorts gründeten die
Deutschen eigene nationale Komitees, vor allem in den
Gebieten, in denen sie in der Überzahl waren. Anfang April
kam es vielfach zu blutigen Zusammenstößen mit den Polen. Nur einige wenige Deutsche traten den polnischen
Einheiten bei, weit mehr Deutsche unterstützten die
preußischen Truppen in sogenannten Freischaren.
Nach Krzystof Makowski, Großherzogtum Posen, S. 149–172;
Heinz Boberach: Die Posener Frage in der deutschen und preußischen Politik 1848–1849. In: Deutsche und Polen in der Revolution von 1848/49, S. 17–57
M 8 »Nie und nimmermehr, bei Gott, werde ich den Degen gegen Rußland ziehen.«
Friedrich Wilhelm IV. am 23. März 1848 gegenüber Heinrich von
Gagern, der ihn aufgefordert hatte, Polen zu befreien
M 9 Auszüge aus der Debatte der Deutschen Nationalversammlung in Frankfurt über die Provinz Posen
24./25. Juli 1848
(Die Mandate der im Mai 1848 in der preußischen Provinz Posen
gewählten Abgeordneten wurden in der Deutschen Nationalversammlung am Ende der Debatte mehrheitlich anerkannt, obwohl
die Polen die Wahl boykottiert hatten, indem sie nur einen einzigen polnischen Abgeordneten nach Frankfurt wählten. Mit 342:31
Stimmen billigte die Nationalversammlung die Teilung Posens).
Arnold Ruge (Donnersberg): [...] Die Polen sind das Element der Freiheit, das in das Slawenthum geworfen wurde. [...] im Namen der Humanität und der Gerechtigkeit
verlange ich, daß Polen wieder hergestellt werde und daß
wir das Vorparlament nicht Lügen strafen, welches erklärt
hat, die Theilung Polens sei ein schmachvolles Unrecht.
Die Wiederherstellung Polens müssen wir anbahnen. [...]
An der Ehre Deutschlands ist es, daß Deutschland die
Freiheit nach Osten propagiere und nicht an der Grenze
von Rußland und Polen damit stehen bleibe. An unserer
Ehre ist es, daß wir aufhören, Unterdrücker zu sein, daß
wir Freunde aller befreiten Völker werden, daß wir die Italiener befreien und ihre Freunde werden und daß wir die
Polen befreien und ihre Freunde werden. [...]
Wilhelm Jordan (Deutscher Hof): [...] Soll eine halbe Million Deutscher unter deutscher Regierung, unter deutschen
Beamten leben und zum großen deutschen Vaterlande
gehören, oder sollen sie sich in der secundären Rolle naturalisirter Ausländer in die Unterthänigkeit einer anderen
Nationalität, die nicht soviel humanen Inhalt hat, als das
Deutschthum, begeben und hinausgestoßen werden in
die Fremde? – Wer die letztere Frage mit ja beantwortet;
wer da sagt, wir sollen diese deutschen Bewohner Posens
den Polen hingeben und unter polnische Regierung stellen, den halte ich mindestens für einen unbewußten Volksverräther. (Bravo!) [...]
Polen bloß deßwegen herstellen zu wollen, weil sein Untergang uns mit gerechter Trauer erfüllt, das nenne ich eine
schwachsinnige Sentimentalität. (Bravo von der Rechten,
Zischen von der Linken) [...]
Unser Recht ist kein anderes
als das Recht des Stärkeren,
das Recht der Eroberung. [...]
(Jordan wechselte später zur
rechten Fraktion Landsberg)
Stenographischer Bericht über
die Verhandlungen der deutschen
constituirenden
Versammlung zu Frankfurt am Main,
Bd. 2, S. 1184 ff., 1200
M 10 Gefecht zwischen polnischen bewaffneten Formationen und preußischem Militär bei Rogalin, 8. Mai 1848
Dietz Verlag Bildarchiv, Berlin
10
II. »Wo die Revolution ist, da ist des Polen Vaterland.«
Ein polnischer Oberbefehlshaber 1849 in Baden:
Ludwig Mieroslawski
1. Erläuterungen
Warum entfachte Ludwig Mieroslawski in seinem Leben
nicht nur in Polen mehrere Aufstände, sondern nahm
auch an anderen Aufständen anderswo in Europa teil? In
welcher Weise war das Gelingen einer europäischen Revolution Voraussetzung für die Schaffung eines unabhängigen polnischen Nationalstaates?
Der Oberbefehlshaber des badischen Aufstandes von
1849 konnte kein Deutsch. Seine Ansprachen, Flugblätter
und Befehle mußten vom Französischen ins Deutsche
übersetzt werden M 7b , M 7c . Französisch war seine
Muttersprache. Dennoch fühlte sich Ludwig Mieroslawski
stets als Pole. Indessen hielt er sich nur wenige Jahre seines Lebens in Polen auf. Die meiste Zeit verbrachte er in
Frankreich. Von dort aus brach er viele Male auf, um dorthin zu eilen, wohin ihn gerade Revolutionäre gerufen hatten, nicht nur nach Polen, sondern einmal nach Baden
und zweimal nach Italien M 5 . Zweimal saß er in preußischer Haft. Das erste Mal befreiten ihn Berliner Revolutionäre, die von der Utopie des »Völkerfrühlings« begeistert waren (s. o. I: M 2 ), das zweite Mal bewirkte die Intervention der französischen Revolutionsregierung die
Freilassung. Seine natürlich französisch vorgetragene
Rede, die er am 20. März 1848 vor Berliner Revolutionären und mitbefreiten polnischen Patrioten gehalten
hat, ist nicht im genauen Wortlaut überliefert (s.o. Kap. I:
M 3 ). Wie seine Aufrufe während des badischen Aufstandes im Juni 1849 M 2 , M 8 war sie pathosgeladen.
Während des Triumphzuges durch die Straßen Berlins am
20. März 1848 schien es so, als könnte er – die siegreichen Berliner Revolutionäre im Rücken – dem König
von Preußen ein freies, unabhängiges Polen abtrotzen
(s.o. Kap. I).
Ludwig Mieroslawski baute auf die Revolution nach der
Devise, daß Polens Sache die Sache der Revolution ist,
weil Polen nur durch Revolution, d.h. durch den Sturz der
Macht des preußischen monarchischen Militarismus und
des despotischen Zarismus seine nationale Unabhängigkeit erlangen konnte. Um dieses Ziel zu erreichen, dem er
Ende März 1848 sehr nahegekommen zu sein schien,
schloß er sich Erhebungen von entschiedenen Republikanern und radikalen Demokraten in Deutschland und
Italien an M 5 und hoffte dabei auf ein internationales
Zusammenwirken der republikanischen Kräfte gegen die
Gegenrevolution.
Angesichts der Übermacht der Gegenrevolution im Frühjahr 1849 erschienen die Hoffnungen der Republikaner
auf ein Wiedererstarken der europäischen Revolution im
Nachhinein als Wunschdenken. Dennoch haben solche
Hoffnungen viele, die im Badischen Aufstand gekämpft
haben, beflügelt. Mieroslawski dagegen wußte von vornherein, daß er 1849 in Baden auf verlorenem Posten
kämpfte. Er machte dafür Unterlassungen der für sein
Denken zu gemäßigten demokratischen Politiker verantwortlich M 7a . Wegen der Fremdherrschaft von Russen,
Preußen und Österreichern in seiner polnischen Heimat
sah er sich allerdings offenbar dazu verpflichtet, jede
auch noch so kleine Chance für die Sache der europäischen Revolution zu nutzen.
Das Einheits- und Freiheitsstreben der Deutschen unterschied sich im 19. Jahrhundert von dem der Polen:
Deutschland hatte zwar wie Polen noch keine nationale
Einheit erreicht, war aber doch frei von Fremdherrschaft.
Auf diesem Hintergrund ist es zu verstehen, daß in
Deutschland anders als in Polen der Wille zum bewaffneten Aufstand durch die Niederlage der Revolution von
1848/1849 entscheidend geschwächt wurde.
Überlegungen zu den Materialien:
1) Warum wird ein Pole militärischer Oberbefehlshaber in
Baden? M 1 , M 5
2) Mit welchen Argumenten sucht Mieroslawski aktive
Unterstützung für den Badischen Aufstand zu gewinnen? M 2
3) Wie wirkt Mieroslawski (in der Mitte mit gezogenem
Hut) im Vergleich zu den anderen Personen? M 3 ,
M 4 . Woran sind die Mitglieder der Mannheimer Volkswehr als Freischärler zu erkennen? M 3
4) Welche Motive dürfte Mieroslawski für seine Appelle
kurz vor Zerstörung der Murgfront bei Rastatt gehabt
haben? M 8 , M 5 . Wie dürften die Badener auf den
Aufruf M 8 reagiert haben?
5) Wie wendet sich Mieroslawski an seine Truppen? Welche Probleme hat er dabei? M 2 , M 3 , M 7b/c , M 8
6) Warum wird Mieroslawski in Deutschland eher gegensätzlich, in Polen dagegen einhellig positiv beurteilt? M 1 , M 5 , M 8 , M 9
11
2. Materialien
M1
M2
Aufruf Mieroslawskis
Kampf für die Befreiung Europas: Aleksander
Zurkowski, im Badischen Aufstand Hauptmann und
Adjutant Mieroslawskis:
Wo die Revolution ist, da ist des Polen Vaterland.
Diese Revolution ist nicht nur badisch, sie ist nicht nur
deutsch, sondern auch europäisch ... Sie ist weder die
Tochter, noch die Erbin, noch die Beschützerin des Frankfurter Reichstages, sondern seine Antithese ... Es sind einfach zwei Gegensätze.
Alle unsere Gedanken hatten sich auf den Punkt konzentriert, die Preußen zu schlagen. Wir hatten nicht nur eine
alte Rechnung miteinander abzumachen, sondern erblickten in ihnen die Vasallen von Rußland, die bis an den Rhein
vorgeschobenen Posten des Zaren. Bei dem ersten Zusammentreffen stößt Mieroslawski auf denselben [preußischen] General Hirschfeld, den er das Jahr vorher bei Wreschen im Großherzogtum Posen geschlagen hat.
Hier galt es den Kampf nicht nur für die gemeinschaftliche Sache, sondern auch gegen den gemeinschaftlichen
Feind; denn Deutschlands Unterdrücker sind auch die
Unterdrücker Polens: sie unterjochen das eine durch das
andere. Überdies haben die Polen die ungeheuere Sympathie Deutschlands für ihre Sache im Jahre 1830/31
noch nicht vergessen. Noch vor kaum einem Jahr hat das
Vorparlament aus freiem Antrieb die Wiederherstellung
Polens beschlossen.
Aleksander Zurkowski, 1849, zit. nach Krapp, Mieroslawski, in:
ZGO 123 (1975), hrsg. von der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg. Kohlhammer, Stuttgart, S. 228
M3
Mieroslawski
in Mannheim
zusammen mit
Zivilkommissar
Trützschler zu
Pferd vor der
angetretenen
Mannheimer
Volkswehr,
Juni 1849.
Mannheim,
Städt.
Reiss-Museum
»Soldaten! Wehrmänner!« Hans Blum: Die deutsche Revolution 1848–49. Florenz und Leipzig 1898, Faksimilebeilage
Aus: Franz X. Vollmer, Der Traum von der Freiheit. 1983,
S. 357, Abb. 302; © Theiss Verlag, Stuttgart
12
M4
Porträt: Ludwig Mieroslawski
Gegenspieler des Prinzen Wilhelm von Preußen (vgl. V.).
Nach dem Zusammenbruch der Murgfront bei Rastatt legte er am 1. Juli 1849 den Oberbefehl nieder. Danach lebte
er zunächst drei Monate in der Schweiz, dann in Paris als
Privatlehrer. 1861 erhielt er von Guiseppe Garibaldi den
Befehl über die internationale Legion in Italien, 1861–1862
war er Kommandeur der polnischen Militärschule in Genua. 1863 wurde er im polnischen Aufstand gegen Rußland
zum Diktator berufen, mußte aber über Krakau fliehen und
kehrte nach Paris zurück. In den letzten Lebensjahren blieb
er ohne Einfluß. Er starb verarmt. Mieroslawski, der die
Aufstände, an denen er teilgenommen hatte, nach ihrer
Niederwerfung stets in einer Veröffentlichung analysierte,
galt als ein Anhänger des permanenten Aufstandes und
trotz seiner Niederlagen als »polnischer Napoleon«.
Autorentext nach: Deutsches Historisches Museum: Bismarck –
Preussen, Deutschland und Europa. Nicolai, Berlin 1990, S. 184:
Nr. 3b/79; Meyers Konversations-Lexikon Bd. 11, Leipzig 1890,
4. Aufl.; Deutsche und Polen, S. 669f.; Krapp, Mieroslawski,
S. 227–241
M6
Militärpolitische Entscheidungen im Frühjahr
1849
Wehrgeschichtliches Museum Rastatt
M5
Biographie
Ludwig Mieroslawski (1814–1878) wurde als Sohn eines
emigrierten polnischen Offiziers und einer Französin in Nemours/Frankreich geboren und lebte seit 1820 in Polen.
Bereits 1830 nahm er als 16jähriger Fähnrich an der polnischen Erhebung gegen Rußland teil und emigrierte 1831
nach Frankreich. Die gut einmonatige Reise durch
Deutschland mit anderen polnischen Soldaten und Offizieren entwickelte sich zum Triumphzug. (1842 wurde Mieroslawski zum Mitglied der Zentralbehörde der polnischen
Emigranten in Paris gewählt.) Nach dem durch Verrat gescheiterten Aufstandsversuch im zu Preußen gehörenden
Posen von 1846 wurde er als dessen Organisator in Berlin
zum Tod verurteilt, jedoch zu lebenslänglicher Gefängnisstrafe begnadigt, durch die Märzrevolution 1848 aber von
Berliner Demokraten aus dem Gefängnis Berlin-Moabit befreit und begeistert gefeiert. In Posen bildete er daraufhin
eine polnische Freischar und begann sofort einen Aufstand
zu organisieren (vgl. I: M 7 ). Trotz zweier siegreicher Gefechte scheiterte der Aufstand. Mieroslawski geriet im Mai
1848 erneut in preußische Haft, wurde aber auf Intervention des revolutionären Frankreichs am 27. Juli 1848 begnadigt und nach Frankreich ausgewiesen. Von Paris aus reiste er Anfang 1849 nach Sizilien. Dort übernahm er den militärischen Oberbefehl über die Aufständischen. Er blieb
aber ohne Erfolg und zog sich im Kampf eine Verwundung
zu. Um sie auszuheilen, kehrte er am 24. Mai 1849 nach
Paris zurück. Bereits am 9. Juni 1849 übernahm er in Baden den militärischen Oberbefehl und wurde zum direkten
Am badisch-pfälzischen Aufstand beteiligten sich ungefähr 200 Polen in der sogenannten polnisch-deutschen
Legion. Noch von Paris aus forderte Mieroslawski eine
Ausweitung der Erhebung auf Württemberg. Sein Plan eines militärischen Vorstoßes nach Württemberg setzte
sich allerdings nicht durch. In seinen nachträglichen Aufzeichnungen rügte Mieroslawski diese Unterlassung der
badischen Revolutionsregierung, denn nach seiner Meinung bedeutete Zögern den Tod der Revolution. An Stelle dessen wurde seinerzeit ein militärischer Vorstoß nach
Hessen Richtung Frankfurt unternommen, der jedoch
scheiterte. Außerdem war die Auffassung verbreitet,
Württemberg könne die Revolution selbsttätig gegen seinen energischen König durchsetzen.
Autorentext nach: Krapp, Mieroslawski, S. 235f.
M7
M 7a
Kämpfe auf verlorenem Posten
Ludwig Mieroslawski urteilt nachträglich:
Ich kam, um für die badische Revolution eine heroische
Leichenfeier zu leiten; einer in ihrem politischen Prolog
verderbten Revolution kann man durch strategische Maßnahmen nicht mehr aufhelfen.
Zit. n. Michael Kunze: Der Freiheit eine Gasse. Traum und Leben
eines deutschen Revolutionärs. Kindler, München 1990, S. 696
M 7b
Bevollmächtigter bei der Neckararmee, Heinrich
Hoff, an die provisorische Regierung Badens, Lage
bei der Neckararmee, Heidelberg, 8. Juni 1849:
[...] Wie es heißt, soll Morgen oder Übermorgen Mieroslawski ankommen. Ich glaube, daß wenn dies auch der Fall ist,
man doch zuerst noch Sigel das Kommando überlassen
muß, denn M(ieroslawski), der ohnehin kein Deutsch kann
und zwar ein ausgezeichneter Theoretiker aber weniger
13
Praktiker ist, würde wenigstens 14 Tage brauchen um
sich zu orientieren; es wird daher am besten sein, wenn er
zuerst sich längere Zeit einstudiert. [...]
sisch sprachen, vergrößerte seine Schwierigkeiten ebenso wie die Gerüchte, die seine Gegner über seine angeblich maßlosen finanziellen Forderungen verbreiteten.
Künftig abgedruckt in: Alfred Georg Frei/Kurt Hochstuhl: Wegbereiter der Demokratie. Die badische Revolution 1848/49. Der
Traum von der Freiheit, Braun, Karlsruhe 1997
Heinz Boberach, 1991, in: Deutsche und Polen, S. 55
M 7c
[...] Gegen diese Streitmacht von zwei preußischen Armeekorps unter dem Prinzen von Preußen [...] und einem
Bundeskorps, bestehend aus Hessen, Nassauern, Bayern, Württembergern und Mecklenburgern, mit zusammen mehr als 50 000 Mann konnte Mieroslawski nicht
mehr als etwa 10 000 Mann badischer Truppen und etwa
15 000 Mann Volkswehren und Freischärler aufbieten.
Seine Armee war nicht nur zahlenmäßig und in der Ausrüstung unterlegen, auch ihre Disziplin war mangelhaft.
Gleich in der Rede, mit der er am 10. Juni in Heidelberg
vor seine Offiziere trat, appellierte Mieroslawski daran,
»die schlechte Disziplin« zu bekämpfen. Er selbst hat
später für seine Niederlage auch die Unentschlossenheit
der Revolutionsregierung verantwortlich gemacht, der ein
eigentliches politisches Programm und der Wille gefehlt
habe, die Insurrektion zur Revolution zu machen: »im
Grunde wußten weder die Bürger noch die Soldaten, für
was sie kämpfen sollten«. Daß er selbst nicht Deutsch,
die Führer seiner Einheiten meist nur schlecht FranzöM8
M9
Urteil eines modernen Historikers
Gerichtsurteil gegen Mieroslawski:
In Untersuchungssachen gegen Ludwig Mieroslawski aus
Polen wegen Hochverrats wird auf gepflogene Untersuchung [...] zu Recht erkannt, Ludwig Mieroslawski [...] sei
der Teilnahme an dem im Jahre 1849 in Baden ausgebrochenen hochverräterischen Aufruhr für schuldig zu erklären und deswegen zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe, sowie zum samtverbindlich mit den übrigen Teilnehmern an dem Aufruhr zu leistenden Ersatze des durch
den Aufstand dem Staate gestifteten Schadens und zur
Tragung der Kosten der Untersuchung und seiner Straferstehung zu verurteilen.1
Mitteilung des Hofgerichts des Mittelrhein-Kreises an die
General-Staatskasse in Karlsruhe, Bruchsal, 24. Mai
1851
1
Nach einer sehr beschränkten Amnestie von 1852 wurde 1862 allen wegen Beteiligung an der Revolution Verurteilten Straffreiheit gewährt, was
sich nur für die Emigranten auswirkte, da die Strafen entweder vorher
verbüßt oder die Gefangenen entlassen worden waren. Mieroslawski ist
nicht mehr nach Deutschland zurückgekehrt.
(Deutsche und Polen, S. 648)
Aufruf des Obergenerals Ludwig Mieroslawski
Aus: F.X. Vollmer: Der Traum von der Freiheit. © Theiss, Stuttgart 1983, Abb. 350, S. 410
14
III. Ein Tod in Wien – Tod der
nationalen deutschen
Revolution?
1. Erläuterungen
Der Weg Robert Blums, des modernen, volkstümlichen
Führers der gemäßigten politischen Linken im Frankfurter
Paulskirchenparlament, zur Unterstützung der Wiener
Oktoberrevolution wird in Ausschnitten nachgezeichnet.
Seine Hinrichtung in Wien am 9. November 1848 machte
vielen Deutschen schlagartig klar, daß die Gegenrevolution mit unnachgiebiger Entschlossenheit von der Regierung Schwarzenberg betrieben wurde, wohl aus Gründen, die mit der Situation im Vielvölkerstaat Österreich
und dessen traditionellen Machtinteressen in Deutschland und Europa zusammenhingen.
Die Freiheitsbewegung der Frankfurter Paulskirchenversammlung und in den meisten Einzelstaaten mußte erkennen, daß ihre nationale und freiheitliche »redende«
Revolution erneut von den »alten Mächten« abgelehnt
wurde.
Robert Blum wurde durch seinen Tod zur Symbolfigur für
den Umbruch der Revolution zwischen Herbst 1848 und
Frühjahr 1849. Wie dachte und redete er? Warum wurde
er verurteilt? (Vgl. M 1 , M 2 , M 3 , M 4 )
Blum war unter den vielen Akademikern im Paulskirchenparlament nach Herkunft, Werdegang und Vorbildung als »Mann des Volkes« eine große Ausnahme.
Bereits vor 1848 war der Autodidakt ein in ganz Deutschland bekannter Führer der liberalen Opposition. Er glaubte zu wissen, daß jedes Abweichen vom gesetzlichen
Weg zur Herbeiführung von Fortschritt, jede putschistische Aktion Unglück über alle Beteiligten bringt. Von gewaltsamen Aktionen eines Hecker und Struve distanzierte er sich deshalb entschieden.
Im Briefwechsel mit seiner Frau Jenny M 5 lernt man seine wirklichen Gedanken und Gefühle kennen. Er gibt preis,
welche geheimen Wunschbilder vom Gang der Entwicklung ihn erfüllen. Die Dinge verlaufen anders als erwartet,
stürmische und kriegerische Zeiten kommen, den Preußen
und deren König wünscht er ein schlimmes Schicksal, die
Französische Revolution wiederholt sich, die Republik
steht vor der Tür – oder die Russen kommen.
Weil er vom Gang der Revolution enttäuscht war, konnte
er sich weniger als die meisten anderen Parlamentarier
eine friedliche Entwicklung vorstellen und hielt, durchdrungen vom Gedanken der Befreiung und Erlösung der
Völker vom Joch der »Dynastien« und von der Vorstellung
einer Verbrüderung des freiheitlichen Westeuropa
(s. M 1 ), Gewalt gegen unaufgeklärte Fürsten in Ausnahmesituationen für unvermeidlich.
Aus Wut und Resignation trug er sich mit dem Gedanken,
die Politik an den Nagel zu hängen und in die Idylle zu
flüchten. Im September war er offenbar zu dem Entschluß
gekommen, daß er im Frankfurter Parlament mit seinem
politischen Latein am Ende war. Sein Weggang nach Wien
– er wurde auf eigenen Wunsch als Deputierter nach Wien
geschickt – war zunächst ein »Weg-von«, eine Flucht.
Kaum in Wien angekommen, wurde daraus jedoch ein
»Hin-zu«, ein Eintauchen in alte Idealvorstellungen vom
Werden und Gedeihen einer echten Volksbewegung. Dem
Pessimisten Blum folgte wieder der »Enthusiast«, der sich
mitreißen ließ, der wohl auch unbedachte Reden hielt und
den Bitten örtlicher Stellen nicht widerstehen konnte, sich
mehr oder weniger symbolisch als Ehrenmitglied im
»Corps d’ élite« an Kampfhandlungen zu beteiligen. Wer
so den »Puls der Zeit« fühlte, der durfte wieder schwungvoll als politischer Repräsentant wirken.
Dies wurde ihm zum Verhängnis: Er wurde, obwohl er mit
der Immunität eines Parlamentariers ausgestattet war,
wie andere Führer des Wiener Aufstands verurteilt und erschossen ( M 2 , M 6 ), nahm auf eindrucksvolle Weise
brieflich Abschied von seiner Familie ( M 5 ) und ertrug einen Tag vor seinem 41. Geburtstag seine Lebenskatastrophe würdig und gefaßt. Sein Tod erschütterte in allen
Teilen Deutschlands die Massen ( M 7 , M 4 , M 12 ), offenbarte den Grad ihrer Politisierung und verschärfte die
Spannungen innerhalb der Freiheitsbewegung in
Deutschland wie zwischen der Freiheitsbewegung insgesamt und den Kräften der Gegenrevolution.
Gedrungen und knollennasig wie Sokrates, grobschlächtig, versehen mit Revoluzzerbart, ausdrucksstarker Redner im Parlament wie vor den Massen, war es Blum weniger als anderen prominenten Abgeordneten möglich, sich
vor Anfeindungen zu schützen.
In der Karikatur M 10 wird er von seinen politischen Gegnern als Demagoge und Feigling diffamiert: Er hat Waffen
und Heckerhut bereits weggeworfen und seine parlamentarische Immunität durch eine Parlamentsschärpe hervorgehoben, um ungeschoren davonzukommen und in
Berlin sein zerstörerisches Werk gegen die preußische
Monarchie fortzusetzen.
Gegenfigur zu Blum ist Schwarzenberg ( M 8 , M 11 ),
der eiskalte Rechner. Er kämpft gegen die nationale Revolution und für eine Rückkehr aller deutschen Staaten
zum Deutschen Bund. Er hat folgende Hauptziele:
Zentralistisches Großösterreich als deutsches wie europäisches Bedürfnis, Rückkehr aller Einzelstaaten zum
Deutschen Bund unter österreichischer Vorherrschaft mit
starker Exekutivgewalt, der eine Volksvertretung als Fassade zugeordnet werden soll, in der neben Fürstenvertretern nur Abgeordnete sitzen, die den Fürsten genehm
sind, Kooperation mit denjenigen Einzelstaaten, deren
Fürsten in der Lage sind, freiheitliche Bestrebungen niederzuhalten.
