2. Polen: Mit den Anfängen des poln. Staates war die Entstehung

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2. Polen: Mit den Anfängen des poln. Staates war die Entstehung
2. Polen: Mit den Anfängen des poln. Staates war die Entstehung von Ämtern verbunden, die
nach heutiger Kenntnis in der Gentilgesellschaft noch nicht existiert haben. Einzelne Ämter
entstanden bereits kurz nach der Etablierung der fürstlichen Macht, die Herrschaftsausübung lag
aber allein in der Hand des Fs.en.
Als sich der poln. Staat im 10. und 11. Jh. territorial ausdehnte, wurde es erforderlich, Vertreter
des Fs.en einzusetzen, der das Staatsgebiet als Ganzes nicht mehr zu kontrollieren vermochte. Es
bildete sich eine zweigliedrige Verwaltung aus zentralen und regionalen Ämtern. Die Übernahme
des röm.-katholischen Christentums zur Zeit →Mieszkos I. ← († 992) hatte zur Folge, daß
solche Ämter wie auch die Amtsträger durch lat. Begriffe bezeichnet wurden, und daß auch
deren Inhalte übernommen wurden. Die zentralen Amtsträger, die hierarchisch gegliedert waren,
konzentrierten sich am Fürstenhof (→Hof←). Sie führten zugleich die Aufsicht über bestimmte
Bereiche der Verwaltung und der Wirtschaft des gesamten Landes.
Der höchste Amtsträger am Hofe war der comes palatinus, der anfangs hauptsächlich für die
Hofverwaltung, insbes. für die Finanzen und die Rechtsprechung über die Leute bei Hofe
zuständig war. Darüber hinaus vertrat er den Herrscher in der Rechtsprechung und bei der
Führung des Heeres, (daher die poln. Bezeichnung wojewoda, von wojsko 'das Heer' und
woodzić 'führen'; →Heeresorganisation←). Adere Amtsinhaber waren für den Staatsschatz
zuständig oder bekleideten die Hofämter, wie der Mundschenk (pincerna), der Truchseß
(dapifer), der Jägermeister (venator). Zeremonielle Aufgaben erfüllten der Schwertträger
(gladifer) und der Fahnenträger (vexillifer oder signifer). Diese Ämter existierten wahrscheinlich
schon unter →Bolesław Chrobry← († 1025); am frühesten belegt ist der Mundschenk (der
Reichsmundschenk Mieclaw, der nach →Mieszko II.← Masowien regierte [Gallus Anonymus
I,20] und der Mundschenk Sieciech der Jüngere Anfang des 12. Jh.). Nicht bekannt ist, welche
Aufgaben der Hofkämmerer (camerarius) zu versehen hatte.
Für ganz Polen war das A. des Kanzlers (cancellarius, 1112 erstmals erwähnt) von Bedeutung,
um den sich eine Kanzlei bildete; anfangs war sie für den Briefwechsel mit dem Ausland
zuständig. Unterstützt wurde der Kanzler durch Notare, die aus der fürstlichen Kapelle (capella
ducis) hervorgingen. Seit Ende des 12. Jh. erscheint zusätzlich ein Vizekanzler (vicecancellarius)
als Vorsteher der Kanzlei. Im Lauf der Zeit wurden die meisten Hofämter doppelt besetzt, so daß
beispielsweise ein Untermundschenk (subpincerna) und ein Untertruchseß (subdapifer)
auftraten. Möglicherweise erfüllten sie die eigentlichen Aufgaben, während die Inhaber der
Hauptämter die damit verbundenen Ehren und Vergünstigungen genossen.
