2. Polen: Die bis in die Zeit der Gentilgesellschaft zurückreichenden

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2. Polen: Die bis in die Zeit der Gentilgesellschaft zurückreichenden
2. Polen: Die bis in die Zeit der Gentilgesellschaft zurückreichenden Abgaben wurden in Polen
im allgemeinen jährlich in Naturalien entrichtet. Belege finden sich aber erst seit der Frühzeit des
Piastenstaates (→Piast←). Es handelt sich dabei in der Mehrzahl um Immunitätsprivilegien zur
Befreiung kirchlicher Institutionen, einzelner Großer oder neuangelegter Städte von den Lasten
des sog. fürstlichen Rechts (→ius ducale←). Durch die Ausweitung von Immunitäten und mit
der Verbreitung des deutschen Rechts (→ius teutonicum←) im Gefolge von Kolonisation und
→Landesausbau← löste sich das ältere Abgabensystem allmählich auf. Endgültig verschwanden
diese Abgaben, als die durch das fürstliche Recht bestimmte Staatsorganisation durch die
Ständemonarchie abgelöst wurde. Manche Abgaben wurden in eine Geldrente umgewandelt.
Da keine zeitgenössische Liste der Abgaben überliefert ist und die Quellen keinen einheitlichen
Wortschatz aufweisen, ist es nicht mehr möglich, eine genaue Übersicht über die einzelnen
Abgaben zu gewinnen. In ganz Polen verbreitet war im 11. und 12. Jahrhundert eine jährliche
Abgabe von jedem Bauernhof, die als podworowe ('Hofsteuer', von dwór 'Hof'), in Masowien
und Kujawien als podymne (im Sinne von 'Herdsteuer', von dym 'Rauch') bezeichnet wurde.
Später wurde diese nach der Größe des Hofes bestimmt, wobei man die Anzahl der gehaltenen
Ochsen zugrunde legte. Deshalb hieß sie powołowe ('Ochsensteuer', von wół 'Ochse'). Im
13. Jahrhundert verbreitete sich die neue Bezeichnung poradlne ('Hakensteuer', nach radło
'Haken') in Anlehnung an den Haken, ein dem Pflug ähnliches Ackergerät, nach dem man die
Ackerfläche (Hakenhufe) bezeichnete, die mit einem Haken bearbeitet wurde. Es ist unklar, in
welcher Form die Abgabe geleistet wurde (in Getreide oder in Borstenvieh, später auch Hornvieh
und Schafen). Sie wird z.T. mit der Abgabe identifiziert, die unter der Bezeichnung narzaz (poln.
narznąć 'Kerben anbringen') in den Quellen vorkommt. Diese Bezeichnung leitet sich von dem
alten fiskalischen Kontrollsystem des Kerbholzes ab (Einschneiden von Kerben in ein
zweigeteiltes Brett oder in einen Stock [poln. rzezanie], wovon der Einnehmer die eine Hälfte,
der Abgabenpflichtige die andere aufbewahrte). Daneben wird der narzaz als eine besondere
Abgabe interpretiert, bei der Borstenvieh und später Hornvieh abzuliefern war, oder als Entgelt
für das Recht, das Borstenvieh in den Wäldern weiden zu lassen. Eine andere in ganz Polen
verbreitete Abgabe hieß opolna (von opole). Jedes →opole← leistete eine Kuh und einen
Ochsen, in Großpolen und Masowien auch Honig.
Die Entwicklung der Ware-Geld-Beziehungen führte zur Umwandlung von Pflichten in
Geldleistungen, wie etwa der stróża ('Wacht'), die ursprünglich das Stellen bewaffneter Männer
zur Bewachung einer Burg regelte; allmählich wurde sie in eine Abgabe umgewandelt. Die
Bauern mußten sie an die Kastellane entrichten, zunächst in Fellen und Geld, später
wahrscheinlich in Getreide. Die porąb, eine Abgabe zur Instandhaltung der Burgen, ersetzte die
Pflicht, die Gräben um die Burg vom Eis freizuhalten, die pomostne (poln. most 'Brücke') die
Verpflichtung zum Brückenbau und zur Brückeninstandhaltung. Einer ähnlichen Entwicklung
unterlag die stan (lat. statio): Der Herrscher, sein Gefolge, aber auch seine Amtsträger und Jäger
samt ihren Tieren mußten, wenn sie unterwegs waren, von der Bevölkerung verpflegt und
beherbergt werden. Zusätzlich waren mit der stan, deren Umfang nicht fest umrissen war,
verschiedene Dienste (Spanndienste, Wegebau) verbunden. 1180 beschloß die Versammlung von
Łęczyca die Eingrenzung der stan, und Anfang des 13. Jahrhundert wurde sie in Schlesien in
eine feste Abgabe umgewandelt, die jährlich in Form von Honig, Vieh und außerdem noch mit
Geld und Heu zu entrichten war. In Kleinpolen wurden Getreide und Geld als stan abgeliefert.
Die stan für Jäger wurde in Hafer erhoben. Man nannte sie nach dem Zeitpunkt ihrer Einnahme
im November szron ('Rauhreif'), manchmal auch śreżna. Wo sie noch länger bestehen blieb, z.B.
in einigen Gebieten Oberschlesiens, bezeichnete man sie als Jägerhafer (poln. owies łowczy). Die
Quellen deuten an, daß es noch weit mehr Arten von Abgaben in Polen gab, die vielfach zu
bestimmten Gelegenheiten oder nur an bestimmten Orten üblich waren.
ANDRZEJ WẸDZKI
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URL: http://www.uni-leipzig.de/gwzo/wissensdatenbank/artikel.php?ArtikelID=5.2200

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