Für das alte Österreich bedeuteten Blums republikanische Pläne, daß eine freiheitlich Reichsgewalt ohne maßgeblichen Einfluß der Fürsten hergestellt worden wäre,
daß die nationale Reichseinigung unter Ausschluß nichtdeutscher Landesteile und Länder die gesamte Habsburgermonarchie, die nur noch als lockere Personalunion zu
denken gewesen wäre, zerschnitten hätte, weil dann die
bundeszugehörigen und die bundesfremden Gebietsteile
Österreichs eine jeweils eigene Verfassung, Regierung
und Verwaltung hätten bekommen müssen. Die Deutschen innerhalb des Habsburgerreichs wären entscheidend geschwächt, die Rivalität anderer Nationalitäten
wäre verschärft worden, das »regulative Moment« dieser
Struktur, die komplizierte Gemengelage der Völker verschiedener Nation, wäre gestört gewesen.
15
Die nichtdeutschen Nationalitäten stützten als kleine Nationen mehrheitlich den übernationalen österreichischen
Kaiserstaat, im eigenen Interesse wie auch im Interesse
Europas und auch im »Interesse der Humanität«, wie dies
der tschechische Historiker Palacky, der sich als »Böhme
slawischen Stammes« bezeichnet, formulierte (s. dazu
auch M 9 ). Und Schwarzenberg als Deutschböhme und
mit den Tschechen in Böhmen eng verbundene Person
sah sich berechtigt, deren Eigenständigkeit im Gesamtstaat Österreich zu erhalten, zum Wohle aller Österreicher, auch der Deutschen, wie auch zum Wohle eines europäischen Machtverteilungskonzepts und gewiß auch
zum Vorteil der Macht der altehrwürdigen »kaiserlichen«
Habsburgermonarchie, deren jungen Monarchen, Kaiser
Franz Joseph, er in diese politische Welt im Spätherbst
1848 hineinführte. Deshalb widersetzte er sich entschieden der nationalen Reichsgründung und wollte mit der
Revolution insgesamt brechen. Dafür hatte er in Österreich Rückhalt bei der Masse der Bevölkerung aller Nationalitäten außer der ungarischen. Die Donaumonarchie
wurde damals noch nicht als unzeitgemäßer Vielvölkerstaat, als »Völkerkerker« gesehen.
Nach dem Tod von Blum und dem Sieg der Gegenrevolution in Österreich wurde der Mehrheit in der Paulskirche
nach und nach klar, daß nur noch mit Preußen eine Lösung der Deutschen Frage nach ihrem Selbstverständnis
möglich war. Diese Rolle wollte und konnte Preußen nicht
spielen. Es war weder bereit, auf eigene Rechte und auf
unumschränkte Souveränität über die Armee zu verzichten; noch war es gewillt, wegen der Frage der nationalen
Einheit Deutschlands sich mit Österreich und anderen europäischen Großmächten (z. B. Rußland) zu überwerfen
und einen europäischen Krieg zu riskieren.
Der Tod Robert Blums hatte weithin Illusionen vom doch
noch möglichen gesetzlichen Fortschritt zerstört. Neue
Verhaltensweisen dem gewaltsamen politischen Gegner
gegenüber kündigten sich an und gaben der Revolution
allmählich einen anderen, einen unversöhnlicheren Charakter (s. auch M 12 ). Auf die Gegenrevolution in Wien im
Oktober 1848 folgte die radikale Revolution aus einigen
deutschen Einzelstaaten. Dazu wurden neue Organisationen (meist republikanische Volksvereine) aufgebaut, um
möglichst viele Deutsche für Konfrontation und für Gegengewalt zu gewinnen. Man durfte als Revolutionär
nicht mehr »vor den Thronen« stehenbleiben und brauchte ein »erzürntes Volk« (Gustav Struve), das zum Zurückschlagen und zum Zuschlagen bereit war.
2. Materialien
Überlegungen zu den Materialien:
... Herr Robert Blum zu Köln in Rhein-Preußen gebürtig,
40 Jahre alt, katholisch, verheiratet, Vater von 4 Kindern,
Buchhändler zu Leipzig, welcher bei erhobenem Thatbestande durch sein Geständnis und durch Zeugen überwiesen ist, am 23. Oktober ... in der Aula zu Wien durch Reden in einer Versammlung zum Aufruhre aufgeregt, und
am 26. Oktober ... an dem bewaffneten Aufruhr in Wien als
Commandant einer Compagnie des Elitecorps thätigen
Antheil genommen zu haben ... soll nach Bestimmung der
Proclamation Sr. Durchlaucht des Feldmarschalls Fürsten
zu Windischgrätz vom 20. und 23. Oktober ... mit dem
Tode durch den Strang bestraft werden.
So gesprochen in dem Standrechte ... Abends am 8. November 1848.
1) Was zeichnet Blum als modernen nationalen, (west-)
europäischen und volkstümlichen Politiker aus? Welches sind die tieferen Gründe für seine Erschießung in
Wien? M 1 bis M 7
2) Wie könnte man die Vorstellungswelt des den Deutschböhmen, den Tschechen und anderen Nationalitäten
der Donaumonarchie verbundenen Fürsten Schwarzenberg charakterisieren? Wie sind seine Pläne, wie ist
sein Verhalten angesichts der komplexen Verhältnisse
im Vielvölkerstaat Österreich und dessen Stellung
im europäischen Mächtesystem zu beurteilen? M 8 ,
M 9 , M 11 , M 12
Der Revolutionär Robert Blum und sein Tod in Wien
Debatte zur Außenpolitik in der Frankfurter Nationalversammlung am 22. Juli 1848. Robert Blum
äußert sich über völkerrechtliche Verhältnisse:
Man sagt uns bei jeder Gelegenheit: die alte Zeit ist todt,
die neue hat begonnen! Was war denn die alte Zeit ... in
Beziehung auf die sogenannten völkerrechtlichen Verhältnisse? Sie war nichts Anderes als eine Reihe von Dynastenbündnissen ... die nur dazu dienten, entweder der
gegenseitigen Herrschgier Schranken zu setzen, oder die
gemeinsame Gewaltstellung zu erhalten und zu verstärken ... Diese Art von Bündnissen war es, die unser Vaterland eine undenkliche Zeit hindurch aufgehalten hat, ein
Großes und Ganzes zu werden ... Sie war es, die die
Feindseligkeit der Stämme und die Spannungen der einzelnen Abtheilungen des Volkes hervorriefen, die sogenannten Kirchthurminteressen in den Vordergrund schoben, um – die Blicke abzulenken von dem, was Noth that,
von dem Bewußtsein, daß Deutschland nicht eher Geltung in dem Bunde europäischer Völker gewinnen könne,
als bis es e i n f r e i e s Volk geworden. …
(Der) Gedanke der Befreiung und Erlösung der Völker ...
(der) Gedanke der neuen französischen Revolution soll
und wird ebenfalls Propaganda machen in der ganzen
Welt, und ich hoffe, er wird sie ausdehnen über Moskau
hinaus, und das Licht der Freiheit auch in jene Länder tragen, die jetzt noch schlummern in der tiefsten Knechtschaft. (Anhaltendes Bravo der Linken) …
(Das) Ziel einer Verbrüderung des freigewordenen oder
freiwerdenden Westens, das ist es, dem ich meine Stimme leihe. Mit der Erreichung dieses Ziels steht die Freiheit
und der Friede in Europa gesichert, mit der Erreichung
dieses Zieles steht die größte und intelligenteste Abtheilung der europäischen Staatenfamilie in einer unbesiegbaren Vereinigung zusammen und kann mit Ruhe darauf
hinblicken, wenn ein Despot ... (sie) ... verhöhnen oder
drohen wollte. ... Ich scheue den Spott nicht ... ich scheue
ihn nicht, weil ich weiß, daß ich einem Gedanken diene,
auf dem die Zukunft, auf dem das Glück Europa’s beruhen wird. (Anhaltender Beifall)
M1
Zit. in: Stenographischer Bericht ... Hrsg. v. F. Wigard. Zweiter
Band. Leipzig 1848, S. 1108f.
M2
Urtheil
16
Vermerk: ist kundzumachen und in augenblicklicher Ermangelung eines Freimannes mit Pulver und Blei durch
Erschießen zu vollziehen.
Zit. nach: Siegfried Schmidt: Robert Blum. Vom Leipziger Liberalen zum Märtyrer der deutschen Demokratie. Verlag Hermann
Böhlaus Nachfolger. Weimar 1971, S. 253f. (Leicht vereinfacht)
M3
Robert Blum im Kreise seiner Familie
(Bild unten)
M4
Robert Blum
1807 geb. am 10. 11. in Köln als Sohn eines Faßbinders,
muß das Gymnasium in der 6. Klasse verlassen, um zum
Lebensunterhalt der Familie beizutragen; Lehre als Goldschmied und Gelbgießer; Aufenthalt in Berlin, wo er als
Nichtstudent Vorlesungen an der Universität besucht.
Ab 1831 Arbeit als Theatersekretär und Bibliothekar in
Leipzig; Herausgeber eines Theaterlexikons, Redner auf
kulturellen und politischen Veranstaltungen. Er verehrt
besonders Schiller, dessen Geburtstag am 10. 11. mit
dem seinen zusammenfällt.
Ab 1839 Tätigkeit in der liberalen Opposition; Bekanntschaft mit Führern des Liberalismus in ganz Deutschland;
bekannt auch als Mitbegründer der deutschkatholischen
Bewegung, verheiratet, vier Kinder.
Schon vor 1848 als Führer der sächsischen Liberalen Demokrat und Republikaner; Mitglied im Vorparlament und
Abgeordneter der Nationalversammlung in der Paulskirche; Sprecher der linken Fraktion »Deutscher Hof«, die für
einen parlamentarisch-demokratischen Liberalismus, für
Volkssouveränität und für das allgemeine Wahlrecht eintritt. Schaltet sich in seiner Eigenschaft als Abgeordneter
im Oktober 1848 in die Wiener Revolution ein und wird am
9. November auf Wunsch von Schwarzenberg und auf Anordnung von Windischgrätz standrechtlich erschossen.
Nach einer zeitgenössischen Lithographie von
A. Hunger, Leipzig
Aus: Robert Blum 1848
• 1948.
Ein Kämpfer für Einheit
und Demokratie.
Hrsg. v. Rat der Stadt
Leipzig. Leipzig 1948,
Tafel I
M5
Aus den Briefen Robert Blums an seine Frau
Jenny
Liebe Jenny,... heute mittag wählen wir den Reichsverweser (Vermoderer!), die Mehrheit wählt den Erzherz. Johann, einige Halbe, etwa 25-30 Gagern, wir wählen den
alten Itzstein und eine Anzahl wählt gar nicht, weil sie den
»unverantwortlichen« Kerl nicht mitwählen mag... Hoffentlich bricht der Krieg in einigen Tagen aus; ehe
Preußens Verrat nicht klar ist, kommen wir auch nicht
zum Ende; deshalb habe ich nichts dagegen, wenn die
Russen auch bis nach Berlin kommen. Hoffentlich wird Fr.
Wilh. IV das Schicksal Ludwigs XVI. haben. In Leipzig
wächst ja die Republik ungeheuer... (29. 6. 48)
Liebe Jenny, ... Uns geht es ziemlich schlecht, die Mehrheit wird alle Tage frecher und unverschämter, steckt mit
den Regierungen unter einer Decke, spielt in und mit der
Versammlung Komödie und treibt ihren Verrat ziemlich offen; es ist ganz 1789. Ob die Menschen niemals an 1793
denken?... (5. 7. 48)
Liebe Jenny,... In der National-Vers. verfolgt aus Bosheit,
vom Volke in die traurigste Stellung gebracht aus Dummheit, von den Demokraten angefeindet und geächtet aus
Unverstand stehen wir isolierter als jemals und haben
vor- wie rückwärts keine Hoffnung... Nie bin ich so lebens- oder wirkungsmüde gewesen wie jetzt; wäre es
nicht eine Schande, sich im Unglück von den Kampfgenossen zu trennen, ich würde zusammenraffen, was ich...
habe und entweder auswandern oder mir in irgendeinem
friedlichen Tale des südlichen Deutschlands eine Mühle
oder dergl. kaufen und nie wieder in die Welt zurückkehren... (4. 10. 48)
Liebe Jenny,... Wien ist prächtig, herrlich, die liebenswürdigste Stadt, die ich je gesehen; dabei revolutionär in
Fleisch und Blut. Die Leute treiben die Revolution gemütlich, aber gründlich... Wenn Wien nicht siegt, so bleibt
nach der Stimmung nur ein Schutt- und Leichenhaufen
17
übrig, unter welchem (ich mich) mit freudigem Stolze begraben lassen würde... (17. 10. 48)
Liebe Jenny,... Ich habe am Samstag noch einen sehr
heißen Tag erlebt, eine Streifkugel hat mich sogar unmittelbar am Herzen getroffen, aber nur den Rock verletzt.
Wien kapituliert eben... (30. 10. 48)
Meine liebe Jenny! (Ich) werde unfreiwillig hier zurückgehalten, bin verhaftet. Denke Dir indessen nichts Schreckliches, ich bin in Gesellschaft Fröbels und wir werden
sehr gut behandelt... (6. 11. 48)
Zit in: Ludwig Bergsträsser: Das Frankfurter Parlament in Briefen
und Tagebüchern, Societäts-Druckerei, Abteilung Buchverlag,
Frankfurt a. M. 1929, S. 380 ff.
Wien, 9. November 1848.
Mein teures, gutes, liebes Weib, lebe wohl, wohl für die
Zeit, die man ewig nennt, die es aber nicht sein wird. Erziehe unsre – jetzt Deine Kinder zu edlen Menschen, dann
werden sie ihrem Vater nimmer Schande machen. Unser
kleines Vermögen verkaufe mit Hilfe unserer Freunde.
Gott und gute Menschen werden Euch ja helfen. Alles,
was ich empfinde, rinnt in Tränen dahin, daher nochmals;
lebwohl, teures Weib!
Betrachte unsere Kinder als teures Vermächtnis, mit dem
Du wuchern mußt, und ehre so Deinen treuen Gatten.
Leb wohl, leb wohl! Tausend, tausend, die letzten Küsse
von Deinem Robert.
Zit in: Schmidt, Robert Blum, S. 254; © Verlag Hermann Böhlaus
Nachfolger, Weimar
M6
Robert Blums letzte Stunde
»Aus jedem meiner Blutstropfen wird ein Märtyrer der
Freiheit erstehen«
Am unteren Bildrand
steht: »Druck und Verlag v. Ed. Gust May
in Frankfurt a. M.«
Bild in: Erinnerungsstätte für Freiheitsbewegungen in der deutschen Geschichte,
Rastatt, Katalog Nr. 535
M7
Aus einem Tagebuch
den 9. November.
Ich erfuhr noch die näheren Umstände vom Tode Robert
Blums... Heute Morgen 5 Uhr wurde ihm das Todesurtheil
verkündet.
Er sagte ruhig: es trifft mich nicht unerwartet. Der Geistliche vom Schottenthore, zu dessen Sprengel das Gefängniß Robert Blums gehörte, kam, um ihm die Beichte abzunehmen. Blum sagte, daß er nicht beichte, und der
Geistliche sagte: er habe das gewußt...
Mit drei Jägern und einem Offizier wurde er nach der Brigittenau geführt. Als er nach dem Richtplatze ging, stand
er mehrmals still und holte tief Athem. Er bat, daß man
ihm die Augen nicht verbinde. Der Offizier erwiderte: diesem könne nicht willfahren werden, es geschehe der
Soldaten wegen, und Blum band sich selbst das Tuch um
die Augen.... Von drei Kugeln getroffen, sank Blum nieder.
Die eine traf in die Stirne, die anderen in die Brust. Sein
letztes Wort war: »aus jedem Blutstropfen von mir wird
ein Freiheitsmärtyrer erstehen.« Und das Wort wird Wahrheit werden... Wo wird das enden? Welchen entsetzlichen
Gräueln sehen wir entgegen!...
Wo solche Dinge geschehen, da ist alles Wort verloren,
das gesprochene und das geschriebene.
Als ich das Josephinum verließ, kam eben ein Trupp Soldaten..., die trugen eine Bahre… drinnen lag wieder ein
Mann, den sie mit raschem Blei kalt gemacht. Wer mag
das sein? Wessen Herz hat aufgehört zu schlagen? Ich
konnte die Soldaten nicht fragen, denn zitternden Herzens wußte ich, sie würden antworten: N i x d e u t s c h.
Berthold Auerbach: Tagebuch aus Wien, Von Latour bis auf Windischgrätz. Breslau 1849, S. 222-227
18
Die Wiener Gegenrevolution
M8
M 11
Schwarzenberg und Windischgrätz
Fürst Felix zu Schwarzenberg (1800-1852), einer der
mächtigsten Aristokraten Böhmens. Die Fürstenfamilie,
die eine übernationale, betont »böhmische« Haltung einnimmt, deren Mitglieder zweisprachig deutsch und tschechisch erzogen werden, besitzt etwa ein Dreizehntel der
Gesamtoberfläche des Königreichs Böhmen, Immobilien
in Prag und Wien,auch Güter in Ungarn und bei Salzburg.
Ab November 1848 Ministerpräsident und Außenminister
von Gesamtösterreich.
Fürst Alfred zu Windischgrätz (1787-1862), Oberbefehlshaber aller österreichischen Truppen, ebenfalls DeutschBöhme, ist sein Schwager und ihm eng verbunden, als er
mit seiner aus Tschechen, Niederösterreichern und Kroaten (Banus Jellačić) bestehenden 70 000-Mann-Armee im
Oktober 1848 Wien einnimmt.
M9
Konkurrierende Nationalitäten im Vielvölkerstaat
Österreich
Viele Tschechen in Böhmen und Mähren wünschen
nicht, daß sich die Deutschen in »Deutsch-Österreich«,
Böhmen und Mähren einem deutschen Nationalstaat anschließen. Viele Deutsche sind nicht dafür zu gewinnen,
daß die Ungarn und die Tschechen sich zu einem unabhängigen tschechischen oder ungarischen (National-)
Staat zusammenschließen und die Deutschen in
»Deutsch-Österreich« Teil eines deutschen Nationalstaats werden. Viele Kroaten sind dagegen, daß Norditaliener und Ungarn in die staatliche Unabhängigkeit entlassen werden.
Text: R. Obenland
M 10
Allerneuestes aus Wien
Sammlung Heil, Museum und Stadtarchiv Butzbach
Schwarzenberg über Europa und Deutschland
Nicht in dem Zerreißen der (Habsburger-)Monarchie liegt
die Größe, nicht in ihrer Schwächung die Kräftigung
Deutschlands. Österreichs Fortbestand in staatlicher Einheit ist ein deutsches wie europäisches Bedürfnis. Von
dieser Überzeugung durchdrungen, sehen wir der natürlichen Entwicklung des noch nicht vollendeten Umgestaltungsprozesses entgegen. (27. 11. 1848 vor dem österreichischen Reichstag)
Zit. in: Hans Fenske (Hrsg.): Vormärz und Revolution. (FSGA, C,
Bd. 4.), Darmstadt, Wissenschaftliche Buchgesellschaft 21991,
Seite 370 (Ausz.)
Revolutionsende oder Revolutionswende
M 12
Revolutionäre und gegenrevolutionäre
Entwicklungen
Vaterlandsvereine und demokratische Vereine riefen in ihrer beispiellosen Empörung überall in Deutschland zu
Robert-Blum-Trauerfeiern auf. Die österreichische Armee
unter Windischgrätz erschien Zeitgenossen (wie z.B.
Ludwig Bamberger in Mainz) als »eine aus wilden Völkerschaften zusammengesetzte Barbarenhorde«, als »der
plumpste Ausdruck brutaler Gewalt, welche den Geist
überwältigt«. Jellačić wurde mit »Dschingis-Khan« gleichgesetzt.
Republikanisches Gedankengut verbreitete sich zunehmend. Eine 1849 in der Pfalz und in Baden (Rastatt)
kämpfende Truppe nannte sich demonstrativ »RobertBlum-Legion«. Spendenaktionen in ganz Deutschland zugunsten der Familie Blum erbrachten bis zum 30. 12.
1848 über 11 000 Gulden, so daß Jenny Blum ihren Kindern in der Schweiz eine vorzügliche Ausbildung zukommen lassen konnte. Der 9. November wurde in den Jahren nach 1848 trotz Verbots oft mit Blum-Feiern (selbst im Ausland) verbunden. Wenn jemand erschöpft war, konnte er sagen, er sei
»tot wie Robert Blum«.
Die Nationalversammlung in Frankfurt ließ
der österreichischen Regierung mitteilen,
daß die »Erschießung Blums mit höchster
Erregung und Entrüstung in ganz Deutschland aufgenommen sei, und zwar nicht nur
von der politischen Partei des Getöteten,
sondern von allen Seiten«. Und sie forderten
Sühne für die Erschießung Blums.
In Österreich wurde jedoch niemand wegen
der Ermordung von Blum bestraft. Vielmehr
forderte die Regierung Schwarzenberg nun
offen die Rückkehr zum Deutschen Bund
und plante, notfalls eine von den Regierungen der Einzelstaaten angenommene Verfassung zu oktroyieren und gegen die Paulskirchenversammlung militärisch zusammen mit
Preußen vorzugehen. Unterstützt wurde diese Politik von Frankreich, Rußland und wohl
auch England.
Text: R. Obenland
19
IV. »Für eine europäische
Republik: Georg und Emma
Herwegh 1848«
1. Erläuterungen
Als eine Episode am Rande großer politischer Ereignisse
wird in historischen Darstellungen meist der Zug der
deutschen Demokraten von Paris nach Südbaden im
April 1848 behandelt. Hier werden die Motive, Zielvorstellungen und Irrtümer der deutschen demokratischen Legion dargestellt. Im Mittelpunkt stehen Georg und Emma
Herwegh, die ihrem Ziel der europäischen Republik
über 1848 und 1871 hinaus treu blieben.
Ein Besuch in Berlin im Jahre 1842 wurde für den jungen
Erfolgsautor Georg Herwegh zur entscheidenden Wende.
Hier begegnete er seiner künftigen Frau Emma Siegmund, der Tochter eines reichen Kaufmanns, die er ein
Jahr später in der Schweiz heiratete. Das zweite Erlebnis
war eine Audienz, zu der ihn König Friedrich Wilhelm IV.
geladen hatte. Diese blieb zwar ergebnislos, diskreditierte den Dichter aber bei manchen Gesinnungsgenossen
und trieb ihn, der schon mit seinem Erstlingswerk
‘Gedichte eines Lebendigen’ (Winterthur 1841) scharfe
Kritik an den politischen Zuständen des vormärzlichen
Deutschland geübt hatte, in radikalere Bahnen:
»Dein war das Amt, der Freiheit Ring, den engen,
Mit Meisterschlägen friedlich zu erweitern –
Du hast’s verschmäht! Nun gilt es, ihn zu sprengen.« (138),1
schreibt er unter dem beziehungsreichen Titel ‘Auch das
gehört dem König’.
Der Augenblick, das Wort zur Tat werden zu lassen, kam
erst im Februar 1848, den Herwegh in Paris, damals Zentrum der Emigranten, erlebte. Die deutschen Exildemokraten, von denen manche auf den Pariser Barrikaden mitgekämpft hatten, wählten ihn am 19. März zum Präsidenten ihres Zentralkomitees. M 2 ruft die Pariser Barrikadenkämpfer auf, ihre Waffen den Deutschen zu leihen, damit diese auch in Deutschland die Republik erkämpfen
könnten. Der Appell scheint wenig Resonanz hervorgerufen zu haben; in ihrer ersten Unterredung mit Hecker beklagte Emma Herwegh den Mangel an Waffen und das
Ausbleiben versprochener Lieferungen. Herweghs Behauptung, die Legion sei ein »wohlgerüstetes Hilfskorps«
M 5 , ist also irreführend. Seine Adresse an das französische Volk M 3 verkündet sein politisches Programm – die
demokratische europäische Republik unter der Patenschaft Frankreichs. Eine zu intensive Hilfe der II. Republik
wird allerdings in diplomatischer Verklausulierung abgelehnt – sollte Herwegh bereits ahnen, welchen Vorurteilen
die deutschen Emigranten begegnen würden?
In die konkreten Planungen führt M 4 . Die militärischen
Operationen, die mit denen Johann Philipp Beckers und
seiner ‘Deutschen Legion aus der Schweiz’ koordiniert
werden sollten, wurden von Anfang an bespitzelt und von
seiten der deutschen Regierungen mit Aufmarschbewegungen im Grenzgebiet beantwortet. Eine geschickte Propaganda suggerierte, daß ein französischer Einmarsch
drohe, was bei der Bevölkerung am 25./26. März eine kollektive Panik auslöste. M 5 gibt Herweghs Versuch wieder, das verlorene Terrain der öffentlichen Meinung zu-
rückzugewinnen. Nicht nur bei den Konstitutionellen der
Paulskirche (s. M 10 ), sondern sogar bei Hecker scheint
die Propaganda gegen das Herweghsche Unternehmen
verfangen zu haben. Emma Herwegh schildert ihre verzweifelten, unter großen Strapazen unternommenen Versuche, mit Hecker zu einer Absprache über ein gemeinsames Vorgehen zu kommen. Von Straßburg aus suchte sie
ihn am 15. April in Engen, am 19., am Vorabend des Gefechts auf der Scheideck, in Kandern auf (s. M 7 ). Die
Vereinigung der Freischaren blieb aus, die Wandlung vom
Dandy zum revolutionären Freiheitskämpfer (Vergleich
M 1 und M 6 ) war vergebens. Als die Herweghsche
Schar, von etwa 1500 auf weniger als die Hälfte geschrumpft, bei Kleinkems am 21./22. April endlich deutschen Boden erreichte, war das entscheidende Gefecht
bei Kandern bereits geschlagen und für die republikanische Sache verloren. Mehr aus Zufall kam es bei Dossenbach doch noch zum Kampf. M 8 schildert das Gefecht
aus der Sicht des Gegners und läßt die militärische Inkompetenz der Revolutionäre erkennen.