Die Amtsträger des Fs.en auf dem Lande hatten ihren Sitz auf den fürstlichen →Burgen←; bis
zum Ende des 12. Jh. wurden sie →Kastellane← (castellani) genannt. Daneben gab es
Amtsträger für größere Gebiete (die vermuteten Provinzen ?). Möglicherweise haben die
Kastellane der Zentralburgen (sedes regni principales) solche Regionen verwaltet. Die
Kastellane nahmen umfangreiche Aufgaben im Gerichts-, Militär- und Finanzwesen wahr, mit
deren Durchführung sie weitere Amtsträger beauftragten. So gab es Burgrichter und Münzer
(monetarius), denen wiederum vermutlich die Verwalter (vlodarii, procuratores) untergeordnet
waren; sie übten die Schlüsselgewalt über die fürstlichen Güter aus. Noch nicht geklärt ist die
Funktionsteilung zwischen den Amtsträgern, die dem Kastellan untergeordnet waren, und
denjenigen, denen zentral die Verwaltung einzelner wirtschaftlicher Bereiche zugewiesen war.
Die Ausübung bestimmter Ämter, bes. der hohen Ämter, war ein Vorrecht der reichen Adligen,
die sich auf diese Weise an der Regierung des Staates beteiligten. Im 10./11. Jh. waren die
Amtsträger häufig aus der →Gefolgschaft← des Fs.en hervorgegangen. Wenn es die
Machtposition des Herrschers erlaubte, wurden auch einfache Ritter mit Ämtern ausgestattet, wie
jener zum Kastellan erhobene Gefolgsmann, der Fs. Kasimir Odnowiciel das Leben gerettet
hatte. Sieciech, ein einflußreicher Wojewode des Fs.en →Władysław Herman←, zog sich Ende
des 11. Jh. die Ungnade seiner Zeitgenossen zu, weil er ignobiles vero nobilibus preponebat
(Gallus Anonymus II,4). Dennoch blieb das Prinzip bestehen, daß die Wahrnehmung hoher
Ämter ein Vorrecht der Reichen war. Anders als in Böhmen war es in Polen nicht üblich, daß
Mitglieder des Fürstenhauses Ämter innehatten.
Die Anziehungskraft der Ämter beruhte auf den mit ihnen verbundenen Einkünften. Örtliche
Amtsträger bezogen einen Anteil an den Einnahmen, welche die fürstlichen Güter in ihrem
Zuständigkeitsbereich erbrachten. Ebenso zogen die Hofbeamten aus ihnen Gewinn. Weitere
Einkünfte erhielten sie z.B. aus der Abgeltung von Wach-→Diensten← und der Gewährung der
statio (→Abgaben←). Von Bedeutung waren auch die Anteile an den von den Gerichten
eingenommenen Strafgeldern und den erhobenen Zöllen. Dagegen spielte die Übertragung von
Grund und Boden als Gegenleistung für die Ausübung eines A.s eine geringe Rolle. Im späteren
MA erhielten die Amtsträger Gehälter; in Kleinpolen stammten diese zumeist aus den Einkünften
der Salzbergwerke.
Die Ernennung von Amtsträgern war ein Recht des Fs.en, das aber vom Fürstenrat eingeschränkt
werden konnte. Eine zeitliche Befristung gab es nicht, die Ausübung endete mit der Abberufung,
aber sie galt im Spät-MA auf Lebenszeit. Häufig wurden die Ämter aber bei einem
Thronwechsel neu besetzt. Die hohen Amtsträger und einflußreiche Kastellane spielten im
politischen Leben Polens eine große Rolle.
Während der Teilung Polens in Provinzen nach 1138 entstand auch an den Höfen der einzelnen
Teilfürsten ein hierarchisch gegliedertes System von Hofämtern. Das Netz der Kastellaneien
wurde dichter. Die zahlreichen vom Fs.en verliehenen Immunitäten schränkten jedoch den
Amtsbereich der Amtsträger und damit auch deren Einkünfte ein.
Obwohl sie dadurch ihres Inhalts beraubt wurde, blieb die Hierarchie der Amtsträger und auch
der Kastellanen-Titel als ein vom Herrscher verliehener Titel bis zur Zeit der Teilung Polens im
18. Jh. Erhalten.
ANTONI GĄSIOROWSKI
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(im Druck).