Nicht nur Herweghs Rolle als aktiver Revolutionär war damit ausgespielt, es folgte der Rufmord am Dichter Herwegh. Die unter Lebensgefahr gelungene Flucht in die
Schweiz wurde von seinen Gegnern zur feigen Desertion
unter dem Spritzleder einer von Emma Herwegh gelenkten Kutsche umgeschrieben. »In keinem Ehrenkodex
steht, daß Revolutionsführer sich gefangennehmen lassen müßten, um die Erschießung hinzunehmen.«, urteilt
dagegen ein unvoreingenommener Historiker, Veit Valentin.2 Herwegh war nach dem Scheitern des Zuges politisch kaltgestellt. Die Debatten der Paulskirche um die
Verfassung des Deutschen Reiches verfolgte er aus der
Ferne in ohnmächtigem Zorn mit bissigen Kommentaren
M 11 – die Legende vom schwatzenden Professorenparlament, von der Rechten wie von der Linken mit Eifer gepflegt, hat auch er mitgeschaffen; seine Verse sind entsprechend kritisch zu lesen.
1866 kehrte er nach Deutschland zurück, verweigerte
sich aber konsequent den gängigen Anpassungsmustern
vieler 48er. Vor allem die Reichsgründung von 1870/71
fand keine Gnade in seinen Augen: »Dies ‘neue Deutschland’ bleib mir fern/Und zähle mich zu seinen Toten« (266)
schrieb er schon vor dem Krieg von 1870. Eine politische
Heimat fand der Dichter in der Arbeiterbewegung, die ihm
das berühmte Bundeslied verdankt: »Alle Räder stehen
still, wenn dein starker Arm es will.« (233)
Anmerkungen
1
Die Seitenzahlen der Zitate beziehen sich auf: Herweghs Werke in einem
Band. Ausgewählt und eingeleitet von Hans-Georg Werner. Bibliothek
deutscher Klassiker. Berlin und Weimar (Aufbau-Verlag) 1980.
2
Veit Valentin: Geschichte der deutschen Revolution 1848–1849,
Bd. 1, Ndr. Köln-Berlin (Kiepenheuer & Witsch) 1977, S. 500f.
Überlegungen zu den Materialien:
1) Welche Bedeutung hat die französische Februarrevolution von
1848 für die deutsche Märzrevolution? M 2 und M 3
2) Wie stellt sich Herwegh die Verwirklichung seiner Ziele vor?
M 4 und M 5
3) Welchen Vorurteilen begegnen die deutschen Exildemokraten? M 5 , M 11
4) Wie erklärt sich Heckers Zurückhaltung gegenüber Herwegh?
M 7 , vgl. M 5
5) Wie sind die militärischen Chancen der Deutschen Legion zu
beurteilen? M 8 , M 9
20
2. Materialien
M2
Aufruf an die siegreichen französischen Republikaner, ihre Waffen den Exildeutschen zu leihen
»Es lebe Frankreich, unsere Schwester für das Leben und den Tod!«
Aus: F. X. Vollmer: Der Traum von der Freiheit. Stuttgart 1983, S. 96; © Theiss Verlag
Dichtermuseum/Herwegh Archiv, Liestal
Georg Herwegh und Emma Siegmund 1842/43
Heinrich-Heine-Institut, Düsseldorf
M1
21
M3
Adresse Herweghs 6. 3. 1848
An das französische Volk!
Der Sieg der Demokratie für ganz Europa ist entschieden:
Gruß und Dank vor allem Dir, französisches Volk! In drei
großen Tagen hast Du mit der alten Zeit gebrochen und
das Banner der neuen aufgepflanzt für alle Völker der
Erde. [...]
Französisches Volk, wir gehen Hand in Hand mit dir. [...]
Erhalte allen deinen Kindern, was sie alle erkämpften, und
die einzige Hilfe, welche wir von dir begehren, ist, daß du
standhaft bleibst und uns zujauchzest, wenn wir von den
Zinnen des von deutschen Händen eroberten Deutschlands dir zurufen:
Es lebe die Freiheit, die Gleichheit, die Bruderliebe! Es
lebe die Demokratie! Es lebe die europäische Republik!
[...]
Briefe von und an Georg Herwegh, hrsg. von Marcel Herwegh.
Verlag Albert Langen, Paris-Leipzig-München 1896, S. 133–135
M4
Brief Herweghs an Hecker, 15. 3. 1848:
Paris, 15. März 1848.
Die hiesigen Deutschen fangen an, sich zu organisieren
und zu bewaffnen, und es ist Hoffnung vorhanden, in kurzer Zeit ein Korps von 4–5000 Mann eingeübt und mit Offizieren versehen zur Disposition Deutschlands bereit zu
haben, welches auf das erste Signal von draußen, daß die
Hilfe einer disziplinierten deutschen Armee nötig oder gewünscht wird, an den bezeichneten Ort marschiert. [...]
Die Stimmung unter den hiesigen Deutschen ist sehr kriegerisch, und sobald ein erstes Korps wirklich abmarschiert wäre, würden tausende und vielleicht zehntausende organisiert und diszipliniert (um im Fall der Not auch
Linientruppen Stand halten zu können) folgen.
Köln, Frankfurt und das Großherzogtum Baden sind die
Punkte, auf die sie ihr Hauptaugenmerk richten [...]
Auf die Hilfe der Deutschen in Paris ist jeden Augenblick
zu rechnen, und man würde unrecht thun, sie zu verachten, da viele von ihnen in den drei großen Tagen mitgefochten und alle gesehen haben, wie man eine Revolution
macht, und was ein Volk vermag.
Georg Herwegh.
Briefe von und an Georg Herwegh,
S. 115–117
M5
Aufruf Herweghs aus Straßburg,
15. 4. 1848
Die Pariser deutsche demokratische
Legion.
An unsere deutschen Mitkämpfer aus
Frankreich und der Schweiz und an das
deutsche Volk.
Die Pariser deutsche demokratische
Legion ist an den Ufern des Rheins angekommen; sie hat hier deutsche Freiheits-Legionen aus anderen Städten
Frankreichs und der Schweiz gefunden,
alle gekommen, um für die Freiheit des deutschen Volkes
zu fechten. Ehe wir vereint zur ersten entscheidenden Tat
schreiten, sei ein offenes Wort an unsere Freunde und
Mitkämpfer und an das ganze deutsche Volk gesprochen.
Wir sind keine Freischaaren!
Wir sind deutsche Demokraten, wollen Alles für das Volk,
Alles durch das Volk! – Wir wollen die deutsche Republik
mit dem Völker verbindenden Wahlspruche: Freiheit!
Gleichheit! Bruderliebe!
Wir sind keine Freischaaren!
Wir sind ein wohlgerüstetes Hilfskorps im Dienste des
deutschen Volkes, bereit für Deutschlands Freiheit und
Größe zu fechten bis auf den letzten Mann, gegen innere
und äußere Feinde. [...]
Deutsche Brüder in der Heimat! Eure Brüder aus der
Fremde, aus der Verbannung nahen, empfangt sie als
Freunde! Wir gedachten niemals als Feinde auf deutschen Boden zu treten, niemals euch die Freiheit aufzudringen, niemals euren freien Willen zu beschränken,
noch Euer Eigentum anzutasten. [...]
Wir erklären euch aber auch zugleich, daß wir ungerufen
nicht kommen, daß es ferne von uns liegt, gewaltsam in
Deutschland einzudringen, und daß, falls ihr unglücklicherweise Deutschland für die vollständigste Staatsform
der Freiheit: die Republik, noch nicht reif wähnt, wir weit
entfernt sind, Euch unsere Überzeugung aufzudringen,
oder Euch zwingen, freie Republikaner zu werden, wenn
Ihr Unterthanen bleiben wollt.
Wir werden dann dem neu erwachenden Polen zu Hilfe
eilen, gegen Rußland kämpfen oder für Schleswig-Holsteins deutsche Rechte in den Kampf ziehen [...]
Gruß und Bruderschaft!
Im Namen der deutschen demokratischen Legion von
Paris, das Comité, Georg Herwegh.
Briefe von und an Georg Herwegh, S. 153 ff.
M6
Georg und Emma Herwegh als Freiheitskämpfer
Historisches Museum der Stadt Hanau, Schloß PhilippsruheHanauer Geschichtsverein
22
M 6a
Der Zug der Deutschen
Legion durch Südbaden
Aus: Vollmer, Der Traum von der Freiheit,
S. 126; © Theiss, Stuttgart
M7
Emma Herwegh über ihren zweiten Besuch bei
Hecker, Kandern, 19. 4. 1848:
Unser Wagen wurde angehalten, und erst nach genauer
Inspektion, unter bewaffneter Begleitung ins Hauptquartier geführt. Dies war die Nacht vor dem Gefecht, in dem
Gagern fiel. Als mich Hecker aussteigen sah, rief er aus:
Sie sind’s, Frau Herwegh? Na, Sie kommen grad recht,
wir sitzen in der Mausfalle.
Wie das?
Von allen Seiten zieht sich das Militär zusammen, das
wird einen heißen Kampf geben. [...]
Endlich nahm ich ihn einen Augenblick beiseite und sagte ihm: Der einzige Grund, weshalb ich Sie zum zweiten
Male aufsuche, ist, um Sie nochmals in Herweghs Namen
an Ihr gegebenes Wort zu erinnern, und Sie aufzufordern,
ihm unverzüglich den Vereinigungspunkt zu bestimmen.
Ehe mir diese Antwort nicht geworden, kehre ich nicht
heim. [...] Unsere Mannschaft ist der ewigen Vertröstungen von einem Tage zum andern müde, und nicht mehr zu
halten, und die materiellen Mittel sind erschöpft. Es bleiben uns jetzt nur drei Wege, entweder zu verhungern,
auseinandergehen, oder uns Ihnen in kürzester Frist anzuschließen. Darum bitte ich um eine entschiedene Antwort. [...] So sagen Sie Herwegh, rufen könne ich ihn
nicht, aber wenn er kommen wolle, und recht bald und in
recht großer Anzahl, soll’s mir lieb sein. [...]
So sehr mir Hecker gefiel, so wenig behagte mir sein Bescheid, und ich ließ deshalb meinen Unmut an dem Ersten aus, der mir in den Weg trat. Es war M. [Mögling].
Wollt ihr wirklich nichts als eine badische Republik, sagt
ich ihm, so mögt ihr uns getrost ausschließen, denn welcher Mensch kann sich heutiges Tags dafür interessieren.
Wollt ihr aber die Republik für ganz Deutschland, womöglich für ganz Europa, und betrachtet, wie wir dies stets
von Hecker vorausgesetzt, die badische nur als einen Anfang derselben, mit welchem Recht zögert ihr da, die Mitwirkung Euerer Brüder und darunter Euerer besten Brüder laut zu begehren?
F Zur Geschichte der deutschen demokratischen Legion aus
Paris. Von einer Hochverräterin. In: Briefe von und an Georg
Herwegh, S. 175f.
M8
Kämpfe auf Indianerweise im Hotzenwald
Bericht des württembergischen Hauptmanns Lipp über
das Gefecht bei Dossenbach, 27. 4. 1848:
Die auf einer freien Stelle zwischen den Waldungen gelagerte Legion griff zu den Waffen. Die deutschen Banner
wurden unter dem Kommandoruf »aux armes! aux armes!« entfaltet. Ohne sich zu ordnen, und ohne ein weiteres Kommando abzuwarten, stürzte ein Schwarm mit wütendem Geschrei aus dem Walde, die Patrouille (der
Württemberger) mit einem Hagel von Kugeln begrüßend
[...] Das Feuer der Legion blieb unerwidert, bis sie in
schußgerechter Nähe gelangt war. Die Salve hatte Erfolg;
Verwundete stürzten nieder und wurden dem Walde zugetragen, wo die Legion die Ambulance errichtet hatte
[...] Mit Ausnahme des Bataillons Schimmelpenning hatten
die sogenannten Bataillone keine taktische Gliederung
und rückten auf Indianerweise in ungeregelten Haufen
vor, deckenden Terrainfalten nachziehend; ihre Schützen
schwärmten in einem großen Bogen voran von Stellung
zu Stellung, gedeckt durch die Obstbäume [...] Alles
schrie, jeder wollte kommandieren und vermehrte das
Durcheinander, so daß trotz dem Mute, der viele der Legion beseelte, die innere Verbindung und Leitung abhandenkam, und ein lähmendes Mißtrauen in die eigene Kraft
sie um die letzte energische Anwendung derselben im
entscheidenden Augenblick brachte.
Darin stimmten übrigens ihre Schlachthaufen überein,
daß sie zur Vermehrung solcher Unordnung ein Schlachtgeschrei anhuben, das kaum vom Knalle der Geschosse
übertönt wurde. [...]
Friedrich Lautenschlager (Hrsg.): Volksstaat und Einherrschaft.
Dokumente aus der badischen Revolution. Konstanz 1920,
Verlag Reuß und Itta, S. 137–143
23
M9
Hauptmann Lipp
im Gefecht mit
Reinhard Schimmelpenning
(bei Dossenbach,
April 1848)
Vorlage und Aufnahme: Generallandesarchiv Karlsruhe
M 10
Die Behandlung des »Falles Herwegh« in der
Paulskirche (im Rahmen der Amnestiedebatte
über Hecker), 7. – 11. 8. 1848:
Brentano von Bruchsal:
Es scheint, als habe man von Seiten der Reaction es gewünscht, daß irgend eine Emeute [Aufruhr] zu Stande
käme, um die Zügel straffer und stärker anziehen zu können. Freilich, wenn dieses die Absicht gewesen sein sollte, so hat der Erfolg die kühnsten Erwartungen der Reaction übertroffen. [...]
Man hat absichtlich vorher verbreitet, es wollten fremde
Zuzüger den Rhein überschreiten. Man hat unsere deutschen Brüder, welche in Frankreich lebten, und nach der
Heimath zurückkehren wollten, fremde Zuzüger genannt,
und hat ein Zetergeschrei erhoben, als man die Truppen,
die aus den Bundesstaaten kamen, gegenüber den badischen Truppen, fremde nannte; und noch heute sehe ich
mit tiefem Schmerze in dem Ausschuß-Berichte unsere
deutschen Brüder, welche aus Frankreich herüber gekommen sind, als Fremde bezeichnet. [...]
Welcker von Frankfurt:
[...] Diese Männer [Struve und Fickler] sind zu mir gekommen, als ich einen Herwegh’schen Brief in der Hand hatte, worin er den deutschen Republikanern eine Hilfe von
100 000 Franzosen versprach, wenn es Noth thue. – Ich
habe gesagt, der letzte Straßenkehrer in Paris würde
erröthen, an einem Unternehmen Theil zu nehmen, welches den Landes-Verrath auf der Stirne trägt.
F Stenographischer Bericht über die Verhandlungen der Deutschen Constituirenden Nationalversammlung zu Frankfurt am
Main. Hrsg. von Franz Wigard. Bd. 2 Ndr. München 1988, Sp.
1437, 1453
M 11
Herweghs Meinung von der Nationalversammlung in der Paulskirche
[...]
Zu Frankfurt an dem Main –
Die Wäsche wird nicht rein;
Sie bürsten, und sie bürsten,
Die Fürsten bleiben Fürsten,
Die Mohren bleiben Mohren
Trotz aller Professoren
Im Parla – Parla – Parlament
Das Reden nimmt kein End!
Zu Frankfurt an dem Main –
So schlag der Teufel drein!
Es steht die Welt in Flammen,
Sie schwatzen noch zusammen,
Wie lange soll das dauern?
Dem König Schach, ihr Bauern!
Dein Parla – Parla – Parlament,
O Volk, mach ihm ein End!
Herweghs Werke in einem Band. Ausgewählt und eingeleitet von
Hans-Georg Werner. Bibliothek deutscher Klassiker. Aufbau-Verlag, Berlin und Weimar 1980, S. 163f.
24
V. »Den Drachen Revolution töten« –
Prinz Wilhelm von Preußen.
Berlin – London – Karlsruhe:
Ein Gegenrevolutionär unterwegs
1. Erläuterungen
Zeit seines Lebens setzte sich Prinz Wilhelm von
Preußen, der spätere Kaiser Wilhelm I., für den Erhalt einer dominanten Stellung des Monarchen gegenüber dem
Parlament, gestützt auf eine starke Armee, ein. Mit seiner
Person ist die Ablehnung des westeuropäischen Typs einer parlamentarischen Monarchie aufs engste verbunden.
Im März 1848 wurde er vorübergehend nach London geschickt, weil er in Preußen als Scharfmacher (»Kartätschenprinz«1) untragbar geworden war. Im Juni 1848 nach
Preußen zurückgekehrt, wirkte er aktiv auf den Sieg der
Gegenrevolution hin. Im Juni 1849 übernahm Prinz Wilhelm den Oberbefehl bei der Niederwerfung des badischpfälzischen Aufstandes. Er sah darin einen Kampf gegen
»Hochverräter« und eine gottgewollte Pflichterfüllung.
Die folgenden Erläuterungen zu den Abbildungen bedürfen keiner erklärenden Einbettung in den Gesamtzusammenhang der Vorgänge von 1848/49. Diese leistet die
Zeittafel M 3 , die eigens auf die Abbildungen abgestimmte Schwerpunkte setzt und zugleich selbständiges
Erschließen der Revolutionsgeschichte anregen soll. Im
übrigen eignen sich alle Materialien für ein fächerverbindendes Arbeiten in Geschichte, Deutsch und Bildender
Kunst.
Die Karikatur M 1 lebt von der Schadenfreude der Betrachter über die Fallhöhe der gestürzten Schlüsselfiguren der Reaktion, die nun, gleichsam im Niemandsland
befindlich, sich mit Attributen umgeben, die gemessen an
ihrer bisherigen politischen Bedeutung lächerlich wirken.
Auf die frühere politische Schlüsselstellung der drei Exilierten verweist der Text unter dem Bild: »Sonst spielt ich
mit Zepter mit Krone und Stern! Altes Lied, vielstimmig
eingerichtet und zum beliebigen Gebrauch gewidmet den
Allerhöchsten Herrschaften von N.N.« Die Exilierten werden jeweils mit für sie Typischem charakterisiert:
– Louis Philippe, genannt »die Birne«, durch seine
großbürgerliche Kleidung als Bürgerkönig;
– Prinz Wilhelm durch Uniform und anonymisierende
Rückenansicht als Militär schlechthin;
– Metternich – durch seinen Habitus als Grandseigneur –
als Vertreter des untergehenden aristokratischen Zeitalters.
Einen Hinweis auf die politischen Vorstellungen der Exilierten geben die Gegenstände, die sich als ihr Einsatz im
(politischen) Spiel eignen würden: Louis Philippe könnte
vorschweben, die Stellung der alten Mächte durch materielle Zuwendungen an das Großbürgertum wieder zu
festigen (vgl. Geld und Handelsmann). Wilhelm, der Kar-
tätschenprinz, würde es gewaltsam mit Waffen versuchen, seinem liebsten ‘Spielzeug’. Für Metternich, der
sich mit Sektflaschen und diplomatischen Schriftstücken
umgeben hat, läge es nahe, seine internationalen Beziehungen sowie seine Familienverbindungen (vgl. die auf
die Güter der Metternichs im Rheingau weisende Sektflaschen-Aufschrift »Johannisberger«), zu nutzen, um der
Gegenrevolution zum Sieg zu verhelfen. Die Überschrift
der Karikatur »Eine Whistgesellschaft! Vorerst nur ein
Tisch mit einem Strohmann.« bezieht sich auf die WhistSpielregeln2. Es entsteht der Eindruck des gehobenen
Nichtstuns.
Von der Erschütterung des Prinzen (»Ich bin wie vernichtet! Gar keine Aussicht in die Zukunft!«, Brief nach Petersburg an seine Schwester, zit. n. Börner, Kaiser Wilhelm, S. 80) und seiner momentanen Offenheit für den
Fortschritt (»Erkennt das Rechte, und tut das Rechte zur
rechten Zeit, damit es Euch nicht wie uns und Österreich
geht;...«, zit. n. ebenda) weiß die Karikatur nichts, ebensowenig davon, daß er sich opportunistisch auf den Konstitutionalismus einließ M 2 .
Der Sprachgebrauch in M 2 verrät die Grundhaltung des
Prinzen: Gleichstellung der Armee mit ganz Preußen (Z.
12 ff.); Ehrbegriffe und Selbstverständnis der Offiziere
(Wahl der Adverbien und Adjektive, Z. 19 ff.); strikte Abgrenzung des regulären Militärs von Verbänden wie z.B.
einem Volksheer der Revolution, verbunden mit Abwertung (Z. 27 ff.); Selbstverständnis des Prinzen als Militär
(Z. 38 ff.); Pathos der Grußformel (Z. 44).
In M 4 wird einem bürgerlich gekleideten Herrn (Gehrock, Zylinder) ein schlecht gekleideter Straßenverkäufer
gegenübergestellt, dessen Umhängetasche ihn ins Kleineleute-Milieu der Zeitungsverkäufer verweist. Beide tragen die revolutionäre Kokarde und sympathisieren demzufolge trotz ihrer unterschiedlichen sozialen Stellung mit
der Revolution. Der Straßenverkäufer will daher den Prinzen zum niedrigsten Preis loswerden, der Bürger ihn
trotzdem nicht kaufen (»Kofen Sie – ganz billig – der Prinz
von Preussen – Ganz billig. 6 Dreier« »Ne Junge – nich für
umsonst.«). Zur Mißliebigkeit des Prinzen in Berlin, wohin
die Sprachform des Textes verweist, vgl. M 3 und das
Lied des Bilderbogens M 5/2 , das ausdrücklich zwischen
Berlin und hohenzollernfreundlicher Provinz unterscheidet.
Bild und Text des Neuruppiner Bilderbogens M 5/1 und
M 5/2 sind Zeugnisse der wieder erstarkenden Gegenrevolution und sollten als Einheit betrachtet werden – auch
wenn Verleger und Drucker Gustav Kühn nur den letzten
25
Abschnitt und das Lied verfaßt hat. Das übrige – ein Augenzeugenbericht – stammt aus der Spenerschen Zeitung vom 9. Juni 1848. Mit sicherem Gespür für die Neugier seines Publikums schildert Kühn – im Frühjahr 1848
hatte er prorevolutionäre Blätter hergestellt! – den Einzug
des Prinzen Wilhelm anläßlich seiner Rückkehr aus dem
Exil in England. Die das Bild beherrschende Ehrenpforte,
der Blumenschmuck und die Fahnen – neben preußischen auch schwarz-rot-goldene als Zugeständnis an die
noch andauernde Revolution – sowie das Vivat der Umstehenden sind Elemente einer Begrüßungsfeier für einen
geschätzten Landesherrn oder siegreichen Feldherrn.
Nichts erinnert daran, daß derselbe Mann knapp drei Monate zuvor die revolutionären Berliner hatte zusammenschießen lassen wollen und vor deren Wut hatte fliehen
müssen. Im Provinzort Nowawes, auch wenn es nahe
der Hauptstadt liegt, sind alle Bewohner treu dem Herrscherhaus ergeben. Die Honoratioren stellen die Begrüßungsdeputation (rechts im Bild). Lehrer und Dorfpfarrer kümmern sich um den Chor der Schulkinder (links
im Bild).
Im Text fällt obrigkeitsstaatlicher Untertanengeist auf: der
Opportunismus, der sich im Gegensatz zum Serienuntertitel »Europäische Freiheitskämpfe« und zu der Formulierung des Bildtitels samt Untertitel ausdrückt; die Wortwahl des Verschleierns und Vertuschens: ‘Reise nach
London’ statt Exil in London, ‘Sturm der früheren Tage’
statt Streit um die Rückberufung; die Umkehrung der Bewertung: Der Prinz erscheint als verleumdet und verkannt; Liedtext: Der Prinz wird im Lied mit preußischem
Hurra-Patriotismus umgeben, der Tod für das Vaterland
makaber popularisiert.
Zu M 6 : Der Karikaturist spielt mit Versatzstücken des
Herrscherbildes, an die man seit dem frühen Mittelalter
gewohnt ist. Indessen verkehrt er in seinem Bild von
Preußens König – hintergründig auch des Thronfolgers –
alles vom Positiven ins Negative:
– Friedrich Wilhelm IV. lümmelt in menschenverachtender
Haltung (er tritt die toten Opfer der Gegenrevolution mit
Füßen) auf einem Kanonenthron.
– Die Halbmaske macht den Vorgang noch unheimlicher.
– Die Knute in seiner Hand verweist auf die Gewaltherrschaft im zaristischen Rußland. Die von Preußen drohende Unterdrückung wird als wesensgleich angeprangert.
– Der Thronbaldachin besteht aus einem Galgen, an dem
zwei Hingerichtete hängen.
– Die Stützen des Thrones bilden das Militär in der Gestalt des Prinzen Wilhelm und der Henker, der am Beil,
den Handschellen und den Kerkerschlüsseln zu erkennen ist: Hinweis auf die Todesurteile (vgl. Badischer
Aufstand).
– Das Staatssymbol über dem Baldachin besteht aus
Skelett-Teilen, die für einen Doppeladler als Zeichen
der preußisch-deutschen Kaiserwürde im geeinten
Deutschland stehen.
– Den Hintergrund bilden Bajonette.
– Die Froschperspektive erhöht den bedrohlichen Eindruck.
– Die in Herrscherbildern übliche Überhöhung wird durch
Rauchwolken des ausgetretenen Revolutionsfeuers erreicht.
– Die Darstellung der unterworfenen Gegner, auf die der
Sieger seinen Fuß setzt, ist ein seit der Antike traditionelles Motiv. Die Unterworfenen sind aber nicht wie üblich lebendig dargestellt, sondern als tote Opfer der Gegenrevolution. Die Menschenrechte werden mit Füßen
getreten (vgl. den Literaten, der noch die Feder in der
Hand hält, d.h. Knebelung der Presse).
– Gestürzte antike Säulen erinnern an die griechischen
Ideale der Freiheit, und ausgetretene Feuerbrände symbolisieren die Niederlage der Revolution sowie die erneute Unterdrückung.
Die Karikatur will anklagen und zugleich warnen, wie es
um Deutschlands Zukunft bestellt sein würde, wenn
Preußen die Führung tatsächlich übernimmt. Die Maßnahmen z.B. bei der Niederwerfung des Badischen Aufstandes schienen diese Befürchtungen zu bestätigen und
zu bekräftigen.
Die den Prinzen verherrlichende Darstellung M 7 ist ein
Zeugnis für das Selbstverständnis der siegreichen Gegenrevolution – Ausdruck des harten und konsequenten
Vorgehens gegen die revolutionäre Bewegung. Am 19.
Juni 1848 verhängte Prinz Wilhelm den Kriegszustand
über Baden. Damit verfielen alle, die weiterhin Widerstand leisteten, als Hochverräter dem Kriegsgericht. Dadurch legitimierte er das harte Durchgreifen. In zeitgenössischen Bildern spiegelt sich diese Einstellung in der Figur des Drachentöters. Das pathosgeladene Bild ist die
graphische Umsetzung einer Motivik, die aus der Tradition der Reiterstandbilder kommt: Der Prinz als der dem
Sieg entgegenstürmende Feldherr auf vorwärtssprengendem Pferd. Die Truppe verschwindet hinter der Hauptperson des Prinzen in einer dichten Staubwolke. Der zu Boden Gestürzte wird durch seinen mit einer Hahnenfeder
geschmückten Hut als Freischärler ausgewiesen. Der
Reiter setzt über ihn hinweg. Dieses Motiv ist Teil einer
ebenfalls mit dem Reiterstandbild verbundenen Topik:
Zumindest seit der Kaiserzeit war es üblich, eine oder
mehrere Figuren unterworfener Gegner oder einer trauernde Allegorie der Besiegten dem Feldherrn als Ausdruck des Triumphes unter die Hufe seines Pferdes zu legen.
Anmerkungen:
1
Kartätsche: mit Bleikugeln gefülltes Artilleriegeschoß
2
Whist: aus England stammendes Kartenspiel für 4 Personen mit 52 Blättern; auch zwischen 3 Personen und einem Strohmann (dummy, vgl.
M 1 ) möglich. Vorläufer des Bridge
Überlegungen zu den Materialien:
1) Welche Eindrücke und Kontraste ergeben sich beim
Vergleich der pro- und gegenrevolutionären Bild- und
Textquellen? M 1 + M 2 , M 4 + M 5 , M 6 + M 7
2) Die Zeittafel eignet sich dazu, das Auf und Ab in der
politisch-militärischen Karriere des Prinzen Wilhelm
von Preußen zu verfolgen. In welche vier Abschnitte
läßt sie sich gliedern? M 3
3) Text und Bild – M 5/1 , M 5/2 – werben für die Hohenzollernmonarchie und verraten ein Mißverstehen der
konstitutionellen Monarchie. Der Text ist ab Z. 10 kritisch zu interpretieren. Die abschließenden Liedstrophen sind unter politischen und ethischen Fragestellungen zu hinterfragen.
26
2. Materialien
M1
Eine Whistgesellschaft
Karikatur (März/April 1848) von
Friedrich Wilhelm Storck,
© DHM Berlin
M 2 Brief des Prinzen Wilhelm
von Preußen an General von
Prittwitz, London, 21. April 1848
»An den General v. Prittwitz
Exc., Kommandierender General
des Gardekorps in Berlin. [...]
Der furchtbare Umschwung der
Verhältnisse seit wir uns nicht
sahen, kann nicht ohne Rückwirkung auf die Armee bleiben, und
Alles was Sie darüber sagen, –
leider auch mit der Zeit für das
Garde-Corps zu befürchten, ist
ganz meine Überzeugung. Ist
die Armee aber erst soweit, wie
das 8. Corps es schon ist, was
bleibt dann noch von Preußen
übrig?
Sie können und müssen stolz
darauf sein, über die Tat, wie Sie
den Kampf am 18. Und 19. führten, stolz, so herrliche Truppen geführt zu haben, und
stolz auf das Vertrauen, was Ihnen dieselben jetzt noch
beweisen! Wer solche Stunden mit seinen Truppen besteht, da ist das Vertrauen unauslöschlich. Sie haben den
Ruhm, nicht allein die Ehre und den Ruhm des GardeCorps, sondern der Armee aus der Catastrophe, die uns
betroffen hat, unbefleckt gerettet zu haben. [...] Und
ebenso ehren- und ruhmvoll ist es, daß es Ihnen gelungen
ist, bisher die Ordnung und die Zucht in Ihrer Truppe zu
erhalten, die dieselbe durchdringen muß, wenn sie nicht
zu Freischaaren zurücksinken soll. Je schwieriger diese
Aufgabe war, nach allem was dieser Truppe zugemuthet
worden ist, – im Siege abberufen zu werden, durch Wort,
That und Schrift verhöhnt zu werden! –, je höher liegt Ihr
Verdienst! Der Gedanke ist mir theuer, daß der Geist, welcher Ihnen Ihre Aufgabe möglich machte, in der Truppe
wenigstens von mir nicht unangeregt gewesen ist. Dieser
Gedanke tröstet mich in meiner Lage, bei dem Gedanken,
daß das Vergangene nicht wiederkehrt! Und daher bin ich
auch stolz, Führer einer Truppe gewesen zu sein, die solche allgemeine Anerkennung der Kriegs-Welt sich erworben hat! So nehmen Sie, von Ihrem ehemaligen Führer,
den wärmsten und aufrichtigsten Dank hin, für die Ehre,
die Sie den Truppen zu erhalten wußten, die zu führen ich
solange die Ehre das Glück hatte!!
Bis in den Tod der Ihrige! Prinz von Preußen«
Aus: Karl Ludwig von Prittwitz. Berlin 1848. Das Erinnerungswerk
des Generalleutnants Karl Ludwig von Prittwitz und andere Quellen zur Berliner Märzrevolution und zur Geschichte Preußens um
die Mitte des 19. Jahrhunderts. Bearbeitet und eingeleitet von
Gerd Heinrich. Walter de Gruyter, Berlin-New York 1985, S. 488f.
M3
Zeittafel
1848, 9. März Prinz Wilhelm wird zum Militärgouverneur des
Rheinlands und Westfalens ernannt, nachdem die Volksbewegung in den preußischen Westprovinzen bedrohliche Formen angenommen hat; seine für den 15. März geplante Abreise ins
Rheinland unterbleibt wegen der Revolution in Berlin.
1848, 13. März In Berlin geht das Militär erstmals gegen das Volk
vor; Prinz Wilhelm kritisiert die Unentschiedenheit und Ratlosigkeit der Regierung als großen Fehler und drängt auf schnelles und
brutales Zerschlagen der revolutionären Bewegung (»Kartätschenprinz«).
1848, 16. März Prinz Wilhelm flieht mit Familie in das königliche
Schloß, weil er sich durch eine Menge vor seinem Palais bedroht
fühlt, die in ihm die treibende Kraft der Gegenrevolution sieht.
1848, 18. März Friedrich Wilhelm IV. läßt gegen Mittag verkünden,
er wolle einige Forderungen der bürgerlichen Opposition erfüllen:
– Zusammentritt des Vereinigten Landtags am 2. April
– Einführung einer Konstitution
– Gewährung der Pressefreiheit
– Mitwirkung Preußens an der Schaffung eines deutschen Bundesstaats
(Das Patent ist mitunterzeichnet vom Prinzen Wilhelm als Thronfolger, der aber gleichzeitig erreicht, daß der rücksichtslose General von Prittwitz den Oberbefehl über die Truppen im Berliner
Raum erhält). Um 14 Uhr läßt Prittwitz den Schloßplatz gewaltsam räumen, daraufhin Barrikadenbau und Barrikadenkämpfe;
nach ersten militärischen Erfolgen im Straßenkampf fordert Prinz
Wilhelm, der König solle seine gerade gemachten Versprechungen wieder zurücknehmen; trotz des späteren Eingeständnisses
der militärischen Niederlage stemmt er sich weiter gegen die Bildung eines Ministeriums aus gemäßigten Konservativen und
rechten Liberalen.
27
1848, Nacht zum 19. März Viele Offiziere erkennen, daß ein Sieg
über die Barrikadenkämpfer unmöglich ist; Prinz Wilhelm ist am
Morgen des 19. dennoch gegen einen bedingungslosen Truppenabzug und schreit deshalb den König an: »Bisher habe ich wohl
gewußt, daß Du ein Schwätzer bist, aber nicht, daß Du eine Memme bist! Dir kann man mit Ehren nicht mehr dienen.« Friedrich
Wilhelm IV. verfaßt seine Proklamation »An meine lieben Berliner«.
1848, 19. März Die Truppen räumen bis auf wenige Kompanien
im Schloß die Stadt. Der König muß den toten Revolutionären die
letzte Ehre erweisen, indem er sein Haupt entblößt, als die Toten
im Schloßhof vorbeigetragen werden. Nachdem die Revolutionäre empört von Prinz Wilhelm den Thronverzicht verlangen, entschließt sich dieser auf Drängen des Königs zum Verlassen Berlins und ist sogar zum formellen Verzicht auf die Krone bereit.
Abends flieht er nach Spandau in die Zitadelle.
1848, 20. März Das Berliner Palais des Prinzen wird vor Brandstiftung und Zerstörung durch einen einfachen Mann gerettet, der
auf die Wand des Palais die Worte »National-Eigentum« schreibt.
In der Nacht zum 21. März löst in Berlin das Gerücht, Prinz Wilhelm stünde mit einer Invasionsarmee vor der Stadt, Sturmläuten
und erneuten Barrikadenbau aus.
1848, 21. März Deswegen flieht Prinz Wilhelm auf die Pfaueninsel, unterwegs wird er in dem Fischerdorf Cladow erkannt, von
dort aus drängt er den König zur militärischen Einschließung Berlins und zur Niederwerfung der Revolution, aber der König lehnt
ab und bleibt in Berlin und anerkennt in einem Umritt in Berlin die
Ergebnisse der Märzrevolution (»Preußen geht fortan in Deutschland auf«); er befiehlt Prinz Wilhelm, umgehend nach England zu
reisen, »um dem befreundeten englischen Hof Aufschluß und
Aufklärung über die hiesigen Zustände und die hiesigen Ereignisse zu geben«.
1848, 22. März Prinz Wilhelm fügt sich dem König, verlangt aber,
der Reise »den Stempel einer Mission« zu geben, nachdem vom
Hof die Ankündigung der bevorstehenden Reise ins Exil bereits
der Presse mitgeteilt worden ist. Die Märzgefallenen werden auf
dem Berliner Friedhof Friedrichshain begraben. Abends tritt Prinz
Wilhelm in Zivilkleidern, glattrasiert und unter falschem Namen
die Flucht an.
1848, 24. März Nach einer gefährlichen Flucht, auf der er zweimal
erkannt wird, geht Prinz Wilhelm in Hamburg an Bord eines Schiffes. Am 27. März quartiert er sich im preußischen Gesandtschaftspalais in London ein. Unter der Einwirkung des preußischen Gesandten Bunsen und der englischen Königsfamilie wird
seine Haltung gegenüber dem monarchischen Verfassungsstaat
offener.
1848, April Prinz Wilhelm läßt sich im Kreis Wirsitz (Provinz Posen) als Abgeordneter in die preußische Nationalversammlung
wählen.
1848, Mai Die Presse berichtet am 11. Mai, daß das Staatsministerium am 8. Mai an den König den Antrag gestellt hat, dem
Prinzen von Preußen die Abkürzung seines Aufenthalts in England zu empfehlen und daß Prinz Wilhelm sich für das neue System in Preußen ausgesprochen hat. Ende Mai demonstrieren
10 000 Berliner gegen die Rückkehr des Prinzen Wilhelm. Am 30.
Mai bekennt sich Prinz Wilhelm in Brüssel öffentlich und schriftlich zur konstitutionellen Regierungsform in Preußen.
1848, Juni Vor der Rückkehr des Prinzen Wilhelm entzieht ihm
der König aus Rücksicht auf die Volksstimmung das Kommando
über das Gardekorps, weswegen Prinz Wilhelm protestiert: »Somit habe ich weder in der Armee noch im Staat eine Stellung.« Am
7. Juni trifft Prinz Wilhelm in Potsdam ein und wird vom König und
der Königin erwartet und in Potsdam abends feierlich durch die
Bevölkerung von Nowawes M 4 nahe seinem Wohnsitz Schloß
Babelsberg empfangen. Am 8. Juni erscheint Wilhelm in der
preußischen Nationalversammlung in Berlin, was geteilte Reaktionen hervorruft. In seiner Rede als Abgeordneter bekennt er
sich zwar voll und ganz zur konstitutionellen Regierungsform,
kündigt aber gleichzeitig die Niederlegung seines Abgeordnetenmandats an; danach kehrt er nach Potsdam zurück.
1848, Sept. Das Ministerium unter General von Pfuel übernimmt
die Leitung des neuen Kabinetts. Einige der Minister sind auf Vorschlag des Prinzen Wilhelm ernannt worden.
1849, April König Friedrich Wilhelm IV. lehnt am 28. die ihm von
der Deutschen Nationalversammlung angetragene deutsche Kaiserkrone ab.
1849, Mai Der Badische Aufstand beginnt mit Soldatenerhebungen in Rastatt, weswegen der Großherzog von Baden Preußen
um militärische Hilfe ersucht.
1849, Juni Prinz Wilhelm wird am 8. zum Kommandierenden der
»Operationsarmee in Baden und in der Pfalz« ernannt. Am 13./14.
Juni treten die beiden preußischen Korps den Vormarsch an. Am
20. Juni überschreitet Prinz Wilhelm mit dem I. Korps bei Germersheim den Rhein. Am 22. Juni siegen die Preußen im Gefecht
bei Waghäusel, und Prinz Wilhelm zieht in Mannheim ein. Am 25.
Juni zieht Prinz Wilhelm in Karlsruhe ein.
1849, Juli Am 1. Juli ist die Festung Rastatt, die Zuflucht der Aufständischen, eingeschlossen. Am 23. Juli kapituliert die Festung
Rastatt; es folgt die Entwaffnung der Aufständischen im Beisein
von Prinz Wilhelm. Von den 30 in Baden zum Tode verurteilten
Revolutionären werden bis August 27 standrechtlich erschossen.
1849, August Am 19. zieht Prinz Wilhelm zusammen mit dem
Großherzog von Baden in Karlsruhe feierlich ein.
1849, Oktober Am 12. zieht Prinz Wilhelm an der Spitze von
Truppen, die in Baden gekämpft haben, in Berlin ein.
M4
Karikatur auf die Rückberufung des Prinzen von
Preußen 1848.
Lithographie von Wolfahrt. Dietz Verlag, Berlin, Bildarchiv
28
M 5/1 Das merkwürdige Jahr 1848.
Eine neue
Bilderzeitung
Neuruppiner
Bilderbogen Nr. 2068
Quelle: Berlin,
Landesarchiv 1184a,
© Bildarchiv
preussischer Kulturbesitz 1997
M 5/2
Das merkwürdige Jahr 1848. [...]
19. Bild (Textwiedergabe von M 5/1 ):
»Der Empfang Sr. K. Hoheit des Prinzen von Preußen hier in Nowawes bei Potsdam war eben so feierlich, wie herzlich. Troz des
Sturmes der früheren Tage waren Ehrenpforten in großer Zahl
gebaut, an deren erstere, die mit der deutschen und preußischen
Fahne und vielen Blumen geziert, der größte Theil der Einwohnerschaft versammelt war. In geordneten Reihen stand die
Schuljugend zu beiden Seiten des Weges, voran die weiß gekleideten Mädchen mit vielen Kränzen, Sträußen und Guirlanden.
[...]
Schon seit zwei Tagen wurde der Prinz von Preußen erwartet.
Auch hatte sich das Musikchor des ersten Garderegiments nach
dem prinzlichen Schlosse auf den Babelsberg begeben, von
dessen Zinnen herab die deutsche und die preußische Flagge
vereinigt wehten. Heute Morgen um 10 Uhr kam Se. K. Hoheit
auf der Eisenbahn von Magdeburg an, und wurde auf der Wildparkstation von Sr. Maj.[estät] dem Könige mit einer Umarmung
und den Worten: »sei mir herzlich willkommen«, empfangen. Man
will bei dieser rührenden Empfangsscene nach so großen und
folgenreichen Ereignissen Thränen in beider Fürsten Augen gesehen haben. [...]
Mit Begeisterung empfing Preußen die constitutionellen Verheißungen – mit Vertrauen die neuen Minister – mit Zuversicht
sieht Preußen den Arbeiten seiner Vertreter entgegen, und erwartet von ihnen das Staatsgrundgesetz, aus freier Berathung
hervorgehend. In unserer constitutionellen Monarchie muß Krone und Volk mehr, wie je, Eins sein, fest verbunden durch Achtung und Vertrauen, stark durch gegenseitige Treue; und deshalb
gehört der dem Throne am Nächsten – der Prinz von Preußen –
jetzt in des Volkes Mitte. Der hierauf bezügliche Antrag des Ministeriums hat Aufregung in Berlin hervorgerufen. Diese hat aber in
den Provinzen eine weit mächtigere, in dem entgegengesetzten
Sinn blitzschnell erzeugt, weil das Gerechtigkeitsgefühl den verleumdeten, verkannten Prinzen entschieden hier vertritt, und des
Landes Selbständigkeit, Berlin niemals das Recht einräumen
kann, dortige Parteibeschlüsse für unser gesammtes Vaterland
geltend zu machen. –
Hurrah! Friedrich Wilhelm Prinz von Preußen!
Ruft das Volk, ruft das Heer,
Nicht Berlin ist’s Volk, wo viele eifern,
Reden hin, reden her.
Mit Lebehoch erwarten die Provinzen
Sehnsuchtsvoll, muthig sein,
Ihren hochgeliebten theuren Prinzen.
Landwehr schlägt, fröhlich ein.
Uebung macht den Mann; an jedem Orte
Bildet sich Bürgerwehr.
Doch nur um zu steh’n als treue Horte
Beim Fürsten, Hochgeehrt!
Hurrah! laßt uns darum jubelnd rufen
Hurrah heran! wer da kann!
Preußen wollen gerne fröhlich bluten
Für Hohenzollern’s Stamm.
Original u. Eigenthum No. 2068.
Neu Ruppin zu haben bei Gustav Kühn.«
Die rothe Monarchie
Karikatur auf die Pläne Preußens zur Unterwerfung Deutschlands (Deutsche Reichsbremse, 1849)
Dietz Verlag Berlin, Bildarchiv
M6
Prinz Wilhelm von Preußen als Sieger über den Aufstand in Baden
Wehrgeschichtliches Museum Rastatt
M7
29
30
VI. »Gleiche Rechte und
Chancen!«: Revolutionäre
Frauen in Deutschland und
Frankreich
1. Erläuterungen
Die Frauen finden im Vormärz und stärker noch in der Revolution Anschluß an die allgemeine politische Bewegung, und dies zum ersten Mal in der deutschen Geschichte. Als benachteiligte gesellschaftliche Gruppe
waren die Frauen von der Politik weitgehend ausgeschlossen gewesen.
Weit entfernt von Gleichheit und Freiheit M 2 ist für sie
die Teilnahme an politischen Fragen eine wichtige Voraussetzung für die Emanzipation. Frauenrechte sind verbunden mit der Durchsetzung der Grundrechte. Die
Frauen, in öffentlichen Rollen meist nicht akzeptiert, artikulieren jetzt ihre Forderungen und Ziele M 1 , M 4 , M 6
M 8 , M 10 . Sie suchen nach passenden Ausdrucksformen M 1 , M 3 , M 9 , M 11 für ihre politischen Forderungen, die sie zum Teil ins Privatleben übertragen M 4 .
In Frankreich erhält die dort bereits existierende Frauenbewegung 1848, ausgehend von den Sozialistinnen,
neue Impulse. Im Mittelpunkt des Interesses steht neben
der Forderung nach Gleichberechtigung der Frauen im
privaten und öffentlichen Bereich M 7 vor allem die soziale Frage, und damit für die Frauen vor allem das Problem der Arbeitsorganisation M 12 .
Daneben ist das aktive und passive Wahlrecht für die
Wahl zur Nationalversammlung für die Frauen ein zentrales kurzfristiges Ziel.
Ausgehend von der Ankündigung der Regierung, das
Wahlrecht nur Männern zuzusprechen, kommt es zu zahlreichen Aktionen von Frauen, angeführt von Antonine
Andrée des Saint-Gieles und Jeanne Deroin M 8 . Sie argumentieren vor allem mit der Idee des republikanischen
Gleichheitsgedankens und damit im Interesse der gesamten französischen Bevölkerung.
Einzelne Frauen – schillernde Persönlichkeiten aus der
Sicht der Zeitgenossen – werden bekannt als »Emanzipierte«, als »Femmes scandaleuses«. Frauen wie Louise
Aston, die geschieden sind, allein Lokale besuchen, Männerkleider tragen und Zigaretten rauchen, werden verlacht (vgl. die als Persiflage zu verstehende Sitzung des
Politischen Damenklubs, 1848: Abb. und Text M 1 ), aber
auch bespitzelt und denunziert. Sie beschäftigen sich mit
der Frage der sozialen Not und der Problematik der Ehe,
einer ihrer Ansicht nach durch Ungleichheit und Abhängigkeit gekennzeichneten Institution M 6 , M 7 .
Mit den Märzereignissen 1848 traten in Deutschland viele »namenlose« Frauen als Bestandteil des Volkes in Erscheinung, sie blieben nicht im Hintergrund als Zuschauerinnen, als zuhörende Ehefrauen, sondern nahmen aktiv am Revolutionsgeschehen teil M 3 , M 5 . Sie
bauen Barrikaden, begleiten die Freischarenzüge, stellen
Waffen und Munition zur Verfügung, unterstützen Flüchtlinge, tragen schwarz-rot-goldene Schals und Bänder, sie
rufen aber auch zum Frauen-Streik M 4 oder zur Hei-
ratsverweigerung auf M 6 . Sie schreiben Leserbriefe und
Petitionen, in denen sie ihre Positionen und Forderungen
darlegen M 7 , M 11 .
Die Frauen versuchen über die Herausgabe von Zeitungen sowohl in Deutschland als auch in Frankreich ihre
Ideen, Aktionen und Ziele einer breiteren Öffentlichkeit
zugänglich zu machen und eine Plattform für Diskussionen zu bieten.
Wichtigstes Publikationsorgan der Frauen in Frankreich
ist »La Voix des Femmes, journal socialiste et politique,
organe des intérêts de toutes« M 7 . La Voix thematisiert
alle Frauenprobleme, oft mit einer politischen Ausrichtung, und behandelt schwerpunktmäßig die Lage der arbeitenden Frauen.
In Deutschland entstehen vier politische Frauenzeitschriften. Die radikaldemokratische »Frauen-Zeitung«
von Mathilde Franziska Anneke setzt die »Neue Kölnische
Zeitung« fort. Louise Astons »Der Freischärler. Für Kunst
und Sociales Leben« ist ebenfalls der äußersten Linken
zuzuordnen. Eher philosophisch orientiert und den Zusammenhang zwischen privater und politischer Gewalt
betonend ist Louise Dittmars »Soziale Reform«. Louise
Ottos im April 1849 erstmals erscheinende »Frauen-Zeitung« M 11 wollte die Frauen als Unterstützerinnen für
die demokratische Freiheitsbewegung gewinnen und
gleichzeitig die Bedürfnisse und Interessen der Frauen innerhalb dieser Bewegung darstellen.
Das Ende der politischen Frauenzeitschriften 1852 bedeutet auch das Ende der ersten deutschen Frauenbewegung, die Presse steht den Frauen nicht mehr als Instrument ihrer Interessen zur Verfügung.
Neben der Verbreitung frauenspezifischer Themen durch
die Presse war die Organisation der Frauen in Vereinen,
entsprechend dem allgemeinen Trend zur Vereinsbildung,
eine weitere Möglichkeit für die Frauen, ihre Ziele und Interessen zu artikulieren. Diese Zusammenschlüsse sind
der Beginn der organisierten Frauenbewegung in
Deutschland.
Es entstehen demokratische Frauenvereine M 9 , die
als Wohltätigkeitsvereine praktische Hilfe für die Aufständischen und Flüchtlinge leisten. Die Frauen nähen Fahnen, sammeln Gelder, veranstalten Lotterien. Die Vereine
sind aber auch Diskussionsforum und Ansprechpartner
für nicht organisierte Frauen M 10 .
Daneben entstehen Frauenbildungsvereine, die sich getreu dem Motto »Wissen ist Macht« der Erziehung von
Frauen und Mädchen widmen. Diese Bewegung findet einen Niederschlag in der Gründung einer Frauenhochschule in Hamburg.
Vereinzelt schließen sich auch Arbeiterinnen in Vereinigungen zusammen.
Französische Frauen werden in manchen Männerclubs
als geduldete Zuhörerinnen zugelassen, gründen aber
auch eigene Vereinigungen, z.B. den »Club des femmes«.
31
»Les Vesuviennes«, eine Frauengruppe, die ein eigenes
Frauenbataillon bildet, fordert in ihrem Manifest die
Gleichheit von Mann und Frau mit gleichen Rechten und
Pflichten und damit z.B. den Frauenwehrdienst.
Den sozialen Problemen in Frankreich entsprechend, ist
dort die Frage der Arbeitsorganisation für die Frauen
von besonderer Bedeutung. Die Idee der Nationalwerkstätten, von denen die Frauen größtenteils ausgeschlossen waren, wird von der Frauenbewegung aufgegriffen
und Konzepte von Assoziationen M 12 , Arbeiterinnenvereinigungen, entwickelt, die durch eine unterschiedliche Struktur gegenüber den herkömmlichen Betrieben
die Situation der arbeitenden Frauen verbessern sollen.
Trotz der unterschiedlichen Akzentsetzung in den Zielen
der einzelnen Frauen, in deren Aktionen, Zeitschriften und
Vereinen, kann man 1848/49 in Frankreich und Deutschland von einer auf das gleiche Ziel ausgerichteten Frauenbewegung sprechen: hinter allen Aktivitäten steht letztlich die Forderung nach gleichen Rechten und Chancen
und damit ein neues Frauenbild. Ein Frauenbild, das sich
1848/49 weder in Frankreich, noch in Deutschland durchsetzen konnte.
2. Materialien
M1
Politischer Damenklub, 1849
Aus: Der Satyr 1849, S. 14 f.; Sammlung Heil. Stadtarchiv und
Museum der Stadt Butzbach
Überlegungen zu den Materialien:
1) Erarbeiten Sie die Ziele der Frauen in der Revolution
1848. Versuchen Sie dabei, die Ziele der verschiedenen Bereiche zu gliedern! M 1 , M 2 , M 4 bis M 12
2) In wieweit stimmen die Ziele der deutschen und französischen Frauen überein, in wieweit nicht? M 2 ,
M 6 bis M 11
3) Wie versuchen die Frauen, ihre Interessen durchzusetzen? M 2 bis M 4 , M 6 bis M 12
4) Stellen Sie sich vor, im Jahr 1998 würden sich Frauen
versammeln und über ihre Rolle in der Familie, der Gesellschaft und der Politik diskutieren. Was würden sie
fordern und was würden sie ändern? Welche Mittel
könnten diese Frauen zur Durchsetzung ihrer Ziele einsetzen?
Ausschnitt aus einer Karikatur »Wenn Deutschland und Frankreich Arm in Arm gehen...«
Germanisches Nationalmuseum Nürnberg
A
32
33
M2
Die 10 Gebote der Freiheit
7. Gebot:
Du sollst das Weib als deines Gleichen schätzen.
Kein Wesen ist dem Mann hier »untertan«,
Du sollst das Recht nicht am Geschlecht verletzen;
Denn offen Allen steht der Bildung Bahn!
Du sollst dem Weib das Wirken nicht verwehren,
Zum Heil der Menschheit, welcher Art es sei.
Manch weiblich Herz kann Mut und Kraft dir lehren –
Das ganze weibliche Geschlecht ist frei!
Text: Harro Harring, in: Volks-Klänge, 1841
Aus: B. James, W. Moßmann: Glasbruch 1848.
Flugblattlieder und Dokumente einer zerbrochenen Revolution.
Luchterhand, München 1983, S. 96
M3
Barrikade 1848
Mannheimer Barrikade am 26. April 1848
an der Brücke nach Ludwigshafen
Holzschnitt, Reiss-Museum
der Stadt Mannheim
M4
»Ehestands-Barricade«, 1848
1848 Frankfurt (Main) Federlithographie,
handkoloriert (Fahne) Maße: 18,4 u27,2
Unterhalb der Lithographie steht folgender
Text: Frau – Du Stickstäuperos, bleib mer
von der Barricade, ich will dich nicht mer als
Haustyrann ... / Mann – Frau sei ruhig,
schwei norz, mer wolle uff der Stell a neu
Verfassung mache, raum die Barricad aweg,
...
(Auszug)
Sammlung Heil. Stadtarchiv und Museum
der Stadt Butzbach
M5
Beteiligung der Frauen an der Revolution
12. 4. 1851
(Verurteilung). In Karlsruhe ist gegen Maria Antonia Stehlin, Ehefrau des Schriftverfassers Achaz Stehlin aus Ettenheim, die hofgerichtliche Erkenntnis, wodurch dieselbe wegen Beteiligung an der Revolution zu einer Zuchthausstrafe von einem Jahr verurteilt war, vom Oberhofgerichte bestätigt worden. Die Verurteilte ist flüchtig.
Aus: Gerlinde Hummel-Haasis (Hrsg.): Schwestern zerreißt eure
Ketten. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1982, S. 139
34
M6
Louise Aston 1848
»Ich glaube allerdings nicht an die Notwendigkeit und
Heiligkeit der Ehe, weil ich weiß, daß ihr Glück meistens
ein erlogenes und erheucheltes ist... Ich kann ein Institut
nicht billigen, das mit der Anmaßung auftritt, das freie
Recht der Persönlichkeit zu heiligen, ihm eine unendliche
Weihe zu ertheilen, während nirgends gerade das Recht
mehr mit Füßen getreten wird... Ich verwerfe die Ehe, weil
sie zum Eigenthum macht, was immer Eigenthum sein
kann: die freie Persönlichkeit; weil sie ein Recht giebt auf
Liebe, auf die es kein Recht geben kann; bei der jedes
Recht zum brutalen Unrecht wird.«
L. Aston: Meine Emancipation. Verweisung und Rechtfertigung,
Brüssel 1848, zit. nach: Ute Gerhard: Unerhört. Die Geschichte
der deutschen Frauenbewegung. rororo, Reinbek bei Hamburg,
1990, S. 45
M7
Anonymer Leserbrief vom 1. 4. 1848
»Daß die Frau nicht mehr unter der Herrschaft ihres Ehemannes sei; daß sie, wie er, handeln, verkaufen, kaufen,
einen Vergleich abschließen könne. Wir wollen die Revision des code civil, der besagt: – ‘Die Frau muß ihrem Ehemann untergeordnet sein.’ Irrtum, die Unterordnung der
Frau, das ist die Tyrannei... Keine Sklaverei mehr, keinen
Herren mehr, Gleichheit zwischen den Eheleuten, laßt uns
die Mißbräuche zerstören, es ist Zeit, daß wir unsere
Rechte verteidigen. Zu wollen, daß die Frau nicht über
ihre Güter verfügen, nicht verkaufen, verpfänden noch
Geld anlegen könne, das ist despotisch. Nicht nur, daß
sie über nichts für sich verfügt, sogar ohne Genehmigung
ihres Ehemannes, sondern sie verfügt auch über nichts
für ihre Kinder. Der Ehemann dagegen kauft, verwaltet,
verkauft, ohne jemanden zu befragen. Das Gesetz soll für
alle gleich sein. Warum sollte die Frau also nicht ihre Angelegenheiten regeln wie der Mann?«
In: La Voix des Femmes, Zit. nach: Antes Claudia, Schunder Elke:
Frauenrechtsbewegung und Publizistik 1848 in Frankreich. Peter
Lang, Frankfurt a.M. 1992, S. 215f.
M8
Jeanne Deroin, 1848
« Aux électeurs du département de la Seine.
» Citoyens,
» Je viens me présenter à vos suffrages par dévouement
pour la consécration d’un grand principe, l’égalité civile
et politique des deux sexes.
» C’est au nom de la justice que je viens faire appel au
peuple souverain contre la négation des principes qui
sont la base de notre avenir social.
» Si, usant de votre droit, vous appelez la femme à prendre part aux travaux de l’Assemblée législative, vous consacrerez dans toute leur intégrité nos dogmes républicains: liberté, égalité, fraternité, pour toutes comme pour
tous.
» Une Assemblée législative, entièrement composée
d’hommes, est aussi incompétente pour faire les lois qui
régissent une société composée d’hommes et de fem-
mes, que le serait une assemblée composée de privilégiés pour discuter les intérêts des travailleurs, ou une assemblée de capitalistes pour soutenir l’honneur du pays.
Aus: Albistur, Maité, Armogathe, Daniel: Histoire du féminisme
français du moyen âge à nos jours; éditions des femmes, Paris
1977, S. 305
M9
Aus den Statuten des »Wiener demokratischen
Frauenvereins« 1848
»Die Aufgabe des Vereins ist eine dreifache: eine politische, eine soziale und eine humane:
a) eine politische, um sich durch Lektüre und belehrende
Vorträge über das Wohl des Vaterlandes aufzuklären,
das demokratische Prinzip in allen weiblichen Kreisen
zu verbreiten, die Freiheitsliebe schon bei dem Beginne der Erziehung in der Kinderbrust anzufachen und
zugleich das deutsche Element zu kräftigen;
b) eine soziale, um die Gleichberechtigung der Frauen
anzustreben durch Gründung öffentlicher Volksschulen
und höherer Bildungsanstalten, den weiblichen Unterricht umzugestalten und die Lage der ärmeren
Mädchen durch liebevolle Erhebung zu veredeln;
c) eine humane, um den tiefgefühlten Dank der Frauen
Wiens für die Segnungen der Freiheit durch sorgsame
Verpflegung aller Opfer der Revolution auszusprechen.«
Zit. nach: Hauch, Gabriella: Frau Biedermeier auf den Barrikaden.
Frauenleben in der Wiener Revolution 1848. Verlag für Gesellschaftskritik, Wien 1990, S. 235
M 10
An den Frauenklub in Wien, 5. 9. 1848
Geliebte Schwestern!
Ich reiche Euch aus der Ferne die Hand zum Schwesternbunde und versichere Euch meine innigste Sympathie.
»Emanzipation der Frauen« sei die Perle, die wir vereint
aus dem schwarzen Meere männlichen Despotismus herauszuholen gedenken. Kühn wollen wir untertauchen
und die Klippen nicht scheuen; denn auch in unsere Seelen ist der Auferstehungsruf »Es werde Licht« gedrungen.
Der schwache Sklave allein bricht jetzt seine Ketten nicht.
Ach, und wir haben deren so viele und so schwer
drückend! [...]
Wir fordern gleiche Berechtigung in Ausübung der Künste
und Gewerbe, wozu wir ebenso befähigt sind wie die
Männer.
Wir wollen Advokatinnen werden. Wir verspüren dazu das
größte Talent; denn wir streiten sehr gern und haben immer das letzte, entscheidende Wort. [...]
Wir wollen Doktorinnen werden [...]
Wir wollen ein Amazonenkorps bilden, nicht für Paraden,
sondern für die Stunde der Gefahr [...]
Wir wollen Hörerinnen der Staatspolitik sein, aber nie Mitsprecherinnen, wenigstens nicht öffentlich [...]
Wir wollen einen Verein bilden für gute, wohltätige
Zwecke mit einem Ausschusse [...]
Wir wollen Bildungsschulen für deutsche Hausfrauen zu
errichten beantragen.
35
Wir wollen darauf bedacht sein, ein Mittel zu ersinnen,
den verderblichen Putz aus unsern Kreisen zu bannen.
Wir wollen mit guten Beispielen vorangehen und namentlich in unsern Versammlungen ganz einfach erscheinen
[...]
Ein deutsches Weib
Aus: Hummel-Haasis, Schwestern...
© Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1982, S. 150f.
M 11
Louise Otto-Peters in der »Deutschen FrauenZeitung« Nr. 1, 21. April 1849
Wohl auf denn, Schwestern, vereinigt Euch mit mir. Die
Geschichte aller Zeiten, und die heutige ganz besonders,
lehrt: daß diejenigen auch vergessen wurden, welche an
sich selbst zu denken vergaßen!...
Dieser selbe Erfahrungssatz ist es, welcher mich zur Herausgabe einer Frauen-Zeitung veranlaßt. Mitten in den
großen Umwälzungen, in denen wir uns alle befinden,
werden sich die Frauen vergessen sehen, wenn sie selbst
an sich zu denken vergessen!
Wohlauf denn, meine Schwestern, vereinigt Euch mit mir,
damit wir nicht zurückbleiben, wo alle und alles um uns
und neben uns vorwärtsdrängt und kämpft. Wir wollen
auch unseren Teil fordern und verdienen an der großen
Welterlösung, welche der ganzen Menschheit, deren eine
Hälfte wir sind, endlich werden muß.
Wir wollen unser Teil fordern: das Recht, das ReinMenschliche in uns in freier Entwicklung aller unserer
Kräfte auszubilden, und das Recht der Mündigkeit und
Selbständigkeit im Staat.
Wir wollen unser Teil verdienen: wir wollen unsere Kräfte
aufbieten, das Werk der Welterlösung zu fördern,
zunächst dadurch, daß wir den großen Gedanken der Zukunft: Freiheit und Humanität ( was im Grunde zwei
gleichbedeutende Worte sind), auszubreiten suchen in allen Kreisen, welche uns zugänglich sind, in den weiteren
des größeren Lebens durch die Presse, in den engeren
der Familie durch Beispiel, Belehrung und Erziehung. Wir
wollen unser Teil aber auch dadurch verdienen, daß wir
nicht vereinzelt streben nur jede für sich, sondern vielmehr jede für alle, und daß wir vor allem derer zumeist
uns annehmen, welche in Armut, Elend und Unwissenheit
vergessen und vernachlässigt schmachten.
Wohlauf, meine Schwestern, helft mir zu diesem Werke!
Helft mir für die hier angedeuteten Ideen zunächst durch
diese Zeitung wirken! –
Aus: Möhrmann Renate (Hrsg.): Frauenemanzipation im deutschen Vormärz. Texte und Dokumente. Reclam, Stuttgart 1978,
S. 203 ff
M 12
»Etudes d’associations« – ein Aktionsplan der
Näherinnen
Artikel 1
Die Näherinnen bilden eine Assoziation, deren Dauer und
Mitgliederzahl unbegrenzt sind. Es gibt verantwortliche
Assoziierte und freie Assoziierte.
[...]
Artikel 4
Die Arbeits-, Verkaufs-, Ankaufs- und Buchführungsdirektorinnen werden von und unter den verantwortlichen
Assoziierten gewählt. Jede Direktorin erhält die Vollmacht
der Gesellschaft für die Geschäfte in ihrem Bereich. Der
Buchführungsdirektorin obliegen die Beziehungen zu
Gläubigern und Kommanditisten.
Artikel 5
Alle Tagelöhnerinnen sind freie Assoziierte. Sie haben ein
Recht auf Beteiligung am Gewinn entsprechend der Anzahl der in der Assoziation geleisteten Arbeitstage und
ein Recht auf Unterstützung gemäß der Entscheidung der
im Rat versammelten verantwortlichen Mitglieder.
Artikel 6
Der Arbeitstag beginnt um 8 Uhr morgens und endet um
6 Uhr abends. Zum Mittagessen wird nur eine halbe Stunde eingeräumt. (Diese Regelung wird getroffen, damit die
Frauen um 6 Uhr zu Hause sind, um den Haushalt zu versorgen und mit der Familie zu Abend essen zu können.)
[...]
Artikel 8
Die verantwortlichen Assoziierten können bei dringenden
Arbeiten keinesfalls von Überstunden befreit werden. Die
Stunden werden in Form von Urlaubsbons bezahlt, die
als Äquivalent für Ausfallzeiten gelten (morte saison).
[...]
Artikel 10
Jeden Monat wird zu einem festen Termin die Bilanz der
Gesellschaft gezogen. Nach Abzug der Zinsen für das
Kapital wird der Ertrag folgendermaßen aufgeteilt:
– Ein Viertel wird im Verhältnis zu den in der Assoziation
geleisteten Arbeitstagen unter allen verantwortlichen
und freien Assoziierten aufgeteilt;
– Drei Viertel dienen zur Einrichtung eines Reservefonds,
der dreierlei Zwecke erfüllen soll:
1) Unterstützung im Falle von Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit eines Mitglieds,
2) Erziehungshilfe für Kinder,
3) die Bildung von Renten, die nach einer bestimmten
Zeit den Mitgliedern ausbezahlt werden.
Artikel 11
Tabelle
Ausgaben im Verhältnis zur Zahl der Assoziierten
30 Arbeiterinnen zu je 1,50 F
45,– –
3 Zusammenlegerinnen, 1 Zuschneiderin,
eine zweite Verkäuferin, 5 Personen à 1,75
8,75
1 zweite Probiermamsell
2,– –
1 Verziererin
2,25
1 Arbeitsdirektorin (erste Probiermamsell)
3,– –
1 Direktorin für An- und Verkauf
3,– –
1 Direktorin für die Buchhaltung
3,– –
1 Laufbursche
3,– –
Summe pro Tag bei einer Gesamtzahl
von 40 Assoziierten
Notwendiger Vorschuß für 3 Monate Lohn
bei 70 F pro Tag (75 Tage)
70,– –
5250,– –
Aus: La politique de femmes publiée pour les ouvrières. Liberté,
égalité, fraternité pour tous et pour toutes, Juni 1848.
Zit. nach: Helga Grubitsch/Loretta Lagpacan: Freiheit für die
Frauen, Freiheit für das Volk. Sozialistische Frauen in Frankreich,
1830–1848. Syndikat Verlag, Frankfurt a. M. 1980, S. 224 f.
36
VII. Revolutionäre in der
Emigration: »Auswurf
Europas« oder Kämpfer
für Freiheit und Recht?
1. Erläuterungen
Anders als in Europa zeigte sich vor allem in den USA,
daß freiheitliche und demokratische Bestrebungen in politische Wirklichkeit umgesetzt werden konnten. Was sich
in Deutschland und Europa als Aderlaß für die demokratische Freiheitsbewegung auswirkte, trug in den USA zu
einer Stimulierung der kulturellen, wirtschaftlichen und
auch politischen Verhältnisse bei. Für Europa und speziell
für Deutschland ist dieser Blick von außen bei der Beurteilung der inneren Vorgänge, d.h. der Revolution und ihres Ende von unschätzbarer Bedeutung.
Die Szenerie Europas M 1 wird von der politischen Reaktion bestimmt: Deutsche Revolutionäre werden von
Preußen in die Schweiz gekehrt, französische von Louis
Bonaparte per Zwangsemigration verschifft. Gleichzeitig
mit dem Sieg der alten Mächte in Deutschland erfolgt die
Niederwerfung des unabhängigen Ungarn, was der Regierung in Wien nur mit russischer Hilfe gelingt, während
im übrigen Europa – siehe Warschau – das Licht schon
ausgegangen ist.
England floriert unter Königin Victoria, in Dänemark triumphiert der König. In Frankfurt aber verkümmert eine parlamentarische Vogelscheuche.
Das Ende der Revolution in München wird durch einen
bayrischen Bierkrug in Mönchsgestalt symbolisiert.
Begriffsklärung: »Forty-Eighters«, »Forty-Niners«
Seit den Jahren 1845/46 ist eine rasant zunehmende
Steigerung der Auswanderungszahlen nach den USA zu
beobachten. Nach der endgültigen Niederschlagung der
Revolution 1849 steigen die Zahlen jedoch explosionsartig an M 2 . Ihre Zahl wird auf insgesamt etwa 500 000
Personen geschätzt.1 In den USA werden allerdings nur
die führenden Köpfe der politisch motivierten Auswanderer als die »Forty-Eighters« bezeichnet. Ihre Zahl schätzt
man auf circa 4000 Personen.2 »Forty-Niners« werden dagegen all diejenigen genannt, die sich seit 1849 auf die
Goldsuche nach Kalifornien begaben.3
Im Folgenden steht jedoch nicht die große Gruppe der
Menschen, die aus überwiegend wirtschaftlichen Gründen ihre Heimat verließen, im Brennpunkt des Interesses,
sondern die politischen Flüchtlinge der Revolution von
1848/49.
Manche kehrten aus Amerika enttäuscht zurück.4 Gegen
die Auswanderung in die USA war auch schon vor der
Revolution Stimmung gemacht worden M 5 . Für die anderen stellte sich die Frage, wieweit sie sich in dem neuen Land assimilieren und integrieren konnten. Friedrich
Hecker blieb in Amerika im Grunde Zeit seines Lebens ein
emigrierter Deutscher. Andere assimilierten sich mehr. Ein
Beispiel für gelungene volle Integration stellt Carl Schurz
dar. Die Skala reicht vom politischen Flüchtling über den
niedergelassenen Emigranten und Deutsch-Amerikaner
bis zum Amerikaner deutscher Herkunft.
Zielländer und rechtliche Lage der politischen
Flüchtlinge
In der Schweiz, Frankreich und England bildeten sich bedeutende deutsche Kolonien. Das »wichtigste Zielland«
aber waren die USA. Die genannten europäischen Länder
hatten kein Interesse an den politischen Flüchtlingen. Ihnen kam der große geographische Abstand der USA
äußerst gelegen, um unbequeme politische Flüchtlinge
weit weg abzudrängen.
In den USA wurden politisch Verfolgte unterschiedslos
wie alle übrigen Einwanderer aufgenommen. Materielle
Unterstützung von seiten des Staates gab es nicht. Doch
schlug den Ankömmlingen oft Anteilnahme und Sympathie entgegen.
Nachdem sich die Ankömmlinge aber auch in Amerika für
ihre politische Sache in Europa betätigten, stießen sie
häufig auf Ablehnung. Man erwartete von ihnen Anpassung an die amerikanischen Gegebenheiten.
Ein Großteil der politischen Flüchtlinge verließ Europa
über den französischen Hafen Le Havre, wo es leicht war,
sich unter falschem Namen einzuschiffen. Auf der beschwerlichen Überfahrt erkrankten viele Passagiere und
starben. Manche Schiffe sanken während der Überfahrt.
Auch über die Ankunft der Emigranten und Flüchtlinge
auf Ellis Island vor New York kann man in Berichten drastische Schilderungen lesen.
»Forty-Eighters« in den USA
Nach der Niederschlagung der Revolution fanden sich
vor allem Intellektuelle als die führenden Köpfe der Revolution unter den Auswanderern. Auch von ihnen versuchten einige zunächst, sich landwirtschaftlich zu betätigen.
Für sie bildete sich der Begriff »Latin Farmers« heraus,
weil man ihnen spöttisch nachsagte, sie gingen mit einem
Buch hinter ihrem Pflug her und seien mit klassischen
Texten von Cicero oder Horaz besser vertraut als mit dem
Ackerbau. Auch Friedrich Hecker war einer von ihnen
M 8a , M 8b . Andere wiederum nahmen nach ihrer Ankunft in den USA regen Anteil am öffentlichen Leben, arbeiteten als Journalisten, gründeten deutschsprachige
Zeitungen oder fanden den Weg in die Politik. Auf diese
Weise entstand eine Vielfalt von deutschsprachigen Publikationen. Amerikaweit gab es um 1890 mehr als 700
deutsche Presseerzeugnisse. In vielen Städten entstanden auf Anregung deutscher Emigranten hin Philharmonie-Orchester und deutschsprachige Bühnen, Gesang- und Turnvereine. Letztere waren Zentren politischer
37
Betätigung, weil man nach dem Sport zu lebhaften Diskussionen zusammenblieb.
Cincinnati ist die erste Stadt, die einen Turnverein gründete (1848); Friedrich Hecker war sein Leiter M 8 . Weitere Turnvereine mit sozialistischem Programm entstanden
in Boston (Karl Heinzen), New York (Gustav Struve) und
Milwaukee5 (vgl. M 9 ).
Unter den zahlreichen deutschen Firmengründungen
nahmen die Brauereien eine besondere Stellung ein. Entsprechend wurde auch die Kultur der Biergärten gepflegt.
Dadurch fielen die Deutschen aber bei den puritanisch
gesinnten Amerikanern eher unangenehm auf, weil diese
kein Verständnis dafür aufbringen konnten, daß die Deutschen sonntags bei Bier und Blasmusik zusammensaßen. Dennoch konnten auch sie nicht verhindern, daß
das deutsche Wort »Gemütlichkeit« seither fester Bestandteil der amerikanischen Sprache ist. Dasselbe geschah mit dem Wort »Kindergarten«. Margarethe Schurz
hatte 1856 in Watertown/Wisconsin den ersten amerikanischen Kindergarten eröffnet.
Die deutschen Emigranten im Bürgerkrieg
Deutsche hatten auch im amerikanischen Bürgerkrieg
zwischen den Nordstaaten und den Südstaaten
1861–1865 (Sezessionskrieg) einen maßgeblichen Anteil
am Kriegsgeschehen. Schätzungen zufolge kämpften an
die 200 000 Deutsche im Bürgerkrieg mit, davon etwa
176 000 allein auf Seiten der Nordstaaten, der »Union«.
Es gab sogar rein deutsche Regimenter, die Bezeichnungen trugen wie »German Rifles«, »Steuben Regiment«,
die »Neuner von Ohio« oder »Heckers Jäger«.6 Franz Sigel, der im badischen Aufstand anfangs die aufständischen Truppen kommandiert hatte, wurde mit etwa 40
anderen Ehemaligen im Laufe des Krieges in den Generalsrang erhoben. Auch Carl Schurz, der spätere Innenminister der USA, machte als Generalmajor militärische Karriere.
Die Bedeutung der »Forty-Eighters«
Übereinstimmend kommt die amerikanische Forschung
zu dem Ergebnis, daß die Leistungen der Achtundvierziger für die Geschichte der USA in Deutschland selbst viel
zu wenig zur Kenntnis genommen und überhaupt nicht
angemessen gewürdigt würden. In den USA dagegen ist
man sich durchaus der Tatsache bewußt, daß die deutschen Achtundvierziger einen bedeutenden Einfluß auf
politischem, wirtschaftlichem und kulturellem Gebiet hatten, wo viele ihrer Ideen Fürchte trugen M 9 . Es gelang
ihnen vielerorts, in Amerika das umzusetzen, was sie in
den Zeiten der Revolution in Deutschland gefordert hatten. Damit kam ihr Idealismus einem anderen Land als
ihrem Geburtsland zugute. Zu einer Zeit, da in Europa die
Demokratie niedergeschlagen wurde, bewies Amerika,
daß Demokratie wirklich gelebt werden konnte. Dies ermöglichte z.B. eine eindrückliche Karriere: Carl Schurz,
der in Rastatt standrechtlich erschossen werden sollte,
konnte fliehen M 6 , in Amerika politisch reüssieren und
bis zum Innenminister aufsteigen.
In Deutschland als Revolutionäre eingekerkert oder sogar
zum Tode verurteilt, in den europäischen Nachbarländern
nur geduldet und gerne in die USA abgeschoben, konnten die politischen Flüchtlinge sich dort endlich als De-
mokraten bewähren. Man setzte ihnen sogar Denkmäler!
Die Verschiedenheit der historischen Entwicklung und der
Maßstäbe in Deutschland und Amerika wird besonders
deutlich, wenn man sieht, wie viele Achtundvierziger nach
der Amnestie zurückkehrten, und wenn man weiß, daß einige Revolutionäre geradezu eine späte Rehabilitation erfuhren. Carl Schurz wurde von Bismarck zweimal empfangen (1868, 1888, vgl. M 7 ). Bismarck hat Schurz, dem
»Hochverräter« von ehedem, offenbar sogar ein politisches Amt angeboten. Auf jeden Fall hat er ihn zur Rückkehr nach Deutschland ermuntern wollen. Doch Schurz
lehnte ab. Damit fällt von außen ein Licht auf die Vorgänge in Europa. Revolutionäre werden nachträglich als
Kämpfer für Freiheit und Demokratie gewürdigt.
Anmerkungen
1
Michael Rehs/Hans Joachim Haager: Wurzeln in fremder Erde. Zur Geschichte der südwestdeutschen Auswanderung nach Amerika, DRWVerlag Weinbrenner, Leinfelden-Echterdingen, 1984.
2
Vgl. Rehs/Haager, Wurzeln, S. 88
3
Webster’s New Encyclopedic Dictionary, 1994
4
Vgl. Ferdinand Kürnberger: Der Amerikamüde. Insel-Verlag Frankfurt/Main 1986
5
Vgl. Henry Marx: Deutsche in der Neuen Welt. Westermann Verlag,
Braunschweig 1983, S. 403
6
Ebd., S. 100
Überlegungen zu den Materialien:
1) Welche Bildinformationen lassen auf Gründe für die
Massenauswanderung 1849 schließen? M 1
2) Welche Vorwürfe erhebt der Vater gegenüber seinem
Sohn? M 3 Was rät er ihm? Welches Schicksal droht
ihm, wenn er den väterlichen Rat nicht befolgt?
3) Welche Hoffnungen, Erfahrungen und Enttäuschungen
kommen in den Liedtexten M 4 , M 5 zum Ausdruck?
4) Worin sieht Carl Schurz (s. M 6 und M 7 ) die Bedeutung der »Forty-Eighters« für die USA? M 9
Heckers Farm in Summerville/Illinois
Journal of the Illinois State Society.
Aus: Alfred G. Frei (Hrsg.): Friedrich Hecker in den USA.
Eine deusch-amerikanische Spurensicherung. Stadler Verlag,
Konstanz 1993, S. 25
38
2. Materialien
M1
»Rundgemaelde von Europa im August MDCCCXLIX«
Lithographie von F. Schröder, Düsseldorf, 1849. Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, Münster
M 2 Die
Auswanderung
in die USA
250 000 –
Graphik von Bong
(Bernhard Bütterlin). Nach: Klaus
J. Bade (Hrsg.):
Deutsche im
Ausland. Fremde
in Deutschland.
Migration in
Geschichte und
Gegenwart.
C. H. Beck Verlag,
München, 1992
200 000 –
150 000 –
100 000 –
1840
1842
1844
1846
1848
1850
1852
1854
1856
1858
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
0–
–
50 000 –
1860
39
Brief des Heidelberger Universitätsprofessors
Tiedemann an seinen Sohn Gustav Tiedemann in
Rastatt:
Heidelberg, den 16. Juli 1849
Mein Sohn!
Mit wahrer Betrübniß, muß ich offen bekennen, habe ich
Deine Zeilen vom 10. Juli erhalten, die mir leider die traurige Gewißheit brachten, daß Du Dich in Rastatt befindest. Bisher hielt mich das Vertrauen zu Deiner Ehrenhaftigkeit und Besonnenheit davon ab, der in öffentlichen
Blättern verbreiteten Nachricht, daß Du Kommandant von
Rastatt seiest, Glauben zu schenken. Sehr schmerzhaft
hast Du mich aus dieser Täuschung gerissen.
[...]
Du wirst nun die Ueberzeugung gewinnen, daß Du
nicht im Bunde bist mit ehrenhaften Männern, sondern mit niederträchtigen,
ehrsüchtigen, geld-gierigen,
verblendeten
Menschen,
mit einer wahren Räuberbande und dem Auswurfe
aller Nationen Europa’s,
eine
schändliche
und
schlechte Sache vertheidigst.
[...]
Du gehörst zu den wenigen
edlen Gemüthern, die in der
neuesten Zeit durch den
glänzenden Wunsch, dem
deutschen Volke Einheit
und Freiheit erringen helfen,
vom rechten Wege abgelenkt und zum bedenklichsten Aeußersten hingerissen sind. Das erkenne und bedenke! [...]
Mache einen Versuch, wenn Du es vermagst, die irregeleiteten und verblendeten Soldaten, welche ihren
Fahneneid gebrochen, und im Rausche ihre Fahnen in
den Kot getreten haben, unter denen Tausende gefochten, geblutet und gesiegt, [...] zur Besinnung und Pflicht
gegen das Vaterland zurückzuführen.
[...] Solltest Du durch Gottes Gnade erleuchtet, zur Einsicht kommen, daß Du auf falschen Wegen wandelst, und
solltest Du meinen Bitten Gehör gebend, so glücklich
sein, den Kampf in Rastatt zu beendigen, dann hoffe ich
und wünsche ich, daß Du Gnade finden mögest.
Verlasse alsdann Deutschland und Europa so schnell als
möglich, und gehe zu Deinem durch Hecker verführten
jüngsten Bruder nach Amerika. Die Mittel zur Ueberfahrt
werde ich Dir bei Deinem Onkel in Bremen anweisen.
Ernähre Dich als fleißiger Landmann. Es ist der einzige
Weg, der Dir im glücklichsten Fall übrig bleibt. [...]
Nochmals beschwöre ich Dich, Dein Ohr nicht den Bitten
dem Rathe Deines alten Vaters und Deiner tiefbetrübten
Mutter zu verschließen. Bedenke, daß alle die mannigfaltigen Widerwärtigkeiten, die Dich im Leben betroffen haben, vorzüglich daraus entsprungen, daß Du für guten
Rath taub warst.
Von Dir hängt es ab, ob Dies die letzten Zeilen sind, die
M3
Du von der Hand Deines Vaters zu Gesicht bekommst.
Gott erleuchte Dich, das ist jetzt der einzige Wunsch, den
Dein treuer Vater hegt.
[gez.] Tiedemann.
C.B.A. Fickler: In Rastatt 1849. Rastatt 1899, S. 249ff.
Nachdruck der 2. Auflage von 1899 im Hebel-Verlag Richard Greiser Nachfolger
Oberst Gustav Tiedemann, der Kommandant der in Rastatt eingeschlossenen Truppen, wurde am 11. August
1849 standrechtlich erschossen.
M4
Abschiedslied: »Leb wohl, du teures Land«
2. Dort kennt man nicht die stolzen Fürstenknechte.
Verprassend nur des Landmanns sauren Schweiß.
Dort freut der Mensch sich seiner Menschenrechte,
er erntet auch die Frucht von seinem Fleiß.
Es quälen ihn nicht jene Müßiggänger,
durch Fürstengunst betitelt und besternt.
Das Sklavenwort »Euer Gnaden« und »Gestrengen«
ist aus dem Reich der Sprache weit entfernt.
3. Nach diesem Lande laßt uns, ihr Brüder, ziehen,
es folge mir, der die Freiheit liebt und ehrt;
ein neu’s Leben wird dort uns blühen,
und Gott ist’s, der die Wünsche uns gewährt.
Schon schlägt die längst ersehnte Stunde,
der Abschiedstag, ihr Brüder, ist jetzt da,
und bald erschallt aus unsrem Munde:
Wie gut, wie gut ist’s in Amerika.
Aus der mündlichen Überlieferung, Mitte 19. Jahrhundert;
Verfasser: Friedrich Hecker; Fassung: Hubert Stelker, Haslach/Kinzigtal. Parodie auf ein in den 30er Jahren beliebtes Abschiedslied »Bertrands Abschied« (General Bertrand begleitete
Napoleon I. ins Exil nach St. Helena.)
Nach einem französischen Urtext »Adieu Français. Adieu France
chérie« und einer Melodie von Fr. Glück.
© Deutsches Volksliedarchiv Freiburg. 1. Strophe mit Noten über
Berthold Schreiber/Christof Rieber
40
M5
Lied: »Freunde, bleibet hübsch im Lande«
1. Freunde, bleibet hübsch im Lande,
Und ernährt euch redlich dort.
Im amerikanischen Sande
Kommt ihr noch weit wen’ger fort.
Sonne auf den Pelz euch brennt.
Plagen, die ihr hier nicht kennt,
Regnen dort auf euch herab,
Und das Geld ist knapp.
»Fliegendes Blatt gedruckt zu Dresden«
Mitte 19. Jahrhundert
Verf.: Anonym
Komp.: Anonym
Dieses Lied wurde um die Mitte des 19. Jahrhunderts auf fliegenden Blättern verbreitet und gegen die Massenauswanderung
verwendet.
Willibald Walter. Sammlung deutscher Volkslieder, Leipzig 1841.
Lied Nr. 115. S. 186–188
© DVA Freiburg
M6
Carl Schurz’ »Flucht durch den Abwasserkanal«
[...] und nach einigen Stunden tiefen Schlafs wachte ich
mit dem Gedanken auf: »Heute wirst du gefangen und vielleicht morgen schon totgeschossen.« Um zwölf Uhr mittags sollten die Truppen aus den Toren marschieren und
draußen
auf
dem
Glacis der Festung vor
den dort aufgestellten
Preußen
die
Waffen
strecken. Ich hörte bereits die Signale zum Antreten auf den Wällen und
in den Kasernen, und ich
machte mich fertig, zum
Hauptquartier hinauf zu
gehen. Da schoß mir
plötzlich ein Gedanke
durch den Kopf. Ich erinnerte mich, daß ich vor
wenigen Tagen auf einen
unterirdischen Abzugskanal für das Straßenwasser aufmerksam gemacht worden war, der
bei dem Steinmaurer Tor
aus dem Innern der Stadt
unter den Festungswerken durch ins Freie führte. Er war wahrscheinlich
ein
Teil
eines
unvollendeten Abzugssystems. Würde es mir
nicht möglich sein, durch
diesen Kanal zu entkommen? Würde ich nicht,
wenn ich so das Freie erreichte, mich bis an den Rhein
durchschleichen, dort einen Kahn finden und nach dem
französischen Ufer übersetzen können? Mein Entschluß
war schnell gefaßt – ich wollte es versuchen.
Zusammen mit meinem Burschen Adam und einem mir
bekannten Artillerieoffizier namens Neustädter folgte ich
der letzten Kolonne eine kurze Strecke. Dann schlugen
wir uns in eine Seitengasse und erreichten bald die innere Mündung unseres Kanals. Ohne Zaudern schlüpften
wir hinein. Es war zwischen ein und zwei Uhr nachmittags
am 23. Juli.
Nach abenteuerlicher Flucht durch den finsteren und engen Abwasserkanal und Überwindung zahlreicher unerwarteter Hindernisse erreichten die drei die Öffnung der
Kanalröhre außerhalb der Stadt. Ein Arbeiter half ihnen, in
der dritten Nacht nach Beginn der Flucht einen Kahn zur
Überfahrt an das französische Rheinufer zu finden.
Aus: R. Wersich (Hrsg.): Carl Schurz – Revolutionär und Staatsmann. Sein Leben in Selbstzeugnissen, Bildern und Dokumenten.
2. Aufl., mit freundlicher Genehmigung der Stadt Rastatt. 1986,
S. 53
Carl Schurz machte sich bereits ein Jahr später (1850) vollends zum Hochverräter, indem er seinen akademischen
Lehrer, Professor Gottfried Kinkel, unter abenteuerlichen
Umständen aus lebenslänglicher preußischer Haft in Berlin-Spandau befreite und mit ihm nach England floh.
M7
Schurz bei Bismarck (1888)
Zweiter Besuch beim »Eisernen Kanzler«: Der Holzstich zeigt Carl
Schurz und Otto von Bismarck im Jahre 1888 (1. Mai) im Reichskanzlerpalais, Berlin.
© Archiv für Kunst und Geschichte, Berlin
41
M 8a
Hecker Illustration
einer deutschen Siedlung – und kämpfte in der
Republikanischen Partei von Illinois für die Abschaffung der Sklaverei und die Wahl Lincolns
zum Präsidenten. Im Bürgerkrieg kämpfte er an
der Seite der Bataillone des Generals Sigel […],
der ebenfalls aus Baden kam. […] In der Schlacht
von Chancellorsville, US-Bundesstaat Virginia, in
der die Unionstruppen im Mai 1863 gegen die
Südstaaten-Truppen unterlagen, wurde Hecker
[…] verwundet. Zehn Jahre später stattete er seinem Geburtsort seinen einzigen Besuch ab, wollte aber nicht in Deutschland bleiben, sondern
kehrte auf seine Farm zurück, wo er starb. In St.
Louis wurde Hecker ein Denkmal gesetzt.
Aus: Henry Marx: Deutsche in der Neuen Welt. Westermann Verlag, Braunschweig 1983, Biographischer Anhang ohne Seitenangabe
M9
Friedrich Heckers (1811–1881) politischer Kampf in Deutschland
und den USA:
Oben links als badischer Landtagsabgeordneter, rechts als Führer
der badischen Revolution, unten links als Offizier der Unionstruppen im amerikanischen Bürgerkrieg, rechts als politischer Redner
in seinen späten Jahren.
Aus: Wersich, Carl Schurz, S. 83. Hebel-Verlag R. Greiser; mit
freundlicher Genehmigung der Stadt Rastatt
M 8b Friedrich Hecker
geb. 1811 in Eichtersheim (Baden)
gest. 1884 in Belleville (Illinois)
Friedrich Hecker kam als einer der ersten Revolutionäre
von 1848 schon im Oktober dieses Jahres in New York an,
wo er von einer großen Zahl von Deutschamerikanern mit
schwarz-rot-goldenen Fahnen begrüßt wurde. Hecker
kaufte sich eine Farm in der Nähe von Belleville, Illinois –
Carl Schurz:
German »Forty-Eighters« in the USA
[…] the »Forty-Eighters« brought something like
a wave of spring sunshine into that life. They
were mostly high-spirited young people, inspired
by fresh ideals which they had failed to realize in
the old world, but hoped to realize here; ready to
enter upon any activity they might be capable of;
and eager not only to make that activity profitable but also to render life merry and beautiful;
and, withal, full of enthusiasm for the great American Republic which was to be their home and
the home of their children. Some had brought
money with them; others had not. Some had
been educated at German universities for learned
professions, some were artists, some literary
men, some merchants. They at once proceeded
to enliven society with artistic enterprises. One of
their first and most important achievements was
the organization of the »Musical Society« of
Milwaukee, which, in an amazingly short time,
was able to produce oratorios and light operas in
a really creditable manner. The »German Turn-Verein« not
only cultivated the gymnastic arts for the benefits of its
own members, but it produced »living pictures« and similar exhibitions of high artistic value. The Forty-Eighters
thus awakened interests which a majority of the old
population had hardly known, between the native American and the new-comer. The establishment of a German
theater was a matter of course, and its performances,
which indeed deserved much praise, proved so attractive
that it became a sort of social center in the »German
Athens of America«, as Milwaukee was called at that
time. It is also true that, in a few instances, the vivacity of
this spirit ran into attempts to realize questionable or
extravagant theories. But, on the whole, the inspiration
proves itself exhilaratingly healthy, not only in the social,
but soon also in the political sense.
Aus: The Lion and the Eagle. Ein amerikanisch-englisches Lesebuch. Von Karl Weiler. Verlag G. Braun, Karlsruhe 1968,
S. 139–140
42
VIII. Großbritannien und die
deutsche Revolution
1848/49
1. Erläuterungen
Neben dem Kampf um politische Freiheit war 1848/49
das Ringen um die Einheit der Deutschen ein Brennpunkt der Auseinandersetzungen. Hätte dabei die Gründung eines Deutschen Reiches zu einem europäischen
Krieg geführt?
Das zaristische Rußland war ein entschiedener Gegner
der Revolution und wollte Preußen und Österreich, aber
auch die Mittelstaaten uneingeschränkt erhalten wissen.
In Frankreich sympathisierte man mit den Liberalen jenseits des Rheins, doch die bisherige Denkweise herrschte weiterhin vor, wonach Deutschlands Schwäche die
Stärke Frankreichs sei.
Presseorgane in Großbritannien meinten, abwarten zu können. Die Darstellung mit dem Motto »There is no place like
home« M 1 charakterisiert das vorherrschende Selbstverständnis der Engländer. Das zufriedene Ehepaar mit neun
Kindern wärmt sich am Kamin. Ein Bild der jugendlichen
Königin Victoria leuchtet über der Idylle. Der Vater hat die
Zeitung abgelegt, in der von den kontinentalen Staaten Europas berichtet wird. Die Randzeichnungen deuten auf die
Unruhen hin (von oben): Aufstände in Italien, Beschießung
des revolutionären Wiens durch kaiserliche Truppen, Verehrung napoleonischer Insignien in Paris, Barrikadenkämpfe
in Frankreich mit Parolen des Sozialismus und der Frauenrechte, wobei der Anarchist Proudhon die Fahne schwingt
mit seiner Parole »Eigentum ist Diebstahl«, Barrikadenkämpfe auch in Deutschland, ein fliehender Fürst, der
seine Krone verliert, die Erschießung Robert Blums vor
Wien, das Spiel mit einer neuen deutschen Kaiserkrone
zwischen Konservativen, Liberalen und Radikalen, schließlich militärische Auseinandersetzungen, die in Italien, aber
auch in Schleswig-Holstein stattfinden könnten.
Großbritanniens Außenpolitik war auf den Erhalt des
Friedens innerhalb eines europäischen Gleichgewichts
ausgerichtet und wollte den wachsenden Handel im ständig größer werdenden Empire gesichert sehen. Da die
Könige von England bis 1837 zugleich Könige von Hannover waren, bestand eine enge Verbindung mit dem
Deutschen Bund. Die Trennung dieser Personalunion
durch die Thronbesteigung Königin Viktorias minderte
das Interesse des englischen Hofes nicht, zumal Viktoria
mit Prinz Albert von Sachsen-Coburg-Gotha einen Deutschen geheiratet hatte. Durch ihn verstärkte sich am Hof
die Ansicht, daß angesichts der revolutionären öffentlichen Meinung in Deutschland »die Ausbildung volkstümlicher Regierungsformen und die Herstellung eines einigen Reiches [...] am dringendsten« zu fordern sei.
Großbritanniens Regierung, Parlament und Presse nahmen aber unterschiedliche Standpunkte ein. Demnach
hielten spätere deutsche Historiker nicht zuletzt die britische Regierung dafür verantwortlich, die deutsche Einheit entscheidend verhindert zu haben, weil ein deutsches Reich das europäische Gleichgewicht beeinträch-
tigt hätte M 2 . Die Politik Großbritanniens muß jedoch im
Zusammenhang mit der Entwicklung in Schleswig und
Holstein gesehen werden M 3 , M 4 . Seit dem 17. Jahrhundert war Schleswig dänisches Lehen, zugleich aber in
Realunion mit Holstein, das sich seit 1815 im Deutschen
Bund befand. 1848 veröffentlichte die dänische Krone auf
Drängen der Nationalliberalen eine Gesamtstaatsverfassung mit Einschluß Schleswigs. Beide Herzogtümer versuchten sich nun von Dänemark zu lösen, und das Frankfurter Vorparlament beschloß, Schleswig »unverzüglich in
den Deutschen Bund aufzunehmen«. In den Herzogtümern bildete sich eine provisorische Regierung, deren
Truppen allerdings den Dänen weit unterlegen waren.
Darum bat man den preußischen König um Hilfe, der alsbald Garderegimenter unter General von Wrangel entsandte. Dieser führte im Auftrag des Deutschen Bundes,
der die provisorische Regierung anerkannte, das 10.
Bundesarmeekorps.
In der Paulskirche fand der Widerstand in Schleswig-Holstein ein außerordentliches Echo, ja man wollte darin ein
Exempel für den künftigen Rang eines vereinten Deutschlands erkennen. Die Dänen erhielten indessen durch
Schweden diplomatische Unterstützung; Rußlands absolutistische Legitimisten konstatierten nur eine »Rebellion«
in den Herzogtümern gegen die rechtmäßige Krone, und
die junge französische Republik versuchte, durch Einflußnahme internationales Prestige zu gewinnen. So wurde
der Konflikt rasch eine europäische Frage.
Der britische Preminierminister Palmerston votierte für
»nonintervention« und strebte Verhandlungen an. Man
stand dabei zunächst auf dänischer Seite als dem
schwächeren Teil, unabhängig davon, ob Dänemark Verträge gebrochen habe und die Deutschen in Schleswig
»dänisiere«. Man fragte sich, ob Deutschland ein besseres Recht auf Schleswig habe als auf andere Regionen, in
denen auch Deutsch gesprochen werde, wie Elsaß-Lothringen, Teilen der Schweiz und in russischen Ostseeprovinzen. Außerdem betonten die Dänen immer wieder,
Deutschland wolle sich eine Flotte schaffen, was die
führende Seemacht England und ihr Interesse am »Bosporus der Ostsee« tangiere.
Auf Drängen der Großmächte schloß Preußen am 26. 8.
1848 den Waffenstillstand von Malmö, nachdem Wrangel
schon Teile Jütlands besetzt hatte. Dies führte in Frankfurt zu einer Krise, weil besonders die Linken der Nationalversammlung, die dem Waffenstillstand zugestimmt
hatte, nationales Versagen vorwarfen. Die Paulskirchenmehrheit erkannte die Ohnmacht von Reichsregierung
und Parlament, konnte man doch Preußen nicht zwingen,
den Krieg fortzuführen. (Vgl. M 3 )
In Großbritannien war für den Fall der Annahme der Kaiserkrone durch Friedrich Wilhelm IV. ein Krieg zwischen
Preußen und Österreich befürchtet worden. Obwohl in
gesellschaftspolitischer Ausrichtung völlig konträr, näherte sich Großbritannien Rußland an. Trotz preußischer
Truppenerfolge nach Ablauf des Waffenstillstands drängte man auf erneute Waffenruhe, die im Frieden zu Berlin
1850 besiegelt wurde: Schleswig verblieb bei Dänemark,
jedoch mit eigener Verfassung. Der status quo wurde
1852 im Londoner Protokoll formell wiederhergestellt.
Aber hätte es auch eine andere Möglichkeit gegeben?
( M 4 ). Das Gleichgewicht in Europa schien gesichert.
43
Überlegungen zu den Materialien:
1) Welche historischen Entwicklungen um 1900 mögen
den Autor von M 2 nach dem Ersten Weltkrieg beeinflußt haben?
2) Wie unterscheidet sich der Autor von M 4 , der auch
britische Unterlagen auswertete, von M 2 ?
3) Haben sich die Abgeordneten der Paulskirche zu aus-
führlich mit den Grundrechten und einer Verfassung
beschäftigt, statt zügig eine staatliche Einheit der
Deutschen herbeizuführen? M 3
4) Wie verhielt sich Großbritannien bei der Reichsgründung 1871 und bei der Vereinigung Deutschlands 1990
unter den jeweils veränderten europäischen Gegebenheiten?
2. Materialien
[...] Welche Gesichtspunkte leiteten denn die englische
Politik? Zwei Dinge wollte man vor allem verhindern: eine
weitere Stärkung der schon bedrohlich anwachsenden
Macht Rußlands und die
Entstehung eines Siebzigmillionenreiches auf mitteleuropäischem Boden. Daraus ergab sich als Folge:
entweder Förderung der sogenannten kleindeutschen
Lösung oder das Bestreben,
den alten deutschen Dualismus aufrecht zu erhalten,
wobei es darauf ankam, die
Rechte Österreichs nicht
allzusehr zu schmälern.
Wenn man diese beiden
Anschauungen in die englische Parteipolitik einordnen
will, so ergibt sich, daß für
die erste Lösung mehr die liberalen Kreise, für die zweite im wesentlichen die Tories eintraten.
[...] Mit dem Dasein der alten
Großstaaten Europas hatte
man sich abgefunden, aber
was man im allgemeinen
nicht wollte, war, daß aus
den deutschen Einheitsbestrebungen ein starker Staat herauswuchs, der zur See
und im Handel England Schwierigkeiten bereitete.
M1
Karikatur in der Zeitschrift »Punch« 1849
Punch 1849, Vol. 16, p. 27/28, London, published at the Office 85,
Fleet Street
© Badische Landesbibliothek Karlsruhe
Hans Precht: Englands Stellung zur deutschen Einheit 1848–50.
Historische Zeitschrift, Beiheft 3. München und Berlin, 1925,
S. 178
M2
– M 4 England und die deutsche Einheit
M2
[...] Die Hoffnungen, mit denen man in Deutschland in den
Frühlingstagen des Jahres 1848 auf England geschaut
hatte, erfüllten sich nicht. Ohne eingehende Kenntnis der
politischen Faktoren hatte man geglaubt, daß auch in dieser schicksalsschweren Krise, wie früher so oft, englische
und deutsche Interessen Hand in Hand gehen müßten.
[...] Um England zu veranlassen, im Ringen um die deutsche Einheit aus seiner kühlen Reserve herauszutreten,
hätte es einer eingehenden diplomatischen Vorarbeit bedurft. In dieser Beziehung hatte man so gut wie nichts getan.
M3
Die Gefahr eines allgemeinen europäischen Krieges, die
Palmerston beschwor, um den Waffenstillstand von Malmö zu rechtfertigen, war in Wirklichkeit ein harmloser Kinderschreck; und manche der Frankfurter Liberalen erkannten, daß – was die auswärtigen Mächte betraf –
Großbritannien ihnen eine Demütigung aufzwang, nicht
Frankreich oder Rußland. [...] Die Schaffung eines »Kleindeutschland« hätte Großbritannien einen Ersatz für die
»natürliche Allianz« mit Österreich geliefert – einen Verbündeten, der nicht nur geistesverwandter, sondern auch
stärker war. Die britische Politik trug in der SchleswigHolsteinischen Frage dazu bei, dieses Ergebnis zu verhindern; sie arbeitete für Frankreich und Rußland, ohne
44
daß diese Mächte auch nur einen Finger rührten. Die dunkle Ahnung dieses Widerspruchs erregte bei Palmerston
und anderen britischen Politikern Verärgerung über den
»Haufen von Kindern« in Frankfurt. Als Palmerston ein
wenig später Bunsen, dem preußischen Gesandten in
London, erklärte: »Gegen die Idee eines Deutschen Reiches läßt sich nichts sagen, außer daß niemand fähig zu
sein scheint, sie zu verwirklichen«, übte er in Wirklichkeit
Kritik an denen, die Schleswig für einen unerläßlichen Bestandteil eines vereinigten Deutschland hielten.
[...] Die deutsche Frage überraschte – in allen ihren
Aspekten – die Staatsmänner Europas, und man behandelte sie beiläufig, nicht als eine dringende Angelegenheit.
A.J. Taylor: The Struggle for Mastery in Europe 1848–1918. Oxford 1954; aus »Die Deutsche Revolution von 1848/49«, hrsg. von
Dieter Langewiesche, Wege der Forschung CLXIV, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt, 1983, S. 193–221 (Auszug S.
204)
M4
Es ist doch gewiß ganz falsch zu sagen, daß Palmerston
oder ein anderes Mitglied des Kabinetts [...] die Einigung
Deutschlands im Sinne Gagerns hätte verhindern wollen.
Im übrigen ist auch gar nicht einzusehen, was für Motive
England auf einen solchen anti-deutschen Kurs hätten
drängen sollen. Ein starkes, liberales Deutschland hätte
die Mitte Europas beherrscht und dem Vordringen des
russischen Einflusses Einhalt gebieten können. Nichts
hätte England willkommener sein können, als zu sehen,
daß Deutschland den Bannkreis der Heiligen Allianz verließ und sein Gewicht auf die Seite der Westmächte
brachte.
Aus diesem Grunde fand Gagerns Plan ja auch die Zustimmung Palmerstons, sobald seine ersten Umrisse
London mitgeteilt wurden. Und dieser Plan behielt die Zustimmung Palmerstons und des britischen Kabinetts, als
die preußische Regierung beschloß, ihn ohne die Nationalversammlung auszuführen. [...]
Daß England [...] wohlgesonnen war, wurde freilich in
Deutschland wenig verstanden, denn wenige Deutsche
vermochten zu unterscheiden, daß England zwar die
deutsche Einigung billigte, aber nicht die Deutschen in
der schleswig-holsteinischen Frage unterstützen wollte.
Alle Schwierigkeiten in den deutsch-britischen Beziehungen in dieser Zeit entsprachen nicht irgendeinem wichtigen Aspekt der deutschen Einheit, sondern hingen mit
den Grenzfragen im Norden zusammen. Während die nationalistische Partei in Deutschland starke juristische Argumente ins Feld führte, um Schleswig letzten Endes für
Deutschland zu gewinnen – in ähnlicher Weise, wie die
Dänen aus nationalistischen Motiven das Herzogtum zu
besitzen wünschten – waren andererseits die britischen
Staatsmänner überzeugt, daß es den britischen Interessen entspreche, am Ausgang der Ostsee den territorialen
Status quo zu erhalten.
Günther Gillessen: Lord Palmerston und die Einigung Deutschlands. Die englische Politik von der Paulskirche bis zu den Dresdner Konferenzen (1848–1851). Historische Studien Heft 384,
Matthiesen Verlag, Lübeck und Hamburg, 1961, S. 152
IX. Die Nachwirkungen der
Revolution
1. Erläuterungen
Welche Lehren zieht man aus der Geschichte der Revolution von 1848/49? Jede Generation und jeder deutsche
Staat zog aus dem Geschehen eigene Konsequenzen,
die Revolution wurde zum Argument der politischen Auseinandersetzung. Die Ergebnisse dieses Nachdenkens
wurden vor allem bei Jubiläumsfeiern an die Öffentlichkeit getragen und verraten »auf diese Weise mehr über
die Feiernden als über das gefeierte Ereignis.«1
Die Wirkungsgeschichte der Revolution von 1848 beginnt bereits vor ihrem Ende. Während in Rastatt noch
gekämpft wurde, begann die publizistische Auseinandersetzung um die Revolution und ihre Bedeutung, zumeist
in Form von Schuldzuweisungen und Verratsbezichtigungen und darauf antwortenden Rechtfertigungen. Der emigrierte Lorenz Brentano machte aus der Schweiz am 1.
Juli 1849 den Anfang: »Von den Fürsten ein Hochverräther, von Euern Vertretern in Freiburg (d.h. den Mitgliedern der Verfassungsgebenden Versammlung) ein Landesverräther genannt, überlasse ich Euch das Urtheil, ob
ich solche Behandlung verdiene.«2 Verrat, moralisches
Versagen als Ursache der Revolution – berühmt wurde in
diesem Zusammenhang die Rede des preußischen Königs über die Rolle der Lehrer und ihre »Afterweisheit«3 –
oder als Grund ihres Scheiterns – das Urteil über die
deutsche Revolution von 1848/49 wird von jetzt an politisch funktionalisiert, und jeder, der ein solches Urteil fällt,
steht bewußt oder unbewußt in einem dieser Traditionszusammenhänge. Vor allem die Jubiläen waren immer
wieder Anlaß, die alten Legenden wiederzubeleben oder
alte Rechnungen zu begleichen. So versagte der Gouverneur von Rastatt 25 Jahre nach dem Fall der Festung die
Genehmigung zur Aufstellung eines Denkmals für die Toten von 1849, und das großherzogliche Bezirksamt Lörrach verbot noch 1898 eine Kranzniederlegung am Grabe
des 1849 erschossenen Friedrich Neff (s. Photo unten).4
M 1 gibt Herweghs Rückblick am 25. Jahrestag der
Berliner Barrikadenkämpfe wieder. Der Dichter ist inzwischen Sympathisant der Arbeiterbewegung geworden
und stellt sich in einen Traditionsrahmen, der fast parteioffiziell geworden ist: Die Sozialdemokraten feierten den
18. März, während das nationalliberale Bürgertum am Sedanstag einer anderen Tradition huldigte und die eigene
revolutionäre Vergangenheit als Jugendsünde abtat. Herweghs Drohung »Noch sind nicht alle Märze vorbei« wurde von konservativer Seite aufgenommen ( M 2 ) und die
Revolution auch als Argument für obrigkeitsstaatliches
und militaristisches »Durchgreifen« verwendet. Daß die
SPD 1898 bereits den Revisionismus diskutierte und
selbst Kautskys Formulierung, die Sozialdemokratie sei
eine »revolutionäre, nicht aber Revolutionen machende
Partei« eine Absage an die »klassische« Form der Revolution enthält, blieb diesem Denken verborgen.
Bestätigen wird sich dies erst nach der Novemberrevolution von 1918. Das Jubiläum von 1923 ( M 3 ), das die
Weimarer Republik in schwerer Krise zu einer Vergewis-
45
serung ihres Selbstbewußtseins inszenierte, fand am 18.
Mai, dem Tag des Zusammentritts der Nationalversammlung, nicht am 18. März statt, und der Sozialdemokrat
Ebert präsentiert sich als Staatsmann der nationalen Einheit. Von Sozialismus oder Revolution ist in seiner Ansprache keine Rede, und nicht einmal ein klassenkämpferischer Appell zu mehr sozialer Gerechtigkeit stört die
nationale Einheit. Daß das Erbe von 1848 nicht unumstritten war, zeigen die Kurzmeldungen der ‘Frankfurter Zeitung’. Von der Rechten wurde die Veranstaltung als Parteiangelegenheit angesehen, ein Vorwurf, der bereits in
den Verfassungsdebatten von 1919 – man denke nur an
den Flaggenstreit – geäußert wurde. Der Versuch einer
demokratischen Traditionsstiftung für die Republik gelang nur bei denen, die ohnehin demokratisch dachten.
Die Abwesenheit des bayerischen Ministerpräsidenten
und ihre Begründung – ein halbes Jahr vor dem HitlerPutsch – ist sicher kein Zufall.
Daß die Wahl des Datums schon ein Politikum ist, zeigen
die Feiern zum 100. Jahrestag 1948 ( M 4 ). Die SED und
die im »Antifaschistischen Block« verbündeten Parteien
berufen sich auf das Erbe des 18. März; das »Neue
Deutschland« vermerkt hämisch, daß eine Veranstaltung
im Westen Berlins nur von 20 000 Teilnehmern besucht
worden sei, während der eigene Aufruf »Am Donnerstag
das ganze Volk« mehr als 100 000 Bürger des »fortschrittlichen Berlin« vom Gendarmenmarkt zum Friedhof Friedrichshain an die Gräber der Märzgefallenen geführt habe.
Die Reden der drei Parteivorsitzenden vor dem II. Volkskongreß sind daher auch in erster Linie eine Abrechnung
mit allen Kräften, die in den Westzonen auf die Gründung
der Bundesrepublik hinarbeiteten.
Der Aufruf zur Einheit unter SED-Vorzeichen scheint in
Südbaden auf kritisches Echo gestoßen zu sein. Auf der
Freiburger Jahrhundertfeier am 25. April – am 24. April
1848 war der Sturm der Freischaren Sigels auf Freiburg
abgeschlagen, die Stadt von Regierungstruppen erobert
worden – warnt der Kommentator vor einer Überbewertung der Einheit zu Lasten der Freiheit und kann sich
dabei auf Rottecks »Badenweiler Toast« von 1832 berufen. M 4 c
Merkwürdig unpolitisch mutet aus heutiger Sicht die zentrale Feier in Frankfurt am 18. Mai an. Kein künftiger »Verfassungsvater«, nicht Theodor Heuss oder Carlo Schmid
hielt die Festrede, aus der sich das Selbstverständnis der
künftigen Republik hätte ablesen lassen, sondern ein
Dichter und Schriftsteller, und nicht einmal einer der bedeutendsten, nicht Alfred Döblin oder Thomas Mann,
sondern der expressionistische und pazifistische Dramatiker Fritz von Unruh, der durch seine eigene Biographie –
Offizier im Ersten Weltkrieg, 1932 Emigration nach Frankreich, 1940 dort interniert, dann in die USA, nach 1945
mehrmalige Rückkehr – als Zeuge deutscher Irrwege
dazu berufen war. Seine Deutung des 1848er Geschehens und der Katastrophe des Nationalsozialismus M 4 e
– im Vergleich zu dem Feindbild, das die Politiker der
künftigen DDR bereits entwickelt haben – ist von einem
etwas unbestimmten Idealismus. Die Anteilnahme der
Bevölkerung war nach dem Kommentar der »Zeit« M 4 d
zurückhaltend und weist auf die wahren Nöte der Zeit hin,
die von der künstlichen Begeisterung des »Neuen
Deutschland« M 4 b übertüncht waren.
Anmerkungen
1
W. Siemann: Auf der Suche nach einer Friedensordnung: Das Jubiläum
der Revolution von 1848 im Nachkriegsdeutschland. Geschichte als Argument. 41. Deutscher Historikertag München, 1996, Skriptenheft I, S.
30
2
Lorenz Brentano: An das badische Volk. Feuerthalen..., den 1. Juli 1849.
Stadtarchiv Freiburg.
3
Siehe Franzjörg Baumgart: Zwischen Reform und Reaktion. Preußische
Schulpolitik 1806–1859, Darmstadt 1990, S. 187
4
Siehe F.X. Vollmer: Vormärz und Revolution 1848/49 in Baden. Modelle
zur Landesgeschichte 1, Frankfurt-Berlin-München 1979, S. 187
Überlegungen zu den Materialien:
1) Worin sieht Herwegh ( M 1 ) die treibenden Kräfte der
Revolution von 1848, und welche Konsequenzen zieht
er aus dieser Sicht? Vgl. die konservative Deutung im
Kaiserreich in M 2 .
2) Wie versucht Reichspräsident Ebert ( M 3 a ) die Revolution von 1848/49 zu aktualisieren? Läßt seine Rede
erkennen, daß Ebert einer der in M 2 angeprangerten
Sozialdemokraten ist?
3) Revolutionsfeier Ost – Revolutionsfeier West ( M 4 ):
Wie werden die Erfahrungen des »Dritten Reiches« verarbeitet, welche Konsequenzen und Schuldzuweisungen ergeben sich daraus? Welche Traditionslinien werden zur Revolution von 1848/49 gezogen?
Grabsäule für den 1849 in Freiburg standrechtlich erschossenen
Revolutionär Friedrich Neff in Rümmingen/Krs. Lörrach.
Die Inschrift »Wer so wie Du fürs Vaterland gestorben, der hat
sich ew’gen Ruhm erworben!« mußte durch die Angehörigen wieder entfernt werden und konnte erst nach 1918 wieder angebracht werden.
Photo: H. Kraume
46
2. Materialien
M1
25 Jahre: Herweghs Rückblick am 18. März 1873:
Achtzehnter März
Achtzehnhundert vierzig und acht,
Als im Lenze das Eis gekracht,
Tage des Februar, Tage des Märzen,
Waren es nicht Proletarierherzen,
Die voll Hoffnung zuerst erwacht
Achtzehnhundert vierzig und acht?
Achtzehnhundert vierzig und acht,
Als du dich lange genug bedacht,
Mutter Germania, glücklich verpreußte,
Waren es nicht Proletarierfäuste,
Die sich ans Werk der Befreiung gemacht
Achtzehnhundert vierzig und acht?
Achtzehnhundert vierzig und acht,
als du geruht von der nächtlichen Schlacht,
Waren es nicht Proletarierleichen,
Die du, Berlin, vor den zitternden, bleichen
Barhaupt grüßenden Cäsar gebracht
Achtzehnhundert vierzig und acht?
Achtzehnhundert siebzig und drei,
Reich der Reichen, da stehst du, juchhei!
Aber wir Armen, verkauft und verraten,
Denken der Proletariertaten –
Noch sind nicht alle Märze vorbei,
Achtzehnhundert siebzig und drei.
Herweghs Werke in einem Band. Ausgewählt und eingeleitet von
Hans-Georg Werner. Bibliothek deutscher Klassiker. Aufbau-Verlag, Berlin und Weimar 1980, S. 283f.
M2
50 Jahre – 1898
Vorwort zu einer 1899 erschienenen deutschen Quellensammlung zur Revolution von 1848/49:
[...] Seit 50 Jahren ist zwar unser teueres Vaterland von
weiteren Revolutionsausbrüchen verschont geblieben,
der Revolutionsgeist jener Zeit ist aber leider auch heutigen Tags noch nicht verschwunden, und wer mit unbefangenem Blick in die Gegenwart hineinschaut, dem kann
es nicht entgehen, daß es auch jetzt nicht an Geistern
fehlt, welche mit Energie und Schlauheit darauf ausgehen, den Samen der Unzufriedenheit unter das Volk auszustreuen und alle Klassen und Schichten desselben mit
dem alten Revolutionsgeist zu erfüllen. [...]
Die Sozialdemokraten unserer Tage sehen jene Zeit gewissermaßen als die klassische Zeit ihrer Partei an, sie
feiern die damaligen Revolutionshelden als ihre Vorgänger und Vorkämpfer und sehnen sich nach einer Wiederkehr jener goldenen Zeit, wo es manchmal so schön
drunter und drüber zuging. [...] Das fortgesetzte wüste
Treiben der Revolutionäre, das überall ein Stocken der
Geschäfte und Unsicherheit aller Verhältnisse hervorrief,
brachte es dann aber auch zuletzt dahin, daß nicht nur
der bessere, sondern bald auch der größere Teil der Bevölkerung das Revoluzzen völlig satt bekam und
sehnsüchtig nach den Regierungen und Männern aus-
schaute, die den Mut hatten zu sagen: »bis hierher und
nicht weiter!« und die dann auch wirklich durch ihr energisches Auftreten bewirkten, daß die über das Ufer hinausgetretenen wilden Gewässer sich verliefen oder in ihr
natürliches Strombett zurücktraten. [...]
K. Hagenmeyer: Die Revolutionsjahre 1848/49. Karlsruhe 1899,
S. 1–4
M3
M 3a
75 Jahre – »Der Tag des ersten deutschen Parlaments«. Frankfurt, 18. Mai 1923
Aus der Rede Reichspräsident Eberts in der
Paulskirche:
[...] In den Freiheitskriegen hatte das deutsche Volk in
freiwilliger und bewußter Hingabe an den Gedanken einer
deutschen Nation sich die äußere Freiheit errungen; sein
Streben, nun auch aus der deutschen Vielstaaterei zum
nationalen Staat auf freiheitlicher Grundlage, zum Reich
zu kommen, scheiterte an dem Widerstand der deutschen Fürsten, dem nationalen Gedanken ein Opfer an
Souveränitätsrechten zu bringen. Treulich bewahrte trotz
alledem das deutsche Volk seit den Freiheitskriegen im
Zeichen des schwarz-rot-goldenen Banners das Ideal der
Einigung der deutschen Stämme und der inneren Freiheit.
In der großen Volksbewegung, die 1848 wie andere Nationen auch die Deutschen erfaßte, sollte an dieser Stätte
das politische Streben der Besten und Bedeutendsten
der Nation, sollte der Volksstaat des einigen und freien
Deutschland Verwirklichung finden. Zum ersten Male ging
aus allgemeinen Wahlen des ganzen deutschen Volkes
eine Vertretung Deutschlands hervor, die Nationalversammlung, ein Parlament von hohem geistigen Schwung,
von edelstem Wesen und starkem nationalen Bewußtsein. Dieser ersten Nationalversammlung gelang es, die
Grundrechte des deutschen Volkes und die Verfassung
des einigen Deutschen Reiches zu schaffen, aber es gelang ihr nicht, das Reich selbst aufzurichten. Dazu fehlten
ihr die realen Machtmittel; am Geiste der Kleinstaaterei
scheiterte ihr nationaler Wille. [...] Dann, als wiederum, 70
Jahre später, im Winter 1918/19 das deutsche Volk gezwungen war, sein Geschick selbst in die Hand zu nehmen, sein Staatswesen in den Nöten der Zeit neuaufzubauen, führte uns die Arbeit von Weimar zur Frankfurter
Paulskirche zurück, zu den Leitgedanken, die einst an
dieser Stätte geboren sind. [...]
Einheit, Freiheit und Vaterland! Diese drei Worte, jedes
gleich betont und gleich wichtig, waren der Leitstern, unter dem die Paulskirche wirkte. Sie sind auch Kern und
Stern des Daseinskampfes, den wir heute an Rhein, Ruhr
und Saar zu führen gezwungen sind. Dort stehen wir in
entschlossener Abwehr, um das einige Reich, um unsere
Freiheit zu erhalten, dort kämpfen alle Volksgenossen mit
äußerster Hingabe für den Staat des deutschen Volkes.
Diesen Geist der Einigkeit, der Freiheit und des Rechtes,
der uns auch in dieser tiefsten Not erhebt, wollen wir bewahren. Er soll und wird uns einer besseren Zukunft entgegenführen. [...]
Frankfurter Zeitung vom 19. 5. 1923, Erstes Morgenblatt
47
M 3b
M 3b
M 3c
Begleitnotizen der Frankfurter Zeitung zu
den Feierlichkeiten
Die Teilnahme des Hochschulrings
Das Presseamt des Frankfurter Hochschulrings ersucht
uns um die Aufnahme folgender Erklärung:
»Der Hochschulring deutscher Art hat sich entschlossen,
sich an den Parlamentsfeierlichkeiten in der Paulskirche
zu beteiligen, obgleich er der Ansicht ist, daß diese Feier
mit ihrem jetzigen Plan kein getreues Bild des politischen
Wollens unseres Volkes gibt.
Wenn er sich trotzdem beteiligt, so tut er es in der Absicht, deutlich in der Oeffentlichkeit alle einseitig politischen Bedenken zurückzustellen und zu zeigen, daß die
akademische Jugend weiß, daß ihr das Erbe von 1848
gehört.
Frankfurter Zeitung vom 18. 5. 1923, Erstes Morgenblatt
M 3c
Die Knillingsche Feier des 18. Mai
München, 25. Mai. Verschiedene Blätter haben sich mit
der Tatsache beschäftigt, daß der bayrische Ministerpräsident den 18. Mai, den Tag der Gedenkfeier in der Paulskirche, dazu benutzt hat, hier in München einer feierlichen
Messe anläßlich des Geburtstages des ehemaligen Kronprinzen Rupprecht beizuwohnen. Unter der Rubrik »Politische Brunnenvergiftung« polemisiert heute die »Bayrische Staatszeitung« gegen das, was sie als »TendenzFalschmeldung« bezeichnet. Es habe sich um eine einfache Messe gehandelt; außerdem sei die Einladung zum
fünfundsiebzigsten Gedenktage des Frankfurter Parlaments vom bayrischen Ministerpräsidenten zu einer Zeit
abgelehnt worden, als er von einer Abhaltung der Messe
noch nicht unterrichtet gewesen sei. Die Polemik der
»Staatszeitung« ist unwesentlich. Es steht fest, daß Herr
von Knilling den Besuch eines schlichten Gedenktages,
an dem das Reich und alle seine Länder sich offiziell beteiligten, abgelehnt hat mit der Begründung, es sei gegenwärtig keine Zeit zum Feiern, – und daß er gleichzeitig
für eine Feierlichkeit Zeit fand, die der Person des bayrischen Kronprätendenten galt. [...]
Frankfurter Zeitung vom 26. 5. 1923, Abendblatt
M4
100 Jahre – ein zweigeteiltes Jubiläum im Zeichen des Kalten Krieges: 18 März, 25. April oder
18. Mai 1948 ?
die 1848 geforderten Freiheiten in der hinter dem Brandenburger Tor beginnenden Welt heute ärger bedroht seien als vor hundert Jahren.
Merkwürdig zwiespältig war dieser regenübergossene
Feiertag der unglücklichen Stadt Berlin. [...] Es war ein
Wettrennen um die Symbole, das danach nicht mehr abriß. Alle kamen sie, die Feindlichen und die Freundlichen,
die Sozialisten und die Bürger, die Liberalen und die Orthodoxen, der Konsumverein und die Opfer des Faschismus, die Polizei und die Gewerkschaften, die Kommunisten und die Sozialdemokraten, und in das Mikrophon hinein versprachen sie, vollenden zu wollen, was »Die von
48« begonnen hatten. [...]
Die Zeit, 25. 3. 1948
M 4b
Berlin (Ost), 18. 3. 1948, Admiralspalast
Am 100. Jahrestag des Berliner Aufstands trat der vom
»Antifaschistischen Block« organisierte II. Volkskongreß
zusammen. Das »Neue Deutschland« gibt die Reden wieder:
Otto Grotewohl (SED):
Die deutsche Revolution von 1848 brachte nicht die Geburt eines bürgerlich deutschen Staates, sondern die
preußisch-militärische feudalistische Vormacht. Warum
hat Deutschland nicht ein gleiches oder ähnliches
Schicksal erleben dürfen wie die Mächte der liberalen
westlichen Welt? Warum war der deutsche Imperialismus
so explosiv und aggressiv in seinen Methoden? Warum
war der deutsche Geist überheblich, der deutsche Staat
militärisch und die deutsche Demokratie 1933 zum Faschismus fähig? Hier muß die Geschichte Antwort geben.
[...] Das deutsche Bürgertum konnte seine nationale Aufgabe 1848 nicht erfüllen, weil seine politische Kampffront
durch Uneinigkeit geschwächt war und weil die nationale
Kampffront durch den Verzicht auf ein Bündnis mit den
Arbeitern und Bauern zu schmal war. [...] Die in der deutschen Arbeiterbewegung organisierten Kräfte sind 1948,
auf sich allein gestellt, ebensowenig fähig, die Einheit
Deutschlands zu verwirklichen, wie es 1848 das auf sich
gestellte Bürgertum nicht konnte. Die Bereitwilligkeit der
Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands zu einer breiten fortschrittlichen Bündnispolitik entspringt darum tiefster politischer Ehrlichkeit und der Sorge um die Zukunft
der ganzen deutschen Nation (Beifall). Das ist die entscheidende Lehre aus der Märzrevolution 1848.
Neues Deutschland, 18. 3. 1948 (Auszug)
M 4a
Das Brandenburger Tor als Barrikade
Unter diesem Titel berichtet »Die Zeit« über die Feiern
zum 18. 3. 1948 in Berlin:
Man muß Radio haben, um die Weltgeschichte und seine
eigene deutsche Erinnerung zu kennen. Und in Berlin, so
erwies sich an diesem Jubiläumstage, vor allem das richtige Radio und nicht irgendein beliebiges. Denn aus dem
einen erfuhr man, daß der »Volkskongreß« sich entschlossen habe, zu vollenden, was die Barrikadenkämpfer 1848 angefangen hatten, und aus dem anderen, daß
M 4c
Freiburg, Straßenbahnhalle, 25. 4. 1948:
Die badische Landesregierung und der Oberbürgermeister luden zu einer Jahrhundertfeier ein. Die ‘Badische
Zeitung’ kommentierte:
[...]
Auch wir sind heute nach den Jahren der nationalsozialistischen Tyrannei wieder am Werk, eine auf dem Fundament demokratischer Freiheit aufgebaute staatliche Ordnung zu verwirklichen und die rechte Form für eine Ge-
48
meinschaft der deutschen Länder und Landschaften zu
finden. Das Beispiel von 1848 mahnt uns, dabei die politischen Gegebenheiten nicht aus dem Auge zu verlieren
und bei der Einschätzung der Reihenfolge der Werte den
rechten Maßstab anzulegen. Ein Wegbereiter der Ideen
von 1848, der Freiburger Professor und Abgeordnete von
Rotteck, sagte schon im Jahre 1832 auf einer liberalen
Versammlung in Badenweiler: »Ich will lieber Freiheit
ohne Einheit als Einheit ohne Freiheit.« An Einheit hat es
uns in den dunkelsten Jahren unserer Geschichte, die wir
hinter uns haben, gewiß nicht gemangelt, und daß wir die
Einheit verloren haben, hatte sicher seine wesentlichste
Ursache darin, daß wir uns unter der Diktatur der Freiheit
begeben hatten. Wenn wir wieder zu dem unentbehrlichen Maße von Einheit kommen wollen, dessen wir zum
Leben bedürfen, werden wir es weder erringen noch behaupten können ohne die Grundvoraussetzung der Freiheit.
Badische Zeitung 23. 4. 1948
M 4d
Frankfurt, 18. 5. 1948:
Tage der Selbstbesinnung
Die Paulskirche ist das eindrucksvollste Sinnbild der
deutschen Demokratie. Aber sie ist es immer nur wenigen
gewesen. Ihre Tradition wurzelt nicht im Volk. Das war
wohl der tiefere Grund für die Teilnahmslosigkeit der Bevölkerung gegenüber der Frankfurter Hundertjahr-Feier;
sie hatte weder für den Aufbau der Kirche noch für die
festliche Akzentuierung der Gedenktage Verständnis. Ja,
viele verfolgten die Feier sogar mit einer gewissen Feindseligkeit. Es ging ihnen nicht ein, daß man eine Kirche
aufbaute, wo es doch an Wohnhäusern fehlt. [...] Eine
Frau, die mit ihrem Kind als Ostflüchtling im Frankfurter
Hauptbahnhof vergeblich auf ein Obdach wartete, habe
[...] gesagt: »Ich werde von Eurer Demokratie so viel hal-
ten, als ihr für mein Kind und mich tut, um uns vor dem
Zugrundegehen zu schützen.« Das ist der Prüfstein des
Wahrheits- und Ehrlichkeitsgehaltes alles dessen, was in
der Paulskirche und über sie gesprochen wurde.
Robert Strobel, Die Zeit vom 27. 5. 1948
M 4e
Freiheit des Menschen – Freiheit des Staates
Rede des Dichters Fritz von Unruh zum 18. Mai 1948 in
der Frankfurter Paulskirche
Als sich vor hundert Jahren, am 18. Mai 1848, über dreihundert Abgeordnete im Kaisersaal versammelten [...] –
da faßte ein Gesandter aus Mailand die erregte Erwartung
des Augenblicks in die Worte: »Ganz Europa scheint zu
fühlen, daß der Schwerpunkt seiner Zukunft in der Paulskirche liegt!«
Und heute? – Anno 1948. Heute. In dieser von der Kriegsfurie so gräßlich verwüsteten Stadt? Fühlen wir Heutigen
den Schwerpunkt Europas hier in der Paulskirche? [...]
1848, da fühlten unsere Vorväter noch in sich selber den
Schwerpunkt! Er hieß: Wille zur Freiheit. [...]
Keine klassenlose Gesellschaft, die auf ihren Bannern
statt das Hakenkreuz jetzt Hammer und Sichel schwingt!
Sondern eine Gesellschaft von Einzelwillen, die sich zwischen dem »Ja« zum Recht und dem »Nein« zum Unrecht
entschieden hat für den Gott in der eigenen Brust. Die
sich in dem großen Advent der Menschheit, in dieser
Trennungsstunde von Bestie und Mensch, entschieden
hat zu jener schon heraufdämmernden einigen Welt! In
der alle Völker zusammengeschweißt in einem einzigen
Weltregiment die Erdgüter so weise verteilen, daß keine
Atombombe mehr wie das Damoklesschwert über uns
hängt – sondern der Freude schöner Götterfunken uns
alle eint in des Lebens neuer Gestaltung. [...]
Frankfurter Rundschau, 20. 5. 1948
»1848/49.
Die deutsche Revolution in Europa«
Seminar der Landeszentrale für politische Bildung
vom 19. bis 21. Januar 1998 in Bad Urach
Zum Thema dieses Hefts veranstaltet die Landeszentrale für politische Bildung
Baden-Württemberg für Lehrer(innen) aller Schularten ein Seminar. Dabei stehen
politische Lieder und politische Druckgrafik der Revolution im Mittelpunkt. Ihre
(fächerverbindende) praktische Umsetzung für den Unterricht soll überwiegend teilnehmerzentriert ausprobiert werden.
U.a. mit öffentlichem Konzert der Gruppe »Gälfiaßler« mit ihrem neuen Programm
»Katzenmusik – Ein himmlisches Singspiel aus der Revolution 1848/49« und mit
Eröffnungsreferat von Frau Privatdozentin Dr. Irmtraud Götz von Olenhusen/Universität Freiburg
Leitung: Dr. Christof Rieber, Karl-Ulrich Templ, LpB –
Auskünfte, Programm und Anmeldung bei Karl-Ulrich Templ, Lpb, 07 11 / 23 71– 3 89
49
Auswahlbibliographie
P Alter, Peter: Nationalismus. Frankfurt am Main 1985. 3.
Aufl. 1990 = edition suhrkamp. Neue Historische Bibliothek Bd. 1250
P Börner, Karl Heinz: Kaiser Wilhelm I. 1797 bis 1888.
Deutscher Kaiser und König von Preußen. Eine Biographie. Pahl-Rugenstein, Köln 1984 (fundierte DDRUntersuchung)
P Deutsche und Polen in der Revolution von 1848/49:
Dokumente aus deutschen und polnischen Archiven,
hrsg. für das Bundesarchiv von Hans Booms, Boldt,
Boppard am Rhein 1991
P Fenske, Hans (Hrsg.): Quellen zur deutschen Revolution 1848–1849. Wissenschaftliche Buchgesellschaft,
Darmstadt 1996 (neueste Quellensammlung)
P Frei, Alfred Georg/Hochstuhl, Kurt: Wegbereiter der
Demokratie. Die badische Revolution 1848/49. Der
Traum von der Freiheit. Braun, Karlsruhe 1997 (mit
neuesten Literaturhinweisen)
P Hauser-Hauswirth, Angelika / Wehling, Hans-Georg
(Hrsg.): Die großen Revolutionen im deutschen Südwesten. Band 27 Schriften zur politischen Landeskunde
Baden-Württembergs. Kohlhammer Verlag, Stuttgart
1998
P Hippel, Wolfgang von: Revolution im deutschen Südwesten. Band 26 Schriften zur politischen Landeskunde Baden-Württembergs. Kohlhammer Verlag, 1998
P Huber, Ernst Rudolf (Hrsg.): Dokumente zur deutschen
Verfassungsgeschichte, Bd. 1: Deutsche Verfassungsdokumente 1803–1850. Stuttgart 3. Aufl. 1978
P Hummel-Haasis, Gerlinde (Hrsg.): Schwestern zerreißt
eure Ketten. Zeugnisse zu Geschichte der Revolution
von 1848/49. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1982
P Krapp, Berthold: Ludwig Mieroslawski, »Obergeneral«
der Revolutionsarmee. Die Mitwirkung von Polen an
der badischen Volkserhebung des Jahres 1849 im Lichte des gesamtpolnischen Freiheitskampfes. In: ZGO
123 (1975), S. 227–241
P Krausnick, Michail: Die eiserne Lerche. Die Lebensgeschichte des Georg Herwegh. Beltz & Gelberg, Weinheim 1993 (Jugendbuch)
P Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg (Hrsg.): Revolution 1848/49 in Baden und Mitteldeutschland. Stuttgart 1984 = Die deutsche Frage im
Unterricht (jetzt: Deutschland & Europa) H. 2 (Unterrichtsvorschläge, Tafeln, Materialien, Erläuterungen)
P Langewiesche, Dieter: Die deutsche Revolution von
1848/49 und die vorrevolutionäre Gesellschaft: Forschungsstand und Forschungsperspektiven. Teil II. In:
Archiv für Sozialgeschichte Bd. 31 (1991), S. 331–443
(kritische Gesamtschau u. a. hervorragend für gezielte
Fragen)
P Langewiesche, Dieter: Europa zwischen Restauration
und Revolution 1815–1849. Oldenbourg, München
1993, 3. überarb. und erw. Auflage
P Makowski, Krzystof: Das Großherzogtum Posen im
Revolutionsjahr 1848. In: Rudolf Jaworski/Robert Luft
(Hrsg.): 1848/49 – Revolutionen in Ostmitteleuropa.
Oldenbourg, München 1996, S. 149–172
P Müller, Michael G. / Schönemann, Bernd: Die »PolenDebatte« in der Frankfurter Paulskirche. Darstellung,
Lernziele, Materialien. Frankfurt 1991 = Studien zur
internationalen Schulbuchforschung Bd. 68
P Reiter, Annette: Die Sammlung A. W. Heil: Politische
Druckgrafik des Vormärz und der Revolution 1848/49.
Deutscher Sparkassen-Verlag, Stuttgart 1994, (zu
beziehen nur bei Stadtarchiv Butzbach, Markplatz 1,
35510 Butzbach) (Standardwerk für Bildquellen)
P Reiter, Herbert: Politisches Asyl im 19. Jahrhundert.
Duncker und Humblot, Berlin 1992
P Siemann, Wolfram: Die deutsche Revolution von
1848/49. Frankfurt am Main 1985. 5. Aufl. 1993 = edition suhrkamp Neue historische Bibliothek Bd. 1266
(Gesamtdarstellung auf der methodischen Grundlage,
die Wechselwirkung unterschiedlicher Handlungsebenen der Revolution zu erfassen, mit zahlreichen für den
Unterricht geeigneten Tafeln und Tabellen)
P Siemann, Wolfram: Vom Staatenbund zum Nationalstaat. Deutschland 1806–1871. C.H. Beck: Neue Deutsche Geschichte Bd. 7, München 1995 (dort die gesamte weitere Literatur)
P Vollmer, Franz X: Der Traum von der Freiheit. Vormärz
und 48er Revolution in Süddeutschland in zeitgenössischen Bildern. Theiss Verlag, Stuttgart 1983 (Fundgrube für kommentierte Bildquellen).
50
AV-Medien
Zusammengestellt von: Hanns-Georg Helwerth,
Landesbildstelle Württemberg, Stuttgart.
P Reportagen aus der Geschichte
Barrikaden für die Republik
Septemberaufstand in Frankfurt
Video, 15 min, F, 1987
Adressaten: SI
Anhand der Bürgerunruhen des Septembers 1848 auf
dem Frankfurter Römerberg thematisiert der Film in
Dokumentarspielszenen und simulierter »aktueller«
Berichterstattung die Frage, warum der Traum vieler
Deutscher von einem geeinten, demokratischen
Deutschland scheiterte. 42 00892
P Das neunzehnte Jahrhundert; 5
Die Revolution achtzehnhundertachtundvierzig bis
achtzehnhundertneunundvierzig (1848–49)
Ort der Hoffnung, Symbol der Demokratie
Video, 30 min, F+Sw, 1975
Adressaten; SI, SII, J, E
Februar-Revolution, Barrikaden-Kämpfe in Wien und
Berlin, Frankfurter Nationalversammlung, Scheitern
der Revolution (s.a. 32 51640). 42 51346
P Das neunzehnte Jahrhundert; 9
Parteien im Deutschen Reich
Video, 30 min, F, 1977
Adressaten; SI, SII, J, E
Fraktionen der Frankfurter Nationalversammlung,
politische Grundströmungen und Parteigründungen
ab 1860, Reichsverfassung, Wahlsystem, Hypotheken
des deutschen Parteiensystems. (s.a. 32 51658)
42 51350
P Die nationalen Symbole der Deutschen
Video, 22 min, F, 1992
Adressaten; SI, SII, J, E
Der Film schildert die wechselvolle Geschichte der
nationalen Symbole der Deutschen vom Zeitalter
Napoleons und der Befreiungskriege bis zur Wiedererlangung der deutschen Einheit im Jahr 1990. Dabei
wird deutlich, daß Hymne und Fahne nicht nur den
Wunsch nach Einheit zum Ausdruck bringen.
42 01490
P Die Paulskirche
Ort der Hoffnung, Symbol der Demokratie
Video, 23 min, F+Sw, 1989
Adressaten; SI, SII, J, E
Der Film gibt einen Überblick über Ursachen, Ziele
und Verlauf der bürgerlichen Revolution 1848/49 in
Deutschland, eingebettet in die Geschichte des
Gebäudes der Paulskirche in Frankfurt. Zeitgenössische Darstellungen zum politischen Geschehen
geben zusammen mit Zitaten beteiligter Politiker ein
anschauliches Bild. 42 00849
P Die Revolution achtzehnhundertachtundvierzig bis
achtzehnhundertneunundvierzig (1848–49)
Video, 16 min, F, 1991
Adressaten; SI, SII
Ausgehend von der Februarrevolution in Paris werden
an zeitgenössischen Darstellungen die wichtigsten
revolutionären Ereignisse in den Ländern des Deutschen Bundes, besonders in Österreich und Preußen,
die Arbeit der Paulskirche und das Scheitern der
Revolution gezeigt (s.a. 32 10116) 42 01963
P Reportagen der Geschichte
Der Zug der Marburger Demokraten
Die Turner und die Revolution
Video, 15 min, F, 1987
Adressaten: SI, J, E
Das Videoband zeigt in Dokumentarbeispielszenen
und simulierter »aktueller« Berichterstattung, wie sich
Demokraten in Marburg entschlossen haben, unter
der Schwarz-Rot-Goldnen Fahne, dem Symbol eines
freien, geeinten, demokratischen Deutschlands,
bewaffnet nach Hanau zu ziehen, um dort die Revolution zu unterstützen. 42 00891
P Der Zeugenberg
Einblick in die Geschichte des Hohenasperg
Video, 20 min, F, 1996
Adressaten; SI, SII, J, E
Längsschnitt durch die Geschichte des Hohenasperg.
Die Schwerpunkte des Films liegen auf den folgenden
Themen: Der Asperg als Sitz eines bedeutenden
Keltenfürsten, der Ausbau des Hohenasperg zur
Landesfestung im Mittelalter, der Hohenasperg als Ort
der Unterdrückung der demokratischen Bewegung
(Schubart, die Revolution von 1848/49, NS-Zeit), der
Hohenasperg als Gefängnis bzw. Gefängniskrankenhaus. 42 61898
Landeszentrale für politische Bildung
Baden-Württemberg
Stafflenbergstraße 38
70184 Stuttgart
Tel. 07 11/23 71-391, Fax -495
DEUTSCHLAN D & E UROPA
Reihe für Politik, Geschichte,
Geographie, Deutsch, Kunst
L
d
l fü
& EEuropa
D E U T S C H L A ND
U R O PA (bis Heft 19 unter dem Titel »Die Deutsche Frage im Unterricht«) richtet sich in erster
Die Reihe »Deutschland
und
Linie an Lehrkräfte der Unterrichtsfächer Politik, Geschichte, Geographie, Deutsch und Bildende Kunst.
Die Publikationen wenden sich darüber hinaus an alle interessierten Jugendlichen und Erwachsenen.
Die Zeitschrift soll deutsche und europäische Themen in historischer und politischer Perspektive darstellen.
Sie erscheint zweimal im Jahr und wird durch die Robert Bosch Stiftung und die Stiftung für Bildung und Behindertenförderung finanziell unterstützt.
Die Hefte mit Bausteinen und Unterrichtsmaterialien sind speziell für den Unterricht an den allgemeinbildenden Schulen
erarbeitet. Die Exkursionshefte(*) sind für Schul- und Studienfahrten, für Partnerschaftsunternehmungen und auch für den
fächerverbindenden Unterricht eine Hilfe.
Von den bisher erschienenen Heften sind noch lieferbar:
(11. 97)
Heft 16
Der Harz und sein Vorland *
Heft 17
Philipp Melanchthon – ein Lehrer Deutschlands (Neudruck 1996)
Heft 26
Theodor Heuss
Heft 27
Wirtschaftlicher Umbruch Strukturwandel in den neuen Bundesländern
Heft 28
Zwischen Elbe und Neiße Nieder- und Oberlausitz *
Heft 29
Europäische Friedensschlüsse Deutschland in Europa 1648 -1815 -1919 - 1990
Heft 30
Sankt Petersburg Rußlands Fenster nach Europa *
Heft 31
Berlin Europäische Metropole und deutsche Hauptstadt *
Heft 32
Elsaß Europäische Region in Geschichte und Gegenwart *
Heft 33
Die Oder *
Heft 34
Wales *
Heft 35
»… bis es ein freies Volk geworden …« 1848/49: Revolution
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DER BÜRGER
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Spannendes Gedächtnisspiel mit 88 Bildkarten, Beiheft
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50,– DM (100,– DM) Neuauflage im Frühjahr ’97
100 großformatige vielseitig einsetzbare Fotos, Beiheft
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Aufblasbarer Würfel mit Bilder-Sätzen zu 10 Themen, Begleitheft
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Frage- und Antwortspiel für 2 bis 4 Spieler
200 Fragekarten, Spielfeld, Würfel, Spielanleitung
14,90 DM (29,80 DM)
Europa-Kartenspiel
45 Spielkarten zu Besonderheiten der EU-Staaten, mit Anleitung
5,– DM (8,– DM)
Bestellungen und Anforderung von Prospekten an: Landeszentrale für politische Bildung, Referat Arbeitshilfen, Hanner
Seite 1, 72574 Bad Urach (Telefon 0 71 25 / 152-134, Fax 0 71 25 / 15 21 00)
Die Landeszentrale für politische Bildung vetreibt einen eigenen Internetserver. Sie ist
seit Mai 1996 im World Wide Web vertreten und ist erreichbar unter der Adresse:
http: // www.lpb.bwue.de
Seit 1994 ist die Mailbox der Landeszentrale mit einem PC, einem Modem und einer
Terminalsoftware zu erreichen unter der Telefon-Nummer:
0 71 25 / 15 21 38 – 24 Stunden online
MAILBOX
Hinweise aus dem LpB-Referat Gedenkstättenarbeit
Zweiter Teil des Wegweisers zu Stätten des Widerstands und
der Verfolgung erschienen
Der Studienkreis Deutscher Widerstand und die Vereinigung der
Verfolgten des Naziregimes haben dieser Tage Teil 2 des Heimatgeschichtlichen Wegweisers zu Stätten des Widerstands und der
Verfolgung 1933 bis 1945 für die Regierungsbezirke Freiburg
und Tübingen herausgebracht. Das Projekt wurde durch die Landeszentrale für politische Bildung gefördert.
Mit dem bereits 1991 erschienenen ersten Teil liegt nun eine Ge-
samtübersicht für das Land Baden-Württemberg vor. Die Recherchen wurden jeweils auf Gemeindebasis durchgeführt und nach
Landkreisen zusamengefaßt. Sie weisen auf der einen Seite nach,
daß der Schrecken des NS-Systems allgegenwärtig war und keinen Landstrich verschonte; andererseits wird aber auch deutlich,
daß es zwar kaum den »großen« Widerstand gab, aber doch zahlreiche Versuche, sich den »aufrechten Gang« soweit wie möglich
zu bewahren.
Beide Bände sind unverzichtbar für eine aufgeklärte Heimatforschung, für eine orts- und personenbezogene Auseinandersetzung
mit der jüngeren Geschichte und für die Vorbereitung von Exkursionen.
Die Bände sind erschienen im Verlag für akademische Schriften VAS, 60486 Frankfurt-Bockenheim, Kurfürstenstraße 18.
Band 5/1, Regierungsbezirke Stuttgart und Karlsruhe, ISBN 3-88864-032-6, Preis 38,– DM
Band 5/2, Regierungsbezirke Freiburg und Tübingen, ISBN 3-88864-204-3, Preis 39,– DM
Thema des nächsten Heftes:
»Flandern«
Landeszentrale für politische Bildung
Baden-Württemberg
IV/4 Didaktik politischer Bildung: Siegfried Frech . . . . . . . . . . -482
IV/6** Arbeitshilfen: Werner Fichter . . . . . . . . . . . (0 71 25) 1 52 -147
Stafflenbergstraße 38 · 70184 Stuttgart
Telefax (0711) 23 71-4 96
Telefon (07 11) 23 71-30
Mailbox (0 71 25) 1 52-138
Internet http://www.lpb.bwue.de
Abteilung V Regionale Arbeit (Hans-Joachim Mann)
Fachreferate
V/1
Außenstelle Freiburg: Michael Wehner
(07 61) 2 87 73 77
V/2
Außenstelle Heidelberg: Dr. Ernst Lüdemann
(0 62 21) 60 78-14
V/3* Außenstelle Stuttgart: Hans-Joachim Mann
(07 11) 2 37 13 74
V/4
Außenstelle Tübingen: Rolf Müller
(0 70 71) 2 00 29 96
Durchwahlnummern
Direktor: Siegfried Schiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -385
Assistenz: Sabine Keitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -387
Öffentlichkeitsarbeit: Joachim Lauk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -484
Abteilung I Verwaltung (Klaus Jentzsch)
Fachreferate
I/1*
Partnerfragen: Klaus Jentzsch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I/2
Organisation und Haushalt: Jörg Harms . . . . . . . . . . . . . .
I/3** Haus auf der Alb: Erika Höhne . . . . . . . . . . (0 71 25) 152
I/4
DV-Organisation Stuttgart: Wolfgang Herterich . . . . . . . .
I/4*
DV-Organisation Stuttgart: Cynthia Bertazzoni . . . . . . . . .
I/4** DV-Organisation Bad Urach:
Siegfried Kloske . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (0 71 25) 152
Abteilung II Adressaten (Karl-Ulrich Templ, stellv. Direktor)
Fachreferate
II/1
N.N.
II/2** Frieden und Sicherheit: Wolfgang Hesse . . (0 71 25) 152
II/3
Lehrerfortbildung: Karl-Ulrich Templ . . . . . . . . . . . . . . . . .
II/4* Schule, Hochschule, Schülerwettbewerb:
Reinhard Gaßmann, Ass. Monika Greiner . . . . . . . . . . . . .
II/5
Außerschulische Jugendbildung: Wolfgang Berger . . . . .
II/6** Öffentlicher Dienst: Eugen Baacke . . . . . . . (0 71 25) 152
Abteilung III Schwerpunkte (Konrad Pflug)
Fachreferate
III/1
Landeskunde/Landespolitik:
Dr. Angelika Hauser-Hauswirth . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
III/2
Frauenbildung: Christine Herfel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
III/3** Zukunft und Entwicklung:
Gottfried Böttger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (0 71 25) 152
III/4** Ökologie: Dr. Markus Hug . . . . . . . . . . . . . . (0 71 25) 152
III/5* Freiwilliges Ökologisches Jahr: Konrad Pflug . . . . . . . . . .
III/6
Deutschland und Europa: Dr. Thomas Weber . . . . . . . . . .
III/7* Massenkommunikation und Medienpädagogik: N.N.
III/8* Gedenkstättenarbeit: Konrad Pflug . . . . . . . . . . . . . . . . . .
-379
-383
-109
-492
-499
Dienststellen
Zentrale in Stuttgart s.o.
* 70178 Stuttgart, Sophienstraße 26 -30, Telefax (07 11) 2 37 14 98
** Haus auf der Alb, Hanner Steige 1,
72574 Bad Urach, Tel. (0 71 25) ·152-0, Telefax (0 71 25) 152-100
-140
-390
Außenstelle Freiburg, Friedrichring 29,
79098 Freiburg, Telefon (07 61) 20 77 30, Telefax (07 61) 2 07 73 99
Außenstelle Heidelberg, Friedrich-Ebert-Anlage 22-24,
69117 Heidelberg, Telefon (0 62 21) 60 78-0, Telefax (0 62 21) 60 78-22
Außenstelle Stuttgart, Sophienstraße 28-30,
70178 Stuttgart, Telefon (07 11) 2 37 13 75, Telefax (07 11) 2 37 14 98
Außenstelle Tübingen, Herrenberger Straße 36,
72070 Tübingen, Tel. (0 70 71) 2 00 29 96, Telefax (0 70 71) 2 00 29 93
-373
-369
-136
Bibliothek Bad Urach
Bibliothek/Mediothek Haus auf der Alb
Gordana Schumann, Telefon (07125) 152-121
-137
-392
-487
-139
-146
-494
-488
-495
Abteilung IV Publikationen (Prof. Dr. Hans-Georg Wehling)
Fachreferate
IV/1 Wissenschaftliche Publikationen
Redaktion »Der Bürger im Staat«:
Prof. Dr. Hans-Georg Wehling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -371
IV/2 Redaktion »Politik und Unterricht«: Otto Bauschert . . . . . -388
IV/3 Redaktion »Deutschland und Europa«:
Dr. Walter-Siegfried Kircher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -391
Publikationsausgabe Stuttgart
Stafflenbergstraße 38
Dienstag 9 – 12 Uhr,
Donnerstag 14 –17 Uhr
☞ Nachfragen
»Deutschland und Europa«
Angelika Uhlig-Staudi, Telefon (07 11) 2 37 13 81
»Politik und Unterricht«
Verena Richter , Telefon (07 11) 2 37 13 78
»Der Bürger im Staat«
Ulrike Hirsch , Telefon (07 11) 2 37 13 71
Publikationen (außer Zeitschriften):
Ulrike Weber, Telefon (07 11) 2 37 13 84
☞ Bestellungen
Bitte schriftlich an die zuständigen Sachbearbeiterinnen (s. o.):
Stafflenbergstr. 38, 70184 Stuttgart, Fax 07 11/2 37 14 96
Reclam Graphischer Betrieb GmbH · 71254 Ditzingen

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